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Physostigmin

Physostigmin

Obwohl diese Studie keinen direkten Bezug zur Naturheilkunde hat, bin ich der Meinung, dass auch die interessierte Heilpraktikerin, der interessierte Heilpraktiker über schulmedizinische Forschungen und deren Ergebnisse unterrichtet sein sollten.

Auch der Heilpraktiker wird hin und wieder Patienten sehen, die in die Chirurgie überwiesen werden müssen. Nach Lesen dieser Studie kann er dem Patienten nun empfehlen, sich nicht mit Physostigmin medikamentieren zu lassen. Das kurzzeitig positivere Aufwachverhalten gleicht wohl kaum die verstärkte Übelkeit aus.

Ein weiterer Grund zur Ablehnung des Medikaments ist die Verminderung des Blutdrucks und der Herzfrequenz. Leider wurden keine Vergleichswerte angegeben (ohne P >RR+F=X; mit P>RR+F=X).

Ich habe den Eindruck, dass durch den Einsatz von Physostigmin (es ist ein starkes Gift s.w.u.) – die muskelrelaxierende Wirkung von Curare und seinen Derivaten zwar schneller aufgehoben wird – der Teufel aber mit Beelzebub ausgetrieben werden soll. Selbst die Überschrift der Universitätsforschungsarbeit belegt dieses.

Routinemäßige Gabe von Physostigmin hat für die postoperative Phase keine Bedeutung

L.  Latasch1, B.  Müller2, E.  Freye3

1 Institut für Anästhesiologie und Schmerztherapie, Krankenhaus Nordwest, Frankfurt/Main
2 Abteilung für Anästhesie, Landeskrankenhaus Bludenz, Bludenz
3 Klinik für Gefäßchirurgie und Nierentransplantation, Medizinisches Zentrum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

In einer neuen Studie (2002) sollte der Frage nachgegangen werden, ob eine routinemäßige Gabe von Physostigmin bei mit Midazolam prämedizierten Patienten nach einer lachgasgestützten Isoflurannarkose in der Lage ist, die Vigilanz anzuheben, den Schmerzmittelbedarf zu verringern und eine evtl. anticholinerge Symptomatik in der Aufwachphase zu verkürzen respektive zu verringern. Hierzu wurden zahlreiche Parameter in der postoperativen Phase bewertet, der zeitliche Verlauf dokumentiert und das nach einer routinemäßige Applikation von Physostigmin veränderte Aufwachverhalten bei Patienten untersucht.

Material und Methode:

In einer offenen randomisierten Studie, wurden nach Zustimmung der Ethikkommision und schriftlicher Einverständniserklärung, 100 Patienten, die sich entweder einer Cholecystektomie oder einer subtotalen Strumaresektion in Allgemeinanästhesie (Isofluran 0,8 – 1,2 Vol%, N2O/O2 = 1 : 2, Fentanyl und Vecuroniumbromid 0,08 mg/kg) unterziehen mussten, postoperativ entweder 5 ml einer 0,9 % NaCl-Lösung oder 5 ml Physostigminsalicylat (= 2,0 mg) über einen Zeitraum von 2 min appliziert. Zu festgelegten Zeiten wurden die Vitalparameter (sytolischer und diastolischer Blutdruck, Atemfrequenz) das Aufwachverhalten (Augen öffnen, zielgerichtete Bewegung auf Aufforderung, Wortverständnis) und definierte anticholinerge Symptome wie Desorientiertheit, Sprachstörungen, motorische Unruhe, Übelkeit, Erbrechen, Herzrhythmusstörungen, Muskelzittern neben dem Analgetikaverbrauch kontrolliert.

Ergebnisse:

Bezüglich der demographischen Daten waren beiden Gruppen vergleichbar. Statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen fanden sich beim Blutdruck und der Herzfrequenz. Nach 40 und 60 min war der diastolische Blutdruck in der Physostigmingruppe statistisch hochsignifikant vermindert (p< 0,005 nach 40 min und p< 0,009 nach 60 min). Parallel dazu kommt es zu einer signifikanten Erniedrigung der Herzfrequenz nach 40 min (p< 0,0001) und nach 60 min (p< 0,007). Beim Vergleich beider Gruppen im Aufwachverhalten, zeigten sich nur nach 10 und 20 min statistisch signifikante Unterschiede. Die mit Physostigmin behandelten Patienten waren früher ansprechbar und reagierten gezielter auf Anforderung. Auch bei dem Item Muskelzittern wies die Physostigmingruppe eine deutliche geringe Intensität auf. Dies war jedoch nur in der 10. min signifikant geringer (p = 0,01). Ab der 20. min war eine Signifikanz nicht mehr nachweisbar (p = 0,09). Bezüglich des Items Übelkeit fand sich in der Physostigmingruppe nach der 20., 40. und 60. min eher eine nachteilige Wirkung (p < 0,02). Beim postoperativen Analgetikaverbrauch war ein eindeutig geringerer Verbrauch in der Physostigmingruppe nach-weisbar, der statistisch hochsignifikant war.

Schlussfolgerung:

Trotz positiver Ergebnisse in den ersten postoperativen Minuten bezüglich Vigilanzsteigerung, einer geringeren Inzidens an Muskelzittern und einem geringeren Schmerzmitteldedarf bei der Physostigmingruppe, war anschließend eine Signifikanz zwischen beiden Gruppen nicht mehr nachweisbar. Eine Empfehlung zur generellen prophylaktischen Gabe von Physostigmin nach einer opioidgestützten Narkose mit Lachgas/Isofluran kann, aufgrund der nur kurz anhaltenden Wirkung nicht gegeben werden.

Physostigmin:

In der Medizin wird dieses Gift (!) verwendet um die muskelrelaxierende Wirkung von Rezeptorgiften wie Curare oder Succinylcholin aufzuheben. Durch die Erhöhung des Gehalts an ACh im synaptischen Spalt (es wird weniger abgebaut), kann ACh die Rezeptorgifte von ihren Bindungsstellen verdrängen (Verringerung der kompetitiven Hemmung).

Die Wirkung dieser reversiblen Cholinesterasehemmer hält nur kurz an, weil das gebildete  Zwischenprodukt im Vergleich zu den starken Giften relativ schnell, im Vergleich zum ACh nur sehr langsam wieder hydrolysiert wird. Das erst macht diese Stoffe medizinisch nutzbar.

Das Physostigmin ist ein Alkaloid aus der afrikanischen Klarbohne  das bei Hexenprozessen als Gottesurteilsgift verwendet wurde. Es dient der Verkleinerung der Iris in der Augenheilkunde.


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