Tiere verstehen lernen
Verhaltenstherapeutische Beratung in der Tierheilpraxis
Tierheilpraktiker sind in vielen Fachgebieten tätig. Es gibt Homöopathen, Pflanzenheilkundige, Akupunkteure, Heiler und weitere therapeutische Möglichkeiten. Auch die diagnostischen Möglichkeiten sind sehr unterschiedlich, von der aus der Schulmedizin bekannten körperlichen Untersuchung über Bioresonanz bis zur energetischen Arbeit. Ein weiteres Betätigungsfeld kann die Verhaltenstherapie sein, die idealerweise tierpsychologisches und medizinisches Wissen verknüpft.
Tierpsychologie
Psychologie ist die Wissenschaft vom Erleben, Verhalten und Bewusstsein des Menschen (seiner Psyche), was ein (Selbst-)Bewusstsein voraussetzt. Ob Tiere sich ihrer Selbst bewusst sind, ist noch nicht bekannt, allerdings konnte bei mehreren Arten beispielsweise durch Spiegeltests herausgefunden werden, dass sie eine Eigen- und Fremdwahrnehmung besitzen. Daher erscheint der bereits durch von Konrad Lorenz geprägte deutsche Begriff „Tierpsychologie“ durch die neueren Forschungen immer mehr gerechtfertigt. Da bei Tieren lediglich Verhalten beobachtet werden kann, sind die Bezeichnungen Ethologie (Verhaltensforschung) und Verhaltensbiologie präziser. Diese beiden Begriffe sind in der Bevölkerung jedoch kaum verankert, sodass man im allgemeinen Sprachgebrauch eben doch von Tierpsychologie spricht.
Eine Grundfragestellung der klassischen Ethologie ist, ob ein bestimmtes Verhalten angeboren oder erlernt ist. Die dazu entwickelten Untersuchungsmethoden liefern nur selten eine eindeutige Entscheidung. In der modernen Verhaltensforschung geht man davon aus, dass jegliches Verhalten eine genetische Grundlage hat und im weiteren Leben durch Umwelteinflüsse beeinflusst wird.
Ausbildung und Arbeit des Tierpsychologen
Die tierpsychologische Ausbildung ist wie die Tierheilpraktikerausbildung nicht gesetzlich geregelt. Prinzipiell dürfte sich also jeder, der sich für „berufen“ hält, als Verhaltenstherapeut niederlassen. Dass dies kaum zielführend ist, leuchtet ein, wenn man die Anforderungen an diesen Beruf kennt. Denn es ist nicht damit getan, das Verhalten seines Wellensittichs gut zu beobachten, sondern man benötigt umfangreiches Wissen über die Stammformen unserer Haustiere. Für den Haushund ist wölfisches, für Hauskatzen das Verhalten der Falbkatze die Grundlage. Durch die Domestikation haben sich neue oder veränderte Verhaltensweisen gebildet, die man natürlich ebenfalls kennen muss.
Besonders sinnvoll ist es, einen Studiengang in einer anerkannten Ausbildungsstätte, z.B. den Paracelsus Schulen, zu absolvieren. Außerdem gibt es sehr gute Literatur zum Tierverhalten, häufig jedoch aus wissenschaftlicher Sicht, sodass das Lernen von Fachbegriffen aus der Biologie und Psychologie erforderlich ist. Dazu gehört auch, sich mit eher ungeliebten Methoden der Dokumentation und Statistik zu beschäftigen.
Eine spannende und lohnende Trainingsmethode ist neben dem Beobachten der Haustiere auch der Besuch eines Wildparks oder Zoos. Hier lohnt es sich, mit einem Stuhl, Schreibzeug, einer Foto- oder Videokamera und einem Butterbrot „bewaffnet“ einen ganzen oder mehrere Tage vor einem bestimmten Gehege zu verweilen. Im Sommer und bei Sonnenschein fällt dies naturgemäß leichter als im Winter oder wenn es regnet. Das ist jedoch das Los des Feldforschers … Etwas einfacher ist das Beobachten in Tierheimen, im Offenstall, in der Landwirtschaft oder auf dem Hundeplatz. Geübt wird dabei hauptsächlich das „Lesen“ der Tiere: Das reicht von der Mimik und Ohrenstellung bis hin zum Verhalten in besonderen Situationen, z.B. der Fütterung.
Verhalten ist immer wertfrei! So ist der Begriff „Aggression“ in unserer heutigen Welt häufig negativ besetzt, dabei ist Aggression lediglich ein Kommunikationsmittel zwischen zwei Individuen. Faucht eine Katze eine andere an, bringt sie dadurch zum Ausdruck, dass ihr die Begegnung aus irgendwelchen Gründen unangenehm ist. Die Katze ist deswegen aber nicht „böse“! Beschäftigt man sich neutral mit Verhalten, stellt man fest, wie falsch solche Ausdrücke wie „Kampfhund“ oder „dumme Kuh“ sind. Nur dem Hund gibt man gute Eigenschaften, obwohl doch „Treue“ nur ein Ausdruck eines von Natur aus hochsozialen Lebewesens ist, das auf einen Sozialpartner angewiesen ist.
Wissenschaft entwickelt sich immer weiter! Das Schlimmste, was einem Tierpsychologen passieren kann, ist Stillstand. Es gibt keine Patentrezepte, und durch die Forschung erlangen wir laufend neue Erkenntnisse. Daher ist es auch sinnvoll, eine Art wissenschaftliches Netzwerk aufzubauen, sodass neue Erkenntnisse schneller in die Arbeit einbezogen werden können. So wurden durch die Freilandforschung an Wölfen viele überholte Vorstellungen des Sozialverhaltens aus der Gehegebeobachtung über Bord geworfen. Daher müssen wir auch das Zusammenleben mit unseren Hunden differenzierter sehen. Doch in wie vielen Hundeschulen werden schon „seit 30 Jahren“ die alten Zöpfe nicht abgeschnitten, womöglich Patente auf die „einzig wahre“ Trainingsmethode vergeben und alle neuen Erkenntnisse ignoriert … Die Tierpsychologie ist also ein spannendes, aber auch arbeitsintensives Feld, denn es ist viel Überzeugungsarbeit zu leisten.
Kombiniert man diese Tätigkeit mit einer biologischen oder tiermedizinischen Ausbildung, erweitern sich die Möglichkeiten erheblich. So kann man beispielsweise aus bestimmten Stoffwechselprozessen Rückschlüsse auf das Verhalten ziehen und z.B. durch die Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln diese Prozesse positiv beeinflussen.
Die Tätigkeit als Tierpsychologe
Die Kontaktaufnahme durch den Kunden erfolgt im Regelfall telefonisch bzw. per E-Mail. Daher ist es auch sinnvoll, sich durch eine aussagekräftige Homepage oder Einträge in Spezial- Branchenbücher bekannt zu machen.
Der Therapeut wird während des Erstkontakts die relevanten Daten zu Tierart, Rasse, Geschlecht, Kastration und Alter aufnehmen. Welche Fragestellung bzw. welches Problem hat der Patientenbesitzer mit seinem Tier und seit wann? Auch die bisherigen Maßnahmen und eine eventuelle medizinische Abklärung werden besprochen. Ein sogenannter Anamnesebogen hilft dem Berater bei der Vorbereitung des zu vereinbarenden Hausbesuchs und kann per E-Mail ausgetauscht werden. Wenn sinnvoll, werden Notfallmaßnahmen bis zur Konsultation vereinbart, z.B. bei einer „Pinkelkatze“ das Abdecken von Betten mit Plastikfolie.
Der Hausbesuch ist das Mittel der Wahl! Es gibt zwar Therapeuten, die Sprechzeiten in der Praxis vereinbaren, aber gerade in fremder Umgebung wird man bei eher scheuen Tieren wie Papageien oder Katzen das „normale“ Verhalten nicht beobachten können. Bei Hunden kann das Treffen in der Praxis oder dem Hundeplatz je nach Fragestellung durchaus sinnvoll sein, wenn sich das Problem nicht in häuslicher Umgebung zeigt. Auch Pferde sucht man besser im gewohnten Stall oder auf dem Reitplatz auf. Beim Hausbesuch sollten möglichst alle Personen des Haushalts anwesend sein – und natürlich auch die betroffenen Tiere (auch die Freigängerkatzen). Bei Hunden kann man die Konsultation ggf. mit einer „Gassirunde“ verbinden.
Das hauptsächliche Anliegen eines Tierpsychologen ist das Verständnis für eine Verhaltensweise zu wecken – denn die wenigsten Tiere haben eine tatsächliche psychische Störung! Im Regelfall handelt es sich um natürliches, aber für den Menschen unerwünschtes Verhalten, z.B. das Harnmarkieren. Kein Tier möchte den Halter „bestrafen“ (auch wenn man dies gerade Katzen gerne unterstellt), es weiß sich in einer körperlichen oder seelischen Notlage nur nicht anders zu helfen. Vielleicht möchte es auch Aufmerksamkeit erregen gegenüber dem Menschen oder dem tierischen Mitbewohner.
Wichtig ist in der gesamten Arbeit, dass keine „Vermenschlichung“ des tierischen Verhaltens erfolgt! So weiß man zwar, dass Tiere Freude oder Stress empfinden können – und zwar nicht nur aus der Beobachtung heraus, sondern auch durch Messungen von Hormonen und Botenstoffen oder anderen Untersuchungsmethoden. Aber wenn wir z. B. von Eifersucht sprechen, erfordert dies ein spezielles Reflektieren einer Beziehung. Tiere können sicherlich Konkurrenzsituationen erspüren und ihr Handeln danach ausrichten, aber sie werden dies nicht in Beziehung setzen zu Vorfällen in der Vergangenheit oder Zukunft. Auch unser eigenes Denken setzt Grenzen im Verstehen der Tiere. Als Primaten haben wir eine gänzlich andere Körpersprache als Wolf, Wildpferd & Co. Der Nahrungserwerb des früheren Menschen erfolgt völlig anders als der von Beutegreifern, was wiederum zu völlig anderem Verhalten führt. Auch wenn Stoffwechselprozesse in Säugetieren fast identisch ablaufen, so muss man doch anerkennen, dass die Auswirkungen nicht unbedingt identisch sind – allein, weil wir z.B. über eine angstauslösende Situation nachdenken können, während das Tier ihr mehr oder weniger hilflos ausgeliefert ist oder rein instinktiv handelt. Nicht zuletzt hindert unsere eigene Sozialisation als Mensch uns am tiefen Verständnis der Tiere, da die meisten von uns noch so erzogen wurden, dass man sich als „Krone der Schöpfung“ und als „höherwertig“ betrachtet – statt im Tier ein Mitgeschöpf zu sehen, das eine Seele besitzt und ebenso ein Recht auf ein erfülltes und gesundes Leben hat wie wir, mit allen Konsequenzen der „Herrschaft“ über ein anderes Wesen, egal ob im Nutztierbereich oder durch tierquälerische Maßnahmen in der Sportausübung.
Tierpsychologie beschränkt sich daher nicht nur auf die konkrete Tätigkeit der Verhaltensberatung, sondern ist die Grundlage für ein echtes Verständnis für Tiere. In diesem Sinne ist der Verhaltenstherapeut auch Lehrer und Vermittler und trägt eine große Verantwortung, dieses Wissen weiter zu tragen. Eine erfüllende Tätigkeit zum Wohle der anvertrauten Tiere!
Andrea C. Schäfer
Tierheilpraktikerin und Tierpsychologin mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie bei Katzen und Hunden
info@thp-schaefer.de
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