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Coaching und Management
Lesezeit: 9 Minuten

Mut-Coaching eröffnet neue Wege

Schau in deine persönliche Geisterbahn

Vor vielen Jahren habe ich mich ins kalte Wasser gestürzt und bin Mut-Coach geworden. In diesem Artikel greife ich dazu einige Fragen auf: Wie können wir unsere Ängste mit selbstentwickelten Ideen in Mut transformieren? Warum dürfen alle Fachrichtungen der Heilkunde mutig und selbstbewusst sein? Und was haben das ungarische Dorf Kocs und die deutsche Grammatik damit zu tun?

Die Geisterbahn-Metapher

Wer kennt sie nicht, die Angst in der Geisterbahn: Du sitzt in einem kleinen, offenen Wagen und fährst in die Dunkelheit hinein. Dein Herz klopft. Du wartest auf das Grauen. Furchteinflößende Geräusche dröhnen aus den Lautsprechern und es riecht eigenartig. Auf der rechten Seite berührt dich etwas. Du zuckst zusammen und schreist. Auf der linken Seite fällt ein Clown mit einer Axt von der Decke. Du kreischst lauter und duckst dich, in ängstlicher Erwartung, dass gleich wieder etwas passieren wird, was dich schreckt. Aber plötzlich gibt es einen Betriebsausfall. Der Wagen bleibt stehen und alle Lichter gehen an. Der Clown und die anderen Figuren dahinter sind auf einmal taghell erleuchtet. Bei diesem Anblick musst du unwillkürlich lachen. So komisch sieht der Clown mit der Axt bei Licht aus?! Harmlos schwingt er hin und her, alte Stofffetzen hängen von seinem Plastikkörper, die Gummiaxt hat auch schon bessere Tage gesehen. Wie hast du dich nur vor dieser lächerlichen Figur fürchten können?

Kernziele des Mut-Coachings

In der Geisterbahn-Metapher stehen die Figuren stellvertretend für die Probleme des Kunden und ihre Ursachen. Die Fahrt im Wagen symbolisiert seinen Lebensweg. Der Moment, in dem das Licht in der Geisterbahn angeht, bezieht sich auf den Augenblick, ab dem sich der Kunde seinen Problemen stellt und sich mit sich selbst konfrontiert. Diese Konfrontation (besser gesagt „Kommunikation“) ist der Kern eines Mut-Coachings. Zum einen ist es notwendig, weil es im wahren Leben keine plötzlichen technischen Defekte gibt und der Kunde selbst den Lichtschalter in seiner Geisterbahn betätigen muss. Zum anderen, weil das Betätigen des Schalters Mut erfordert, der oft noch nicht vorhanden ist. Ein MutCoach hilft dabei, diesen Mut zu entwickeln. Nebenbei unterstützt er den Klienten in seiner Persönlichkeitsentwicklung und beim Aufbau von Resilienz.

Berufszweig mit ungarischen Wurzeln

Das Wort „Coach“ hat eine lange Geschichte in mehreren Sprachen. Begonnen hat alles im ungarischen Dorf Kocs. Hier wurde im 15. Jahrhundert die seit der Römerzeit vergessene Kutsche ein zweites Mal erfunden. Die Erfindung trug den Namen dieses Dorfes. Im Deutschen wurde sie „kotsche“ genannt, im Französischen „coche“, und auf der anderen Seite des Ärmelkanals bezeichneten die Briten die Erfindung aus Kocs mit dem Wort „coach“. Ab 1830 verwendeten Studenten in Oxford das Wort für Nachhilfelehrer, die ihre Schüler wie Kutschen durch schwierige Prüfungen brachten. Jahre später wurde der Begriff auf den Sportbereich übertragen. Von dort kehrte das Wort wieder ins Deutsche zurück.

Der Ursprung des Wortes macht die Hauptaufgabe eines Coaches deutlich: Er holt einen Fahrgast von einem Ort ab und bringt ihn an ein bestimmtes Ziel. Wie ein Kutscher lenkt er die Pferde, schafft Hindernisse aus dem Weg, kümmert sich um die Karosserie. Doch den Abfahrts- und Zielort kennt nur der Fahrgast selbst. Die Kunden geben dem Coach den Weg vor. Im wahrsten Sinne des Wortes sind sie „kundig“. Einzig und allein sie selbst besitzen die Kenntnis, wo sie abgeholt und hingebracht werden wollen. Der Coach ist nur ein Reisebegleiter.

Brillante Kommunikation als Handwerkszeug

Coaches gehen davon aus, dass die Lösungen bereits in ihren Kunden vorhanden sind. Die Lösungsfindung funktioniert daher ausschließ- lich über brillante Kommunikation. Im Alltag bitten Menschen z.B. oft um Hilfe. Auf den Satz „Ich brauche Hilfe“ folgt meist die Bitte nach Präzisierung des Problems: „Wobei kann ich dir helfen?“. Das ist im Alltag eine legitime Frage, und normalerweise erfüllt sie ihren Zweck. Doch ein erfahrener Coach würde gänzlich anders kommunizieren. Er würden fragen: „Woran merkst du, dass dir geholfen wird?“. Denn die meisten Fahrgäste täuschen sich selbst einen falschen Abfahrtsort vor. Sie haben nicht den Mut, das Licht in ihrer Geisterbahn einzuschalten, sie verweilen lieber im Dunkeln.

Intrapersoneller Kommunikationsprozess

„Worte schaffen Möglichkeiten. Möglichkeiten schaffen Hoffnung. Und Hoffnung ist oft das Einzige, was wir brauchen.“ Ich mag diesen Spruch aus zwei Gründen: Zum einen ist er wahr, wie wir aus unserer Erfahrung wissen. Zum anderen beschreibt er meine Arbeit als Mut-Coach sehr treffend. Die Methode meines „Reisebegleitungsservice“ ist eine zielgerichtete Kommunikation. Es geht darum, die richtigen Worte zu finden, damit meine Kunden in einen intrapersonellen Dialog mit sich selbst treten können. So entdecken sie den richtigen Abfahrtsort und ihr gewünschtes Ziel.

Position eines Coaches im Prozess

Bei jedem Gespräch besteht die Gefahr der Beeinflussung. Im Coaching-Kontext sollte sie jedoch so weit wie möglich vermieden werden. Ein Coach muss sich zurücknehmen können. Seine eigene Weltsicht hat im Prozess nichts verloren. Weder darf er seinen Kunden die eigene Meinung aufdrücken, noch darf er sie zu einer Lösung drängen oder auch nur einen bestimmten Lösungsweg suggerieren. Ein Coach macht ausschließlich Vorschläge, gibt Denkanstöße und eröffnet den Raum für den intrapersonellen Dialog. Um von dieser neutralen Position heraus auf die Kunden wirken zu können, gibt es verschiedene Methoden. Eine davon ist die:

Nominalisierung

Die Nominalisierung ist ein grammatikalischer Vorgang. Dabei werden aus Verben oder Adjektiven Nomen gebildet. Aus z.B. „entscheiden“ wird „Entscheidung“. Hierbei werden Handlungen und Eigenschaften zu abstrakten Objekten. Im Unterschied zu herkömmlichen Nomen (z.B. Haus) haben diese abstrakten Objekte keinen klaren Bezug zur wirklichen Welt. Jeder versteht darunter etwas anderes. Trotzdem verschwenden wir in der Alltagskommunikation keinen Gedanken an die Vieldeutigkeit dieser nominalisierten Begriffe.

Die Vieldeutigkeit von Nominalisierungen machen sich Coaches zunutze. Indem sie davon Gebrauch machen, können sie über Dinge reden, ohne ihre Kunden zu beeinflussen. Sie machen ihnen zwar Vorschläge, doch die Kunden entscheiden selbst, welche Vorschläge das sind.

Beispiel für einen Denkanstoß „Durch deine Kreativität werden sich Ideen und Vorstellungen entwickeln, die nach und nach Lösungen mit sich bringen, wodurch Wachstum möglich wird und Neues entsteht.“

Die Kunden hören die Worte Kreativität, Ideen, Vorstellungen, Lösungen, Wachstum und Neues. Doch sie übernehmen nicht die Vorstellungen, die der Coach von diesen Wörtern hat. Sie haben eigene Assoziationen und Definitionen für diese nominalisierten Begriffe. Ausgehend davon kreieren sie in einem intrapersonellen Dialog ihre eigenen Handlungsoptionen. Im Anschluss wählen sie eine dieser Optionen aus. Damit lösen sie ihre Probleme und erreichen ihre Ziele aus sich selbst heraus.

Erfolgsfaktor: Blitzschnelle Analyse

Da es sich beim Coaching um einen zeitlich begrenzten Prozess handelt, meist dauern meine Sessions 50-60 Minuten, sind zu Beginn Schnelligkeit und Punktgenauigkeit entscheidend. Ein Coach muss in den ersten Minuten anhand von wenigen Worten das Kommunikationsmuster seiner Kunden analysieren, um während der Session die richtigen Fragen stellen und wirksame Aussagen machen zu können. Je genauer und schneller ihm das gelingt, desto besser wird das Coaching sein.

Wozu fehlt der Mut?

Viele Menschen haben erstens nicht den Mut, um hinzusehen. Sie setzen sich nicht mit den eigenen Themen und Problemen auseinander und täuschen sich stattdessen lieber selbst. Insgeheim wissen sie, dass es Verbesserungspotenzial gibt, trotzdem sagen sie sich, dass alles gut sei, obwohl sie täglich an Sinnlosigkeit und Unglück leiden und sich nicht trauen, glücklich zu sein.

Zweitens fehlt vielen der Mut zur Umsetzung. Falls sie irgendwann ihre Themen und Probleme trotz ihrer Angst vor Selbsterkenntnis ans Tageslicht befördert haben, gehen sie diese nicht an. Sie kümmern sich nicht um sich selbst und raffen sich nicht auf. Möglichkeiten zur Verbesserung gäbe es genug. Wenn sie sich selbst und ihrer inneren Stimme mehr vertrauen würden, könnten sie gleich mehrere Handlungsoptionen sehen. Aber aus Mangel an Mut entscheiden sie sich freiwillig für Blindheit.

Drittens fehlt der Mut zum Eigenlob. Um weitermachen zu können, müssen wir von Zeit zu Zeit Pausen einlegen und uns selbst auf die Schulter klopfen. Wir dürfen unsere Fortschritte erkennen und damit zufrieden sein. Viele Menschen wählen stattdessen eine negative Perspektive auf die Vergangenheit. Sie sehen nur das Unglück, die Misserfolge und Verletzungen, versinken in Gram, Schmerz und Selbstzweifel. Dabei bräuchten sie nur ein wenig Mut, um sich selbst zu lieben.

Mehr Mut in der Medizinlandschaft

Was im privaten Bereich zutrifft, lässt sich auch im professionellen Kontext beobachten. Die Problematik ist im folgenden charmant-bösen Witz selbstironisch auf den Punkt gebracht:

Eine Ärztin fragt ihren neuen Patienten: „Was haben Sie denn bisher gegen Ihre Krankheit unternommen?“. „Ich war beim Heilpraktiker“, antwortet der Patient. „Warum vertrauen Sie sich denn so einem Scharlatan an?“, fragt die Ärztin. „Jeder, der auf einen Heilpraktiker hört, ist selbst schuld. Was hat er Ihnen geraten?“ „Dass ich zu Ihnen gehen soll“, antwortet der Patient.

Viele Witze enthalten ein Fünkchen Wahrheit. Tatsächlich gibt es ein gewisses Misstrauen zwischen den verschiedenen Disziplinen (Medizin, Psychotherapie, Lebens- und Sozialberatung, Naturheilkunde/Komplementärmedizin). Außerdem glauben viele, dass die eigene Methode überlegen ist und bessere Ergebnisse liefert als alle anderen.

Ich kann allen Beteiligten nur zu mehr Mut und Selbstvertrauen im Miteinander raten. Meines Erachtens führt nur Methodenvielfalt zum Ziel. Aber anstatt voneinander zu profitieren, kochen viele Fachleute ihr eigenes Süppchen. Das ist bedauerlich. Stünden die Kunden tatsächlich im Mittelpunkt aller Überlegungen, wäre die Situation von gegenseitigem Respekt geprägt. Dann würden alle – Ärzte, Heilpraktiker, Psychotherapeuten und Business-Coaches – für das Wohl der Kunden zusammenarbeiten.

Dieses kollegiale Klima wünsche ich mir. Darum lebe ich es auch, indem ich meinen Kunden immer das empfehle, was ihnen in ihrer Situation einen echten Mehrwert bietet. Und selbst bin ich natürlich glücklich, wenn ich von anderen Fachleuten empfohlen werde. Dies ist Zeichen einer ergebnisorientierten Rücksichtnahme auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden.

Scheiß di ned au!

Ist österreichischer Dialekt und heißt so viel wie „Hab keine Angst!“ oder „Trau dich!“. Im Prinzip fasst dieser Spruch die Herangehensweise eines Mut-Coaches sehr gut zusammen. Ein Mut-Coach zeigt seinen Kunden nicht nur die Lösungen auf, die sie bereits in sich tragen, sondern nimmt ihnen auch die Angst vor der Welt und vor sich selbst. Ein Mut-Coach lässt seine Kunden verstehen, dass sie sich nicht fürchten müssen. Der Fokus liegt auf Lösungsfindung, nicht auf Problemanalyse.

Der zentrale Aspekt besteht darin, das Licht in der persönlichen Geisterbahn des Kunden einzuschalten. Den Lichtschalter kann der Mut-Coach dabei zwar nicht betätigen; er kann seinen Kunden aber Mut machen, damit sie selbst dazu in der Lage sind. Außerdem unterstützt er sie bei der Suche nach Handlungsoptionen und verstärkt v.a. ihren Mut zur Umsetzung einer dieser Optionen. Zuletzt kann er seine Kunden überzeugen, die Vergangenheit aus einer positiven Perspektive zu betrachten. Im Mut-Coaching können wir erkennen, dass die Ausgangssituation gar nicht so schlimm ist wie angenommen.

Fazit

Mut-Coaching ist eine Form des Coachings, bei der die Überwindung von Angst im Fokus steht. Wie bei herkömmlichen Coachings bietet ein Mut-Coach seinen Kunden Hilfe zur Selbsthilfe. Brillante Kommunikation und Methodenvielfalt sind dabei entscheidende Faktoren für den Erfolg.

Manuel Krautgartner
Mut-Coach, Mentor und Redner für Persönlichkeitsentwicklung, Verkauf und Motivation. Schwerpunkte: Verbindung von systemisch-konstruktivistischem Coaching, Gesprächsführung, NLP und Hypnose
mut@manuelkrautgartner.at

Fotos: © fizkes / adobe.stock.com, © treek / adobe.stock.com

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