Schadensfälle in der Heilpraktiker-Praxis
Was tun, wenn ein Patient Schadenersatz gegen Sie geltend machen will?
§ 823 BGB, Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Kurz gesagt: Wer einen Schaden verursacht, haftet dafür. Deshalb sollte jeder Heilpraktiker (immer m/w/d) eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen. Zudem wird eine Strafrechtsschutzversicherung empfohlen (s. Artikel 17 BOH).
Der beste Schutz vor Schadensansprüchen ist Prävention
Kein Heilpraktiker möchte in die Situation kommen, dass ein Patient einen berechtigten Grund zur Beschwerde hat oder den Vorwurf einer Falschbehandlung erhebt. Doch zum einen sind Fehler menschlich, und zum anderen bringt auch unser Beruf ein gewisses Risiko mit sich. Deshalb haben wir eine Heilerlaubnis, weil unsere Tätigkeit heilkundliches Fachwissen voraussetzt und, unsachgemäß ausgeübt, gesundheitliche Schäden verursachen kann (BVerfG NJW-RR 2004, 705/ BVerfG 2.3.2004 – 1 BvR 784/03/ OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2.12.1998 – 13 A 5322/96).
Wichtig ist, dass wir unserer Sorgfaltspflicht nachkommen und im Vorfeld Überlegungen anstellen, damit es in unserer Praxis möglichst nicht zu Beschwerden oder Schadensersatzansprüchen kommt.
Hier möchte ich auf den dreiteiligen Artikel „Qualitätsmanagement in der Heilpraktiker- und der Heilpraktiker für Psychotherapie-Praxis“ verweisen (ab Paracelsus 01.20).
Teil 1 definiert, was unter Patientensicherheit zu verstehen ist, und beschäftigt sich mit verschiedenen Formen von Behandlungsfehlern.
Teil 2 erläutert, dass Risiko- und Fehlermanagement wesentliche Grundelemente der Qualitätssicherung sind, und gibt Tipps, wie Sie „Gefährdungen“ (Risiken in der Praxis) beurteilen und daraus Maßnahmen ableiten.
Teil 3 beschreibt den Aufbau eines Praxishandbuchs und wie Sie ein Risiko- und Fehlermanagement in Ihre Praxis integrieren.
Diese wichtigen Prozesse des Qualitätsmanagements unterstützen Sie dabei, Fehler und Schadensfälle in der Praxis zu vermeiden, und dienen damit der „Schadensprävention“.
Vor dem Ersatzanspruch kommt die Beschwerde
Im
Umkehrschluss heißt das: Wenn Sie im Vorfeld angemessen mit Konflikten in der Praxis umgehen, können Sie, wenn alles
gut läuft, „Schlimmeres“ abwenden und eine Einigung finden.
Wie mit Beschwerden umgehen?
Die meisten Beschwerden in der
Praxis beziehen sich nicht auf die Behandlung selbst, sondern auf die Wartezeit, die telefonische Erreichbarkeit, den
Zeitpunkt der Rechnungsstellung o.ä. Verlieren Sie die Angst, dass ein Patient sich grundsätzlich über Ihre Behandlung
beschweren könnte.
Das Bedürfnis hinter der Betrübnis
Der Begriff
„Beschwerde“ entstammt dem mittelhochdeutschen Wort „beswærde“, was so viel wie „Betrübnis“ bedeutet. Es ist wichtig,
dass Sie die Beschwerde des Patienten nicht allzu persönlich nehmen; versuchen Sie, das Bedürfnis hinter dem
„Betrübnis“ zu erkennen und nehmen Sie sich dem an. Das Schlimmste, was Sie machen können, ist, die Beschwerde Ihres
Patienten zu ignorieren. Wenn Sie jedoch darauf eingehen, haben Sie die Chance, aus einem unzufriedenen Patienten
einen zufriedenen zu machen. Ansonsten beschwert er sich künftig bei jemand anderem und geht womöglich zum
Verbraucherschutz, einer Patientenberatungsstelle oder schaltet gar einen Anwalt ein.
Sie sind der erste Ansprechpartner
Bewerten Sie
Beschwerden deshalb um und sehen Sie diese als Chance, um Verbesserungspotenziale abzuleiten. Unser Tipp: Richten Sie
als weiteres Instrument der Qualitätssicherung in Ihrer Praxis ein „Beschwerdemanagement“ ein.
Internes und externes Beschwerdemanagement
Die einfachste interne Form ist ein Kummerkasten, z.B. im Wartezimmer. Hier können Patienten, aber auch Mitarbeiter ihre „Nöte“ anonym bei Ihnen lassen.
Sie können Beschwerdeformulare bereitstellen. Folgende Angaben sollten darauf zu finden sein:
- Name des Beschwerdeführers
- Datum
- Beschwerdegrund
- Erwartung: Was soll sich ändern?
Erfassen Sie die an Sie herangetragenen Probleme in einem Beschwerdebuch. Dort dokumentieren, analysieren und werten Sie aus, und geben anschließend eine Rückmeldung an den Beschwerdeführer und ggf. auch an Ihr Team, welche Handlung Sie daraus abgeleitet haben. Im simpelsten Fall reicht ein klärendes Gespräch, in dem sich der Patient Luft machen kann, oder eine Entschuldigung. Mit kleineren Konflikten können Sie also gut selbst in der Praxis umgehen.
Ein externes Beschwerdemanagement wird bei größeren Problemen erforderlich. In der Vergangenheit sind diese kaum bei unseren Berufsverbänden aufgelaufen, sodass deren Bearbeitung leider erschwert wurde. Das ändert sich gerade, denn etliche Berufsverbände richten derzeit, wenn nicht bereits geschehen, Patientenbeschwerdestellen ein. Meistens übernehmen die Vorstände diese Funktion, d.h. man kann sich schriftlich an den Berufsverband wenden, der die Beschwerde aufnimmt, bearbeitet und sie ggf. gemeinsam mit Experten der „Gesamtkonferenz Deutscher Heilpraktikerverbände und Fachgesellschaften“ auswertet.
Gütliche Einigung
Bei einem Konflikt oder Vorwurf sollte
immer zuerst das Gespräch gesucht werden. Häufig beruhen die Probleme auf Missverständnissen und Fehlinformationen und
können außergerichtlich aus dem Weg geschafft werden. Oftmals hat die Beschwerde aber auch mit einer vermeintlichen
Falsch- oder Fehlberatung/-behandlung zu tun.
Es sind häufig niedere Gründe, die hier eine Rolle spielen (Der Patient möchte die Rechnung nicht bezahlen oder angeblich mangelnder Heilerfolg). Der Versuch einer gütlichen Einigung ist in diesen Fällen meist zwecklos.
Vorwurf Behandlungsfehler – Kühlen Kopf bewahren
Ein Fehler
wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für Sie voll beherrschbar war und das
zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat. Doch wie können Sie im
Zweifelsfall beweisen, dass Sie alles richtig gemacht haben? Sie stehen in der Beweislast. „Im Zweifelsfall immer an
den Berufshaftpflichtversicherer verweisen.“ (Robert Zellerer)
Richtige Dokumentation sichert Sie ab
Dokumentieren Sie
von Anfang an sauber und ordentlich den gesamten Behandlungsprozess. Kommen Sie auch Ihren Aufklärungs- und
Informationspflichten nach. In Paracelsus 05.19 finden Sie unser „Kurzes Einmaleins zur richtigen Dokumentation“. Im
internen Downloadbereich der Verbandseiten des VUH und des VFP finden Sie zusätzliche Checklisten, die Sie bei der
korrekten Dokumentation unterstützen.
Das sollten Sie bei einem Vorwurf tun
1. Überprüfen Sie Ihre Dokumentation. Haben Sie tatsächlich alle Umstände der Behandlung und ggf. des Zwischenfalls dokumentiert? Wichtig: Nachträge sollten unbedingt als solche erkennbar sein. Das heißt, sollten Sie etwas ergänzen wollen, muss das aktuelle Datum erkennbar sein. Dokumentationen auf keinen Fall fälschen oder vernichten, Beweismittel (z.B. Fotos) sicherstellen.
2. Fertigen Sie ein Gedächtnisprotokoll an. Atmen Sie tief durch und nehmen Sie sich Zeit dafür. Allzu schnell wird der retrospektive Blick verfälscht. Legen Sie dieses Protokoll unabhängig von der Patientendokumentation ab.
3. Melden Sie das Schadensereignis unverzüglich Ihrer Versicherung. Dabei ist es unerheblich, ob Sie glauben, dass der Patient den Vorwurf unrechtmäßig erhebt oder ob sogar schon ein rechtsanwaltliches Anspruchsschreiben vorliegt.
4. Überlassen Sie die Korrespondenz dem Versicherer. Geben Sie aus versicherungsrechtlichen Gründen keine Schuldanerkennung ab, und sprechen Sie am besten auch keine Beschuldigungen gegen andere aus. Äußern Sie sich wie folgt: „Ich werde den Vorgang an meine Haftpflichtversicherung weiterleiten.“
5. Leiten Sie eine zivilrechtliche Klage sofort an den Versicherer oder den Anwalt weiter. Die Continentale, bei der sehr viele Kollegen versichert sind, hat eine E-Mail-Adresse eingerichtet, über die Sie sofort Kontakt aufnehmen und den Sachverhalt bzw. Vorwurf schildern können: schaden@zellerer.info oder Sie rufen Michael und Robert Zellerer an: Tel. 089/74112233.
Verhalten im Schadensfall
(von Robert Zellerer)
Ein Patient stürzt auf der Treppe und bricht sich das Bein. Dieser Schadensfall lässt sich in drei Szenarien einteilen:
1. Weil der Heilpraktiker die Treppe nass gewischt hat, diese aber noch nicht trocken war und kein Hinweisschild aufgestellt wurde. Die Schadensersatzansprüche werden dem Grund und der Höhe nach geprüft und entsprechend geleistet.
2. Weil die Treppe zu den gemieteten Praxisräumen schadhaft war. Es liegt kein Verschulden des Heilpraktikers vor, somit erfolgt auch keine Leistung durch die Berufs-/Betriebshaftpflichtversicherung.
3. Der Patient stürzte durch eigenes Ungeschick. Hier liegt ebenfalls kein Verschulden des Heilpraktikers vor – also keine Leistung durch die Berufs-/Betriebshaftpflichtversicherung.
Ein anderer Patient hat sich das Leben genommen. Angehörige beschuldigen mich, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Wie bei allen anderen Schäden auch, wird die Abwicklung des Schadens übernommen. In diesem Fall wird die Staatsanwaltschaft eine Anklage wegen „Fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge“ einleiten. Die Berufshaftpflichtversicherung stellt hierfür die Strafverteidigungskosten, auch schon im Vorverfahren.
Was passiert, wenn mich ein Patient auf Schadensersatz verklagt?
Der Schaden muss dem Haftpflichtversicherer gemeldet werden. Dieser hat 2 Aufgaben:
1. Befriedigung berechtigter Ansprüche – Sollte ein von Ihnen verschuldeter versicherter Schaden vorliegen, wird die Entschädigungshöhe geprüft und an den Geschädigten geleistet.
2. Abwehr unberechtigter Ansprüche – Sind die Schadensersatzansprüche nach Meinung des Haftpflichtversicherers unbegründet, werden die Ansprüche abgewehrt. Dieses erfolgt notfalls auch durch eine gerichtliche Klärung auf Kosten des Versicherers.
Wichtig Sämtliche Schadensersatzvorwürfe werden vom Haftpflichtversicherer geprüft und für Sie erledigt. Bitte führen Sie keine eigenen Verhandlungen. Bei mündlichen Vorwürfen (persönlich oder telefonisch) verlangen Sie diese bitte immer in schriftlicher Form und leiten diese umgehend an Ihren Versicherer weiter. Geben Sie keinesfalls ein Schuldeingeständnis ab!
Impressumspflicht Berufshaftpflicht
Seit dem 17. Mai 2010 gilt die neue Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung (DL-InfoV). Für Freiberufler und Selbstständige bringt diese Verordnung neue Informationspflichten mit sich. Sie müssen demnach u.a. ihre potenziellen Auftraggeber vor Vertragsabschluss über das Bestehen Ihrer Berufshaftpflichtversicherung informieren.
Damit Sie als Dienstleister im Gesundheitswesen auf der sicheren Seite sind, empfehlen wir Ihnen die Nennung Ihrer Berufshaftpflichtversicherung im Impressum Ihrer Homepage. Viele der Informationspflichten überschneiden sich. Wenn Sie ein ordnungsgemäßes Impressum vorhalten, erfüllen Sie die meisten Voraussetzungen bereits.
Sonja
Kohn
Heilpraktikerin, Leiterin Bereich Presse und Medien des Verbandes Unabhängiger Heilpraktiker e.V.
(VUH)
pressestelle@heilpraktikerverband.de
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