Anmelden als
Lesezeit: 5 Minuten

Georg Groddeck

Georg Groddeck
(Psychosomatiker, Schriftsteller)

Georg Groddeck wurde am 13. Oktober 1866 in Bad Kösen/Saale geboren. Sein Vater, Karl Groddeck, hatte 1850 mit einer aufsehenerregenden Arbeit über “Die demokratische Krankheit, eine neue Wahnsinnsform” den Doktorgrad erworben. Georg besuchte das legendäre Internat Schulpforta bei Naumburg (Saale). Anschließend studierte er an der Berliner Universität Medizin. Er wurde Schüler und Anhänger des umstrittenen Heilkünstlers Ernst Schweniger (1850-1924), der seit 1880 Leibarzt von Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898) war. Groddeck setzte später Schweningers Ansätze einer naturheilkundlich, suggestiven Behandlungsform erfolgreich um. 1889 promovierte er bei Schweninger und war danach ein Jahr lang an der Charité sein Assistent und anschließend für fünf Jahre Militärarzt. Danach leitete er das Berliner Sanatorium seines Lehrers. 1897 übernahm er auch die Kuranwendungen in Schweningesr Sanatorium in Baden-Baden.

Nachdem sich große Erfolge einstellten und er bald bekannter als sein Lehrmeister war, eröffnete er 1900, mit finanzieller Hilfe seiner Schwester Lina, seine eigene Heilstätte. Er kaufte die Villa Marienhöhe und richtete in dem mehrgeschössigen Fachwerkbau ein Privatsanatorium mit 15 Betten ein. Die Lage des Sanatoriums war hervorragend, es lag in einem ausgedehnten Park auf einer Anhöhe über der Spielbank. Es wurde bald der Ort der Wehleidigen und Selbstmitleidigen aus dem In- und Ausland. Heute ist es eine Groddeck-Gedenkstätte.

Der Vorteil Groddecks war, dass er durch die Arbeit mit Schweninger einer prominenten, internationalen Klientel – die nun sein Sanatorium frequentierte – bekannt geworden war. Er entwickelte seine Heilslehren und wirkte, wie es ein Patient damals ausdrückte, mit “tiefer Gütigkeit”, als erfolgreicher Tröster. Neben Bädern, Massagen und Diäten setzte er erste psychologische Verhaltensforschungen um. Diese Therapieansätze nahmen vieles von den später formulierten Freudschen Grundsätzen vorweg. Bei seinen schwindsüchtigen und krebskranken Patienten avancierte er bald zum “Heiler von Baden-Baden”.

Grundsätzlich behandelte Groddeck seine Patienten immer selbst und betreute sie intensiv während ihres gesamten Aufenthalts. Die Honorare legte er “nach dem Vermögen” seiner Patienten fest.
Bei genauer Betrachtung muss man feststellen, dass Georg Groddeck kaum etwas anderes tat als eine auf den einzelnen Kranken zugeschnittene, naturheilkundlich orientierte Behandlung anzuwenden, die allerdings stark mit suggestiven und hypnotischen Elementen angereichert war. Diese Diagnose- und Therapieform wurde von der herkömmlichen Schulmedizin nicht gerne gesehen. 1918 gründete er die Privatzeitschrift “Sanarium”. Hier liess er die Patienten seines Sanatoriums ungehemmt zu Worte kommen.

Georg Groddeck war einer der Wegbereiter der psychoanalytischen Psychosomatik. Mit seinen Einsichten verblüffte er immer wieder seine Leser. Eine seiner Ansichten z.B. war: “Das Umwerfen von Vasen ist immer der Ausdruck eines sexuellen, eines Geschlechtswunsches.” Groddeck therapierte mit Naturheilverfahren, die stark mit psychoanalytischen, suggestiven und hypnotischen Elementen durchsetzt waren. Seine Arm- und Fußbäder, Massagen und seine Diätkost werden auch heute noch praktiziert. Seine Heilslehren, mit denen er seine Patienten zusätzlich autoritär traktierte, müssen heute jedoch zurückhaltend bewertet werden. So sagte er z.B.: “Sich Gehorsam bei den Patienten zu verschaffen, ist die Grundlage aller ärztlichen Kunst!” Damals wurde er jedoch für viele ein angehimmelter “Führer zur Gesundheit”.

Dem Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud (1856-1939), lieferte Groddeck mit seinem “Buch vom Es” den Begriff für seinen “Seelen-Unterbau”. Damit trug er sich selbst in die Annalen der Psychoanalyse ein und gilt vielen als Begründer der Psychosomatik. Allerdings liessen ihn seine Vorbehalte gegenüber der strengen Wissenschaftlichkeit und der Schulmedizin, bis heute Aussenseiter bei den Psychoanalytikern bleiben.

Georg Groddeck beschäftigte sich nicht nur mit medizinischen Themen. Er setzte sich auch mit den sozialen Erscheinungen seiner Zeit auseinander. Er propagierte auf vielbesuchten Vorträgen ab 1908 körperliche Abhärtung, Stadtflucht, “Menschenpflicht” und “Volkskultur”. Seine weiteren sozialen An- und Einsichten sind teilweise strikt abzulehnen. Er predigte über die “Erhaltung der Rasse” und “Menschenzüchtung”. Ebenso schlug er vor, “Säufern, Idioten, Epileptikern, Geschlechtskranken, Minderwertigen die Ehe zu verbieten”. Andere Aussagen sind wohl eher im Mystizismus anzusiedeln. Er stellte Krankheit als “Leistung” (im Sinne von Handlung, Verdienst und Erledigung) hin und plädierte “hin zur Gottesnatur”, zurück zum “grossen Geheimnis der Welt”, zu dem, was er “Es” nannte.

1911 gründete Georg Groddeck einen genossenschaftlichen Konsumverein und war 1912 Mitbegründer der Baugenossenschaft Baden-Baden. Diese Baugenossenschaft machte es sich zur Aufgabe, die Wohnverhältnisse der sozial schlechter gestellten Bevölkerungskreise zu verbessern. Aus ihr ging u.a. die beispielhafte Oos-Siedlung nach Art einer Gartenstadt hervor. 1913 veröffentliche Groddeck sein Buch “Nasamecu”, die Abkürzung des lateinischen Satzes “Natura sanat, medicus curat” (“Die Natur heilt, der Arzt pflegt”).

Weitere Veröffentlichungen:
1917 “Psychische Bedingtheit und psychoanalytische Behandlung organischer Leiden” (Diese Schrift wurde zum Grundstein der Psychosomatik)
1921 “Der Seelensucher” (Roman, eine Parabel der Psychoanalyse)
1923 “Buch vom Es” (Groddecks Hauptwerk)

Im “Buch vom Es” schreibt er als Patrick Troll einer “lieben Freundin” Briefe tiefenpsychologischen Inhalts, die mit ihrer “Lust, Poesie und Schalkheit” internationale Schriftsteller wie Henry Miller oder Laurence Durell tief beeindruckten. Durch dieses Buch verbreitete sich Groddecks Ansehen weit über seinen Wirkungskreis hinaus.

Die Erkenntnis, dass “Es” – damit meint Georg Groddeck irgendein Wunderbares, das alles regelt, was der Mensch tut und was mit ihm geschieht – alle Lebensprozesse beeinflusst, brachte ihn zu der Überzeugung, dass alle Krankheiten einen psychischen Ursprung haben und nur dann geheilt werden können, wenn eine seelische Umorientierung erfolgt.
Später wurde der Begriff “Es” von Freud übernommen und ihm fälschlich zugeschrieben. Groddeck hatte Freud bereits 1917 über seine Therapieformen berichtet, sowie darüber, dass er seit Jahren diese Behandlungstechniken eigenständig erprobe. Freud hat Groddeck jedoch nie vollgültig akzeptiert!
In Biographien wird Georg Groddeck oftmals als ein geltungssüchtiger Therapeut beschrieben, der mit einigen seiner Ansichten auch gut in die nationalsozialistische Ideologie passte. Die 1986 gegründete Georg-Groddeck-Gesellschaft in Frankfurt sieht dies anders. Sie sorgt für den Nachruhm ihres auf Fotografien immer streng blickenden Meisters durch Vorträge und Neuausgaben seiner Werke.
Groddeck-Gedenkstätten befinden sich in seinem Geburtshaus in Bad Kösen, in seinem ehemaligen Sanatorium Marienhöhe in Baden-Baden, das heute ein Hotel ist und das er von 1900 an bis zu seinem Tode leitete, ferner in der erwähnten Oos-Siedlung in Baden-Baden, und die Groddeck-Grabstätte auf dem Stadtfriedhof in Baden-Baden. Auch der “Es-Punkt” im Wald bei Baden-Baden, wo er in der Waldhütte an seinem “Buch vom Es” schrieb, ist eine bekannte Ehrenstelle.

Georg Groddeck starb am 10. Juni 1934 in Zürich.