Hilfe bei Schlafstörungen
Schlafbeschwerden und chronische Müdigkeit sind ein immer häufiger verbreitetes Phänomen unserer Zeit. Wir zeigen, wie Sie dieses zermürbende Problem wieder loswerden können.
Schlaf ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Rund ein Drittel unseres Lebens verbringen wir in Morpheus Armen, um unseren Organismus auszuruhen. Doch für zahlreiche Menschen ist die solcherart im Bett verbrachte Zeit alles andere als erholsam. Durch Schlafbeschwerden wird für sie die Nacht zur Qual – und erst recht der nächste Tag, an dem sie sich matt, lustlos und nicht leistungsfähig fühlen.
Gründe dafür gibt es viele, und die meisten davon zeigen, wie der moderne Lebensstil auch in Sachen Schlafqualität seinen Tribut fordert: Streß, Hektik, Zeitknappheit, Sorgen und ein insgesamt ungesunder Lebensstil zählen wohl zu den verbreitetsten Gründen dafür, warum jeder Vierte nicht ein- oder durchschlafen kann oder in der Früh nicht frisch und ausgeruht, sondern wie gerädert aufwacht. Viele Schlafstörungen sind förmlich “antrainiert”: Wegen kurzfristiger Sorgen fällt einem ein, zwei Nächte das Einschlafen schwer. Die Krise ist Iängst bereinigt, doch die Angst, „wieder einmal nicht einschlafen zu können”, bleibt und verhindert erst recht eine gute Nachtruhe.
Die wohl bekanntesten Probleme mit der Nachtruhe sind die Einschlafstörungen, die sich in quälendem und im Extremfall oft mehrere Stunden langem Wachliegen äußert. Durchschlafstörungen sind hingegen von häufigem nächtlichen Erwachen gekennzeichnet, weil der Schlaf zu oberflächlich ist. Eine dritte Form von Schlafschwierigkeiten ist das vorzeitige Erwachen in den Morgenstunden. Manche Menschen schlafen auch scheinbar lange genug, doch fehlt es ihnen an Tiefschlafphasen und sie fühlen sich deshalb morgens wie gerädert.
TAKTSTOCK FÜR DEN ORGANISMUS
Allerdings sind nur etwa zehn Prozent der Schlafbeschwerden klinisch behandlungsbedürftig. Dabei handelt es sich etwa um Fälle von Depressionen oder um die sogenannte Schlafapnoe. Dabei setzt während des Schlafs – meist völlig unbemerkt – kurzfristig die Atmung aus.
Besonders wichtig, so die Überzeugung der modernen Medizin, ist eine gewisse Regelmäßigkeit beim Schlafen. Der Mensch ist darauf programmiert, nachts zu schlafen, weshalb die Schlafqualität während Schichtdiensten und durch den Wechsel der Zeitzonen beim Fliegen, dem sogenannten Jet lag, leidet. Diese Regelmäßigkeit ist deshalb so entscheidend, weil Schlaf- und Wachphasen die Grundstruktur des Zeitplans für die Abläufe in unserem Organismus sind. Sämtliche biochemischen Vorgänge basieren auf einer hochsensiblen Koordination, die vom Hormonsystem geleistet wird. Alles muß zu seiner Zeit erledigt werden: Die Leber z. B. Iäuft in den frühen Morgenstunden auf vollen Touren. Wachstumshormone, die bei Erwachsenen die Zellerneuerung bewirken, werden in Tiefschlafphasen mobilisiert.
Wer immer wieder die Nacht zum Tag macht, tut sich ebensowenig etwas Gutes wie ein Vielflieger. Eine Umgewöhnung auf einen neuen Wach-Schlaf-Rhythmus stellt eine große Belastung für den Organismus dar, ein ständiger Wechsel ist nur schwer verkraftbar. Deshalb ist ein gesunder Schlaf in erster Linie regelmäßig und wirkt auf den Organismus wie ein zuverlässiger Taktstock.
WAS DEN SCHLAF STÖRT
Aber auch die Eßgewohnheiten beeinflussen den Schlaf. Hungerkuren können ebenso zu Schlafstörungen führen wie chronische Mangelernährung. Üppige Mahlzeiten vor dem Zubettgehen wirken meist schlafstörend. Am besten ist eine leichte Abendmahlzeit, zirka zwei bis drei Stunden bevor man sich niederlegt.
Kaffee verzögert durch das darin enthaltene Koffein bei vielen Menschen das Einschlafen und vermindert die Gesamtschlafzeit. Nikotin wirkt in höheren Mengen ebenfalls erregend und somit dem Schlaf abträglich. Auch dafür, daß viele Kinder abends keine Ruhe finden, sind koffeinhaltige Getränke wie Cola oder verschiedene Eistees verantwortlich. Auch ein Zuviel an Alkohol kann Schlafstörungen mit motorischer Unruhe, Alpträumen und Atmungsaussetzern bewirken.
Für das chronische Schlafdefizit in unserer Gesellschaft ist wohl auch der Trend hin zu einem 24-Stunden-Tag verantwortlich: TV-Programme, die rund um die Uhr laufen, Überstunden, Freizeitstreß und die Doppelt- und Dreifachbelastung vieler Paare, vor allem aber von Frauen – all das beeinträchtigt insgesamt die Nachtruhe. Deshalb sollte beim Versuch, seine Schlafqualität zu verbessern, auch der Stundenplan einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Mutet man sich vielleicht zuviel zu, und das regelmäßig auf Kosten der Nachtruhe?”
Wenn Schlafschwierigkeiten nicht nur in Phasen von erhöhtem Streß auftreten und sie zu einer gravierenden seelischen Belastung werden oder ständige Müdigkeit zu Konzentrationsproblemen führt, dann sollte ein Arzt aufgesucht werden. Falls nötig, wird der Mediziner den Patienten dann zur Abklärung der Ursachen an ein darauf spezialisiertes „Schlaflabor” oder an eine „Schlafambulanz” überweisen.
WARUM SCHNARCHEN GEFÄHRLICH IST
Inwieweit psychische Ursachen, wie etwa ein zu hohes Erregungsniveau, für die Schlafprobleme verantwortlich sind, muß jedoch individuell beim jeweiligen Patienten eruiert werden. Dazu wird im Schlaflabor zunächst ein Formular mit rund hundert Fragen zum sogenannten ,”Vorab-Screening” eingesetzt. Anschließend erfolgt ein ausführliches Arztgespräch mit einem Neurologen.
Um differenziertere Diagnosen zu erstellen, wird z. B. die „Polysomnographie” (PSG) angewendet, bei der u. a. die Hirnstromaktivität sowie die Augen- und Muskelbewegungen gemessen werden. Zu Diagnosezwecken kann Patienten auch ein “Screening-Gerät” für zwei Nächte nach Hause mitgegeben werden, um durch ein ,,Schnarchmikrofon” und andere Meßmethoden festzustellen, ob der Betreffende an Apnoe leidet, die durch kurzfristiges Aussetzen der Atmung gekennzeichnet ist.
Apnoe – oder auch „obstruktives Schnarchen” – kann u. a. zu einem Sauerstoffmangel in den peripheren Blutgefäßen führen. Davon sind etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung betroffen, vor allem übergewichtige Männer ab dem 40. Lebensjahr”, erklärt der Schlafmediziner Prof. Zeitlhofer. Zur Behandlung können u. a. Gesichtsmasken eingesetzt werden, über die mit Überdruck Raumluft zugeführt wird.
Zur Behandlung von Schlafbeschwerden werden von Ärzten häufig schlaffördernde Medikamente verordnet – zu häufig, wie skeptische Mediziner meinen. „Durch eine derartige symptomatische Therapie wird oft der Weg zu einer Chronifizierung der Schlafstörungen gebahnt”, kritisiert Prof. Zeitlhofer. „Denn bei einer Langzeitbehandlung besteht die Gefahr der Gewöhnung und Medikamentenabhängigkeit. ”
Speziell bei leichteren Schlafstörungen sowie bei jüngeren Patienten sind natürliche pflanzliche Medikamente eine sinnvolle Alternative zu herkömmlichen Schlafmitteln. Kräuter sind milder und wirken nicht nur schlaffördernd, sondern können auch die eigentlichen Ursachen der Schlaflosigkeit, etwa Streßsymptome, beseitigen.
DIE BESTEN EINSCHLAFHILFEN
Empfehlenswert sind aufgrund ihrer beruhigenden Wirkung etwa Baldrian und Melisse. Auch das Antidepressivum Johanniskraut kann hilfreich sein. Auch ein starker Kamillentee kann schlaffördernd wirken. Allerdings ist die Kamille bei uns im Gegensatz zu Italien als Schlafmittel kaum gebräuchlich.
Entspannungstechniken wie das autogene Training oder die progressive Muskelentspannung, wie sie in Kursen erlernt werden können, können ebenfalls einen einschlaffördernden Effekt erzielen. Ebenso wie die computergestützte Technik des Biofeedback, bei dem Körperfunktionen wie Pulsfrequenz, Hautleitwert oder Muskelspannung beispielsweise auf einem PC-Bildschirm sichtbar gemacht werden. Mit Hilfe dieser audiovisuellen Rückmeldung sollen Patienten lernen, diese Funktionen bewußt wahrzunehmen und in einem zweiten Therapieschritt auch selbst zu beeinflussen.
Bei leichteren Schlafstörungen kann aber bereits eine Verbesserung der Umgebung hilfreich sein. Ein ausreichend abgedunkelter und ruhiger Schlafraum zählt zu den Grundvoraussetzungen für einen gesunden Schlaf, nach der Auffassung von Schlafmedizinern ist eine Raumtemperatur zwischen 14 und 18 Grad Celsius empfehlenswert. Bei vielen Menschen wirkt ein warmes Bad oder eine kalte Dusche vor dem Schlafengehen schlaffördernd.
DAS RECHTE MASS
Neben einem Mangel an Schlaf zählt aber auch ein Zuviel davon – was medizinisch als Hypersomnie bezeichnet wird – zu den Schlafbeschwerden. Zuwenig Schlaf wird meist als störender empfunden, allerdings können auch Symptome der Hypersomnie, wie etwa Tagesmüdigkeit und Tagesschläfrigkeit, oft zu Arbeits- und Verkehrsunfällen führen.
Daß Schlaf vor allem im rechten Maß genossen gesund ist, wird auch durch eine Langzeituntersuchung aus den USA belegt. Nach Auswertung der Daten von nicht weniger als einer Million Personen zeigte sich in dieser Studie ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Schlaf- und Lebensdauer. Das Fazit der US-Forscher: Menschen, die regelmäßig zwischen sieben und acht Stunden schlafen, haben die höchste Lebenserwartung.
Trotzdem, meinen Schlafforscher, sollte niemand krampfhaft versuchen, diesem Ideal zu entsprechen. Manchen Menschen reichen sechs Stunden, andere brauchen neun Stunden und mehr. Die richtige Balance zwischen Wachsein und Schlafen muß jeder für sich selbst herausfinden. Entscheidend ist vor allem eines: daß man sich in der Früh wohl und ausgeruht fühlt.
SO FINDEN SIE EINEN GUTEN SCHLAF
Tips für alle, die Probleme mit dem Schlafen haben:
Bei Einschlafstörungen kann Ihnen ein täglich wiederholtes Beruhigungsritual helfen. Z. B. erst einen Nachtspaziergang machen, dann ein heißes Bad nehmen, einen beruhigenden Tee oder warme Milch mit Honig trinken.
Denken Sie beim Schlafengehen an etwas Schönes; Sorgen sind Schlafkiller, und ehe man sich’s versieht hat man sich wegen einer kleinen Krise Schlafstörungen „antrainiert”. In vielen Fällen Iäßt Müdigkeit die Lage noch auswegloser erscheinen. Versuchen Sie, einfach ,umzuschalten”. Versprechen Sie sich, die Krise ernst zu nehmen und die Lösung umgehend anzupacken.
Wer aus beruflichen Gründen keinen regelmäßigen Rhythmus von Schlaf- und Wachphasen einhalten kann, sollte mit anderen Fixpunkten seinem Organismus einen gewissen Rhythmus verschaffen: z. B. regelmäßig eine Mahlzeit zwischen 13 und 14 Uhr. Auch davon profitiert die Schlafqualität.
Wie man sich bettet, so schläft man.
Sparen Sie also – im Rahmen Ihrer finanziellen Möglichkeiten – nicht unnötig bei der Anschaffung Ihres Bettes. Es sollte ausreichend groß sein, und die Wirbelsäule sollte durch ein möglichst feste Unterlage beim Liegen geradegehalten werden.
Lärm und Licht gehören, so gut es geht, aus dem Schlafzimmer verbannt. Allerdings ist es nicht sinnvoll, wenn wegen des Lärmschutzes die Belüftung ausfällt. Eine Lösung des Dilemmas: Die Schlafzimmertür offenhalten und über einen anderen Raum für Frischluft sorgen. Behelfen Sie sich notfalls mit Ohrenstöpsel oder einer Schlafbrille.
Sollten Sie Einschlafprobleme haben, so verzichten Sie vor dem Schlafengehen auf aufregende Lektüre, spannende TV-Sendungen und schwere Speisen.