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Psychotherapie
Lesezeit: 10 Minuten

Wechselsex – Die Last mit der Lust

© Sergey Nivens - fotolia.comNiemand wechselt freiwillig in einen mieser bezahlten Job oder eine hässlichere, kleinere Wohnung. Daher steht Wechsel für uns Frauen zunächst für Anpassung und Gestaltung.

So wie wir neue Räume mit unserer Kreativität mit innovativen Farben und einem besonderen Design ausstatten, bemühen sich die meisten Damen zunächst, ihr äußeres Erscheinungsbild in Form zu halten. Früher schien ein neues Kleid zu genügen. Aber nun wird der Chirurg gebeten, Krampfadern, Speckfalten und Gesichtskrater zu entfernen. Botox lässt das Gesicht zwar leblos, aber immerhin fast 20 Jahre jünger erscheinen. Und dennoch sind die Wartezimmer mit Frauen bevölkert, die unter Depressionen und aufkommenden Ängsten leiden. Aber zum Glück gibt es Medikamente, die es leichter machen: das Altwerden. Selbst gegen das veränderte Lustaufkommen gibt es nun die Pille für die Frau. Offensichtlich haben wir alles im Griff. Oder doch nicht? Nicht alle Frauen leiden so massiv. Etwa ein Drittel ist recht zufrieden. Doch womit? Und warum gelingt es nicht allen gleich? Und worin besteht die Chance zu einem gelungenen Wechsel?

Schauen wir uns zunächst an, was sich bei Frauen psychisch wie auch physisch verändert und somit zu einem anderen Sexualleben führen kann, denn sexuelle Wesen bleiben wir bis zum Schluss! Das Leben einer Frau ab 45 zeichnet sich zunächst durch Veränderung im bisherigen Lebensanspruch aus. Bislang eingespannt in den Spagat der unterschiedlichen Rollen in Job, Haushalt, Mutter und Ehefrau, fällt nun oft der aufwendige Faktor Kind aus dem Programm. Für viele Frauen auch eine Frage der Aufgabe und der damit verbundenen Identität. Plötzlich stellen sich Fragen wie: Wer bin ich jetzt noch und was möchte ich für mich? Diese Konfrontation mit mir selbst kann mir Angst machen und die Zwischenbilanz meines Lebens vielleicht wenig ermutigend sein oder mich gar wütend machen. Man nennt das Anpassungsstörung. Die könnte recht gut und rasch behandelt werden. Denn die Kraft der Wut kann zu einer sinnvollen Veränderung genutzt werden.

Stattdessen landen viele Frauen aus Angst vor dem Neubeginn in einer Art Ohnmacht und lassen sich lieber mit Psychopharmaka behandeln. Eine Therapie oder ein Coaching wäre die bessere Wahl. Nur kämpfen ist für viele zu anstrengend und so bleibt es bei einem geringen Selbstwertgefühl. Ja, den größten Feind tragen wir wohl doch in uns selbst, aber auch nur wir selbst können ihn besiegen. Darum stellen auch Sie sich einmal die Frage: „Behandle ich mich selbst so, wie ich gerne von anderen behandelt werden möchte?“ Ansonsten sollte ich mich über sog. Sauger oder Schläger in meinem Umfeld nicht wundern.

Ist man noch mit dem Partner zusammen, führt das nicht selten zu ungeahnten Konflikten. Oft hat man über Jahre nur noch funktioniert, sich damit auch auseinander gelebt und entfremdet. Nun muss die Beziehung wieder upgedatet und die unterschiedlichen Erwartungen und Möglichkeiten müssen ausgesprochen und angegangen werden. Das führt nicht selten in eine Paartherapie, um gemeinsam die neuen Chancen zu erarbeiten.

Ging es früher noch um Themen wie „Wer bringt den Müll raus oder holt und bringt die Kinder“, sind es jetzt meist die Männer, die auf ein erfüllendes Sexualleben pochen. Und da beginnt dann meist die Last mit der Lust. Die Möglichkeit zu hemmungslosem Sex, mitten im Wohnzimmer, am helllichten Tag wäre nun wieder gegeben – so wie früher. Aber sie kann sich das nun nicht mehr so recht vorstellen und unterstellt ihm nicht selten, dass er sexsüchtig sei; er wirft ihr dafür im Gegenzug Behandlungsbedürftigkeit vor. Das gibt es natürlich auch andersrum zwischen Mann und Frau. Wie auch immer: Da kann einem schnell die Lust vergehen. Was geht da in uns vor?

Ist etwa der Sex langweilig geworden?

Kaum jemand formuliert es so offen und deutlich. Was man stattdessen hört, ist, dass die Leidenschaft abhandengekommen ist, soll aber eigentlich heißen, dass das Sexleben eintönig und langweilig geworden ist. Wie kommt es, dass, obwohl meist beide Partner immer noch ihre Liebe zueinander beteuern und die Beziehung nicht aufgeben wollen, einer – oder beide – eher lustlos und desinteressiert am Sex wirken?

War der gemeinsame Sex der früheren Jahre oft noch sehr abenteuerlich – er konnte fast überall stattfinden – so wurde es in den späteren Jahren im Auto zu eng und der Heuschnupfen widersprach dem Sex im Freien, der Küchentisch wurde nur noch zum Essen benutzt, am Türrahmen irritierte der Staub, in der Gartenlaube die Unordnung. Und nachdem auch der Sex auf dem Wohnzimmerteppich oder am Strand gut begründet ausgeschlossen wird, bleibt einzig noch das Bett. Schließlich ist es hier warm und gemütlich und die Zeit der Ekstase liegt schon lange zurück. Hier kann man auch gleich danach einschlafen und der Sex gehört halt irgendwie dazu, wie das Zähneputzen vor dem Schlafengehen. Nur seltener und auch kürzer – aber in jedem Fall sauber.

Da ist sie: die Last mit der Lust. Sie kommt dadurch zustande, dass ein Paar über alle sexuellen Spielarten, die es kennt, geredet hat, – d.h. die, über die beide reden wollen – und im Namen von Rücksicht, Gleichheit und Fairness wird sich dann an die Tabus gehalten. Über das, womit man nichts zu tun haben möchte, wird auch nicht mehr geredet. Diese Handhabung des Entgegenkommens hat eine einschränkende Wirkung auf alle anderen sexuellen Fantasien und Möglichkeiten und führt letztlich dazu, dass oft nur eine Liebesspielart im Repertoire übrig bleibt: diejenige, nachdem jeder der beiden Partner bestimmte andere ausgeschlossen hat. Die Tyrannei des kleinsten gemeinsamen Nenners hat gewonnen und aus der großen sexuellen Landkarte ist eine winzige Nische geworden. Diese verbliebene erotische Komfortzone für Liebe und Sex wird dann als Ideal mystifiziert und um nichts in der Welt bedroht oder gar gefährdet. Schließlich ist sie ja davon gekennzeichnet, dass man sich mit dem Partner geeinigt hat. Dass die Grenzen des Partners respektiert werden, das ist doch nur anständig, oder? Ist doch gut so, wie es ist, nicht wahr? Bis offenbart wird, dass es eine sexuelle Affäre gegeben hat.

Was also tun, wenn die Lust zur Last wird? Einen anderen Partner finden? Keine gute Idee! Denn Sie als Partner bleiben ja derselbe, wenn Sie sich nicht einer persönlichen Weiterentwicklung unterziehen. Und dann können Sie das nächste Mal auch kein besserer Partner sein. Außerdem ist der Schmerz-Zuwachs durch eine Affäre oder gar Trennung meist sehr viel größer als der Lust-Zuwachs. Warum nicht mit dem Liebesweh der sexuellen Unlust umgehen wie mit Zahnweh und zum Fachmann gehen? Die diplomierte Eheberaterin Barbara Kiesling bringt es auf den Punkt: „Im Verhältnis zu dem Ausmaß partnerschaftlicher Konflikte nehmen noch immer viel zu wenig Menschen professionelle Hilfe in Anspruch. Demgegenüber käme niemand in unserer Kultur auf die Idee, ein Loch im Zahn selbst reparieren zu wollen. Schuhe werden zum Schuster gebracht, die Kleidung in die Reinigung. In nahezu allen Lebensbereichen wird professioneller Dienst in Anspruch genommen – nur in der Partnerschaft, in diesem so wichtigen Lebensbereich, da versuchen die meisten, mit ihrer Krise selbst irgendwie fertig zu werden.“

Hilfe in Anspruch zu nehmen ist so dumm vielleicht nicht, auch wenn es Geld kostet. Denn das Honorar für eine gute Ehe- und Paarberatung ist meist eine lohnende Investition. Und viel billiger, als in der Liebe zu scheitern.

Zu den unerwünschten Nebenwirkungen von festen Liebesbeziehungen kommt hinzu, dass in den Medien die Sexualität häufig mit Jugend und körperlichen Idealbildern in Verbindung gebracht wird. Dem entsprechen Frauen in fortgeschrittenem Alter eher selten und das führt unweigerlich zu Versagensängsten und Minderwertigkeitskomplexen. Männern geht es übrigens genauso. Natürlich ist Sexualität nicht von der Jugend gepachtet und wir sollten besonders beachten, dass viele Frauen berichten, dass der Orgasmus im zunehmenden Alter tiefer, länger und stärker wird.

Also ist Reife ein Vorteil? Ja und nein. Jedenfalls nimmt die sexuelle Reaktionszeit im Laufe des Alters zu. Das bedeutet, dass es einfach länger dauert, bis beide zum Höhepunkt kommen. Sollte die Frau bis dahin nicht den jungen Liebhaber gewählt haben, trifft sich das günstig mit dem „alten“ Partner, denn bei ihm tritt das Gleiche auf. Der hat mittlerweile neben der „Seh- und Geh-Hilfe“ nun womöglich noch die kleine, blaue „Steh-Hilfe“ nötig. Die muss er einige Zeit vorher einnehmen; das bremst zwar die Spontanität, kann aber das Tor zur Phantasie für ein verlängertes Vorspiel öffnen.

Natürlich führen auch körperliche Veränderungen zu sexuellen Problemen:

Etwa 50% der Frauen leiden an einer trockenen und enger werdenden Scheide. Dadurch kann das Lustempfinden beim Geschlechtsverkehr durch Schmerzen erheblich beeinträchtigt werden.

Oft macht sich eine Blasenschwäche bemerkbar; die Schleimhäute der Blase und der Beckenbodenmuskulatur bilden sich zurück und verlieren an Elastizität. Wenn man nicht sicher den Urin halten kann, ist Sex eher mit Angst und Stress verbunden, als mit Lust. Das betrifft beide Geschlechter.

Durch die abnehmende Blutversorgung der Geschlechtsorgane brauchen Scheide und Schamlippen länger, um feucht zu werden und anzuschwellen, ganz zu schweigen von den Schwellkörperproblemen bei ihm.

Und schließlich führen Schlafstörungen, Nachtschweiß, Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen dazu, dass Frauen – Männer auch! – sich müde und sexuell unattraktiv fühlen.

Was kann man tun?

Grundsätzlich sollte von einem Arzt eine organische Erkrankung ausgeschlossen sein und vor Beginn einer naturheilkundlichen Therapie sollte immer eine gynäkologische bzw. urologische Abklärung erfolgen.

Ein wichtiger Punkt ist die Bestimmung des Hormonstatus, um gezielt das fehlende oder überschießende Hormon zu therapieren. Eine Hormonuntersuchung erfolgt über einen Speicheltest, da hier die aktiven Hormone gemessen werden können. Ist das Ergebnis dann bekannt, erfolgt die Behandlung über Phytotherapie, Homöopathie, Komplexmittel, homöopathische Hormoncreme u.a.m.

All dies hat keine Nebenwirkungen auf den Körper und kommt z.B. auch für Frauen in Betracht, die eine Hormontherapie ablehnen.

Grundsätzlich muss es jedoch zu einem Umdenken in der Lebensführung kommen. Alkohol, Koffein und Nikotin sind zu meiden, stattdessen sollte auf eine bessere Entschlackung geachtet werden. Naturbelassene Nahrungsmittel mit bekannten Inhaltsstoffen sind so wichtig wie der Verzicht auf Zucker, Weißmehl, Milchprodukte und Schweinefleisch.

Schließlich bietet uns die Natur Diverses an, z.B. die Macawurzel. Sie enthält hormonähnliche Substanzen, die Überträgerstoffe im Gehirn beeinflussen und die Durchblutung der Beckenorgane anregen. Auch Damianatee, den schon die Maya tranken, gilt als Aphrodisiakum.

Wir verändern uns durch den Alterungsprozess. Das erscheint vordergründig jedem zunächst logisch und normal. Vermeiden wollen wir es dennoch fast alle. Wahr ist jedoch – und messbar auch – dass je negativer man die Veränderung bewertet, desdo negativer fühlt man sich.

Ergreifen wir daher bei allem Kampf gegen das Unvermeidliche die Gelegenheit, uns nicht länger nur auf unseren Körper reduzieren zu lassen und uns mehr auf unser erreichtes Innenleben zu konzentrieren. Denn es ist die Suche nach einem neuen Sinn und einer neuen Identität als Frau, Mann und Mensch, die uns lebendig und begehrenswert macht und innerlich reich im Wechsel zu neuen Jahren.

Gisela Ruffer Gisela Ruffer
Heilpraktikerin für Psychotherapie mit Praxis in Landshut, Expertin für Beziehungs- und Lebenscoaching
gisela.ruffer@g-r-i-p-s.de

Brigitte Otte Brigitte Otte
Heilpraktikerin mit Landpraxis in Bodenkirchen, Expertin für Frauenheilkunde und therapeutische Frauenmassage
info@landpraxis-otte.de 

Literatur

  • Buchner, E.: Wenn Körper und Gefühle Achterbahn spielen … Hormone natürlich ins Gleichgewicht bringen. Buchner Verlag, 2007
  • Gerhard, Prof. Dr. med. I.: Das Frauengesundheitsbuch. Wo Naturheilverfahren wirken, wann Schulmedizin nötig ist. TRIAS Verlag, 2014
  • Jagfeld, E.P.: Frauenheilkunde natürlich. Das Fachbuch für die Praxis. Books on demand, 2014
  • Kiesling, B.: Der andere ist nicht die Hölle. Wie Paare dem Himmel näherkommen. Vandenhoeck & Ruprecht, 2007
  • Clement, U.: Guter Sex trotz Liebe. Wege aus der verkehrsberuhigten Zone. Ullstein Taschenbuch, 2015

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