Berufsrecht: Haftungsfallen vermeiden
Verweis an Facharzt zur schulmedizinischen Behandlung und Übernahmeverschulden
Vor dem Amtsgericht Ansbach machte ein Patient gegen die behandelnde Heilpraktikerin Schadensersatzansprüche geltend. Der klagende Patient behauptete, während der Behandlung habe sich sein Gesundheitszustand für die Heilpraktikerin erkennbar rapide verschlechtert, und sie hätte ihm deswegen zu einer erneuten schulmedizinischen Behandlung raten müssen, was ihm erhebliche Wochen andauernder Leiden erspart hätte. Mit Urteil vom 02.06.2015 (Az.: 2 C 1377/14) weist der Richter die Patientenklage als unbegründet ab. Es sei keine Pflicht der Heilpraktikerin gewesen, den Kläger auf die Schulmedizin zu verweisen. Grundsätzlich dürfe ein Heilpraktiker davon ausgehen, dass ein Patient, der ohne gewünschten Erfolg in schulmedizinischer Behandlung war und sich nun an ihn wendet, sich bewusst von den anerkannten Methoden der Schulmedizin ab- und zur alternativen Behandlung hin wendet. Das Amtsgericht verweist dabei auf Urteile des Oberlandesgerichtes (OLG) München. Etwas anderes kann nach Ansicht des Gerichtes nur gelten, wenn sich der Patient in einem – für den Heilpraktiker erkennbaren – akuten Zustand einer erheblichen Gesundheitsgefährdung befindet, der eine umgehende schulmedizinische Behandlung erforderlich macht.
Auf die Umstände des Behandlungsfalles kommt es an
Die Aufforderung (Verweis, dringende Empfehlung, eindeutiger medizinischer Rat), einen Facharzt für Allgemeinmedizin oder einen Facharzt anderer Fachrichtung zur Weiterbehandlung aufzusuchen, war im vom Amtsgericht zu entscheidenden Urteil nicht erforderlich. Der Richter stellt aber eindeutig fest, es könne Umstände geben, die diesen Verweis erforderlich machen. Unterlässt der Heilpraktiker in dem Fall den Verweis, wäre von einer Sorgfaltspflichtverletzung und Haftung auszugehen. Liegen Umstände vor, nach denen der Heilpraktiker zweifelt, ob seine Kenntnisse und Fähigkeiten für die Weiterbehandlung ausreichen, sollte zur Weiterbehandlung an einen Facharzt eindeutig und dringlich verwiesen werden.
Die Dokumentation hat eine besondere Bedeutung
Macht ein Patient Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend, muss er grundsätzlich alle Voraussetzungen darlegen und beweisen. Bei einem groben Behandlungsfehler erfolgt nach § 630h Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine Beweislastumkehr. Über diese gesetzliche Bestimmung hinaus sind vom Bundesgerichtshof (BGH) auch noch weitere Fallgruppen der Beweislastumkehr entwickelt worden, wozu eine nicht ordnungsgemäße Dokumentation gehören kann. § 630h Abs. 3 BGB stellt fest, es wird vermutet, was nicht in der Patientenakte aufgezeichnet ist, hat nicht stattgefunden. In einem Fall wie dem des Amtsgerichtes Ansbach sollte der behandelnde Heilpraktiker zu seiner eigenen Sicherheit an einen Facharzt verweisen und zumindest diese Aufklärung gut dokumentieren. Zusätzlich ist zumindest in problematischen Fällen die schriftliche Bestätigung der erfolgten Aufklärung mit Unterschrift des Patienten ratsam.
Zwar reicht der mündliche Rat zur Weiterbehandlung aus, sofern er in der Patientenakte eindeutig dokumentiert wird (OLG Koblenz, Urteil vom 18.06.2015, Az.: 5 U 66/15). Aus Beweisgründen sollte es für Heilpraktiker aber obligatorisch sein, sich die erfolgte Aufklärung schriftlich bestätigen zu lassen. Wenn nämlich eine schulmedizinische Behandlung durch einen Heilpraktiker empfohlen werden muss, liegen bereits Umstände vor, die zu einer haftungsrechtlichen Komplikation führen können. Dann kann eine schriftliche Aufklärungsbestätigung in einem Prozess der entscheidende Vorteil des Heilpraktikers sein.
Verweis an Facharzt zur schulmedizinischen Behandlung, notfalls Behandlungsabbruch und Übernahmeverschulden
Erkennt der Heilpraktiker nach Erhebung der Anamnese und Untersuchung, dass er die Behandlung nach seiner Ausbildung und Erfahrung (möglicherweise) nicht ordnungsgemäß durchführen kann,besteht die Notwendigkeit des Abbruches der Behandlung. Das ist stets dann zu erwägen, wenn die therapeutischen Erfordernisse des Behandlungsfalles nicht mehr im voll beherrschbaren Bereich des Heilpraktikers liegen. Spätestens dann muss er überlegen, beim Patienten darauf hinzuwirken, dass die weitere Behandlung allein durch einen Facharzt erfolgen soll. Der Patient ist darüber aufzuklären, und es ist ihm auch mitzuteilen, dass die Behandlung abgebrochen werden muss. Zur persönlichen Absicherung sollte der Heilpraktiker sich die erfolgte Aufklärung und den Behandlungsabbruch vom Patienten schriftlich bestätigen lassen. Für die bisherigen Leistungen besteht auch bei Behandlungsabbruch nach wie vor ein Honoraranspruch des Heilpraktikers.
Übernahmeverschulden
In § 630h Abs. 4 BGB ist eine Beweislastumkehr aus anderem Grund angeordnet: „War ein Behandelnder für die von ihm vorgenommene Behandlung nicht befähigt, wird vermutet, dass die mangelnde Befähigung für den Eintritt der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ursächlich war.“ Die Folge: Der Patient muss die behauptete Sorgfaltspflichtverletzung nicht beweisen, sondern der Heilpraktiker muss glaubhaft darlegen, dass er zu der erfolgten Behandlung befähigt war und keine Fehler machte. Dies wird in vielen Fällen nicht gelingen, weshalb das sog. Übernahmeverschulden von Heilpraktikern ernst genommen werden sollte. Zahlreiche therapeutische Fehler gehen auf ein Übernahmeverschulden zurück aufgrund mangelnder Fachkenntnisse des behandelnden Therapeuten oder unzureichender sachlicher und räumlicher Ausstattung der Praxis (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Auflage, Köln, 2014, B 106). Ein Heilpraktiker muss in der Anwendung einer invasiven Behandlungsmethode für den Facharztstandard eines Allgemeinmediziners einstehen (BGH NJW 1991, 1535, 1537). Bereits bei Behandlungsbeginn hat der Heilpraktiker deshalb seine Kenntnisse und Fähigkeiten kritisch zu bedenken. Die juristischen Anforderungen an die Übernahme der Behandlung beurteilt sich unter Berücksichtigung des genannten Facharztstandards nach dem, was von einem sorgfältigen Heilpraktiker mit durchschnittlichen Kenntnissen unter Beachtung des Berufsbildes und insbesondere seiner Grenzen erwartet werden kann. Wie bereits festgestellt, gewährt die Rechtsprechung keinen „Heilpraktikerrabatt“. Für Heilpraktiker wird der Facharztstandard der Allgemeinmedizin verlangt und als Prüfungsmaßstab angewendet. Für Heilpraktiker für Psychotherapie gilt der Standard der Psychologischen Psychotherapeuten, sofern deren Methoden angewendet werden, oder der Facharztstandard Allgemeinmedizin oder Psychotherapeutische Medizin. Da Heilpraktikern für Psychotherapie eine große Bandbreite an Diagnostik und Therapie bis hin zum Einsatz psychotrop wirkender homöopathischer Arzneimittel zur Verfügung steht, kommt es bei der haftungsrechtlichen Beurteilung darauf an, was konkret angewandt worden ist. Danach richtet sich, welcher Beurteilungsmaßstab (Standard) gilt.
Dr. jur. Frank A. Stebner
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht und Gesundheitsberufe
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