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Rückführung

Mit freundlicher Genehmigung des Pflaum Verlages veröffentliche ich hier ein Kapitel aus meinem Buch “Hypnose in der Therapie. Techniken und Fallberichte., Pflaum (2002)”

Ich halte dieses Thema für besonders wichtig, da immer mehr von dem sog. “Rebirthing”, zu Deutsch “Wiedergeburt” gesprochen wird. Dabei handelt es sich um die Rückführung bis zum Moment der Geburt, um frühkindliche Traumen aufzuarbeiten. Folgendes wird in der Regel angegeben:

Durch die bewusste, verbundene Rebirthing-Atmung nehmen wir mehr Energie als üblich auf. Der erhöhte Energiefluss löst unterdrücktes Material (Gefühle, Bilder, Gedanken). Da wir durch die Rebirthing-Atmung auch in Kontakt mit unserem Innersten Selbst sind, haben wir die Stärke, das was unterdrückt war anzunehmen und so zu integrieren.

So wirkt Rebirthing ganzheitlich, d.h. auf alle vier Aspekte des menschlichen Seins:

  1. Wirkung auf den Intellekt – gedankliche bzw. Vernunftebene – Ich denke.
    • Steigerung der Konzentrationsfähigkeit
    • Tiefere gedankliche Klarheit und Bewusstheit
    • Förderung des positiven Denkens
    • Negative Glaubenssätze (z.B. “Das werde ich nie schaffen.” “Das kann ich nicht.” “Ich bin nicht attraktiv.” “Ich bin nicht gut genug.”) können durch neue, positive ersetzt werden.
    • Intensivierung des kreativen Denkens
  1. Wirkung auf die Emotionen – Ebene des Fühlens – Ich fühle.
    • Auflösung von Ängsten
    • Transformation verletzter Gefühle und des damit verbundenen Schmerzes in Lebensfreude
    • Förderung von Liebesfähigkeit und Toleranz
  1. Wirkung auf den Körper – physische Ebene – Ich lebe.

Durch die tiefe, bewußte Rebirthing-Atmung werden sowohl körperliche Verspannungen gelöst als auch die Lebensenergie gesteigert, das bewirkt:

    • Aktivität und
    • körperliches Wohlbefinden
  1. Wirkung auf die Seele – spirituelle Ebene – Ich bin.

Die intensive Rebirthing Praxis führt zu folgenden Erfahrungen:

    • Tiefes Vertrauen (Selbstvertrauen, Vertrauen ins das Leben)
    • Verbundenheit mit allem, was ist (Menschen, Natur). Ich bin Teil von allem.
    • Ich bin, was ich bin (tiefe Selbsterkenntnis).

(Ende der Werbung für Rebirthing – Atemtechnik)

Mit der von mir bereits beschriebenen Atemtherapie hat Rebirthing nichts, aber auch gar nichts zu tun. Ich – und nicht nur ich – halte dieses Technik einfach für gefährlich für den Patienten. Es handelt sich schlechterdings um eine Hyperventilationstechnik!

Der Pschyrembel (Ausgabe 2002 Walter de Gruyter Verlag GmbH & Co. KG), das wohl beste und am meisten anerkannte “Klinische Wörterbuch”, schreibt:

“Hyper|ventilation f: im Verhältnis zum erforderl. Gasaustausch des Körpers gesteigerte alveoläre Ventilation mit normalem bis erhöhtem art. Sauerstoffpartialdruck bei Erniedrigung des CO2-Partialdrucks (Hypokapnie u. Alkalose); Urs.: psychogen (z. B. i. R. einer Somatisierungsstörung od. Angstneurose); metabolisch (z. B. bei Fieber, Hyperthyreose); bei Erkr. des ZNS (Läsion des Atemzentrums, Meningitis, Enzephalitis, Schädelhirntrauma u. a.); kompensatorisch als Folge einer Hypoxie, bei metabolischer Azidose; hormonell od. medikamentös bedingt, z. B. durch Progesteron, Adrenalin, Salicylsäure; induzierte H.: 1. in der neurol. Diagnostik Provokationsmethode für pathol. Veränderungen in der Elektroenzephalographie*; 2. Form der Beatmung* in der Intensivmedizin zur Reduktion des zerebralen Blutvolumens (durch zerebrale Vasokonstriktion bei CO2-Abfall) u. damit Senkung eines erhöhten Hirndrucks (z. B. nach Schädelhirntrauma).”

Es geht aus diesem Abschnitt klar hervor, dass es sich bei der Hyperventilation um einen pathologischen Zustand handelt. Das Gehirn wird geringer durchblutet und es kommt tatsächlich zu psychischen und physischen Erscheinungen. Die physischen Erscheinungen können bis zu Krampfanfällen und epileptischen Anfällen führen.
Darin sehe ich allerdings nicht die grösste Gefahr, denn diese Zustände sind reversibel. Als problematisch sehe ich die möglicherweise auftretenden psychischen Schäden an, die durchaus bleibend sein können oder nur durch eine langwierige Psychotherapie wieder zum Abklingen gebracht werden können.
Der Rebirthingtherapeut hat nicht die Möglichkeit, in das subjektive Geschehen oder Erleben des Patienten einzugreifen wie der Hypnosetherapeut. Er kann also auch nicht ausgleichend oder beruhigend wirken.
Die gleiche Problematik greife ich in dem nun folgenden Kapitel noch einmal auf. So viel jedoch noch: Was durch das Rebirthing erreicht werden kann, wird auch durch die hypnotische Rückführung erreicht; jedoch ohne in die Gefahr zu laufen, eine psychische oder physische Schädigung hervorzurufen.

Die Rückführung

Die Rückführung ist eines der interessantesten Gebiete der Hypnose. Aus diesem Grunde habe ich sie auch aus der alphanumerischen Auflistung der Hypnosegebiete herausgenommen und sie an das Ende dieses Buches gesetzt.

Rückführung bedeutet, dass ein Patient unter Hypnose in einen früheren Lebensabschnitt zurückversetzt wird. Es handelt sich dabei nicht um eine Auffrischung der Erinnerungen, sondern um das tatsächliche Erleben einer früheren Situation. Es ist wohl so, dass alles Erlebte in unserem Gehirn gespeichert ist, im Normalzustand aber nicht abgerufen werden kann. Der Vergleich mit einem Computer drängt sich förmlich auf.

Solange die HD nicht formatiert wurde, bleiben sämtliche Daten bestehen, obwohl der Befehl: “Löschen”, gegeben wurde. Nur der Zugriff auf die “gelöschten” Daten wird verweigert. Durch die sinnvolle Verwendung verschiedener Programme lassen sich alle Dateien wieder herstellen und abrufen.
Ebenso ist es mit unserem Gedächtnis. Durch die Hypnose können sämtliche Erinnerungen wieder abgerufen werden, mehr noch, sie können wieder real erlebt werden und der Proband wird in die gewählte Zeit zurückversetzt. Sein Verhalten, seine Sprechweise und seine Handschrift passen sich dem erreichten Alter an. Es ist sogar möglich, bis in die Zeit vor der Geburt zurückzugehen oder den Probanden die Geburtsstunde noch einmal durchleben zu lassen.
Allerdings bezweifele ich die Möglichkeit, den Patienten in ein früheres Leben zurückversetzen zu können. Dafür sind die Aussagen der Probanden zu uniform. Es wird sich hier wohl nur um die Reproduktion eines unterbewussten Wunschdenkens handeln. Allzuviele Patienten beschreiben ein Leben in Ägypten als Pharaonentochter oder das Leben am Hofe eines französischen Königs. Auch das Leben als General oder Senator im antiken Rom wird sehr oft genannt. Diese Länder, wenn es denn stimmen würde, hätten überbevölkert sein müssen. Niemals habe ich die Erinnerung an ein Leben als Bauer oder Diener in Germanien erlebt. Immer waren es interessante Erlebnisse, von denen berichtet wurde. Ein Beweis für die Wirklichkeit dieser Aussagen konnte natürlich nie erbracht werden, wobei sich die Rückführung bis ins Kindheitsalter sehr wohl verifizieren lässt. Das ist durch die Verwendung eines Dauerkalenders sehr einfach durchführbar. Der Patient braucht nur nach dem Wochentag eines für ihn wichtigen Datums gefragt zu werden. Dabei kann es sich um den Todestag der Eltern, dem Hochzeitstag der Geschwister oder ähnliches handeln. Ebenso kann der Proband gefragt werden, auf welchen Wochentag ein weit zurückliegender Geburtstag fiel. In der Regel werden diese Fragen immer richtig beantwortet. Ein Zufall ist auszuschliessen, weil die Wahrscheinlichkeit, dass durch einfaches Raten der richtige Wochentag genannt wird, nahezu Null ist.

Die Einsatzmöglichkeiten und die Gründe, eine Rückführung durchzuführen sind mannigfaltig. Ich erinnere an das Kapitel Raucherentwöhnung. Der Patient durchlebte den Moment, in dem er seine erste Zigarette rauchte und konnte den unangenehmen Geschmack und seine Gefühle noch einmal real empfinden.
Bei chronisch Kranken ist es sehr wirkungsvoll, sie in die Zeit zurückzuführen, in der ihr Leiden noch nicht bestand und sie das Gefühl der Gesundheit durchleben und geniessen zu lassen. Dadurch kann der Patient immer wieder zur Mitarbeit motiviert werden.

Ein Fall, der eine gewisse Komik in sich birgt, ist mir besonders in Erinnerung geblieben.

Es handelte sich um eine 42 jährige, verheiratete Frau, die darüber klagte, keinen Fisch zu mögen. Schon der Geruch allein, z. B. wenn sie an einem Fischgeschäft vorbei ginge, bereite ihr Übelkeit. Das besondere Problem läge darin, dass ihr Mann ein passionierter Sportangler sei und keinerlei Verständnis für ihre Abneigung habe. Auch könne sie ihn nie zu den Verbandstreffen begleiten, vor allem aber sei sie nicht dazu in der Lage, ihm ein Fischgericht zuzubereiten. Ihr Ehe sei durch diese Problematik zwar nicht ernsthaft gefährdet, jedoch belastet. Sie wolle nun durch eine Rückführung, über die sie schon viel gelesen hätte, herausfinden, woher diese Abneigung käme.

Die Hypnose

Auch bei der Rückführung wurde zunächst eine Leerhypnose durchgeführt. Die Patientin ließ sich gut hypnotisieren und konnte den Rapporten konzentriert folgen.

Vor der Rückführung war sie aufgeklärt worden, dass auch unschöne, ja sogar beängstigende Erinnerungen wieder ins Bewusstsein zurückgerufen werden könnten. Gleichzeitig konnte aber auch versichert werden, dass bei einer Rückführung unter Hypnose keine Gefahren, wie sie bei anderen Formen auftreten können, bestehen würden, weil der Hypnotiseur zu jeder Zeit mit dem Probanden in Verbindung stünde und helfend oder beruhigend eingreifen könne. Besonders unangenehme oder bedrohliche Situationen können sofort übergangen werden. Der Patient ist nicht allein gelassen.

Die Patientin wurde in den hypnotischen Schlaf versetzt.

  • “Sie schlafen nun tief und fest und fühlen sich sehr wohl. Nichts ist wichtig, nichts kann Sie stören.

Obwohl Sie tief und fest schlafen, können Sie sich auf meine Stimme konzentrieren und meinen Suggestionen folgen.
Obwohl Sie tief und fest schlafen, können Sie mit mir sprechen und auf meine Fragen antworten.
Wir werden nun in der Zeit zurückgehen. Die Zeit wird rückwärts ablaufen, immer schneller und schneller. Die Zeit läuft nun rückwärts, schneller und schneller. Schon ist ein Jahr vergangen.

Wir stoppen nun den Rücklauf der Zeit an einem angenehmen Punkt. Sie befinden sich nun an einem angenehmen Punkt ihres Lebens, vor einem Jahr.

Sagen Sie mir bitte, wie Sie sich fühlen und wo Sie sind.”

  • “Ich bin in Finale ligure an der italienischen Adria. Ich fühle mich sehr wohl.”
  • “Sind Sie allein in Finale und sagen Sie mir bitte, was sie dort machen.”
  • “Ich bin mit meinem Mann in Finale ligure, wir machen Urlaub.”
  • “Wo befinden Sie sich genau? Schauen Sie sich bitte um, Sie können alles sehen und mir beschreiben.”
  • “Wir sind am Strand. Ich liege in einem Liegestuhl. Vor mir ist das Meer. Es ist warm, die Sonne scheint von einem strahlend blauen Himmel. Mein Mann liegt neben mir. Hinter uns ist die berühmte Strandpromenade.”
  • “Was sehen Sie dort? Warum ist die Strandpromenade berühmt?”
  • “Ich sehe Palmen auf der Strandpromenade. Die Palmen sind über und über mit Rosen bewachsen. Im Hotel hat man mir gesagt, es sei die schönste Promenade der ganzen Riviera.”
  • “Wir verlassen nun dieses Bild und gehen weiter zurück in der Zeit. Die Zeit lauft wieder rückwärts, schneller und schneller.
  • Erneut taucht vor Ihnen ein Bild, eine Situation auf. Es ist eine Situation, die wichtig für Sie ist und an die Sie sich gerne erinnern. Sie werden sich aber nicht nur erinnern, Sie werden in der Situation sein und sie erleben. Der Rücklauf der Zeit bleibt nun stehen und Sie können mir sagen, wo sie sich befinden und was Sie empfinden.”
  • “Ich bin sehr aufgeregt. Ich werde heute heiraten, es ist mein Hochzeitstag.
  • Tatsächlich beschleunigt sich die Atmung der Patientin.
  • Mein Mann wird gleich kommen und mich zum Standesamt abholen.”
  • “Wo sind Sie und wer ist bei Ihnen?”
  • “Ich bin zu Hause. Meine Eltern sind bei mir und meine Freundin.”
  • “Wo werden Sie ihre Hochzeit feiern?”
  • “Wir feiern in einem Lokal. Meine Eltern haben alles arrangiert. Nach dem Standesamt ziehe ich mich gleich um und dann heiraten wir auch kirchlich.”
  • “Ist das nicht ungewöhnlich?”
  • “Nein, wir haben einen sehr frühen Termin auf dem Standesamt bekommen, so können wir auch noch am gleichem Tag kirchlich heiraten.”
  • “Wie spät ist es?”
  • “Es ist 7:30.”
  • “Ich wünsche Ihnen für Ihren Hochzeitstag und für Ihre Ehe alles erdenklich Gute.”
  • Es ist durchaus angebracht, in diesem Moment gute Wünsche zu übermitteln, da sich die Patientin tatsächlich als Braut fühlt und den Morgen des Hochzeitstages noch einmal durchlebt.
  • “Eine Frage habe ich noch. Wird es bei Ihrem Hochzeitsessen auch einen Fischgang geben?”
  • “Ganz bestimmt nicht. Ich kann Fisch nicht ausstehen. Wenn ich ihn nur rieche, wird mir übel.”
  • Durch diese Frage wurde herausgefunden, dass die Ursache der Abneigung der Patientin gegen Fisch vor der Hochzeit zu suchen ist.
  • “Wir verlassen nun diese Situation, das Bild des Morgens Ihrer Hochzeit verblasst und wir schreiten in der Zeit weiter zurück. Die Zeit läuft rückwärts, schneller und schneller. Alle unangenehmen Situationen Ihres Lebens sind ganz unwichtig, nichts kann Sie stören, Sie fühlen sich sehr wohl.”
  • In diesem Falle ist es nicht notwendig, das ganze Leben der Patientin aufzurollen und zu betrachten, wie es bei psychosomatischen Erkrankungen, bei denen man den auslösenden Zeitpunkt nicht bestimmen kann, notwendig ist. Es können größere Zeitsprünge gemacht werden, bis der Punkt, der die Abneigung gegen Fisch ausgelöst hat, eingegrenzt ist.
  • “Die Zeit läuft schnell zurück. Wir werden zurückgehen, bis Sie 20 Jahre alt sind. Sie sind nun 20 Jahre alt. Die Zeit wird nun in einer Situation anhalten, die Sie selbst als angenehm empfinden. Sie werden mir berichten können, was Sie sehen und was Sie empfinden.
  • Die Zeit hält nun in einer Situation an, die Sie als angenehm empfinden. Sie können mir sagen, wo Sie sind und wie Sie sich fühlen.”
  • “Ich höre Musik. Ich bin auf einer Party.”
  • “Sagen Sie mir mehr. Schauen Sie sich um. Auf was für einer Party Sie sind. Schauen Sie sich um und sagen Sie mir, wer mit Ihnen diese Party feiert.”
  • “Es ist die Abiturabschlussparty. Ich sehe alle meine Schulfreundinnen und Schulfreunde, die mit mir das Abitur bestanden haben….”
  • Es folgt nun die Aufzählung sämtlicher Mitschüler und Mitschülerinnen, die sich auf dieser Party befunden haben.
  • “Sind Sie gerne auf dieser Party, haben sie Spass?”
  • “Na klar. Wer würde auf solch einer Party keinen Spass haben?”
  • “Gibt es auf dieser Party auch etwas zu essen?”
  • “Natürlich. Es gibt ein kaltes Buffet.”
  • “Vielleicht gibt es auch einen Heringssalat?”
  • “Zum Glück nicht. Das hätte mir wahrscheinlich das ganze Essen verdorben. Ich kann Fisch einfach nicht leiden. Ne, Fisch mag ich wirklich nicht.”
  • “Gut, wir verlassen diese Situation und die Zeit läuft wieder rückwärts, schneller und schneller.
  • Die Zeit wird ganz schnell rückwärts laufen, bis Sie 10 Jahre alt sind. Alles, was unangenehm ist, ist ganz unwichtig. Nichts kann Sie stören.
  • Die Zeit ist nun rückwärts gelaufen und Du bist jetzt 10 Jahre alt. Du hast Geburtstag und Du kannst mir jetzt erzählen, wo Du bist und wie Du Dich fühlst.”
  • Wie schon bei der Raucherentwöhnung wurde auf das “Du” übergegangen, als ein Alter von 12 Jahren erreicht wurde, weil ein 10- oder 12-jähriges Kind erstaunt wäre, wenn es mit “Sie” angesprochen werden würde.
  • “Ich bin noch in meinem Bett. Ich stehe aber gleich auf, ich habe doch Geburtstag. Ich gehe jetzt zu Mami und Papi ins Schlafzimmer und wecke sie auf, dann kriege ich Geschenke.”
  • “Weisst Du denn, was für ein Wochentag heute ist?”
  • “Aber klar. Es ist Donnerstag und ich habe Geburtstag.”
  • Der Wochentag wurde mit einem Dauerkalender überprüft. Er stimmte! Aus den bereits genannten Gründen konnte die Exploration des Tages wieder abgebrochen, bzw. abgekürzt werden.
  • “Was gibt es denn heute bei Euch zum Mittagessen?”
  • “Weil ich heute Geburtstag habe, durfte ich mir was wünschen.”
  • “Was hast du dir denn gewünscht.”
  • “Sauerbraten. Das esse ich ganz gerne.”
  • “Hättest du dir auch Fisch wünschen können?”
  • “Klar, ist doch mein Geburtstag. Aber Fisch gibt es morgen, da ist Freitag. Da gibt es immer Fisch.”
  • “Und magst du Fisch essen?”
  • “Ja, nicht so gerne wie Sauerbraten, aber Fisch ist ok.”
  • Nach dieser Aussage musste es also ein Geschehnis zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr geben, das der Patientin den Genuss am Fisch verekelt hatte. Jetzt konnte gezielt darauf zugegangen werden.
  • Später im Nachgespräch sagte mir die Patientin, dass sie enttäuscht darüber sei, dass die angenehmen Situationen, wie der Hochzeitstag, die Abiturfeier und der Geburtstag immer zu schnell abgebrochen wurden. Sie hätte diese angenehmen Begebenheiten gerne noch länger genossen.
  • “Das Bild Deines Geburtstages verblasst und du schläfst ruhig und tief. Nichts ist wichtig, nichts kann dich stören. Du bist völlig entspannt, Du kannst aber dennoch meinen Worten konzentriert folgen und auf meine Fragen antworten.
  • Du bist jetzt 10 Jahre alt und die Zeit wird nun vorwärts gehen. Du bist 10 Jahre alt und die Zeit geht nun vorwärts, schneller und schneller.
  • Die Zeit wird von ganz alleine bei einem einschneidenden Erlebnis anhalten und Du wirst Dich in dieser Situation befinden. Sag mir, wenn die Zeit, die jetzt vorwärts läuft, eine besondere Situation erreicht hat.”
  • Plötzlich wird die Patientin unruhig und es ist zu erkennen, dass sie sich einer, für sie unangenehmen Situation nähert. Die Unruhe ist jedoch nicht so gross, das sofort interveniert werden müsste.
  • “Ich bin in der Küche.”
  • “Gut, Du bist in der Küche. Bist Du allein in der Küche?”
  • “Nein, meine Oma ist auch in der Küche.”
  • “Was macht Deine Oma gerade?”
  • “Sie macht Essen.”
  • “Kannst du mir sagen welcher Wochentag heute ist?”
  • “Klar, es ist Freitag.”
  • “Und welche Tageszeit ist es?”
  • “Ist doch klar, es ist bald Mittag, sonst würde sie doch nicht Mittagessen machen.”
  • “Warum bist Du nicht in der Schule?”
  • Hier beginnt die Patientin an zu weinen.
  • “Ich wollte nicht. Habe gesagt, dass ich Halsschmerzen und Fieber habe.”
  • “Hast Du Halsschmerzen und Fieber?”
  • “Ich habe das Fieberthermometer an der Bettdecke gerieben.”
  • “Warum wolltest Du denn nicht zur Schule gehen?”
  • “Wir schreiben heute eine Geschichtsarbeit und ich habe Angst, sie zu verhauen.”
  • “Hat Deine Mutter nichts gemerkt?”
  • “Doch. Sie war sehr böse. Ich soll den ganzen Tag im Bett bleiben.”
  • “Wo ist deine Mutter jetzt?”
  • “Mami hatte keine Zeit. Sie musste zur Arbeit. Sie hat die Omi angerufen, dass sie runterkommt und auf mich aufpasst.”
  • “Magst du Deine Oma?”
  • “Oh ja, ich habe sie ganz doll lieb. Sie kann aber auch streng sein. Sie will nicht, dass ich zum Spielen gehe.”
  • “Hast Du sie gefragt?”
  • “Ja klar, sie will mich aber nicht gehen lassen, ich soll wieder ins Bett.”
  • “Du kannst jetzt mit Deiner Großmutter sprechen. Sie wird Dir auch antworten.”
  • Es wird jetzt, das möchte ich vorwegnehmen, ein Phänomen auftreten, das während einer Rückführung unter Hypnose sehr oft zu beobachten ist. Die Patientin wird mit 2 verschiedenen Stimmen sprechen.
  • P: “Omi, ich möchte jetzt spielen gehen.”
  • O: “Du gehst jetzt sofort wieder ins Bett, Du weisst, was die Mami gesagt hat und was Du getan hast.”
  • P: “Lass mich doch gehen, ich mach’ das doch auch nie wieder.”
  • O: “Nein, Strafe muss sein. Kein Fernsehen, keine Musik, Du bist krank und Du gehst wieder ins Bett.”
  • P: “Ich bin doch gar nicht mehr krank, was soll ich denn jetzt tun?”
  • O: Hör auf zu quengeln und geh wieder ins Bett, das ist mein letztes Wort. Du brauchst gar nicht zu weinen, das wird meine Entscheidung doch nicht ändern.”
  • In diesem Moment bricht die Patientin die Schilderung ab und bricht in ein haltloses Weinen aus. Der Puls beschleunigt sich auf 140/min und auch sonst wird die Patientin so unruhig, dass interveniert werden musste.
  • “Das Bild dieser Situation wird nun wieder verblassen und Du wirst wieder ruhig und entspannt schlafen.
  • Das Bild dieser Situation verblasst und Du schläfst wieder ruhig und entspannt. Nichts kann Dich stören, nichts ist wichtig.
  • Du kannst mir jetzt ganz ruhig erzählen, was weiter geschah. Du kannst die Situation, in der Du Dich eben befandest ganz emotionslos schildern. Du bist ganz ruhig, nichts kann Dich stören, nichts ist wichtig.
  • Schildere mir nun ganz emotionslos, wie sich die Situation weiter entwickelt hat.”
  • Aufgrund der Rapporte beruhigte sich die Patientin wieder und konnte die Situation schildern. Der Unterschied besteht nun darin, dass sich die Patientin nur noch erinnert, sich aber nicht mehr in der Situation befindet. Sie spricht auch in der Vergangenheits- und nicht mehr in der Gegenwartsform.
  • “Ich habe immer weiter gequengelt und war auch frech zu meiner Omi.
  • Plötzlich hat sie den großen Fisch, den sie gerade sauber gemacht hat, genommen und mir links und rechts ins Gesicht gehauen. Das war ganz schlimm.”
  • “Hast du Dich in diesem Moment vor dem Fisch geekelt?”
  • “Er war so glitschig und hat auch nach Fisch gestunken. Es war irgendwie eklig.”
  • “Sag mir mehr über Deine Gefühle.”
  • “Ich war so schockiert, dass mich meine liebe Omi geschlagen hat. Das war das erste Mal und dann auch noch mit einem Fisch.”
  • Da ganz offensichtlich der Grund für die Abneigung gegen Fisch gefunden war, konnte die Patientin wieder in die Gegenwart zurückgeholt werden.
  • “Die Erinnerung an diese Situation verblasst nun wieder. Sie werden sich aber, wenn ich Sie geweckt habe, ganz genau daran erinnern können.
  • Die Zeit wird nun wieder vorwärts laufen, schneller und schneller.
  • Die Zeit läuft nun wieder vorwärts, schneller und schneller.
  • Sie befinden sich wieder in der Jetztzeit und schlafen ganz ruhig und entspannt.
  • Nichts ist wichtig, nichts kann Sie stören. Wenn ich Sie jetzt wecke, werden Sie sich an alles gut erinnern können. Es wird Sie aber nicht stören. Diese Erinnerungen sind ganz unwichtig.

Die Patientin wurde geweckt.

Aus dem nun folgenden Nachgespräch ging hervor, dass die Patientin erkannt hatte, was der Grund für ihre Abneigung gegen Fisch ist.

Es bestanden nun 3 Möglichkeiten:

  1. Durch das Erkennen des Grundes legte sich die Abneigung von allein.
  2. Durch weitere Hypnosen konnte die Abneigung zum Abklingen gebracht werden.
  3. Das Problem konnte nun ganz gezielt von einem Psychotherapeuten im Rahmen einer Gesprächstherapie, aufgearbeitet werden.

Zusammenfassung

Wie ich bereits am Anfang dieses Kapitels sagte, ist die Rückführung eine besonders wichtige Technik zur Erkennung von Situationen und Gründen, von denen eine psychische oder psychosomatische Erkrankung ausgehen kann. Besonders gut lassen sich frühkindliche Traumen erkennen, an die sich der Patient sonst nie erinnern könnte.

Natürlich wird die Rückführung nicht immer so problemlos wie in dem geschilderten Fall ablaufen. Oftmals werden mehrere Sitzungen benötigt, bis der Auslöser einer Krankheit oder eines psychischen Zustands erkannt werden kann.

Vor allem aber ist die Rückführung im engeren Sinne keine Therapie-, sondern eine Diagnoseform.

Von Hyperventilationstechniken zur Initiierung einer Rückführung ist dringend abzuraten, da sie in den meisten Fällen mehr schaden als helfen.