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So beugen Sie Osteoporose vor

Erna C. isr noch vor wenigen Jahren eine gute Sportlerin gewesen. Seit einiger Zeit hat sie jegliche sportliche Aktivität aufgegeben. Was hat ihr die Freude am Eislaufen, am Schifahren, an langen Waldspaziergängen verdorben? Angst. Angst zu stürzen, sich Arm oder Bein oder gar die Wirbelsäule zu brechen. “In meinem Alter”, meint sie, die auf den Sechziger zu geht, “in meinem Alter soll man sich auf kein Risiko mehr einlassen.” In einem Punkt hat Erna C. recht: Die Sturzgefahr nimmt im Laufe der Jahre deutlich zu. Man ist nicht mehr so beweglich wie noch in jungen Jahren, man wird unsicher und oft tritt aus einer übertnebenen Vorsicht heraus dann erst recht ein, was man vermeiden wollte: ein Sturz, der eine Fraktur zur Folge hat. Absolut nicht recht hat Erna C. mit ihrer Schlußfolgerung, es sei allmählich klüger, “sich aufs Altenteil zurückzuziehen”, sportliche Aktivität und überhaupt jede überflüssige Bewegung zu vermeiden. Denn das fördert erst recht die Osteoporose, die schuld daran ist, daß selbst harmlos scheinende Stürze bei Frauen ab etwa 50, bei Männern ein Jahrzehnt später zu (immer häufiger auftretenden) Frakturen führen, die in der Folge in einer schweren Beeinträchtigung der Mobilität und damit der gesamten Lebensqualität münden.

IN DEN KNOCHEN BILDEN SlCH HOHLRÄUME

Die Osteoporose ist eine Erkrankung, die mit einer verhältnismäßig geringen Knochenmasse und mit einer Störung der Mikroarchitektur des Knochengewebes einhergeht. Die Knochenmasse des Menschen ist von genetischen Faktoren, vom Geschlecht, aber auch vom Typus abhängig und wird von verschiedenen Risikofaktoren beeinflußt. Sie erreicht ihren Höchstwert bei jungen Erwachsenen und sinkt im Verlauf des weiteren Lebens von Jahrzehnt zu Jahrzehnt ab. In osteoporotischen Knochen bilden sich Hohlräume wie in Schwämmen, das Knochenmaterial wird brüchig, und jeder kleinste Sturz kann eine Fraktur zur Folge haben.

Das Risiko einer Osteoporose wächst, wie gesagt, mit zunehmendem Alter, und es ist bei Frauen größer als bei Männern, weil sich der abrupte Hormonverlust vor, während und unmittelbar nach der Menopause negativ auf die Knochendichte auswirkt. Univ.-Prof. Dr. Klaus Klaushofer, der das Ludwig-Boltzmann-Institut für Osteologie am Wiener Hanusch-Krankenhaus leitet, gibt an, daß ein Drittel aller Frauen, die die Menopause bereits hinter sich haben, damit rechnen muß, eine osteoporotische Fraktur zu erleiden. Wobei bei Frauen um die 50 die Unterarme am häufigsten betroffen sind, bei 60jährigen sind es die Wirbel und ab 70 Hüfte und Oberschenkel. Die schwerstwiegenden Folgen für die Betroffenen werden durch Hüftfrakturen verursacht, die auch eine höhere Zahl von “Bettentagen” (im Krankenhaus) zur Folge haben als selbst Herzinfarkt und Diabetes.

Neben Alter, Geschlecht und Veränderungen im Hormonhaushalt gibt es freilich noch andere Risikofaktoren für die Entstehung einer Osteoporose, genetische Faktoren beispielsweise sowie Ernährungsfehler, Bewegungsmangel, starker Alkoholkonsum, starkes Rauchen. Auch bestimmte Medikamente (v. a. Corticoide) beeinflussen bei längerer Einnahme den Knochenhaushalt negativ und führen zu vermehrter Brüchigkeit. Und schließlich kann die Osteoporose auch als Folge einer endogenen Erkrankung (z. B. des Verdauungstraktes) sowie einer chronischen Polyarthritis auftreten.

WAS BRINGT DIE KNOCHENDICHTEMESSUNG?

Eine Messung der Knochendichte, wie sie von manchen Ärzten für alle Frauen um 50 propagiert wird, erlaubt eine Beurteilung des Bruchrisikos, da bei niedriger Knochendichte Brüche nachweislich häufiger auftreten. Sie sollte auf jeden Fall durchgeführt werden, wenn Risikofaktoren auf eine Osteoporose hinweisen – sie sollte aber nicht überbewertet werden. Denn die Knochendichte ist zwar mitbestimmend für die Belastbar keit des Knochens, aber nicht allein ausschlaggebend. D. h., osteoporotische Brüche müssen selbst bei verminderter Knochendichte nicht zwangsläufig auftreten, und es gibt immer noch Möglichkeiten, ihnen entgegenzuwirken, so daß die Erkrankung zumindest nicht fortschreitet und die Bruchgefahr nicht weiter erhöht, sondern sogar herabgesetzt wird.

Weil Umwelt und Lebensstil sich entscheidend auf die Entstehung einer Osteoporose auswirken können, ist es fast selbstverständlich, daß eine Behandlung, wenn sie erfolgreich sein will, auch dort ansetzt. Prof. Klaushofer: “Grundlage jeder Osteoporosetherapie ist eine ausführliche Beratung des Patienten, was seinen Lebensstil, eine ausgewogene gesunde Ernährung und ausreichend körperliche Bewegung betrifft.” In bezug auf die Ernährung – und das gilt gleichzeitig für die Prophylaxe – ist im besonderen auf eine ausreichende Versorgung mit Kalzium und Vitamin D zu achten. Die empfohlene Kalziumzufuhr im Ausmaß von 1000 bis 1500 Milligramm täglich holt man sich am besten durch Milch und Milchprodukte (ein Viertelliter Milch = 300 Milligramm Kalzium), aber auch viele grüne Gemüse sind wertvolle Kalziumträger. In besonders hohem Maße gilt das für Broccoli, der fünfmal soviel Kalzium enthält wie der verwandte Karfiol. Vitamin D ist vor allem in Fisch, in Eidotter, aber auch wiederum in Milch und Milchprodukten und hier vor allem in der Butter enthalten. Vitamin D wird allerdings nicht nur mit der Nahrung aufgenommen, sondern bei Sonnenbestrahlung auch aus körpereigenen Vorstufen gebildet. Mangel an Sonneneinwirkung ist mit ein Grund, daß oft ältere Menschen, aber auch Frauen aus Kulturen mit anderen Bekleidungsgewohnheiten äußerst schlecht mit Vitamin D versorgt sind.

KALZIUM, VITAMIN D, HORMONSUBSTITUTION

Zur medikamentösen Behandlung der Osteoporose stehen zwei Gruppen von Medikamenten zur Verfügung: einerseits solche, die die Neubildung der Knochen anregen (z.B. Natriumfluorid), andererseits solche, die den Knochenabbau hemmen (Östrogene, Calcitonine, Biphosphonate). Zusätzlich kann durch Vitamin-D-Gaben die Kalziumbilanz des Organismus verbessert und ein positiver Effekt auf Knochenneubildung und Mineralisation erzielt werden.

Östrogene sind nachweislich in der Lage, den durch Hormonverlust bedingten Knochenabbau und damit auch das durch Osteoporose bedingte Frakturrisiko zu verhindern. Sinnvollerweise wird man sie daher auch schon prophylaktisch einsetzen, um eine Osteoporose erst gar nicht entstehen zu lassen. Eine Hormonersatztherapie, der auch positive Wirkungen auf die sogenannten Wechselerscheinungen sowie eine Verringerung von Herz- und Gefäßerkrankungen zugeschrieben werden, muß allerdings wegen des leicht erhöhten Brustkrebsrisikos unbedingt von Untersuchungen durch den Gynäkologen bzw. Mammographien begleitet werden.

Calcitonin ist ein Eiweißhormon, das seit vielen Jahren zur Behandlung der Osteoporose und vor allem – wegen seines schmerzstillenden Effekts – bei frischen, osteoporotisch bedingten Brüchen eingesetzt wird. Ein vorbeugender Einfluß auf die Knochendichte ist nicht ausreichend nachgewiesen.

Biphosphonate sind chemische Verbindungen, die Mineralisationsvorgänge und Knochenabbau hemmen und sich daher besonders gut für die Behandlung der Osteoporose eignen. Neueren Studien zufolge konnte bei Biphosphonatgaben über einen Iängeren Zeitraum hinweg das Risiko von Wirbel- und Oberschenkelbrüchen auf die Hälfte herabgesetzt werden. Ein Problem dieser Arzneimittelgruppe sind die Nebenwirkungen, die sich vor allem im Magen-Darm-Trakt bemerkbar machen. Prof. Klaushofer, der in einem Fortbildungsseminar für Apotheker über die Osteoporose referierte, hat dabei diese Berufsgruppe darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, Patienten auf die richtige Einnahme aufmerksam zu machen: Wer Biophosphonate verschrieben bekommt, muß sie auf nüchternen Magen mit ausreichend Wasser und mindestens 30 bis 60 Minuten vor der ersten Mahlzeit einnehmen und darf sich nach der Einnahme auch nicht mehr niederlegen. Von neuesten Biphosphonaten wird aber erwartet, daß sie nebenwirkungsfrei und für eine Dauertherapie geeignet sind.

BEWEGUNG IST DAS UM UND AUF

Zu einer umfassenden Behandlung brüchiger Knochen gehören aber auch sportliche Aktivitäten. (Und insofern ist unsere Patientin Erna C. gänzlich “auf dem falschen Dampfer”, wenn sie meint, sicherheitshalber – um der Sturz- und Bruchgefahr zu entgehen – möglichst wenig Sport zu betreiben.) Es sind freilich nicht alle Sportarten gleich gut zur Osteoporosebekämpfung bzw. -verhinderung geeignet, und auch bei durchaus geeigneten Sportarten kann es sich als nachteilig erweisen, wenn dem Körper extreme Belastungen zugemutet werden. Damit ein Anreiz entsteht, die Knochendichte zu erhöhen, muß “Gewicht drauf” und der Knochen mechanisch stimuliert werden. Das geschieht bei den Armen beispielsweise durch Gewichtheben, Boxen und Rudern, während sich für die unteren Extremitäten Hüpfen, Springen, Laufen oder zumindest rasches Gehen (mehrmals wöchentlich 30 bis 60 Minuten) anbietet. Übungen im Sitzen und Liegen, die die Rückenmuskulatur stärken, haben ebenfalls positive Effekte auf die Knochendichte der Wirbelsäule, während Schwimmen – so günstig es sich auf den Gesamtzustand des Körpers auswirkt – nichts zu einer Zunahme der Knochendichte beiträgt. Auf ein bißchen Gymnastik hie und da kann man sich jedenfalls nicht verlassen, aber durch ein intensives Übungsprogramm, durchgeführt drei- bis viermal die Woche unter fachmännischer Anleitung – z. B. eines Physikotherapeuten Iäßt sich schon manche Fraktur verhindern. Denn auch das richtige Stürzen kann und will gelernt sein. Studien an Osteoporose-Patientinnen haben ergeben, daß sich intensives Training nicht nur auf die Knochendichte, sondern auch auf Gleichgewichtssinn und Reaktionsfähigkeit auswirkt und damit die Sturzgefahr herabsetzt. Wobei speziell Frauen unmittelbar nach der Menopause – d. h. in einer Zeit, in der der Knochenabbau besonders rasch vor sich geht – besonders gut auf intensives, individualisiertes Training reagieren. Aber auch in höherem Lebensalter kann man mit gezielten körperlichen Übungen das Fortschreiten der Osteoporose hintanhalten.
Heilen kann man die Osteoporose nicht. Und darum sind Präventivmaßnahmen von besonderer Bedeutung: Sich richtig ernähren, Alkohol und Nikotin, wenn überhaupt, dann nur in Maßen genießen – und vor allem sich ausreichend bewegen. Mit einem Wort: Einen gesundheitsfördernden Lebensstil pflegen, wie er sich im Grunde in jedem Lebensalter lohnt.