Mesmers Geheimnis
In Heft 4 der Erfahrungsheilkunde (Bd.II / 1953) versuchte H. Carl den Beweis dafür zu erbringen, dass nicht Mesmer, sondern Paracelsus als erster die Kräfte des Magneten zur Heilung von Krankheiten benutzte und der eigentliche erste Entdecker dieser kosmischen Kraft ist. Ich will nicht den Verdienst von Paracelsus verringern, doch ist im Interesse der Objektivität darauf hinzuweisen, dass schon die alten Griechen und später auch die Römer den Magnetstein und den Bernstein wegen der eigentümlichen Eigenschaft, auf verschiedene Körper eine Anziehung bzw. Abstoßung auszuüben, in den Dienst ihrer Heilkunde gestellt und sie als Mittel gegen Schwermut, Magerkeit, Gicht und Krämpfe angewendet haben. Auch die heilende Wirkung der natürlichen “tierischen Elektrizität” war den alten Völkern bereits bekannt.
So wird berichtet, dass der zur Zeit des Kaisers Claudius in Rom praktizierende Arzt Scribonius Largo zur Heilung von nervösen Kopfleiden lebende Zitterrochen (Torpedo marmorata), die mittels ihres natürlichen elektrischen Organs starke Entladungen liefern können, an den Schmerzpunkten seiner Patienten befestigte. Gegen rheumatische Schmerzen stellte man die Füße auf kleine Zitterrochen. Kindern, welche an Krämpfen litten, wurden diese lebenden Elektrizitätserzeuger ins Bad gelegt. Zur Zeit der Renaissance war es dann Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, der die geheimen Kräfte des Magneten eingehend studierte und zur Heilung verschiedener Krankheiten benutzte.
William Gilbert (1540-1603), praktischer Arzt in London, später Leibarzt der Königin Elisabeth, befasste sich ebenfalls lange vor Mesmer mit magnetischen und elektrischen Erscheinungen. Er fand, dass es außer dem Magnetstein und Bernstein noch zahlreiche Stoffe gibt, die beim Reiben die Eigenschaft bekommen, auf andere Körper anziehend zu wirken. Er nennt u. a. Diamant, Saphir, Amethyst, Bergkristall, Schwefel und Harz. Zum Unterschied von der magnetischen Kraft gab Gilbert dieser merkwürdigen anziehenden Kraft den Namen “elektrische Kraft”, weil sie zuerst am Bernstein, dessen griechischer Name “Elektron” ist, beobachtet wurde. Die Körper bezeichnete er, je nachdem sie durch Reibung anziehend wurden oder nicht, als elektrische bzw. unelektrische.
Mesmer hat sich ferner schon frühzeitig mit den Fragen über den Einfluss der Gestirne auf den menschlichen Körper befasst. Wie es bereits die alten babylonischen, ägyptischen und griechischen Priester und Arzte getan hatten und ebenso z. B. der große Tycho Brahe (1546 bis 1601), der als Astronom des Königs Friedrichs 11. von Dänemark und später des Kaisers Rudolf 11. zu Prag tätig war. In einer großen Rede vor der Kopenhagener Universität führte letzterer u. a. aus: “Die Erfahrung selbst zeigt, dass die Himmelskörper mit Kräften ausgestattet sind, welche auf die Erde wirken. Die Sonne verursacht die vier Jahreszeiten. Mit zu- und abnehmendem Mond nehmen das Gehirn der Tiere, das Mark der Knochen und der Bäume, das Fleisch der Krebse und der Schnecken zu und ab. Mit unüberwindlicher Kraft hebt der Mond die Flutwelle der Gezeiten, vergrößert sie mit Hilfe der Sonne, muss aber den Griff lassen, wenn die Sonne entgegenwirkt.”
Entsprechend der alten griechischen Auffassung, dass alle sinnlich wahrnehmbaren Körper aus vier verschiedenen
Grundelementen aufgebaut sind, nämlich aus Feuer, Wasser, Erde und Luft, sollte der Makrokosmos einen Einfluss auch
auf den Mikrokosmos des Menschen ausüben. Darüber sagt Tycho Brahe: “Üben nun die Sterne eine Wirkung auch auf die
Menschen aus? Ja, natürlicherweise! Denn ihre Körper sind aus den vier Elementen aufgebaut. Von der verschiedenen Art,
in welcher das Feurige, das Kalte, das Trockene und das Feuchte in der Natur eines Menschen gemischt wird, hängt sein
Temperament und Wesen, seine Veranlagung für Krankheiten, sein Leben und Tod ab. Die verschiedene Art der Mischung der
Elemente, welche durch die Stellung der Sterne im Geburtsaugenblick dem Kinde aufgeprägt wird, kann nie geändert
werden. Die Ernährung und Zunahme des Kindes kann sie nur ausbilden, aber nicht umformen. Es gibt da gewisse
Mischungen, welche geradezu das Leben vereiteln. In solchen Fällen wird das Kind tot geboren. Wenn z. B. der Mond und
die Sonne ungünstig stehen, Mars im Aufgehen ist und Saturn im achten Hause des Tierkreises steht, wird das Kind so
gut wie immer tot geboren. In der Regel werden die Kinder, welche bei Konjunktionen der Sonne und des Mondes,
besonders wenn der Mond sich der Sonne annähert, geboren sind, schwach und kurzlebig. Selbst wenn dieses Übel durch
die günstige Stellung anderer Sterne gemildert wird, führt es immer zu schlechten Folgen….
Der Grund ist nicht
schwer zu fassen. Denn wie bekannt, besitzt der Mond eine ausserordentliche Kraft und beherrscht die Flüssigkeit des
Kindes, das geboren wird. Wenn er also nicht sein Licht auf den Körper ergiesst, der geboren wird, ist es klar, dass
die Flüssigkeiten in diesem Körper ganz ausgetrocknet werden müssen, und das sanguinische Temperament mit seinen
günstigen Wirkungen fast ganz verloren gehen muss. Hierzu entstehen verschiedene Krankheiten wie Schwindsucht, Lepra
und ähnliches, besonders wenn Saturn und Mars so stehen, dass sie ihr Gift einmischen; dieser physische Zusammenhang
ist leicht zu erkennen.”
William Gilbert erklärte in seinem 1600 in London erschienenen Buch “De Magnete” die ganze Erde für einen großen Magneten, der ebenso wie ein Stahlmagnet einen Nordpol und einen Südpol besitze. Kopernikus stattete die Erde und alles Irdische mit einer “tierischen Bewegungskraft” aus. Johannes Kepler behauptete hingegen, dass die raschen Bewegungen der Erde eine dem Stoff anhaftende Kraft erzeugen, die er Schwungkraft oder Magnetismus nannte. Dabei entwickelte er auch die Vorstellung, dass der Sonnenkörper die Quelle jener magnetischen Kraft darstelle, die alle Wandelsterne herumtreibe.
Ähnlich sprach Mesmer von einer tierischen Schwerkraft (Gravitas animalis) und einem “tierischen Magnetismus”, worunter er die Eigenschaft des animalischen Körpers, auf die Universalattraction zu reagieren, verstand. Auf Grund seiner Beobachtungen kam er zu der Auffassung, dass es in der Natur etwas gibt, das imstande ist, das Gleichgewicht in der Ökonomie des menschlichen Körpers zu stören, und Krankheiten verursacht oder auch Heilung bringt. Er zog eine Parallele zwischen den Erscheinungen von Ebbe und Flut in der Natur und im menschlichen Körper und behauptete, dass auch im menschlichen Körper eine “Flut” eintrete, sobald durch dieselben Kräfte, durch welche das Meer anschwillt, die Körpersäfte in ihren Gefäßen in Bewegung und Aufruhr geraten. Danach verfiel er auf den Gedanken, in dem Körper der Kranken eine gleichsam künstliche Ebbe und Flut mit Hilfe von Magneten zu erwecken. Doch war dieser Gedanke nicht originell, denn gerade zu dieser Zeit (im Juni 1774) reiste ein Engländer durch Wien und verwendete gegen Magenkrämpfe einen künstlichen Stahlmagneten wie man sie in England in solchen Fällen häufig verordnete. Man wies ihn an den k. und k. Hofastronomen Maximilian Hell, der ihm einen herzförmigen Magneten lieh, welcher inwendig hohl war, bequem am Körper getragen werden konnte und zu einer raschen Genesung führte. Mesmer, der mit Hell bekannt war, versuchte dann ebenfalls solche Magnetkuren.
Die Heilbehandlungen von Mesmer und Hell erregten in Deutschland und Osterreich große Verwunderung, wie aus einer Meldung im “Churbaierischen Intelligenzblatt” aus München vom 22. Dezember 1774 zu ersehen ist. Danach habe Herr Hell in Wien in der Naturlehre eine Sache entdeckt, die in Europa großes Aufsehen machen werde. Der Magnet sei ein Analogon des “Nervenfluidum”; man lege den Kranken magnetische Ringe, so dünn wie Blech, um Hals, Bauch, Arme und Füße, wodurch der Nervensaft in heftige Bewegung komme. Hell habe in Anwesenheit des Arztes Mesmer etliche zwanzig Kranke, alte und junge, reiche und arme, geheilt, ja Lahme gesund gemacht und zwar unentgeltlich, um die Eyfersucht nicht zu sehr wider sich zu reizen”.
In einer Veröffentlichung vom Januar 1775 unter dem Titel: “Schreiben über die Magnetkur von Herrn A. Mesmer, Doktor der Arzneygelährtheit, an einen auswärtigen Arzt” gab dann Mesmer folgende bemerkenswerte Tatsachen bekannt: “Ich habe gefunden, dass nicht nur der Stahl allein geschickt sey die magnetische Kraft aufzunehmen, sondern ich machte Papier, Brod, Wolle, Seide, Leder, Stein, Glas, Wasser, verschiedene Metalle, Holz, Hunde, Menschen, alles was ich berührte so magnetisch, dass gedachte Körper für sich die nämliche Wirkung auf die Kranken taten als die Magnete selbst. Ich ladete Flaschen mit der magnetischen Materie, wie man solches bey der Elektrik zu tun pflegt”. Es gelang Mesmer ferner, diese magnetischen Wirkungen auf Menschen auch aus einer gewissen Entfernung zu übertragen.
Es ist aber sehr bemerkenswert, dass Mesmer, obwohl er ausreichende Berichte über das Wesen seiner Vorstellungen und seiner “Theorie” abgab, an verschiedenen Stellen von seinem “wesentlichen Geheimnis” spricht, das er allein hüte und das er als sein “Eigentum” betrachte.
Mesmer selbst und sein Schüler Dr. d’Eslon haben den “Magnetismus” wie folgt beschrieben: “Es gibt einen Stoff, der alles Lebende und Tote verbindet. Dieser Stoff dringt in die Substanz der Nerven ein, flieht auseinander und erzeugt verschiedene Pole im Körper. Dort strömt er ein und aus…” Es gibt ein Fluidum, verteilt im Äther und in allen lebenden Geschöpfen; dieses Fluidum erhält die Harmonie des Leibes, und diese Harmonie ist die Gesundheit. Das Fluidum ist dem Einfluss der Himmelskörper unterworfen, aber auch dem Einfluss fremder Lebewesen. Der Mensch befindet sich fortwährend zwischen Strömen dieses Stoffes, die ihn durchdringen und ihn durch alle hervorragenden Körperstellen verlassen.”
Und in seiner Schrift über die Entdeckung des tierischen Magnetismus aus dem Jahre 1775 schreibt Mesmer: “Nach den Grundsätzen meiner Theorie (de Planetarum influxu), nach den gemachten Beobachtungen und Versuchen, schreibe ich dem Magnet eben keine spezifische Kraft auf die Nerven zu; ich bin der Meinung, seine Wirkung bestehe bloß darin, dass er wegen seiner unbegreiflichen Subtilität und wegen seines analogi mit dem fluido nerveo, womit er das Innerste durchströmet, nach der Stärke und Menge und nach den Teilen, wo er angebracht wird, eine ähnliche künstliche Ebbe und Flut verursache und die ungleiche Austeilung und Dispensation des fluidi nervei und dessen verwirrte Bewegung durch seinen gleichförmigen Strom wieder herstelle und denjenigen Zustand hervorbringe, den ich die “Harmonie der Nerven nenne.”
Aus einem Brief an Professor Lorenz Oken aus Jena vom 22. Dezember 1811 und einem beigefügten kurzen Inbegriff seiner Entdeckung (einem von Mesmer für ein Wörterbuch der Physik und der Medizin abgefassten Artikel) erfahren wir noch folgendes: Durch seine Kenntnisse der Physik habe Mesmer einen neuen Weg gefunden, um in die Geheimnisse der Natur einzudringen, indem er eine unmittelbar auf die Nerven wirkende Kraft entdeckt habe, die der Kosmos ausstrahle. Gleichzeitig habe er das Mittel gefunden, um die Einflüsse der Natur durch ein Verfahren nachzuahmen, wodurch er in seiner Person eine besondere tonische Bewegung eines feien Fluids erregen kann, durch die der menschliche Körper ähnliche Eigenschaften wie ein Magnet erhält, also mit zwei Polen ausgestattet wird. Dieses Fluid könne durch alle Mittel verbreitet und verstärkt, im Licht zurückgestrahlt, durch den Schall ausgebreitet, auch aufgespeichert sowie auf alle belebten und unbelebten Körper übertragen werden und wirke auf die innerste Substanz der Nerven. Mangelnde Reizbarkeit der Muskelfaser, die er als die Ursache aller Krankheiten betrachte, werde durch die Anwendung seines Fluids wiederhergestellt, wodurch Heilkrisen erzeugt würden, so dass hiermit ein universelles Heilmittel gegeben sei.
“Magnetisieren” ist nach Mesmer nichts anderes, “als mittelbar oder unmittelbar die tonische Bewegung der feinen Flut, mit der die Nervensubstanz geschwängert ist, mitteilen”. Es wirkt aber auf den Menschen nichts stärker als der Mensch selbst. Will man einen Kranken mit bedeutender Kraft behandeln, so vereinige man in dessen Zimmer so viel Personen als nur möglich ist, bilde eine Kette (den Gegensatz der magnetischen Pole im Körper beachtend), welche vom Kranken ausgeht und beim Magnetisierenden endet. So gibt Mesmer ziemlich viel von seinen Vorstellungen und Erfahrungen bekannt. Aber er verschweigt auch vieles. Folgende Tatsachen geben uns wertvolle Anhaltspunkte, um sein Geheimnis zu lüften:
1. Auf seinen Reisen führte Mesmer stets eine Reibungs Elektrisiermaschine mit sich, obwohl er sie nie zur Behandlung
seiner Patienten benutzte;
2. er trug stets eine Lederweste, die mit Seide gefüttert war;
3. nach seinem Tode
wurde in seinem Bett ein Lederhemd gefunden.
Beachten wir dazu einige aus der Physik und Elektrizitätslehre bekannte Tatsachen, so wird uns klar, dass Mesmer als eine lebende Leydener Flasche wirkte, indem er die durch die Elektrisiermaschine gewonnene Elektrizität in seinem Körper aufspeicherte und dann direkt oder durch eine Kette von Personen dem Kranken zuführte. Später benutzte er dazu das “magnetische Baquet”, ein Gefäß mittlerer Größe, das mit Wasser gefüllt und mit herausstehenden eisernen Stangen versehen war. Im Gefäß konzentrierte sich der Magnetismus” und die Stangen verbreiteten das Fluid auf die Kranken, die in mehreren Reihen rings um das Baquet saßen, durch ein (leitendes) Band um den Leib miteinander verbunden waren und manchmal mit den Händen eine Kette bildeten. Der Magnetiseur hatte ein eisernes, 10 12 Zoll langes Stäbchen in der Hand, welches als “Leiter des Magnetismus” ihm erlaubte, seine Kraft auf der Spitze des Stabes zu konzentrieren und von dort aus die kräftigsten Ausströmungen weiter zu befördern. Dasselbe erreichte Mesmer, durch die Spitzenwirkung des ausgestreckten Zeigefingers, mit dem er manchmal seine Patienten plötzlich. berührte.
Wir wollen nun die Frage untersuchen, welche Kenntnisse Mesmer der Physik und Medizin seiner Zeit zu verdanken hatte und was zu seiner ureigensten Entdeckung gehört.
Mesmer selbst spricht davon, “dass die magnetische Materie mit der elektrischen fast einerlei sei”; es war aber zu seiner Zeit schon ziemlich viel über die Elektrizität und ihre Wirkungen bekannt. Otto v. Guericke, der die erste Reibungs Elektrisiermaschine baute, entdeckte bereits, dass es nicht nur eine elektrische Anziehung, sondern auch eine elektrische Abstoßung gibt. Darüber hinaus stellte er fest, dass sich die Elektrizität durch einen Leiter übertragen lässt. Stephan Gray, der zusammen mit Wheeler die Leitfähigkeit der verschiedenen Stoffe untersuchte und erstmalig die Elektrizität durch eine Hanfschnur von beträchtlicher Länge leitete, die mit Seidenfäden als Isolatoren befestigt war, erregte großes Aufsehen, als ihm der Nachweis gelang, dass auch der menschliche Körper ein guter Leiter der Elektrizität sei. Den Versuch führte er wie folgt aus: er hängte einen Knaben in zwei aus Haar geflochtenen Schlingen horizontal auf und ließ ihn mit einer Hand einen geriebenen Glasstab berühren. Die Elektrizität pflanzte sich dann vom geriebenen Glasstab über den Körper des Knaben bis zu seiner anderen Hand fort, die in der Nähe von Papierschnitzeln gehalten wurde und auf diese eine anziehende Wirkung ausübte. Bei seinen Versuchen über die Leitfähigkeit des menschlichen Körpers fand Gray weiter, dass der an isolierenden Schnüren hängende Knabe den geriebenen Glasstab nicht direkt berühren musste, um elektrisch geladen zu werden. Es genügte, dass er seine Hand in die Nähe des geladenen Glasstabes hielt, um am ganzen Körper elektrisch zu werden.
Weitere wichtige Untersuchungen wurden durch Charles Dufay (1698 1739) durchgeführt. Er elektrisierte einen Knaben, der auf einem Harzkuchen stand (also isoliert war) und zog zum großen Erstaunen der Anwesenden große elektrische Funken aus ihm. Auch eine auf einem seidenen Kissen liegende Katze elektrisierte er mit der Hand so stark, dass sie Funken gab. Vorher entdeckte Gray, dass es mit Hilfe von seidenen Fäden und Harzkuchen möglich ist, die Elektrizität längere Zeit in einem Körper aufzubewahren. Damit waren die Voraussetzungen für Mesmer geschaffen; er konnte seinen Körper, der durch ein Seidenhemd, eine Lederweste und wahrscheinlich auch durch seidene Strümpfe gut isoliert war, mit Hilfe der Elektrisiermaschine elektrisch aufladen, die Elektrizität in seinem Körper aufbewahren und dann auf andere Menschen durch Berührung oder Influenz übertragen.
Über die therapeutische Wirkung der Elektrizität war in der damaligen Zeit auch schon ziemlich viel bekannt. E.
Kratzenstein in Halle war der erste unter den Ärzten, der eine Lähmung durch elektrische Behandlung kurierte.
Schon 1745 veröffentlichte er auf Grund seiner Erfahrungen ein Buch über die Anwendung der Elektrizität in der
Heilkunde.
In London elektrisierte Dr. Watson (1763) ein vollständig gelähmtes Kind täglich im Laufe von 2 ½
Monaten, und das Kind wurde dadurch vollständig geheilt.
Im Dezember 1753 wurde in der englischen Königlichen Gesellschaft (Royal Society) eine Mitteilung des Abbé Mazeas verlesen über einen Epileptiker, der bei starker Zunahme der atmosphärischen Elektrizität, d. h. bei Gewittersituationen, Anfälle bekam und bei dem durch Elektrisieren mit atmosphärischer Elektrizität, die mit Hilfe einer Antennenanlage aufgefangen wurde, Anfälle ausgelöst werden konnten.
Es ist bekannt, dass Mesmer vorzugsweise Patienten wählte, die an Krämpfen oder Epilepsie litten. In einer Studie: “Mesmers Mesmerismus” führt Thiel folgenden Fall an: Um Mesmer eine Falle zu stellen, brachte ihm der Arzt Seyfert einen Schneider, der einige Jahre vorher öfter ohnmächtig hingefallen sei, wegen heftiger Kopfschmerzen. Diese Leiden waren längst vorüber; Mesmer meisterte die Situation, indem er durch eine plötzliche elektrische Entladung mittels Spitzenwirkung – er streckte seinen Finger gegen das Genick des Patienten aus – einen Anfall hervorrief.
Eine Hemmung der epileptischen Anfälle durch Galvanismus wurde ebenfalls festgestellt. Nach den Beobachtungen von Marcus behebt der Galvanismus, d.h. eine durch galvanische Elemente hergestellte Elektrizität, die epileptischen Anfälle schnell, wenn man die beiden befeuchteten Hände des Patienten mit den Polen einer stark wirkenden Voltaschen Säule in Berührung bringt. Bei einer Patientin, bei der der Krampf des linken Mundwinkels bis gegen das Ohr ging, verbesserte sich der Zustand, sobald der Silberpol an die entgegengesetzte rechte Seite und der Zinkpol auf der linken, wo der Mundwinkel verzogen war, angesetzt wurde. In der anfallsfreien Zeit angewandt, machte die galvanische Elektrizität die epileptischen Paroxysmen seltener, wenn man damit das ganze Rückgrat behandelte.
Im Jahre 1777 hatte die Akademie zu Lyon folgende Preisfrage ausgeschrieben: “Welche sind die Krankheiten, die von einer mehr oder weniger großen Menge des elektrischen Fluidums im menschlichen Körper abhängen, und welche sind die Mittel, die Krankheiten zu heilen?”
Der Preis wurde einem Werk des Abbé Bertholon de St. Lazare verliehen, das den Titel hatte: “Die Elektrizität aus medizinischen Gesichtspunkten betrachtet” und 1780 zu Paris erschien. Bald danach ist auch eine zweite Schrift vom selben Verfasser erschienen unter dem Titel: “Anwendung und Wirksamkeit der Elektrizität zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit des menschlichen Körpers”.
Abbé Bertholon, der als Professor der Experimentalphysik in Montpellier tätig war, entwickelte in diesen beiden Schriften manche beachtenswerte Gedanken, die es gestatten, ihn als einen Vorläufer der “Bioklimatik” zu betrachten. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass Mesmer seine Schriften nicht unbekannt blieben.
Die atmosphärische und die künstlich erzeugte Elektrizität sind, nach Bertholon, ihrem Wesen nach völlig identisch, daher können Beobachtungen und Experimente, die mit letzterer angestellt wurden, ohne weiteres auch auf die Luft Elektrizität übertragen werden. Die künstliche Elektrizität wird jeweils nur während kurzer Zeit angewendet, die natürliche, wenn im allgemeinen auch schwächere, wirkt kontinuierlich und ändert oft in relativ kurzer Zeit mehrmals ihr Vorzeichen, deshalb sind ihre Wirkungen manchmal stärker. “Der Mensch lebt in der Luft wie ein Fisch im Wasser”, schreibt Bertholon, “und muss folglich von allen Seiten die Eindrücke der Luftelektrizität durch die einhauchenden Gefäße seines Körpers aufnehmen können.” Die Poren der Haut sind zwar sehr klein, “allein diese Enge der Mündungen hindert das elektrische Fluidum nicht, weil seine Partikeln einen noch viel kleineren Durchmesser haben und ihre Dünne zum wenigsten der Dünne der Lichtmaterie gleich ist, die alles übertrifft, was man sich vorstellen kann”. – “In so großer Menge aber sich die Poren auf der Oberfläche des Körpers finden, so sind sie doch lange nicht die einzigen Wege, wodurch sich die Luftelektrizität den tierischen Substanzen mitteilt. Es ist noch ein anderer ebenso einfacher, zureichender und noch größerer Bewunderung würdiger Weg vorhanden, ich meine die Lunge, die man als ein wahres Absonderungs Werkzeug der Luftelektrizität ansehen darf”….
“Die eingehauchte Luft ist das eigentliche Vehiculum der natürlichen Elektrizität und teilt unablässig genannten Eingeweiden einen neuen Vorrat elektrischen Feuers mit, wenn die Atmosphäre im Stande der positiven Elektrizität ist. Ein Teil dieser eingesogenen atmosphärischen Luft geht durch die Bläschen der Luftröhrenäste in das Blut über, welches nun im Kreislaufe der durch wässeriche Dünste und andere leitende Ausdünstungen, womit die Luft beständig beladen ist, die mit ihr vereinigte elektrische Materie mit sich herumführt und im Körper austeilt. Der andere Teil der Luft, welche in der Höhle der Lungen zurückbleibt, teilt nach bekannten physischen Gesetzen seinen Überfluss, von Elektrizität diesem Eingeweide selbst mit: und endlich wird die der überflüssigen Elektrizität entledigte Luft durch das Ausatmen wieder in die Atmosphäre zurückgesandt.”
Über die biologischen Wirkungen der Elektrizität schreibt Bertholon: “Die Elektrizität bewegt und verdünnt die gesamte Masse der flüssigen Teile, zerteilt eine dicke Lymphe, verdünnt allzu zähe Säfte, vermehrt ihre Flüssigkeit, wie auch die Bewegung der letzteren.” – Es ist außer allem Zweifel, dass die Luftelektrizität unter allen Umständen auf die tierische Maschine, folglich auf die Lebens Verrichtungen und die animalischen Funktionen wirkt; folglich muss sie besonderen Einfluss auf die Muskelbewegung, den Kreislauf des Blutes, das Atemholen, die Verdauung und alle Sekretionen äußern.”
Drei Jahrzehnte bevor Mesmer seine Vorstellungen über die “animalische Schwerkraft” als eine unmittelbar auf die Nerven wirkende Kraft entwickelte, wurde durch Christian August Hausen, Professor der Physik in Leipzig, und bald danach unabhängig von Hausen durch De Sauvage in Frankreich der Gedanke ausgesprochen, dass die Elektrizität im Nervensystem jene treibende Kraft darstellt, die die Erregung übermittelt, und dieser Ansicht schloss sich bald eine beträchtliche Anzahl namhafter, scharfsinniger Gelehrter an. In diesem Sinne meinte auch Bertholon, dass es im tierischen Körper eine gewisse Menge von natürlicher Elektrizität” gibt, welche sich bei gewissen Gelegenheiten mit einer großen Stärke zeigt. Diese natürliche Elektrizität des tierischen und besonders des menschlichen Körpers teilt sich nach Bertholon den leitenden Substanzen des Körpers mit und verbindet sich mit derjenigen, welche aus der Atmosphäre kommt. Der menschliche Körper ist folglich sowohl in seinen gesunden als kranken Zuständen einem doppelten elektrischen Prinzip, nämlich der angeborenen oder natürlichen und der von der Atmosphäre mitgeteilten Elektrizität ausgesetzt. Daher setzt die Gesundheit, welche in dem Zusammenflusse aller dem Alter, Geschlecht und Temperament angemessenen Funktionen und Dispositionen besteht, schlechterdings ein gewisses Gleichgewicht der elektrischen Materie voraus. Ist aber die in einem Körper befindliche Elektrizität in Bezug auf sein Alter, Geschlecht oder Temperament und auf die Bildung seiner vorzüglichsten Organe zu groß, so ist dieser Körper nicht mehr vollkommen gesund, und er ist umso mehr von diesem normalen Gesundheitszustand entfernt, je mehr die elektrische Materie in ihm angehäuft ist. Ebenso verhält es sich, wenn die im Körper vorhandene Elektrizitätsmenge im Verhältnis zur Leibesbeschaffenheit eines Menschen zu klein ist: auch in diesem Falle ist nach Bertholon die Gesundheit nicht mehr vollkommen, “weil sie nur bei einer gleichweiten Entfernung von den beiden Extremen stattfindet”.
Daraus zog Bertholon den therapeutischen Schluss, dass Personen, bei denen eine Neigung zu einer allzu schwachen Elektrizität vorhanden ist, eine kühle und trockene, das heißt “sehr elektrische Luft” einatmen müssen, “damit sie dem in ihrer körperlichen Beschaffenheit seinen Grund habenden Übel beständig ein dienliches Heilmittel entgegensetzen”. Umgekehrt hat er denjenigen, deren körperliche Beschaffenheit sehr stark elektrisch ist, ein entgegengesetztes Verfahren empfohlen. “Ihnen wird eine warme und feuchte Luft zuträglich sein, weil sie den Zustand des Krampfes verhindert, welcher ihren Fibern eigen ist”. – “Sicher ist nichts geschickter, die verschiedenen Krankheiten, denen der menschliche Körper so sehr unterworfen ist, zu verhüten, als dass man sich zu verschiedenen Zeiten elektrisieren lässt”, denn “die von Zeit zu Zeit in den Körper übergeleitete Elektrizität wird diesen Fehler gleich bei seiner Entstehung beheben und den Krankheiten vorbeugen, welche notwendige Folgen davon sind”. Dies gilt vor allem für jene Krankheitsursachen, “über welche die Elektrizität siegen wird, wenn die elektrische Ätiologie diesen Teil der Arzneiwissenschaft, worinnen jetzt bisweilen noch eine gewisse Dunkelheit herrscht, aufgeklärt haben wird”.
Auch Luigi Galvani (1737 1798) lehrte auf Grund seiner Versuche, dass den Tieren und Menschen eine Elektrizität innewohnt, welche er als “tierische Elektrizität” bezeichnete, die “wenn auch nicht gerade in allen, so doch in den meisten Bestandteilen der Tiere enthalten ist” und sich in den Muskeln und Nerven am stärksten bemerkbar macht. Er vermutete, dass der Muskel der eigentliche Sitz der von ihm entdeckten tierischen Elektrizität sei, der Nerv aber nur als Conduktor fungiere. “Dies angenommen, wäre vielleicht die Hypothese zutreffend”, schrieb er in seiner 1781 erschienenen Abhandlung über die Kräfte der Elektrizität bei der Muskelbewegung – “die Muskelfaser sei gewissermaßen eine kleine Leydener Flasche oder ein ähnlicher elektrischer, mit doppelter und entgegengesetzter Elektrizität geladener Körper, der Nerv aber sei mit dem Conduktor der Flasche und deshalb der ganze Muskel gleichsam mit einer Batterie Leydener Flaschen zu vergleichen”.
Interessant und originell sind Galvanis Überlegungen über die elektrischen Ursachen der Paralyse, Apoplexie und Epilepsie. Ausgehend von seiner elektrischen Theorie der Muskelträgheit, nahm er an, dass bei der Paralyse eine Hemmung des Kreislaufes des elektrischen Nervenfluidums vom Muskel zum Nerven oder vom Nerven zum Muskel eintritt; umgekehrt abnorme Kontraktionen und Krampferscheinungen durch Störungen der normalen Zirkulation der tierischen Elektrizität und Ansammlungen scharfer, reizender Flüssigkeiten im Gehirn oder in den kranken Organen. Daher meinte Galvani, dass die Ärzte bei der Anwendung therapeutischer Mittel zur Beseitigung solcher “elektrischer Krankheiten” und besonders bei zu Heilzwecken angewendeter Elektrizität sich stets die tierische Elektrizität und ihren Zustand vor Augen halten sollten, da diese Mittel vor allem auf die tierische Elektrizität einzuwirken haben, indem sie deren Kreislauf steigern oder vermindern.
Volta beobachtete ebenfalls die günstige Wirkung der Luftelektrizität und der künstlichen Elektrizität auf den menschlichen Organismus und entwickelte sogar eine Methode zur künstlichen Elektrisierung der Zimmerluft zwecks Behandlung von Kranken, da er von einer “solchen durch Elektrizität belebten Luft” besondere Kräfte erwartete. “Die Bewegung des elektrischen Fluidum, welches in die Person, während sie sich in dieser Atmosphäre aufhält, eindringt oder aus derselben weggeht”, meinte er – “mag auch noch so unmerklich und der Reiz, welchen die der elektrischen Luft ausgesetzten Teile des Körpers erfahren, noch so gelind sein, so ist es doch wahrscheinlich, dass endlich eine in die Sinne fallende Wirkung daraus entspringen muss”.
Aus den angeführten Tatsachen und aus den Auffassungen der verschiedenen Gelehrten über die Bedeutung der Bioelektrizität (tierischen Elektrizität) und deren heilende Wirkung ersehen wir, dass Mesmer alle notwendigen und hinreichenden Voraussetzungen zur Entwicklung seiner neuen Heilmethode in der Physik und der Medizin seiner Epoche vorfand. Seine eigene Entdeckung und Methode bestand darin, die Patienten nicht direkt mit einer Elektrisiermaschine aufzuladen, wie es die anderen Arzte getan haben, sondern auf sie eine über den menschlichen Körper geleitete und dort transformierte Elektrizität, die dadurch der körpereigenen Bioelektrizität mehr konform war, zu übertragen. Darüber hinaus machte er Ernst mit dem durch Bertholon entdeckten Prinzip, dass manche Krankheiten sowohl durch einen Mangel als auch durch einen Überschuß an Elektrizität im menschlichen Körper entstehen, und stellte das bioelektrische Gleichgewicht dadurch wieder her, dass er mit Hilfe einer Kette von Patienten einen Ausgleich ihrer verschieden hohen elektrischen Potentiale bewirkte. Mit dieser Methode, die er streng geheim hielt, hatte er einen großen medizinischen und materiellen Erfolg. Auch seine Schüler mussten sich verpflichten, diese Methode geheim zu halten. Im Mai 1784 fand die Gründung der Société d’Harmonie de France statt, die sich die Aufgabe stellte, “die Entdeckung von Anton Mesmer unter dem Namen “Magnétism animal” bekannt, zu pflegen und, sofern dies möglich ist, zu vervollkommnen”. Die Zentrale befand sich in Paris, im Hotel de Coigny. Hier fanden die Kurse Mesmers zur Ausbildung von Magnetiseuren statt, wobei sich die Teilnehmer verpflichten mussten, die Lehre streng geheim zu halten, sie nur im eigenen Gebrauch anzuwenden und sie an Niemanden mitzuteilen.
Bald danach gründete sich eine ähnliche Gesellschaft in Straßburg, die streng nach dem Mesmer’schen Prinzip arbeitete. Statt des Baquets benützte man dort einen großen mit Flüssigkeit gefällten gläsernen Ballon, aus dessen Hals Drähte geleitet waren, die in kleinen Ketten endeten, welche die Patienten berührten, wobei sie offenbar ihre überschüssige Elektrizität an diese große Leydener Flasche abgaben, mit der dann andere Patienten wieder aufgeladen werden konnten.
Einige Worte sind noch über die Ergebnisse der Untersuchungen der königlichen Kommissionen zu sagen, die in Paris auf Befehl des Königs Ludwig XVI. stattgefunden haben. Unter den neun eingesetzten Kommissaren befanden sich der berühmte französische Chemiker Lavoisier und der bekannte amerikanische Naturforscher Benjamin Franklin, der die atmosphärische Elektrizität besonders eingehend studierte. Es wird berichtet, dass sich die Kommissare vergeblich abmühten, mit Hilfe eines Elektrometers und einer nicht magnetisierten eisernen Nadel irgendeine elektrische Strömung festzustellen oder zu messen. Sie fanden keine einzige physikalische Ursache, die etwas zu den Wirkungen beizutragen imstande wäre, die man dem animalischen Magnetismus zuschrieb, stellten jedoch eine unzweifelhafte Wirkung auf die Kranken fest, die in folgenden Worten zum Ausdruck gebracht wurde: “Man kann nicht umhin, in diesen immer wiederkehrenden Wirkungen (Mattigkeit, Unruhe, Tiefsinn, Betäubung, Erstarrung, Hitzegefühl usw.) eine große Kraft anzuerkennen, die über diese Kranken herrscht und gleichsam in demjenigen, der sie magnetisiert, ihren Ursprung zu haben scheint”. Da die Überprüfung der durch den animalischen Magnetismus bewirkten Kuren in Abwesenheit von Mesmer erfolgte, protestierte er dagegen. Auch bei dieser Gelegenheit sprach er von seinem wesentlichen Geheimnis, das er allein hüte, und brachte in einem Schreiben an den Vorsitzenden der Kommission Franklin seine Empörung darüber zum Ausdruck, dass man ohne Rücksicht auf die Gesetze vorgehe, die jedem Menschen sein Eigentum sichern.
Der Arzt A. L. De Jussieu, Professor der Botanik am Jardin des Plantes in Paris, ebenfalls Mitglied der Kommission, führte seine eigenen Untersuchungen in der Klinik von d’Eslon durch und gab dann ein Sondergutachten heraus. Er ging dabei von dem Grundsatz aus, dass ein einziges positives Faktum, welches das Vorhandensein einer physikalischen Kraft evident beweise, alle negativen gegen Mesmer vorgebrachten Tatsachen zerstören könne, welche bloß deren Nichtwirksamkeit konstatierten. Während die Kommission die Wirkung des Magnetismus der “Imagination” (Einbildung) zuschreiben wollte, da sie dafür keine andere plausible Erklärung fand, meinte Jussieu, dass die Tatsachen, die er beobachtete (er magnetisierte auch selbst), durchaus genügen, um die Existenz eines Fluids oder Agens zuzulassen, das sich von einem Menschen auf den anderen überträgt und merkbare Wirkungen ausübt. Vorsichtig fügte Jussieu hinzu: er wolle nicht bejahen, dass hier ein völlig neues Naturprinzip zur Wirkung komme, und sprach die richtige Vermutung aus, dass sich vielleicht die Elektrizität im organischen Körper zu einer “animalischen Elektrizität” verwandelte. Es handelt sich aber auf jeden Fall um ein Naturprinzip von hoher medizinischer Bedeutung und mit auffallenden Heilerfolgen, meinte er.
In der Elektrotherapie wendet man mit wechselndem Erfolg galvanische, faradische und andere elektrische Ströme an. Es wäre zu überprüfen, ob die Zufuhr einer über den menschlichen Körper geleiteten und dort transformierten Elektrizität, die dadurch der körpereigenen Bioelektrizität näher kommt, von Vorteil für die Kranken ist, die an einem Mangel an Elektrizität leiden. Übersehen wurde bisher die Tatsache, dass manche Krankheiten durch einen Überschuss an Elektrizität bedingt sind. Gerade bei solchen Kranken konnte Mesmer das gestörte bioelektrische Gleichgewicht durch Ableiten der überschüssigen Elektrizität auf andere Menschen oder in eine mit Wasser gefüllte Flasche wiederherstellen.