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Psychotherapie
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Psychotherapie: Aspekte der Festhalte-Therapie in der Kinderheilkunde

Von Claudia I. Söller

r9505_ft1Irina Prekop hat sich mit ihrem Buch „Hättest Du mich festgehalten” als eindrucksvolle – um nicht zu sagen „leidenschaftliche” – Fürsprecherin für die Festhalte-Therapie positioniert. Festhalte-Therapie ist in Fachkreisen vor allem durch die überraschenden Erfolge bei autistischen Kindern bekannt und zwischenzeitlich auch als therapeutische Intervention bei kindlichen Früh- und Entwicklungsstörungen anerkannt worden. Da ich selbst schon seit längerer Zeit mit Festhalte-Therapie der gestörten Mutter-Kind-Beziehung bzw. dem fehlenden Urvertrauen in der frühkindlichen Entwicklung begegne, möchte ich über das Zitieren dieses Buches von Irina Prekop hinausgehend auch persönliche Thera-pie-Erfahrungen mit der Festhalte-Therapie erwähnen. Festhalte-Therapie oder kurz „Halte-Therapie”(HT) ist der Fachbegriff für das „willentliche Festhalten und Umarmen eines Kindes durch seine Mutter auch gegen den inneren und äußeren Widerstand des Kindes”, um in diesem „Halt gebenden therapeutischen Setting” das fehlende oder gestörte Urvertrauen des Kindes zu seiner nächsten Bezugsperson (meist Mutter, seltener Therapeutin bzw. Heimpersonal) wiederherzustellen. Und bereits in dieser Umschreibung, die der Übersetzung des aus USA kommenden Begriffes „forced holding” entspricht, liegt der eigentliche Grund, warum diese therapeutische Intervention nicht als „brauchbares Allgemeinwissen” in die Praxen der Psychologischen Berater und Psychotherapeuten eingegangen ist: Nämlich die völlig mißverständliche Interpretation von Halte-Therapie im Sinne von „Gewaltanwendung und Machtausübung einer stärkeren Person gegenüber einer schwächeren” oder auch „der Fremdbestimmtheit und dem Brechen des Kindes durch Gewalt”, was sich einem außenstehenden Beobachter visuell oder im Versuch intellektuell zu verstehen, leicht aufdrängen kann.

Irina Prekop selbst sagt: „Man kann diesen Therapieansatz nicht mit der Logik des Verstandes verstehen, sondern nur mit der Logik des Herzens tun” und zitiert in diesem Zusammenhang Saint-Exupery mit seinen Worten: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.” Dies entspricht auch dem tieferen Sinnzusammenhang der Halte-Therapie, da FESTHALTEN dem Ursprung nach „stark, geborgen gehalten werden” heißt. Im Tschechischen hat der Begriff „FESTHALTEN” die Bedeutung „gehalten werden länger als Du erwartest” und im Slowakischen heißt FESTHALTEN „ich drücke Dich, ich lasse Dich mich intensiver spüren, intensiver als Du verlangst” – was nicht verwunderlich ist, da Irina Prekop diese Begriffe Ihrer tschechisch/slowakischen Mutterspracher zutiefst als ganzheitliche menschliche Begegnung verstanden hat und auch in ihrer langjährigen therapeutischen Erfahrung bis zuletzt in Stuttgart in der Olga-Klinik für jeden überzeugend lebte.

Doch Halte-Therapie ist nicht nur in der warmherzigen und temperamentvoller Persönlichkeit von Irina Prekop oder anderen außergewöhnlichen Persönlichkeiten wie dem Begründer Zaslow (1969), Welch (Vertreterin in USA seit 1978), Tinbergen (Oxford seit 1983) verankert, sondern hat natürlich ein wissenschaftlich fundiertes Theoriemodell, ist längst in signifikanten Langzeituntersuchungen und in zahlreichen Veröffentlichungen der Fachliteratur – besonders im Zusammenhang mit unerwarteten Erfolgen bei autistischen Kindern – belegt. Die Arbeitshypothese von Irina Prekop, die seit 1981 als deutsche Vertreterin der Halte-Therapie gilt, baut auf einer ganzheitlichen Sichtweise des Menschen auf, in der ethologische, neuro-physiologische, biochemische, lernpsychologische und entwicklungspsychologische Aspekte das Theorienmodell bilden, auf die ich zum besseren Verständnis kurz eingehen möchte.

Die heutigen Kenntnisse in der Wissenschaft bestätigen, daß durch rhythmisches Tragen des Kindes im Mutterleib von der 7. Schwangerschaftswoche an über den zuerst entwickelten Sinneskanal für Gleichgewicht, Bewegung und Tasten ein symbiotischer Kontakt mit der Mutter entsteht. Geräusche und Stimmen in der Außenwelt werden im Fruchtwasser als Vibrationen in einem ozeanischen Gefühl wogender Wellen erlebt und bilden so die ersten sicheren und verläßlichen Erfahrungen für das ungeborene Kind. Im Gegensatz dazu ist die Geburt nicht nur körperlich für das Kind eine belastende Streßerfahrung und Krise, sondern auch Eingang in die Kälte und Unvertrautheit einer Welt, in der es wie Portmann sagt, als “physiologische Frühgeburt” oder wie der Verhaltensforscher Prof. Hassenstein es beschreibt „als menschlicher Tragling” überleben muß. Das heißt, daß die Entwicklung des Urvertrauens eines Kindes sowohl in der Schwangerschaft als auch nach der Geburt ursächlich in Zusammenhang mit einer Bezugsperson gesehen werden muß, auf die das Ungeborene und auch Neugeborene existentiell angewiesen ist.

Dies haben die Naturvölker instinktiv noch lange über unseren Zivilisationsstand hinausgehend gelebt, indem sie Kinder nach der Geburt in Tragetüchern an sich gehalten und so die Neugeborenen völlig natürlich in ihre Realität hineingetragen haben. Nachgewiesenermaßen bewirkt diese Art von Gestaltfluß für das Kind ein Hineinwachsen auf angenehme und ein Wegschrumpfen unangenehmer Stimuli. Das ständige Anpassen an die eigene rhythmische Gestaltveränderung und der Körperkontakt mit der Mutter macht das Kind mit den Dimensionen und Formen beider Körper im Erfahren der Realität vertraut, und durch äußere und innere Reize wird die Polarität von Bildern wie Fülle/Leere, Vergrößerung-Verkleinerung, Ausdehnung-Einengung strukturiert. So erfährt das Kind im Gehalten- und Getragensein bedingungslose Liebe und lernt selbst bei unbefriedigten Bedürfnissen (z.B. Bewegungsdrang) das „Nein” als Bestandteil seiner Realität und nicht als Form der Ablehnung oder Verlassenheit zuzuordnen. In dieser zuverlässigen Einbindung aller Gefühlsschwankungen des sozialen Kontexts entsteht für das „festgehaltene” Kind die vertrauensbildene Reifung einer „guten” Realität nahe dem Herzschlag der Mutter. Diese für die Persönlichkeitsentwicklung der ersten drei Jahre maßgeblichen Erfahrungen entsprechen dem gesetzmäßigen Aufbau der psychosozialen Stufen und fördern so optimal die Sättigung der menschlichen Grundbedürfnisse nach Bindung und Geborgenheit. Das ist nach heutigem Wissen mit Voraussetzung für die Bildung eines Urrvertrauens und lebenslanger Bindungsqualität, wie es in jüngerer Zeit auch in der modernen Psychologie einer „sanften Geburt” und „Anleitungskursen für das Tragen von Babys in Tüchern” wieder aufgegriffen wird. Dieser Grundgedanke der Halte-Therapie wurde bereits von Winnicott unter dem physischen Halten, Tragen, Trösten, Umarmen eines Kindes durch die Mutter mit dem Begriff „Zuverlässigkeit” beschrieben. Durch das Halten wird dem Kind das Unvertraute und Fremde vorhersagbar gemacht, die Zuverlässigkeit und Präsenz bestätigt und dieser setzt damit optimal die körperlichen, sinnlichen, emotionalen und gedanklichen Wachstumsprozesse im Kind frei.

Doch in all diesen vorausgehenden ethologischen Theorieüberlegungen ist noch nicht die Eigendynamik der Halte-Therapie erfaßt, die schwierig mit Worten zu beschreiben und letztlich auch nicht einer der klassischen therapeutischen Schulen wie z.B. Verhaltenstherapie, Gesprächstherapie oder Psychoanalyse zuzuordnen ist.

In der Halte-Therapie wird die Mutter von dem/r Therapeuten/in angeleitet, ihr Kind nach einer behutsamen Annäherung in die Arme zu nehmen, weich in dieser Umarmung zu bergen und z.B. durch sanftes Wiegen dem Kind Geborgenheit zu vermitteln. Meist entsteht nach sehr kurzer Zeit aufgrund der kindlichen Symptomatik Abwehr und Unbehagen im Körperkontakt mit der Mutter, worauf diese mit dem „FESTHALTEN” im Sinne „ich halte Dich länger als Du erwartest mit all meinem Herzen, meinen Sinnen und meinem Verstand” beginnt. Das Kind reagiert nach oftmals anfänglichem Erstaunen mit Protest, Widerstand, Beißen, Schreien bis hin zu Einnässen und Aufbäumen gegen ein weiteres Festgehalten -Werden und kann von der Mutter selbst mit Empathie, „ich bin stark genug das auszuhalten” oder auch echten Gefühlen wie Schuld und Unmut beantwortet werden. In dieser Phase ist die Ganzheitlichkeit des Kindes in seinen Ausdrucksmöglichkeiten sowie die Ganzheitlichkeit der mütterlichen Bezogenheit in ihrem Anworten entscheidend für den Erfolg der Therapie.

Denn dies ist der Einstieg in die „affektive Dynamik” eines therapeutischen Prozesses, der den Ursprungskonflikt des Menschen anspricht, dem sowohl in der aktuellen Streßforschung als auch in Erklärungsmodellen des „Autismus” Bedeutung beigemessen wird. Nämlich daß der Mensch im Falle eines Konfliktes entweder zum Angriff oder zur Flucht neigt. Denn normalerweise ensteht in dieser Ambivalenzsituation des Kindes mit fehlendem Urvertrauen durch Augen- oder Körperkontakt „Angst”, die sich dann im Alltag (im Sinne „Flucht oder Kampf”) in autistischen Verhaltensweisen, Lernhemmungen, Kontaktstörungen, Verhaltensstörungen, Auto-Aggressivität, Deprivationssyndrom, Hospitalismus, Hyperaktivität, Fremd-Aggressivität, Depression, Angststörung, Zwangsstörung, Borderline-Erkrankung, Sucht, Abhängigkeiten verschiedenster Art, psychosomatischen Erkrankungen wie z.B. Affektkrämpfen usw. ausdrücken kann.

Durch das Umarmen und Festhalten des Kindes auch über den Widerstand und die Abwehr hinausgehend, bzw. auch durch das Verhindern von Selbst-Stimulation (z.B. Schaukeln, Hyperaktivität, Ausweichen vor Nähe etc.) wird dieser Ursprungskonflikt aktiviert und als therapeutische Situation genutzt, was zu ähnlichen Begleiterscheinungen wie bei Entzug Süchtiger führen kann (z.B. Schwitzen, Zittern). Durch das zusätzliche Ausschütten körpereigener Opiate (Endorphine) beginnt in dieser Situation auch in biochemischen und neuro-physiologischen Prozessen eine INPUT-Neuordnung, die der eigentlichen Verletztheit des Kindes Rechnung trägt und den tiefliegenden Bedürfnissen nach Bindung und Liebe entspricht. Erst in der erfahrenen Angst, die von jedem Kind unterschiedlich ausgedrückt Wird, kann der Körperdialog einer Umarmung und höchsten Konzentration entstehen. Ähnlich der Bioenergetischen Analyse basiert die Halte-Therapie auf der direkten Arbeit mit den Widerständen im Körper, die sich in Verspannungen, Verkrampfungen, gestörtem Rhythmus zwischen Anspannen und Entspannen äußert, und deren Wirksamkeit sich wohl auch auf die extreme Intensität des psychosomatischen (leiblich-seelischen) Geschehens zurückführen läßt.

Je nach benötigter Zeit dieses therapeutischen Prozesses tritt dann plötzlich und für den Außenstehenden nicht nachvollziehbar eine sichtbare Entspannung des Kindes ein. Der Muskeltonus wird normal, die oftmals verkrampften Gliedmaßen lockern sich, durchgestreckte Zehenspitzen nehmen wieder ihre natürliche Haltung ein, und das zuvor oftmals flache und hechelnde Atmen verändert sich zur tiefen entspannten Bauchatmung. Das Kind beginnt sich spontan anzuschmiegen, sich in den Rundungen der Mutter zu bergen und als signifikantes Zeichen einer erfolgreichen Therapie sieht man das Kind lächelnd den Augenkontakt mit der Mutter suchen. Ein fröhlicher, neugieriger Gesichtsausdruck tritt anstelle des manchmal verschlossenen oder stumpfen bzw. flüchtigen Vorbeisehens. Und das Kind wird weich und offen für die vielfältigen Kontakt- und Liebesangebote der Mutter, die nunmehr in Worten, Gesten, Berührungen und Kosungen – ähnlich den Augenblicken nach einer Geburt – das Kind in der Freiwilligkeit einer menschlichen Begegnung sichert.

Halte-Therapie ist deshalb sowohl für das Kind als auch für die Mutter bzw. die Personen, die im intimen leiblich-seelischen Bereich ein Kind betreuen und damit auch Fest-Halten können, die Grunderfahrung für vorbehaltslose, uneingeschränkte und endlose Liebe, was ursächlich heilend für eigentlich jeden Menschen ist. In der Überbrückung des affektiven Zwiespaltes, in dem sich Kinder bei chronischen Defiziten, suchtartigen Abhängigkeiten von Ersatzbindungen, Kontakt- und Wahrnehmungsstörungen, Ängsten und rückbezogenen Selbst-Stimulationen oftmals befinden, ist gerade die Lernerfahrung. diese Ambivalenzsituation verlassen zu können und die Sicherheit und Festigkeit mütterlicher Nähe zu bekommen, entscheidend für das Aufheben von Blockaden im kindlichen Energiefluß. Das Kind bekommt in dieser Lage mehr Liebe als es verlangt, prüft die Kraft der Mutter, ob diese stark genug ist, die haßerfüllte Angst auszuhalten, und ermüdet schließlich in der neuen Erfahrung, angenommen und erkannt zu sein.

Halte-Therapie gibt keine Heilungsgarantie, ist kein Patentrezept, aber wirksam bei vielen Indikationen psychischer Störungen, um im therapeutischen Prozeß grundlegende Bindungen und Beziehungen neu bzw. wieder strukturieren zu können. Oder wie es Irina Prekop sehr transzendent beschreibt: „Es ist diese grundlegende Erfahrung des Menschseins, daß wir von der Hand eines allmächtigen Gottes gehalten und getragen sind in bedingungsloser Liebe”.

Die intensivste eigene Erfahrung in der Halte-Therapie hatte ich mit einem 3-jährigen Mädchen, das von seiner neurotisch anmutenden Mutter „nicht wahrgenommen wurde”. Nach einigen Stunden therapeutischer Gespräche mit der Mutter, um eine mögliche Kontraindikation wie z.B. Verdacht auf psychotische, narzistische, machtvolle Mutter oder mangelnde körperliche Kraft der Mutter (z.B. Asthma), neurotisches ungesättigtes Bedürfnis der Mutter nach symbiotischer Bindung usw. auszuschließen, bat ich beide zum ersten Fest-Halte-Termin. Auf einer weichen Unterlage, mit mehreren Kissen zur Abstützung versehen, begann sich die Mutter unter meiner Anleitung dem Kind anzunähern, und, für alle spürbar, breitete sich sofort Angst im Raum aus. Das Kind hatte Angst, die Mutter hatte Angst und ich umfaßte die Mutter von hinten, wie sie selbst vorne ihr Kind umfaßt hielt, um sie darin durch meinen Körperkontakt zu unterstützen und zu begleiten. Das Mädchen begann nach längerer Zeit der spielerischen Abwehr, die von Vorsicht und Angst geprägt war, letztlich sich zu wehren, wollte sich abgrenzen, dem Körperkontakt ausweichen. Nach den ersten massiven Bemühungen begann es zu schlagen, zu beißen, und auch verbal in ungelenken Sätzen seinen Haß auf seine Mutter auszudrücken. Ich spürte, wie sich die Mutter selbst verkrampfte, der Schmerz über diese Wahrheit sich in ihrem eigenen Körper durch Anspannung und Härte verdichtete, und ich begann, dem Dialog dieser erwachsenen Frau mit dem Kind zuzuhören. Das Kind würgte und schrie immer wieder „alleine”, während die Mutter in schluchzenden Rechtfertigungen die Verhältnisse einer Intensiv-Station zu erklären versuchte, wo das Mädchen in den ersten beiden Lebensjahren oftmals untergebracht worden war. Es stimmte etwas nicht, die Worte der Frau hatten keine Kraft und erreichten weder das Kind noch mich. Leere Worthülsen und der verkrampfte Körper der Frau aktivierten den immer stärker werdenden Widerstand des Kindes, bis die Mutter aufgeben wollte, sich ihre Umarmung lockerte und das Mädchen zum ersten Male durch eine Drehung den Körperkontakt abwehren hätte können. Und dann passierte etwas, was mich mehr als alle Fachliteratur und Forschungsergebnisse für diese therapeutische Intervention einnahm. Das Kind, statt sich abzuwenden, was bisher seine einzige Bemühung zu sein schien, klammerte sich an die Frau und schrie: „Festhalten, nicht Aufhören!”.
Ich war so erstaunt, daß ich spontan die Mutter losließ, die in dieser Sekunde instinktiv in den Körperdialog eintauchte, das Kind an sich riß und in schüttelnden, laut und südländisch anmutendem Schreien, Weinen mit dem Kind zur Einheit fand. Sie, die Mutter, hatte die Aufenthalte in der Intensiv-Station niemals ausgehalten und war „innerlich geflohen”, ohne das verlassene Weinen ihrer Tochter von damals vergessen zu können. Diese Schuld und dieses Versagen stand zwischen den beiden und hatte zur Entfremdung und letzlich zur Diagnose Hyperaktivität und Eßstörungen des Mädchens geführt. Doch jetzt konnte die Mutter über die Vergangenheit sprechen, Verleugnetes aussprechen, hinausschreien, wobei nicht mehr ihre Worte, sondern die Wahrheit in dem Schweiß, der Trauer und der Verzweiflung das Kind finden konnten. Ich saß daneben, meine Aufgabe war vorbei und diesmal machte mich die affektive Dynamik dieser beiden Menschen betroffen, mehr, als in anderen Fällen. Denn das Mädchen war so sehr kindgerecht schön und klar geworden in seinem Ausdruck der Entspannung, führte die Hände seiner Mutter plötzlich an sein Gesicht und sagte „es ist gut, Mami, jetzt siehst Du mein ganzes Herz, nicht nur mein halbes. Und ich deines auch.” Die Sanftheit und Ursprünglichkeit dieser Worte und Berührungen, das Niedersinken der beiden auf die Matte in enger Umarmung, ein fröhliches Glucksen des Kindes in der freimütigen Zärtlichkeit einer wiedergefundenen Mutter ist mit Worten nicht wiederzugeben. Und wie in vielen Fällen schliefen Mutter und Kind dann vor Erschöpfung und „Glückseligkeit” ein.

Der therapeutische Prozeß dauerte ca. 2 1/2 Stunden, wobei auch das gemeinsame Einschlafen und Festhalten sowie Erwachen und erneuter Augenkontakt wie auch körperliche Nähe Bestandteil der therapeutischen Intervention sein sollten.

Die Mutter hat noch oftmals ohne Anleitung ihre Tochter zu Hause festgehalten und berichtete in einem Nachgespräch, daß, wenn sie selbst sehr nervös oder überarbeitet sei, dann käme ihre kleine Tochter und sage: „Mami, Festhalten”, was seitdem für beide ein Signal für Innehalten und Begegnung ist.

Um das ganze Herz zu sehen, nicht nur das halbe.

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