Rudolf Steiner
Rudolf Steiner
(Pädagoge, Philosoph)
Rudolf Steiner wurde am 27. Februar 1861 in Kraljevica bei Rijeka (Kroatien) geboren. Obwohl Steiner kein Mediziner war, ist er der Begründer der Anthroposophie, einem Medizinkonzepts, das von vielen Menschen begrüßt wurde. Von vielen Schulmedizinern wird sein Konzept jedoch als “Außenseitermedizin” abgelehnt. Steiners “Anthroposophische Medizin” – so wird sie allgemein genannt – richtet ihr besonderes Augenmerk auf Behindertenpädagogik, Psychosomatik und Onkologie sowie die Pflanzenheilkunde. Die allgemein anerkannten und praktizierten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden werden dabei jedoch nicht außer Acht gelassen. Die große Akzeptanz der nach anthroposophischen Konzepten geführten Naturheilpraxen, Arztpraxen und Krankenhäuser und ihre Behandlungserfolge sind nicht mehr unübersehbar. In Herdecke (Westfalen) entstand die erste private medizinische Hochschule, die sich dem anthroposophischen Gedankengut verpflichtet fühlt.
Rudolf Steiner war der Sohn eines Österreichischen Bahnbeamten. Er ging in Wien in die Schule und studierte dort nach dem Abitur Mathematik und Naturwissenschaften. Nebenher betrieb er ausgedehnte geisteswissenschaftliche Studien. 1897 zog Steiner nach Berlin um und war dort Mitherausgeber des “Magazin für Literatur” und der “Dramaturgischen Blätter”. Von 1899 bis 1905 war er Lehrer an der Arbeiter-Bildungsschule. Nach und nach entwickelte er nun sein anthroposophisches Weltbild. Dadurch kam es zum Bruch mit der seit 1875 bestehenden deutschen Sektion der “Theosophischen Gesellschaft” (ab 1902 war Steiner der Berliner Generalsekretär), einer religiösen Gemeinschaft, deren Erlösungslehre sich an altindische Überlieferungen orientierte. Steiner gründete nach dem Bruch mit den Theosphen 1913 die “Anthroposophische Gesellschat”. Zum ersten mal wurde der Begriff “Anthroposophie” von dem Arzt und romantischen Naturphilosophen Ignaz Paul Vitalis Troxler (1780-1866) benutzt.
Obwohl einige Grundzüge Steiners Wissenschaft sicherlich von den Theosophen stammen, resultieren die meisten seiner Erkenntnisse jedoch aus seinen eigenen erkenntnistheoretischen und methodisch begründeten Erfahrungen und Überlegungen. Er verstand sich als Erbe der abendländischen Geistesgeschichte und stützte sich – neben der antiken Philosophie – auf den deutschen Idealismus und auf die Naturauffassung und Metamorphosenlehre Johan Wolfgang Goethes (1749-1832). Besonders kam dieses durch das ab 1914 in Dornach bei Basel von ihm eingerichtete Zentrum der Anthroposophen, dem “Goetheanum” zum Ausdruck. Diese Lehr- und Unterkunftseinrichtung war aus Holz erbaut, brannte dann jedoch bis auf die Grundmauern nieder. In den Jahren 1924 bis 1928 wurde diese Einrichtung in der von Steiner vorgegebenen eigenwilligen Struktur, in Anlehnung an Goethes Metamorphosenlehre, in Stahlbeton neu errichtet. Noch heute ist dieses ein vielbestauntes Besuchsobjekt, da es keinen einzigen rechten Winkel, sondern nur organisch fließende Formen aufweist. Seit 1923 ist dort die “Freie Hochschule für Geisteswissenschaften” untergebracht, die in verschiedenen Sektionen die Pädagogik (“Waldorfschulen”), Heilpädagogik, Landwirtschaft (in biologisch-dynamischer Wirtschaftsweise), Bewegungskunst (“Eurhythmie”) und andere künstlerische Bereiche fördert.
1919 eröffnete Steiner die erste “Freie Waldorfschule” – es klingt wie ein Treppenwitz der Geschichte – mit Hilfe der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik (!) in Stuttgart. Am 21. März 1920 begann in Dornach der erste medizinische Kurs für Ärzte und Studenten auf anthroposophischer Grundlage. Nach drei Kursen gründete Steiner im Dezember 1924 mit einem Kreis von Anhängern die Medizinische Sektion des Goetheanums. Steiners Werk ist bis heute umstritten und gilt als nahezu unüberschaubar. Bereits die Deutung des Begriffs “Anthroposopie” ist schwierig.
Vereinfacht kann gesagt werden:
Die Anthroposophie ist eine Weltanschauungslehre, die von christlichem, indischem und kabbalistischem Gedankengut
beeinflusst ist. In ihr hat der Mensch (auch die Welt) eine stufenweise Entwicklung nachzuvollziehen, um zu höheren
seelischen Fähigkeiten zu gelangen und um zu übersinnlichen Erkenntnissen zu kommen. An Bedeutung gewann sie vor allem
in Steiners pädagogischen Ideen, in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft und in seinem medizinischen Konzept.
Gemäß der anthroposophischen Menschenkunde steht im Mittelpunkt Steiners Medizinkonzept eine seelische Dreigliederung.
Sie entspricht der traditionellen Einteilung in Körper (vegetative Seele), Seele im engeren Sinne (animalische Seele)
und Geist (intellektuelle Seele). Steiner wollte eine Erweiterung der Medizin durch die Geisteswissenschaft, also eine
Erneuerung der antiken “Mysterienmedizin”. Für ihn war die rhythmische Ordnung der gesamten Natur von entscheidender
Bedeutung:
“Rhythmisch wächst an der Pflanze ein Blatt nach dem anderen; rhythmisch sind die Blumenblätter angeordnet …
Rhythmisch tritt das Fieber ein bei einer Krankheit, flutet wieder ab; rhythmisch ist das ganze Leben.” (Rudolf
Steiner)
Durch verschiedene Naturheilmittel aber auch durch künstlerisches Arbeiten, sollen im anthroposophischen
Behandlungsprozeß die schöpferischen, seelischen und geistigen Kräfte des Patienten aktiviert werden. Steiner führte
beispielsweise heilpädagogische Bewegungen, Musik-, Mal- und Plastiziertherapien in die Patientenbehandlung ein.
Als naturheilkundliche Therapieform schlug Steiner bereits 1917 Injektionspräparate aus Mistelextrakten vor. Diese
Pflanzenextrakte werden heute immer häufiger als Unterstützung der Chemotherapie bei Krebspatienten eingesetzt. Er
beschrieb als Wirkungsweise dieser Medikamente die Erzeugung von Fieber und entzündliche Prozesse in der
Tumorumgebung. Das wird heute durch die modernen immunologischen Forschungsergebnisse eindeutig belegt. Rudolf Steiner
starb am 30. März 1925 in Dornach bei Basel (Schweiz).