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Psychotherapie
Lesezeit: 5 Minuten

Glosse: Social Distancing oder Pausenknopf

Es gibt Momente, da wünschen wir uns Abstand zu Menschen und Aufgaben. Ein Durchatmen im Alltag. Einen Pausenknopf, damit wir die Punkte auf unseren Listen abarbeiten können. Allerdings nur, um wieder neue zu erstellen. Wie so oft jagen wir diesen im Alltag hinterher und wundern uns, dass die Listen am Abend nicht kürzer sind. Ganz zu schweigen vom Ende der Woche, wo sie noch länger erscheinen. Und als wäre es nicht schon hektisch genug, Termine einzuhalten und Dinge zu besorgen, Geburtstagskarten selbst zu gestalten und das Kunstprojekt des Kindes über Nacht fertigzustellen – es gibt auch noch Verpflichtungen menschlicher Art: Hier die eigene Mutter anrufen, da mit einer Freundin zum Mittagessen treffen und am Wochenende das Fest mit dem Kegelverein. Obwohl man lieber ablehnen würde, sagt man zu. Weil Frau meint, es sei wichtig, dazuzugehören. Und wie sähe es denn aus, wenn plötzlich niemand mehr zu anderen hinginge? Wenn jeder nur daheimbliebe, mit sich? Was das bedeutet, haben wir alle erst kürzlich erfahren. Am eigenen Leib und ungewollt. Die Entscheidung Glosse wurde auf höherer Ebene getroffen, und wir haben uns an die Regelungen gehalten. Zum Schutze aller. Somit hatten wir auf einmal keine langen Listen mehr, oder wir haben sie einfach zur Seite gelegt, weil ein Abarbeiten nicht umsetzbar war.

Wir sind zu Hause geblieben und haben Kontakt vermeiden müssen. Und doch haben einige die Türen leise zugemacht und schelmisch gegrinst, weil sie nun nirgends mehr hindurften. Kein Kaffeeklatsch am Freitag, bei dem seit Jahren dieselben Themen besprochen werden. Kein Familientreffen am heiligen Sonntag. Keine Ausflüge mit dem Verein, wo man im Vorfeld schon weiß, wie diese enden. Einfach nur daheim sein. Mag sein, dass einige zu Beginn mürrisch waren, weder Verständnis für die Maßnahme vorhanden war, noch der Wille, diese einzuhalten. Doch je länger dieser neue Alltag anhielt, umso mehr wurde den Menschen bewusst, was gefehlt hat: die Ruhe und Aufmerksamkeit für sich selbst. Dass ein hektisches „von A nach B rennen“ zwar Listen löscht, doch neue daraus entstehen und uns das nicht guttut. Der betriebsame Alltag, der zur Routine geworden ist, kann uns schaden, wenn wir nicht auf „Pause“ drücken. Doch wer macht das schon, wenn es heißt, nur der Stärkere komme weiter? Wer hält gern inne und nimmt wahr, was ist, wenn genau das Unsicherheit auslösen kann? Wir merken es spätestens, wenn wir zur Schwiegermutter gehen und innerlich so angespannt sind, dass uns das Lächeln im Halse stecken bleibt. Das Herzrasen nehmen wir als selbstverständlich hin und tun es mit Nervosität ab. Und wer schon mal Symptome im Internet recherchiert hat, bevor ein Arztbesuch anstand, der war sich u.U. sicher, dass da eh nichts Gutes rauskommen könne. Also lieber nicht hingehen, stattdessen Schmerzmittel schlucken oder mit den Einschränkungen durch den Schmerz leben. Statt das alles wahrzunehmen, werden wir hektisch wie kleine Atome. Dann prallen wir zwar von einer Ecke zur nächsten, fühlen uns gestresst und schimpfen auf die Listen. Doch das ist immer noch angenehmer als die Auseinandersetzung mit dem Gegenüber oder mit uns selbst. Wer auf „Pause“ drückt, gilt als Weichei. Als jemand, der nicht belastbar ist und sein Leben lieber chillen als gestalten will. Und wer keine sozialen Kontakte will, gilt als Eigenbrötler. Als merkwürdig und nicht empathisch. Dabei geht es doch gar nicht darum, alles in extremer Form zu erleben. Es geht um die Balance zwischen all den Möglichkeiten und die Chance, herauszufinden, was jedem Einzelnen von uns guttut. Wie viel Kontakt, in welcher Form und v.a. mit wem. Das alles wirkt auf uns, positiv wie negativ. Und das hat einen fördernden oder schwächenden Effekt auf unsere Gesundheit.

Die Kontaktsperre fühlte sich wie eine Vollbremsung an. Plötzlich war es still im Außen, wir alle mittendrin. Von jetzt auf gleich war alles anders und die Chance vorhanden, das Pendel neu auszurichten. Es war die Zeit, unser Leben kurz zu checken. Die Menschen, mit denen wir uns umgeben, wirklich anzusehen und zu überprüfen, inwiefern die Beziehung noch guttut. Unsere alltäglichen Gewohnheiten bewusst wahrzunehmen und nachzuschauen, ob sie unserem Wohlbefinden dienlich sind. Denn Gesundheit ist unser höchstes Gut! Wir alle bekamen ohne Ankündigung die Chance, draufzuschauen: Warum waren da Herzrasen und Bluthochdruck, wenn es jetzt ganz plötzlich besser war? Warum verschwand die bis dato wöchentliche Migräne? Warum war da vorher das Ziepen im Rücken und das Stechen im Handgelenk, und jetzt nicht mehr? All diese Fragen konnten wahrgenommen werden, weil wir das alles nicht mit Übersprungshandlungen verdecken konnten. Wir waren mit uns selbst konfrontiert. Eine Begegnung, dem der eine oder andere gerne aus dem Weg geht. Allerdings funktionierte das während dieser Zeit nur bedingt.

Nun kommt langsam der gewohnte Alltag zurück. Neu und doch unbekannt, da einige Maßnahmen bleiben werden und wir zu einigen Dingen neue Ansichten haben. Neu, weil wir Zeit mit uns hatten, weil sich Neues manifestiert hat und Altes gehen durfte. Neu, weil oft nach einer Krise nichts mehr wie vorher ist. Die Frage ist, inwiefern wir es zulassen, in ein paar Monaten wieder wie kleine Pingpongbälle durchs Leben zu hüpfen. Oder ob wir uns trauen, öfter den Pausenknopf zu drücken. Freiwillig und zu unseren Bedingungen. Pause hat noch niemandem geschadet! Oft sind wir danach stärker und erholter.

Sind uns unsere Bedürfnisse klarer? Denn das führt dazu, dass wir unsere Gesundheit schützen. Kein schlechtes Ziel, wie ich finde, denn schließlich haben wir nur eine.

Sonnige Grüße
Ihre Jana Ludolf

Heilpraktikerin für Psychotherapie, Mediatorin, Familiencoach
info@Jana-Ludolf.de

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