Die große Plastik-Seuche
Wenn Kunststoff gefährlich wird
Seit rund 100 Jahren prägt Plastik unseren Alltag: Von A wie Autoreifen bis Z wie Zahnbürste – der Kunststoff ist in vielen Gegenständen vorhanden und zugegeben, ohne ihn wären wir häufig ganz schön aufgeschmissen. Besonders Lebensmittel werden häufig mit Plastik umhüllt, was sie länger haltbar und stabiler macht. Jährlich werden 200 Millionen Tonnen Kunststoff produziert. Das Problem daran: Laut Schätzungen wandern rund 15 Millionen Plastikmüll in unsere Meere, wo sich schließlich bis zu 13.000 Plastikteilchen auf jeden Quadratkilometer Ozean ansiedeln – mit katastrophalen Folgen: Plastik baut sich nur sehr langsam ab und belastet unsere Natur. Forschungen ergaben, dass in einigen Meeresgebieten 46 Mal mehr Plastik als Plankton vorhanden ist. Der Kunststoff rafft tausende Tiere qualvoll dahin, Mikroplastik setzt sich im Plankton an und wird von Meerestieren aufgenommen und letztlich verspeisen wir das ein oder andere Tier davon.
Plastik in Weltmeeren ist ein internationales Umweltproblem. Gelangt es in unsere Ozeane, verteilt es sich durch Strömungen sehr schnell: Mit rund elf Zentimetern pro Sekunden und damit circa 0,4 Stundenkilometer bewegt sich der Müllteppich vorwärts. Doch er bleibt nicht nur sichtbar an der Oberfläche, sondern laut Schätzungen sinken rund 70 Prozent zum Meeresgrund ab.
Der Weg von Plastik
Plastikmüll, der über Müll der Fischerei, der kommerziellen Schifffahrt oder
durch Verschmutzung von Flüssen in die Weltmeere gelangt, baut sich teilweise nur sehr langsam ab: Nach einem Bericht
von World Ocean Review bedarf es rund 450 Jahre bis eine Plastikflasche zersetzt ist, eine Angelschnur benötigt rund
600 Jahre. So sammeln sich immer mehr Plastikabfälle zu den sogenannten „garbage patches“ (Müllflecken) an. Solche
Akkumulationsgebiete sind in allen Ozeanen vorhanden, als großes Sammelgebiet ist vor allem der nordpazifische
Müllstrudel zwischen Nordamerika und Asien bekannt. Laut Studien treiben hier pro Quadratkilometer mehr als 750.000
Plastikteile im Meer. Weltweit schätzt das Umweltprogramm der Vereinigten Nationen die Ansammlung auf etwa 13.000
Plastikteile pro Quadratkilometer.
Tiere sind Leidtragende
Im Laufe der Zeit werden sie durch Wellenbewegung, Salz und UV-Licht
zerkleinert. Seit Jahren sind die katastrophalen Folgen von Kunststoff bekannt. Sie haben schlimme Auswirkungen auf
unser maritimes Ökosystem. Größere Tiere verletzten sich oder bleiben gar im Plastikmüll hängen und sterben qualvoll
daran: Robben verheddern sich, Meeresschildkröten können Plastiktüten mit Quallen verwechseln und ersticken an der
vermeintlichen Nahrung. Fisch- und Vogelbäuche sind mit dem Kunststoff vollgestopft, denn Meerestiere verwechseln
kleine Plastikteile mit Nahrung und nehmen sie auf. Wenn Plastik ganz fein zersetzt ist, wird sie sogar von Plankton
aufgenommen – die Nahrungskette verläuft dann weiter über die Meerestiere bis hin zum Menschen.
Bereits Jungtiere werden von ihren Elterntieren mit kleinen Plastikteilchen gefüttert, da sie diese für Futter halten. Sie fühlen sich satt und verhungern schließlich. Die Welt Online schreibt: „Für fast 700 Spezies sind Einflüsse dokumentiert, viele davon – etwa etliche Vögel, Robben oder Schildkröten – stehen auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Für manche Tiere wie den Laysan-Albatros gelte Kunststoff sogar als populationsgefährdend“, betont Stefanie Werner vom Umweltbundesamt (UBA). Demnach sterben auf den pazifischen Midway-Inseln in einer der größten Brutkolonien dieser Vögel zwei von fünf Küken, weil sie von Alttieren auch mit Plastikteilen gefüttert werden.“
Verhungern trotz vollem Magen
Die meisten Tiere können zumindest große Plastikteile weder
verdauen noch ausscheiden, so dass der Plastikmüll ihnen einen trügerisch vollen Magen beschert. „Die Tiere sterben an
inneren Verletzungen oder verhungern bei vollem Magen“, so Werner. Im letzten Jahr wurde ein toter Wal an der
südspanischen Mittelmeerküste bei Castell de Ferro angeschwemmt. Die Obduktion brachte die traurige Ursache ans Licht:
Fast 18-Kilo Kunststoff-Müll befanden sich im Magen des Tieres – zwei Plastikblumentöpfe, zwei lange Stücke
Wasserschlauch, neun Meter Seil, 30 Quadratmeter Abdeckplanen kosteten ihm das Leben.
Mikroplastik überdauert
Neben dem sichtbaren Plastikproblem bereitet den Forschern
verstärkt die wenige Millimeter großen Zerfallsprodukte (Mikroplastik) Probleme. „Die große Masse des Kunststoffs
besteht aus Polyethylen. Das ist nicht komplett abbaubar, aber es wird immer kleiner. Zuerst werden die Weichmacher
rausgelöst, die Geschmeidigkeit geht verloren. Dann verändern UV-Strahlung, Salz und Reibung die Partikel. Die immer
kleineren Teilchen nehmen andere Bestandteile auf, sinken dann tiefer und landen irgendwann im Sediment“, betont
Gunnar Gerdts von der Biologischen Anstalt Helgoland. Mikroplastik kann so winzig sein, dass selbst Plankton es
aufnimmt und in seinen Organismus einbaut. Vor einigen Jahren fanden Forscher heraus, dass im nordpazifischen
Müllstrudel etwa sechs Plastikpartikel pro Planktontierchen vorhanden sind. So gelangt Mikroplastik immer weiter die
Nahrungskette entlang, bis es schließlich selbst beim Menschen ankommt. Ob auch Mikroplastik schwerwiegende Folgen
verursacht, ist noch unklar.
Besserung bis 2020?
Die EU beschloss 2008 die sogenannte Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie
(MSRL), welche bis 2020 einen „guten Zustand der Meeresumwelt“ erreichen soll. Alle Meeresanrainerstaaten müssen sich
somit an die Richtlinien der MSRL halten, die der Verbesserung des Umweltzustandes des maritimen Ökosystems dienen.
Kunststoffe und deren Additive stellen dabei eine große Herausforderung dar.
Weitere Schutzmaßnahmen wie beispielsweise ein internationales Übereinkommen zur Verhütung des Meeresschmutzes durch Schiffe existieren schon länger. Dabei müssen Schiffe eine Art Mülltagebuch führen. An Land wird die ordentliche Müllentsorgung schließlich per Quittung bestätigt – bei Verstoß drohen Bußgeldstrafen.
Auswirkungen auf den Menschen
Über die Auswirkung der Plastikstoffe beim Menschen ist noch
wenig bekannt. Fakt ist jedoch: „Jeder Mensch, der hier in Deutschland lebt, ist tatsächlich mit diesen Stoffen
belastet“, weiß Marike Kolossa vom Bundesumweltamt.
Bezüglich Weichmacher (Phthalaten) oder Bisphenol (BPA), was als Grundstoff zur Herstellung von Kunststoffen dient, häufen sich jedoch negative Vermutungen: „Es kann Veränderungen im Gehirn verursachen, die Aggressivität steigern, zur Hyperaktivität führen. Und die Fähigkeit schwächen, Probleme zu lösen“, so Prof. Frederick vom Saal, amerikanischer Zellforscher. Laut EU-Richtlinie sei der Stoff BPA bei einer erlaubten Tagesdosis von 0,05 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht jedoch nicht schädlich. Wissenschaftler streiten jedenfalls darüber, in welcher Weise Plastikstoffe um- und abgebaut werden und diskutieren heftig über mögliche Konsequenzen. Zudem bleiben Plastik-Inhaltsstoffe Firmengeheimnisse.
Was können wir tun?
Beim Einkaufen: Verzichten Sie auf den permanenten Kauf von Plastiktüten,
nehmen Sie lieber eine Stofftasche, einen Korb oder Rucksack mit. Kaufen Sie möglichst Produkte, die wenig verpackt
sind.
Auch den Kauf von Plastikflaschen sollten wir reduzieren: Lieber auf Glasflaschen umsteigen oder PET-Mehrwegflaschen benutzen.
Müllentsorgung: Trennen und damit recyceln. Und natürlich keinen Plastikmüll in die freie Natur werfen.
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