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Energiewende

Neue Herausforderungen im Strommarkt

Energiewende

Deutschland steht am Beginn eines langwierigen Prozesses: Der Umbau der Energieversorgung. Die Nuklearkatastrophe von Fukushima besiegelte endgültig den Atomausstieg und das Vorhaben der Energiewende. Mit dem Beschluss des Energiekonzeptes im Sommer 2011 legte die Bundesregierung einen wichtigen Grundstein dafür: Der Ausbau der erneuerbaren Energien, die eine Alternative zur Kernkraft darstellen, soll vorangetrieben werden und Deutschland zu einer der umweltschonendsten und energiesparendsten Volkswirtschaften verhelfen sollen. Die Bundesregierung hat sich dabei hohe energie- und klimapolitische Ziele gesetzt: Schrittweiser Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022, erneuerbare Energien sollen künftig überwiegend die deutsche Energieversorgung ausmachen, Treibhausemissionen sollen bis 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber den Werten aus dem Jahr 1990 gesenkt werden und Energieverbrauch soll gesenkt, Energieeffizienz erhöht werden. Welche Herausforderungen das mit sich bringt, beschreiben die 12 Thesen von Agora Energiewende.

Deutsche befürworten die Energiewende
Die meisten der deutschen Bundesbürger stehen hinter dem Beschluss zur Energiewende. Laut einer Umfrage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv) sind 82 Prozent der Bundesbürger für den Ausstieg aus der Atomenergie und damit verbunden den Ausbau der erneuerbaren Energien – auch wenn sie überwiegend mit der Umsetzung nicht zufrieden sind. Dennoch nehmen sie die aktuell hohen Strompreise für den langfristigen Klima- und Umweltschutz sowie die erhöhte Sicherheit aufgrund des Ausstiegs aus der Atomenergie in Kauf. Das bestätigt auch Gerd Billen, Chef des VZBV: „Die Energiewende ist richtig und wichtig. Das sehen auch die Verbraucher. Die Akzeptanz darf aber nicht verspielt werden.“  

12 Thesen zur Energiewende
Agora Energiewende liefert mit seinen 12 Thesen einen Diskussionsbeitrag zu den wichtigsten Herausforderungen im Strommarkt. So heißt es im Vorwort: „Wir werfen einen Blick auf den Strommarkt der nächsten 10 bis 20 Jahre und benennen die wichtigsten Herausforderungen. Die Thesen sind das Ergebnis intensiver Analysen der vorliegenden Studien und vieler Gespräche mit Experten. […] Wir verstehen diese 12 Thesen zur Energiewende als Einladung zur Diskussion.“ 

These 1: Der erste Hauptsatz der Energiewende lautet: „Im Mittelpunkt stehen Wind und Solar!“ Windkraft und Photovoltaik (PV) sind die wichtigsten Säulen der Energiewende. Sie sind absehbar, günstig und besitzen das größte Potential. Ihr Anteil der erneuerbaren Stromproduktion wird 2020 bei rund 70 Prozent liegen und anschließend noch weiter ansteigen. Windkraft und PV ergänzen sich gegenseitig und sollten daher parallel ausgebaut werden.

These 2: „Grundlastkraftwerke“ gibt es nicht mehr: Gas und Kohle arbeiten Teilzeit
Windkraft und PV bilden künftig die Basis der Stromversorgung. Kraftwerke sollten nur in Zeiten von wenig Sonne und Wind zum Einsatz kommen, so dass ihre Auslastung sinkt. (Kraft-Wärme-Kopplung und Biomasse müssen mittelfristig nach Strombedarf betrieben werden.)

These 3: Flexibilität gibt es reichlich – nur lohnt sie sich bislang nicht
Erzeugungsschwankungen erfordern ein flexibleres Stromsystem. Technische Lösungen dafür könnten beispielsweise sein: nach Bedarf betriebene KWK- und Biomasseanlagen, Flexibilisierung fossiler Kraftwerke, Erzeugungsspitzen von Windkraft und PV meiden oder für Wärme nutzen, industrielle Lastverschiebung. Die Herausforderung liegt dabei jedoch in den richtigen Anreizen.

These 4: Netze sind billiger als Speicher
Erzeugungsschwankungen und Nachfrage werden durch Netze ausgeglichen, Übertragungsnetze reduzieren bei geringen Investitionskosten die Gesamtsystemkosten, Aus- und Umbau der Verteilnetze ist günstiger als lokaler Speicher, lokale PV-Batterie-Systeme können sich schon früher betriebswirtschaftlich rechnen.

These 5: Sicherung der Höchstlast ist kostengünstig
Windkraft und PV können beispielsweise bei Windflaute im Winter nicht zur Sicherung der Höchstlast beitragen -> steuerbare Kapazitäten sind nach wie vor erforderlich, Gasturbinen können den Bedarf kostengünstig decken, durch europäischen Verbund wird Sicherung der Höchstlast einfacher und kostengünstiger.

These 6: Die Integration des Wärmesektors ist sinnvoll
Der Wärmesektor bietet großes Flexibilitätspotenzial (doppelt so groß wie Stromsektor, Wärme gut speicherbar), bivalente Heizsysteme kommen bei hohem Windaufkommen zum Einsatz.

These 7: Der heutige Strommarkt handelt Kilowattstunden – er garantiert keine Versorgungs-sicherheit
Am Strommarkt werden Strommengen gehandelt, Strompreis wird stündlich durch Betriebskosten   
des teuersten laufenden Kraftwerks bestimmt (Grenzkosten) -> Kraftwerke mit niedrigsten Betriebskosten werden zuerst eingesetzt, Windkraft und PV senken den durchschnittlichen Börsenstrompreis und die Auslastung fossiler Kraftwerke

These 8: Am Grenzkostenmarkt können sich Windkraft und PV prinzipiell nicht finanzieren
Windkraft und PV besitzen fast keine Betriebskosten, sie produzieren, wenn Wind weht bzw. Sonne scheint, in Zeiten von viel Wind bzw. Sonne produzieren sie so viel Strom, dass sie Preise am Markt senken -> machen sich an der Börse „ihren eigenen Preis“ kaputt

These 9: Ein neuer Energiewende-Markt ist erforderlich
Der zukünftige Energiewende-Markt sollte 1. Den Einsatz der Kapazitäten steuern (effiziente Synchronisierung von Angebot und Nachfrage) und 2. Investitionssignale für Erneuerbare Energien einerseits und konventionelle Anlagen, Flexibilisierung der Nachfrage und Speicher andererseits senden. Daraus ergeben sich 2 Zahlungsströme: Erlöse aus einem Markt für Strommengen und Erlöse an einem Markt für Investitionen in Kapazität. Zusätzlich gibt es einen Wettbewerb für Systemdienstleistungen, bei dem fossile Kraftwerke, Erneuerbare Energien, Nachfrage und Speicher konkurieren.

These 10: Der Energiewende-Markt bindet die Nachfrageseite aktiv ein
Flexibilisierung der Nachfrageseite ist ein entscheidender Baustein, um mehr Wind- und PV-Strom nutzen zu können. Die Verschiebung der Nachfragelast ist oft kostengünstiger als die Stromspeicherung. Die bisherigen Regelungen bei Netzentgelten und Systemdienstleistungen laufen dem zuwider und sollten reformiert werden.

These 11: Der Energiewendemarkt muss im europäischen Kontext gedacht werden
Die zunehmende Integration des deutschen in das europäische Stromsystem macht die Energiewende günstiger und einfacher, weil sich Fluktuationen von Windkraft und PV über größere geografische Verteilung ausgleichen, gesicherte Kapazität gemeinsam vorgehalten werden kann, günstige Flexibilitätsoptionen in Europa genutzt werden können. Zudem stabilisiert der europäische Stromhandel die Börsenpreise.

These 12: Effizienz – eine gesparte kWh ist die günstigste
Ein effizienter Umgang mit Energie senkt die Gesamtkosten. Jede gesparte Kilowattstunde erfordert weniger Verbrennung von Gas und Kohle und weniger Investitionen in neue Kraftwerke. Eine gesamthafte Betrachtung von Strom, Wärme und Transport ist erforderlich: Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge erhöhen den Strombedarf, sind aber kein Widerspruch zur Effizienz.   

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