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Dem Kater den Garaus machen

Das neue Jahr beginnt für viele nicht sehr erfreulich: Sie leiden unter dumpfen, bohrenden, drückenden oder pulsierenden Kopfschmerzen, unter Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Abgeschlagenheit – ein ganz gewöhnlicher, alkoholbedingter Kater.

Interessanterweise ist nicht der reine (Äthyl-)Alkohol Schuld an der Misere. Laborexperimente haben ergeben, daß reiner Alkohol auch bei denjenigen Menschen keine Kopfschmerzen auslöst, die sonst nach einem “Drink” immer darunter leiden. “Vielmehr sind es Fuselstoffe und Fruchtzucker im Alkohol, zum Beispiel bei süßen Weinen oder Likören, die besonders heftige Beschwerden verursachen können”, erklärt Dr. Hartmut Göbel, Leiter der Schmerzambulanz der Neurologischen Universitätsklinik Kiel.

Beides sind Stoffe, die die Ausschüttung von Serotonin fördern, einen Botenstoff, der für die Schmerz- und Gefühlsverarbeitung im Gehirn verantwortlich ist. Ist zuviel von diesem Stoff im Organismus aktiviert, treten Katersymptome wie Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit auf. Außerdem: Nach Verbrauch des Serotonins weiten sich die Blutgefäße, was zu niedrigem Blutdruck führt (das Blut “versackt” förmlich) und die Sauerstoffversorgung im Gehirn vermindert.

In aktuellen Untersuchungen des Kieler Kopfschmerzforschers entpuppten sich außerdem bestimmte Rotweinsorten als “Katergetränke”. “Es gibt sehr wenig Serotonin-freisetzende Rotweine und sehr hochpotent freisetzende Rotweine”, erklärt Dr. Göbel. “Diese Eigenschaft kann sich von Jahrgang zu Jahrgang verändern.”

Dagegen waren Weißwein oder Bier nicht in der Lage, die Ausschüttung von Serotonin zu erhöhen. Die Studien zeigten außerdem, daß manche Probanden auf das gleiche Getränk stärker mit einer Serotonin-Freisetzung reagierten als andere. Ob man einen Kater bekommt oder nicht, scheint also nicht nur von der Art des Getränks abzuhängen, sondern auch von der individuellen Empfindlichkeit.

Als dritter Faktor sind die Situation und das Umfeld ausschlaggebend dafür, wie man sich am Tag “danach” fühlt. Langes Aufbleiben und damit eine Änderung des Schlaf-Wach-Rhythmus’, Sauerstoffmangel in einem vollen Lokal, angeregtes und vielleicht angestrengtes Diskutieren oder auch eine schlechte Stimmung tragen zur Entstehung des Katers bei. Dagegen hat sich gezeigt, daß selbst reichliches Trinken an frischer Luft und bei gutem Essen – zum Beispiel im Urlaub – am nächsten Tag kaum oder gar keine negativen Folgen zeigt. Manch einem bekommt auch die Kombination von Trinken und Rauchen nicht.

Wer am Neujahrsmorgen mit einem Brummschädel aufwacht, sollte auf keinen Fall so weitermachen, wie er aufgehört hat, nämlich wieder Alkohol trinken. “Alkohol zum Frühstück verzögert und verstärkt das Problem nur”, warnt Göbel. Viele merken ja schon an ihrem Heißhunger auf Salziges und an ihrem starken Durst, was ein gutes “Katerfrühstück” ist: die berühmten Rollmöpse, Hering, saure Gurken und viel Mineralwasser. Cola und Kaffee regen ebenfalls die Lebensgeister wieder an.

Eine Schmerztablette, am besten 1g Acetylsalicylsäure, kann zusätzlich helfen, den Tag zu überstehen. In diesem Fall ist der normalerweise gut verträgliche Wirkstoff Paracetamol nicht geeignet, weil er in der Leber verstoffwechselt wird, die genug mit dem Alkoholabbau zu tun hat. Psychopharmaka sollte man auf keinen Fall einnehmen, weil sie auf das Gehirn wirken, wo die Regulationsvorgänge durch den Alkohol sowieso durcheinandergeraten sind. Und noch eine Warnung: mit einem Kater nicht in die Sauna gehen, weil sich durch die Hitze die schon erweiterten Gefäße noch mehr weiten und die Herzleistung dadurch weiter reduziert wird. Das kann lebensgefährlich werden! Dagegen ist ein Spaziergang an der frischen Luft das beste Mittel, damit der Blutdruck wieder steigt und der Kopf freier wird.

Nach einem Tag haben die meisten das Gefühl, wieder fit zu sein. Untersuchungen an Testpiloten der US-Armee haben jedoch ergeben, daß ihr Leistungs- und Urteilsvermögen noch drei Tage nach Alkoholkonsum reduziert war. Deshalb rät Dr. Göbel, innerhalb von 72 Stunden keine wichtigen Entscheidungen zu treffen.

Um sich den großen Katzenjammer beim nächsten Mal zu ersparen, ein kleiner Tip: 30g Fruchtzucker vor dem Schlafengehen einnehmen. Fruktose kann den Abbau von Alkohol um bis zu einem Drittel beschleunigen, so daß die Kopfschmerzen zum Teil “verschlafen” werden. Normalerweise verbrennt die Leber im Durchschnitt 0,1 bis 0,15 Promille Alkohol in der Stunde. Außerdem sollte man natürlich nicht auf leeren Magen trinken, sondern vorher kalorienreiche Speisen zu sich nehmen. “Katergetränke”, wie schlechte Weine oder süße Liköre, vermeiden! Auch kleine Alkoholpausen mit Mineralwasser und “Zwischendurchhäppchen” können vorbeugen.

Ein kleiner Trost für alle, die es trotzdem wieder erwischt: “Der Kater ist eine sinnvolle Reaktion des Organismus”, so Göbel, “um vor Sucht zu bewahren.”