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Psychotherapie
Lesezeit: 5 Minuten

Fallstudie aus der psychologischen Beratungspraxis: Narzissmus: Sorgen um (beruflichen) Kontrollverlust

Klientin

weiblich, 37 Jahre

Problematik

Die Klientin meldet sich aufgrund eines starken Ausgebranntseins zu einer Beratung an. Im Telefonat erklärt sie, dass sie nicht denke, einen Psychotherapeuten für ihr Anliegen aufsuchen zu müssen. Viel eher würden ihr einige Tipps genügen, wie sie wieder fit werde und im Arbeitsleben mehr Kraft finde.

1. Beratungsstunde: Zusammenfassung der Ausgangslage

Im Gespräch zeigt sich eine nervös wirkende, unsichere, aber überaus modern gekleidete Frau, die äußerlich zu versuchen scheint, sich als dynamisch und aktiv zu präsentieren. Sie berichtet von einer großen Belastung am Arbeitsplatz: Vor 8 Monaten habe sie eine neue Stelle angetreten, sie sei nun Projektchefin in einem Unternehmen mit knapp 300 Mitarbeitern und entsprechend gefordert, Seminare, Workshops, Außenveranstaltungen oder Großevents mit ihrem Team aus 3 weiteren Personen zu organisieren und durchzuführen. Ihr mache die Arbeit viel Spaß, sie merke allerdings seit knapp 3 Monaten körperliche Beschwerden wie Unruhe, Schlafstörungen, sie spüre ihren Herzschlag des Öfteren, schwitze viel und sei abends müde und erschöpft. Sie betont immer wieder, dass sie eigentlich gesund sei und keine psychischen Probleme habe. Sie müsse aber funktionieren, immerhin sei sie doch die Einzige, die „den Laden“ im Griff halten könne. Und überhaupt könne sie sich im Zweifel nur auf sich selbst verlassen. Nachdem sie innerhalb der Firma weiter nach oben streben wolle, müsse sie auch bei ihrem Chef das Bild einer stets kompetenten Fachkraft abgeben.

Die Hausaufgabe lautet auf Grundlage dieser Aussagen recht einfach: „Formulieren Sie 5 Überzeugungen, also Anforderungen an sich selbst und Wertvorstellungen (gemeint sind die sog. Glaubenssätze), die Sie als Ihre Maßstäbe (vor allem) im beruflichen Alltag anlegen“.

2. Stunde: Auswertung der Glaubenssätze

Die Ergebnisse aus dieser gestellten Aufgabe machen deutlich, dass es nicht zwingend die äußeren Faktoren sind, die die Klientin unter Druck setzen. Viel eher wird erkennbar, dass sie selbst es ist, die sich ganz erheblich zu kaum überschaubarer Leistung forciert. Immerhin ist aus den Ergebnissen klar zu erkennen, dass ein überaus zentriertes Weltbild vorliegt. „Ich bin verantwortlich dafür, dass das Geschäft läuft“ ist in Verbindung mit „Ich bin als zuständige Leiterin in der Pflicht, die Professionalität des Betriebs zu garantieren“ ein Hinweis auf eine narzisstische Persönlichkeit, die sich nicht nur in einer Egozentrik, sondern auch in einer verzerrten Wahrnehmung des eigenen Umfeldes ausdrückt. „Ohne mich sind meine Kollegen aufgeschmissen“ stellt sich als dritter Glaubenssatz heraus, „Ich erwarte, dass wir gemeinsam Höchstleistung erbringen“ sowie „Für mich sind Fleiß, Korrektheit und Zuverlässigkeit unerlässlich für das Berufsleben“ als die beiden letzten.

Bis zum dritten Termin werden folgende Fragestellungen mitgegeben: 1. Prüfen Sie, inwieweit Sie andere Menschen in Ihre Glaubenssätze einbinden. 2. Reflektieren Sie, ob der Perfektionismus in Ihren Aussagen unter menschlichen Aspekten wirklich erreichbar ist und verhältnismäßig sein kann. 3. Suchen Sie einen Gegenspieler zum formulierten „Muss“ in Ihren selbst gesteckten Forderungen.

3. Stunde: Ursachen finden

Im Gespräch ist die Klienten nachdenklicher als bisher. Ihr sei gar nicht bewusst gewesen, dass sie sich so in den Vordergrund spiele. Sie habe ihre Mitarbeiter zwar eingebunden, deren Ressourcen aber nicht wirklich ausgeschöpft. Viel eher habe sie bisher diktiert, ihnen aber keine Freiheit gelassen. An diesem Punkt hake ich nach und frage, woher diese Angst rührt. Die Klientin berichtet mir, dass sie vor der derzeitigen Anstellung selbstständig gewesen sei und mit 2 Kolleginnen zusammengearbeitet habe, die die Firma „an die Wand gefahren hätten“. Sie glaube, sie hätte das damals verhindern können, wenn sie besser aufgepasst und eingegriffen hätte. Seither kontrolliere sie lieber doppelt, ehe so etwas wieder passiere. Ich erkundige mich nach ihren derzeitigen Mitarbeitern. Eigentlich sei sie mit diesen zufrieden. Aber sie sei eben von dieser Erfahrung von früher gezeichnet und habe nun wohl Erwartungen, die nicht angemessen seien und keiner erfüllen könne. Und am wenigsten wohl sie selbst, wie sie meint.

4. Stunde: Ressourcen aufdecken

Ich hatte die Klientin gebeten, eine Liste zu erstellen. Sie sollte notieren, wozu sie mittlerweile keine Zeit mehr habe, was ihr aber Freude bereite und was sie vermisse. Zunächst erklärt sie, dass sie mittlerweile keinen Freiraum mehr habe, weil sie ja auch am Wochenende arbeite und abends bis in die Nacht hinein. Im Arbeitsvertrag sei das so nicht vorgesehen, sie schreibe kaum Überstunden auf. Aber sie wolle eben alles prüfen, zur Zufriedenheit ihres Chefs. Trotzdem bringt sie 4 „Likes“ mit: Segeln, Malerei, historische Baukunstwerke und einfach mal in der Badewanne liegen. „Die waren versteckt, ich habe gar nicht mehr daran gedacht, was mir Spaß bringt. Ich muss mir diese Aufzählung an die Kühlschranktür pinnen!“

Zielsetzung: Angst abbauen

Ich rege an, die Beratung nochmals um mindestens 4 Stunden zu verlängern. Daneben schlage ich vor, einen Teamfindungsprozess mit einem gemeinsamen Tag im hiesigen Klettergarten zu absolvieren. Dabei solle die Klientin ihre Mitarbeiter kennenlernen, um ernsthaft einschätzen zu können, wie sehr sie sich auf sie verlassen und ihnen Arbeit zutrauen kann, die sie bisher aus Furcht an sich genommen hatte. Darüber hinaus verweise ich auf einen Entspannungskurs und ein Training zur Angstbewältigung.

Dennis RiehleDennis Riehle
Psychologischer Berater (VFP), Personal Coach

info@beratung-riehle.de

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