Vergesslichkeit oder beginnende Demenz?
Alles, was Sie über Alzheimer wissen müssen
Laut Bundesministerium für Gesundheit sind bis zu 1,6 Millionen Menschen in Deutschland an Demenz erkrankt. Ihre Versorgung stellt vor dem Hintergrund des demografischen Wandels eine immer größere Herausforderung für das Gesundheits- und Sozialwesen dar. Die Zahl der Demenzkranken soll sich bis zum Jahr 2050 verdoppeln. Die Alzheimer-Demenz ist die häufigste Demenzform mit ca. 50-60% aller Demenzen. Dieser Demenz-Typ wurde erstmals 1906 von Alois Alzheimer, einem deutschen Psychiater und Neuropathologen, beschrieben. „Weg vom Geist“ − so lautet die wörtliche Übersetzung des Begriffs „Demenz“ aus dem Lateinischen.
Am Anfang der Krankheit stehen Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und der Merkfähigkeit, in ihrem weiteren Verlauf verschwinden bereits eingeprägte Inhalte des Langzeitgedächtnisses, sodass die Betroffenen zunehmend die während ihres Lebens erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten verlieren. Aber eine Demenz ist mehr als eine „einfache“ Gedächtnisstörung. Sie zieht das ganze Sein des Menschen in Mitleidenschaft: seine Wahrnehmung, sein Verhalten und sein Erleben.
Demenz vom Alzheimer-Typ
Diese Diagnose bedeutet das Vorliegen einer Erkrankung des Gehirns, die mit dem Abbau von Nervenzellen einhergeht und initial entsprechende Störungen, insbesondere des Gedächtnisses, der Orientierung und der Wortfindung, hervorruft. Die Erkrankung entwickelt sich langsam über mehrere Jahre. Im Verlauf sind Verhalten und Persönlichkeit des Patienten betroffen, später auch die Motorik. Im Spätstadium kann es zur vollständigen Pflegebedürftigkeit kommen.
Ursachen
Die Alzheimer-Demenz beginnt meist schleichend in der zweiten Lebenshälfte. Eine eindeutige Ursache für diese Erkrankung wurde bisher nicht gefunden. Lediglich bei weniger als 0,5% aller Patienten mit Demenzen findet sich eine eindeutige genetische Veränderung mit einer pathologischen Punktmutation. Das ist sehr selten, und die Betroffenen erkranken meist in einem vergleichsweise frühen Lebensalter. Bei 5-10% der Erkrankten findet sich eine familiäre Häufung von Alzheimer- Demenzen, ohne dass ein eindeutiger Erbgang auszumachen ist. Das Demenzrisiko nimmt mit dem Lebensalter exponentiell zu. 6-8% der über 65-jährigen leiden an einer Demenz − etwa 200000 Neuerkrankungen pro Jahr.
Diagnostik
Besteht der Verdacht auf eine Demenz, wird der Arzt eine genaue Krankheitsgeschichte erheben und den Patienten neurologisch untersuchen. Anschließend kann er mit dem Mini Mental State Test (MMST) einen Eindruck gewinnen, ob gravierende Gedächtnisstörungen oder andere Störungen des Denkens vorliegen. Ist der Test auffällig, schließen sich eine differenziertere neuropsychologische Testung und eine Bildgebung des Kopfes an. Nach einer Liquorpunktion kann das Nervenwasser auf demenztypische Eiweiße untersucht werden. Im Blut muss nach gut behandelbaren Ursachen für Demenzen, wie z.B. Vitaminmängel, gesucht werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen erlauben es meist zu beurteilen, ob eine Demenz vorliegt, und wenn ja, um welche Unterform es sich handelt. Je nach Demenztyp und Begleiterkrankungen des Patienten können noch weitere Untersuchungen notwendig sein, wie z.B. eine Ultraschalluntersuchung der Arterien, die das Hirn versorgen, oder nuklearmedizinische Analysen.
Verlust von Hirnmasse
Bei der Demenz vom Alzheimer-Typ sieht man in der Kernspintomografie des Gehirns einen Verlust von Hirnmasse im Schläfenlappen und im Hippocampus. Unter anderem sind hier unsere Gedächtnisfähigkeiten lokalisiert. Bei der Frontotemporalen Demenz, die besonders mit Verhaltensauffälligkeiten einhergeht, kann man einen Verlust von Hirnvolumen im Stirnhirn und im Schläfenlappen feststellen. Bei der vaskulären Demenz, die durch Erkrankungen der Blutgefäße im Gehirn verursacht wird, beobachtet man Folgen dieser Gefäßschädigungen meist im gesamten Gehirn.
Ärztliche Begleitung
In der Regel ist der erste Ansprechpartner der Hausarzt. Er wird den Patienten ggf. zum Spezialisten überweisen. Prinzipiell kann ein Neurologe oder Psychiater einen Patienten auf eine mögliche Demenz untersuchen. Je ausgeprägter die Symptome sind, desto leichter fällt es, die Diagnose zu stellen. Gedächtnisambulanzen sind auf eine Früherkennung spezialisiert. Vor allem bei unklaren Anzeichen kann es deshalb sinnvoll sein, dass der Arzt direkt an eine solche Ambulanz überweist. Hat sich die Diagnose bestätigt, stellt sich der Patient etwa alle 3 Monate zur Verlaufskontrolle in der Gedächtnisambulanz vor, wenn keine besonderen Probleme auftreten. Alle 6 Monate wird ein neuropsychologischer Kurztest gemacht, auch um einzuschätzen, ob ein Patient von den Medikamenten profitiert, die ggf. verordnet werden. Wenn es zu Problemen oder speziellen Beschwerden kommt, werden die Patienten aber auch öfter vorstellig.
Wie kann man entgegenwirken?
Ein gesunder Lebensstil, viel Bewegung und ausgewogene Ernährung sind sinnvoll. Es gibt Medikamente, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Ergotherapie ist sinnvoll, um die Konzentrationsfähigkeit zu schulen und Alltagskompetenzen zu fördern. Dasselbe gilt für Krankengymnastik zur Förderung der Motorik. Wichtig ist es, Sozialkontakte aktiv aufrechtzuerhalten – mit anderen Menschen Zeit zu verbringen und zu kommunizieren.
Demenz macht depressiv
Viele Patienten mit Alzheimer-Demenz entwickeln eine Depression zu dem Zeitpunkt, wenn erste Gedächtnisprobleme deutlich werden. Eine Depression im Rahmen einer Demenz ist sehr gut behandelbar, und die Therapie führt meist zu einer deutlichen Besserung des Befindens. Umgekehrt kann eine Depression aber auch eine Demenz vortäuschen: Viele Patienten mit Depression haben Konzentrations- und manchmal auch Gedächtnisstörungen. Dies nennt man „Pseudodemenz“. Deswegen muss der Arzt sehr vorsichtig sein bei der Interpretation von neuropsychologischen Testergebnissen bei schwer depressiven Patienten.
Weitere Hilfestellungen
Der Arzt kann mit der Verordnung von Ergotherapie, Krankengymnastik und ggf. Logopädie dem Patienten Unterstützung bieten. Außerdem ist eine Sozialberatung für die Patienten und ihre Angehörigen wichtig. Hier können sozialrechtliche Aspekte rund um die Erkrankung besprochen und Hilfestellungen vermittelt werden. Der Arzt entscheidet, ob eine Selbsthilfegruppe, eine Psychotherapie oder eine Psychotherapie-Gruppe anzuraten ist, in der u.a. der Umgang mit der eigenen Erkrankung thematisiert wird. Insbesondere die Gruppenaktivitäten werden von Patienten und Angehörigen als sehr hilfreich empfunden, da die Beteiligten dann feststellen, dass sie mit ihren Sorgen und Anliegen nicht alleine sind.
Bewegung ist wichtig
Es ist wesentlich, dass die Betroffenen „in Bewegung bleiben“. Tägliche Spaziergänge in der Natur sind eine gute Möglichkeit, an der frischen Luft aktiv zu sein und sich körperlich zu betätigen. Das ist gut fürs Allgemeinbefinden. Aber auch eine Fortsetzung sportlicher Aktivitäten aus der Zeit vor der Erkrankung. Sport hält fit, mindert das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle, fördert die allgemeine Gesundheit, die Beweglichkeit und Motorik.
Die Gefühlswelt
Die Fähigkeit, Gefühle auszudrücken, ist zumindest im Anfangsstadium einer Alzheimer-Demenz meist nicht beeinträchtigt. In späteren Stadien kann es zur Reduktion der Wahrnehmung der Gefühlswelt kommen, das muss aber nicht der Fall sein.
Die Kindheit ist präsent
Weil das Kurzzeitgedächtnis bei der Alzheimer-Demenz zuerst betroffen ist, tritt die Vergangenheit in den Fokus der Patienten. Viele erinnern sich noch sehr gut an Kindheitserlebnisse und wichtige Lebensereignisse, während die Realität immer schlechter erinnert wird, immer mehr verschwimmt und an Bedeutung verliert.
Musik gibt Halt
Musik und Tanz tun den meisten Menschen gut, ganz unabhängig davon, wie es um ihr Gedächtnis bestellt ist. Tanzen verbindet Musik, Bewegung und Geselligkeit.
Ein Rat an die Partner der Betroffenen
Passen Sie gut auf sich und Ihre Kräfte auf. Für den Betroffenen ist es ganz wichtig, dass Sie gesund und ausgeglichen bleiben. Suchen Sie sich frühzeitig Unterstützung, beziehen Sie Freunde, Verwandte und Bekannte mit ein. Suchen Sie Kontakt zu anderen betroffenen Angehörigen – der gemeinsame Austausch kann sehr entlastend sein. Genießen Sie die schönen Momente mit Ihrem Partner.
Die Libido
Bis zu 18% der Demenz-Patienten zeigen sexuelle Verhaltensauffälligkeiten. Die häufigste Form der sexuellen Störung bei Demenz ist der Libidoverlust. Das ist individuell aber sehr unterschiedlich. Es kann auch passieren, dass ein dementer Mann in aller Öffentlichkeit onaniert oder der Pflegekraft in den Po kneift. Für Angehörige ist das außerordentlich belastend und die Scham groß. Sollte es in diesem Bereich zu Problemen kommen, sprechen Sie die behandelnden Therapeuten an.
Geschäftsfähigkeit und Vorsorge
Im Verlauf der Erkrankung ist die Geschäftsfähigkeit eines Betroffenen häufig nicht mehr gewährleistet. Daher ist es sinnvoll, spätestens in frühen Stadien der Erkrankung Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen und z.B. eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung zu erstellen.
Die Berentung
Tritt eine Demenz bei einem Patienten auf, der noch berufstätig ist, so erfolgt, je nach Krankheitsverlauf, häufig bald die Berentung.
Was leistet die Krankenkasse?
Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für Untersuchungen und Behandlung. Aus der Pflegekasse kann der Patient Leistungen nach Einstufung in eine Pflegestufe erhalten. Seit einigen Jahren gibt es die Pflegestufe 0 für Patienten, bei denen u.a. ein Hilfebedarf der Grundpflege besteht, der aber nicht das Ausmaß der Pflegestufe 1 erreicht. Außerdem muss ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung gegeben sein, u.a. durch eine eingeschränkte Alltagskompetenz. Dies trifft auf Betroffene zu, die ihren Tagesablauf nicht mehr selbst strukturieren können, gefährliche Situationen nicht mehr erkennen oder dazu tendieren, von Zuhause wegzulaufen.
Das Pflegeheim
Wenn eine Versorgung zu Hause nicht mehr möglich ist, die Hilfe durch Pflegedienste nicht ausreicht und die Angehörigen weit weg wohnen oder sich überfordert fühlen, kann ein Umzug in ein Pflegeheim eine gute Lösung sein. Besonders in Pflegeheimen, die auf Umgang mit Patienten mit Demenzen spezialisiert sind, fühlen sich Betroffene oft wohl.
Der Abschied
Es ist sehr unterschiedlich und auch abhängig von den sonstigen Erkrankungen des Betroffenen, wie lange der Abschied dauert. Eine Demenz vom Alzheimer- Typ reduziert die Lebenserwartung eines Betroffenen und führt meistens 5 bis 10 Jahre nach Manifestation der Erkrankung zum Tod.
Die aktuelle Forschung
investiert derzeit sehr viel in die Suche nach einer Behandlung von Patienten mit Alzheimer-Demenz. Ein Allheilmittel ist aktuell leider noch nicht absehbar. Allerdings gibt es einige vielversprechende Therapieansätze, die zum Teil auch schon in klinischen Studien erprobt werden und darauf zielen, die Demenz vom Alzheimer- Typ im Frühstadium zu stoppen.
Fazit
Bei ersten Anzeichen sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt. Wenn er es empfiehlt oder wenn Sie sich weiter Sorgen machen, suchen Sie eine Gedächtnisambulanz auf und lassen Sie sich untersuchen. Zur Linderung von Beschwerden und bei der Verbesserung der Lebensqualität spielen nichtmedikamentöse Therapieverfahren eine wichtige Rolle. Im Anfangsstadium der Krankheit kann zur Bewältigung der Diagnose eine Psychotherapie sinnvoll sein. Gehen Sie offen mit Ihrer Krankheit um und beziehen Sie Ihr nahes Umfeld und die Familie mit ein.
Ich beginne die Reise, die zum
Sonnenuntergang des Lebens führt.
Ronald
Reagan
Sonja Weber
Journalistin, PR-Frau und
Bloggerin
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