Faszientherapie
Bestandteil der chinesischen Medizin und daoistischer Methoden
Die Faszien
sind ein bindegewebiges Netzwerk, das alle Schichten unseres Körpers von der Oberfläche (Unterhaut) bis in die Tiefe (Organe, Knochen) umfasst. Ihre Aufgaben sind vielfältig und reichen von der Vernetzung und Formgebung unseres Körpers bis zur Kommunikation zwischen den Körperzellen. Sie speichern Fett, Wasser und Körperkraft und bilden einen Durchgang für Lymphgefäße, Nerven und Blutgefäße. Besonders interessant ist auch ihre Speicherfähigkeit für verdrängte Emotionen und Traumata.
Bedeutung der Faszien in der Therapie
Die flexiblen Eigenschaften der Faszienschichten zwischen enormer Dehnfähigkeit und aktivem Zusammenziehen sowie deren Reichhaltigkeit an Rezeptoren, die Schmerz, Bewegungsänderung, Druckveränderung, Temperaturschwankungen und Veränderungen der Körperchemie anzeigen, können durch unterschiedliche Mechanismen gestört werden. Verletzungen mit Narbenbildung, Fehlhaltungen und Fehlstatik sowie chronischer Stress, verdrängte emotionale Konflikte oder Traumata können zu einer ungünstigen Spannungsveränderung der Körperfaszien führen. Folge können Minderversorgung von Organen, Lymphabflussstörungen, chronische Schmerzen, Missempfindungen, ein „Festhängen“ in unphysiologischen Haltungsmustern und emotionalen Konflikten sein.
Faszientherapie in der chinesischen Medizin und daoistischen Übungsmethodik
Die 5 Wandlungsphasen der chinesischen Medizin
Die Faszien werden
als eine der verschiedenen Ebenen im komplexen System Mensch erfahren. Sie sind im Rahmen der Wandlunsphase „Holz“ mit
dem Spannungszustand und der Bewegung des Körpers, der Verdauung sowie den Emotionen vergesellschaftet. Im
daoistischen Übungsweg bilden sie innerhalb des Prinzips vier Bilder (Si Xiang), in den vier Körperebenen den Bereich
Jin (Sehnen) und sind die Grundlage der inneren Spiralkraft (Chansi Jin), wodurch sie einen gewichtigen Einfluss auf
unser emotionales Gleichgewicht ausüben. Die Faszientherapie stellt einen wichtigen Aspekt der chinesischen Medizin
dar.
Sind die Faszien Störungen ausgesetzt, agieren sie mit zu viel oder zu wenig Spannung oder verkleben, so kann der therapeutische Erfolg ausbleiben. In der chinesischen Medizin und dem daoistischen Yoga wird auf die Faszien vielfältig Einfluss genommen. Allerdings werden auch die anderen Körperebenen nicht außer Acht gelassen:
- die Ebene des Blutes (Xue), Körperflüssigkeiten und Gefäße sowie die emotionale Basis
- die Ebene der Muskeln
- die Ebene der Faszien (Sehnen/Bindegewebe)
- die Ebene der Knochen und Gelenke
In welcher Form die Faszienebene behandelt wird (Faszientherapie), entscheidet sich in Anamnese und Untersuchung.
Umfangreiche Anamnese und Untersuchung folgender Aspekte von Kopf bis Fuß, von Außen nach Innen:
- Erscheinungsbild, Haltung, Verhalten, Bewegung
- Energetischer Zustand
- Emotionaler Zustand
- Lebensführung inkl. Ernährung
bilden den Leitfaden zur ganzheitlichen Therapie. Patient und Therapeut sind beide gefordert.
Die Aufgabe des Therapeuten ist, durch sorfältige Untersuchungen:
- des Verhaltens, der Haltung – durch Kenntnisse der natürlichen und gesunden Physiologie
- des energetischen Zustandes über Pulsdiagnostik, Zungendiagnostik
- der Krankheitsgeschichte
die Ursachen der Beschwerden herauszufinden und sie dem Patienten so zu vermitteln, dass er es verstehen kann – denn Krankheit bietet die Möglichkeit zur persönlichen Entwicklung und ihr Sinn will verstanden werden!
Strukturen der chinesischen Medizin
Meridiane, Nerven, Gefäße, Faszien, Muskeln, Knochen.
Weiterhin kann der Therapeut die Behandlung mittels therapeutischer Maßnahmen aufbauen, die er individuell auswählt:
- Tuina (Manuelle Therapie)
- Akupunktur (Nadeln)
- Guasha (Schaben)
- Schröpfkopfmassage
- Moxa (Wärme)
- Kräutertherapie
- Ernährungstherapie
Gezielte Übungen zur Verbesserung der Wahrnehmung (Körperbewusstsein – Yi) und Förderung der Selbstständigkeit des Patienten im Alltag im Sinne einer gesund erhaltenden Lebensweise stehen dabei im Fokus.
In Bezug auf die Faszientherapie möchte ich ein Beispiel aus der Praxis heranziehen: 25-jähriger Patient mit Lendenwirbelsäulenschmerzen, die auf Massagen und Krankengymnastik bisher nicht ansprachen. Hier ist das Untersuchungsergebnis nach Kriterien der chinesischen Medizin sowie Betrachtung des daoistischen Körpermodells:
- Fehlhaltung mit Abstimmungsstörung zwischen Oberschenkeln, Kniegelenken und Füssen (X-Bein-Haltung): Energie staut sich im oberen Erwärmer, Yin kann nicht durchsinken, die Herzebene ist energetisch gestaut (emotionale Unruhe!)
- Hohlkreuzhaltung mit Rücklast des Oberkörpers, verspannte Schulterblattmuskulatur, Brustatmung, fehlende Wahrnehmung der Muskelspannung in der unteren Lendenwirbelsäule, isolierte Beckenbewegung ist kaum möglich: Unterer Erwärmer blockiert, Atmung kann nicht wurzeln, Körper nicht durchsinken, Yi ist blockiert (Wahrnehmung)
- Energetisches Bild nach Puls- und Zungendiagnostik: Nieren-Yin- und Herz-Yin-Mangel
- Anamnese – Alltag: Überlastung im Studium mit Prüfungsängsten, Schlafstörungen, Schlafmangel, unregelmäßigem Essen, Fastfood, viel Sitzen, wenig bis kein sportlicher Ausgleich, viel Denken, schon als Kind Prüfungsängste
Möglicher Behandlungsaufbau
- Manuelle-passive Methode durch den Therapeuten mittels Tuina. Mit verschiedenen Griffen – von Friktionsgriffen über Schiebegriffen bis zu verschiedenen Dehnungen – werden die Körperschichten wieder in Harmonie zueinander gebracht, Muskeln und Bindegewebe/ Faszien lösen sich, Durchblutung und Bewegungsfähigkeit ist deutlich verbessert, der Patient erlebt seit Langem wieder eine Entspannung im Brust- und Lendenbereich, der Oberkörper wird gefühlt leichter, die Beine fühlen sich schwerer an (Yin sinkt nach unten). Die Wahrnehmung in Bezug auf Muskelspannung und Beweglichkeit ist deutlich erhöht.
- Aktive Übungsmethodik für den Patienten: Ruan Ti Fa (daoistisches Yoga). Der Patient lernt, seinen Körper selbstständig durch die verschiedenen Schichten – Muskulatur, Bindegewebe (Faszien) und Gelenke – weiter zu lösen, seine Wahrnehmung zu verbessern und Spannungen abzubauen. Die Übungen sind insbesondere abends und während emotionaler und körperlicher Anspannung durchzuführen, um den Lösungseffekt regelmäßig einzuleiten, vor allem für einen guten Schlaf. Die Bindegewebsebene (Faszien) mit emotionalen Altlasten ist durch spezielle Dehnübungen meist gut zu erreichen.
- Zusätzliche Übungen, die im Laufe weiterer Behandlungen sinnvoll sind: Stehmeditation (Zhang Zhuang), um das energetische und seelische Gleichgewicht wieder herzustellen. Übungen, um den Qi-Fluss (emotionale Ebene) und die Geschmeidigkeit des Körpers zu fördern, z.B. Daoyingong.
- Kräuter und Ernährungsverordnungen, um die betroffenen Organe Herz und Niere zu kräftigen und das Herz zu beruhigen.
- Weitere Therapieoptionen für die emotionalen Hintergründe: z.B. mit systemischen Meditationen und Ausleitungsübungen die Ursachen der Ängste aus dem Unterbewusstsein lösen.
- Tipps zur Balancierung des Alltags auch unter Stressbedingungen (Erfahrung des Therapeuten im Stressmanagement erforderlich!), daoistisches Yoga (Ruan Ti Fa) und Dao Yin.
Fazit
- Die Faszientherapie ist integraler Bestandteil der chinesischen Medizin.
- Behandlungsmethoden in Bezug auf die Faszien: insbesondere Tuina (Manuelle Therapie der chinesischen Medizin), Schröpfmassage, Akupunktur, daoistisches Yoga.
- Die Faszien sind eine Ebene des Organismus, die weiteren Ebenen sollten bei der Faszientherapie nicht vernachlässigt werden.
- Das Erkennen der Hintergründe der Erkrankung ist vor allem für den Patienten notwendig, um sich weiterentwickeln zu können.
- Eine Übungsmethodik für den Alltag und zur Förderung der Wahrnehmung des eigenen Körpers ist wichtig für die Selbstständigkeit und die Entwicklung.
- Der Therapeut sollte über umfangreiche Kenntnisse in Diagnostik, Methodik und Vermittlung der Zusammenhänge verfügen und Erfahrung in der Übungsmethodik besitzen.
Jürgen Seibold
Heilpraktiker und Physiotherapeut mit Praxis in Bremen, Experte für Fazientherapie, medizinisches Tapen und TCM
j.seibold@heilpraktiker-seibold.de
Quellenangaben
- Puntke, Tobias: Der Körper im Daoismus. Elementare Grundlagen für die Praxis von Taijiquan und Qigong. Taijiquan&Qigong Journal, 01/2012
- Meng, Alexander: Lehrbuch der TUINATherapie. Karl F. Haug Verlag, 2013
- Schwind, Peter: Faszien – Gewebe des Lebens. Irisiana Verlag, 2014, S. 174
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