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Das Sphygmomanometer

Bei einer Frequenz von ca. 75 Kontraktionen pro Minute schlägt das Herz rund 100.000 mal am Tag und pumpt dabei ca. 6.500 Liter Blut durch unsere Adern. Der Blutdruck ist von der Förderleistung des Herzens und von der Gefässweite bzw. -elastizität abhängig. Er ist eine wesentliche Kenngrösse menschlicher Organzustände und -funktionen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahre 1999 sind die optimalen Blutdruckwerte für Erwachsene systolisch < 120 und diastolisch < 90 mm Quecksilber.

Der Blutdruck konnte bis in das 19. Jahrhunder nur direkt bestimmt werden. Dazu wurden Messsonden in die grossen Körperarterien eingeführt. Diese “blutige” Methode war für die Betroffenen natürlich sehr unangenehm und löste Ängste und Beschwerden aus. Zusätzlich konnten auch Infektionen damit verbunden sein. Erst durch die Entwicklung der “unblutigen” Verfahren wurde eine Messung des Blutdrucks auf einfache und risikolose Weise möglich. Frühe Geräte dieser Art waren z.B. die modifizierten Pulsmesser des Physiologen Karl Vierordt (1818-1884) und des Pathologen Samuel Siegfried von Basch (1837-1905).
Der Prototyp des modernen Sphygmonanometers (von griechisch sphygmos = Puls; griechisch metron = Maß; lateinisch manus = Hand) jedoch, wurde von Riva-Rocci (* 7. August 1863 in Almese bei Turin, ? 15. März 1937 in Turin) entwickelt. Noch heute sprechen wir ihm zu Ehren von der “RR” (Riva-Rocci), wenn der Blutdruck gemeint ist. Heute ist der Blutdruck – er kann auch vom Patienten jederzeit problemlos selbst gemessen werden – zum Massstab der eigenen Befindlichkeit geworden.

Riva-Rocci arbeitete als Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik Turin. Ihm taten die Patienten bei den unzulänglichen und blutigen Methoden der Blutdruckmessung – besonders bei Kindern – leid und begann etwa ab 1890 mit der Entwicklung eines für Patienten schmerzloses Blutdruckmessverfahrens. In dem Artikel “Un nuovo sfigmomanometro” beschrieb er 1896 eine einfache Methode der “unblutigen” Bestimmung des Blutdrucks und führte seinen Prototypen des modernen Blutdruckmessgerätes zur indirekten Bestimmg des Blutdrucks vor. Als Oberarmmanschette benutzte Riva-Rocci einen Fahrradschlauch, der mittels eines Gummiballons aufgeblasen werden konnte und einem Quecksilberbarometer, mit dem er den Druck in der Armarterie (Arteria Brachialis) mass. Durch Betasten der Pulsader an der Handwurzel (Pulsus radialis) prüfte Riva-Rocci das Verschwinden bei steigendem (sytolischem) Druck. Wie fast immer in der Medizin, gab es bei der Einführung einer Neuerung heftige Proteste. Ihm wurde die “Entsubjektivierung der Diagnostik” nachgesagt. Dennoch setzte sich Riva-Rocci’s Methode, vor allem in den Krankenhäusern, rasch durch.

Der russische Militärarzt Nikolai Segejewitsch Korotkow (1874-1920) verbesserte 1905 die von Riva-Rocci angegebene Methode, indem er das Stethoskop zur Bestimmung des Blutdrucks einsetzte. Die typischen “Korotkowschen Geräusche” (oder Töne) die dabei hörbar werden, kommen dadurch zustande, dass das Blut verwirbelt wird und deren Bewegungsgeräusche hörbar sind.

Ab Ende der 1920er Jahre waren Blutdruckmessgeräte nach dem “System Riva-Rocci” immer häufiger in ärztlichen Praxen anzutreffen. Nicht zuletzt durch die Verkaufstüchtigkeit der Hersteller, die vor allen Dingen die nicht auslaufbaren Quecksilberbehälter und das “bruchfeste Etui” aus Pressstoff oder Holz anpriesen. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Blutdruckmessgeräte immer kleiner und bestanden im Wesentlichen aus einem Blasebalg mit Federmanometer und Staumanschette.
Der erste vollautomatische Blutdruckmesser als Vorläufer der modernen 24-Stunden-Blutdruckgeräte kam 1968 auf den Markt. Seit 1976 gibt es handliche, leicht zu bedienende elektronische Selbstmessgeräte, die auch in den Händen von Patienten die Blutdruckbestimmung ohne Arzt oder Heilpraktiker erlauben. Eine weitere Neuerung gibt es seit 1989, sie erlaubt nun die ständige Blutdruckkontrolle am Zeigefinger. Seit 1992 gibt es elektronische Messgeräte für das Handgelenk.

Die physikalischen Grundlagen:

Das Blut durchströmt beim gesunden Menschen die Arterien mit einer mittleren Geschwindigkeit vm die meist so gering ist, dass in den unverzweigten Strecken der Arterien keine Turbulenzen auftreten. Eine laminare Strömung erzeugt im Gegensatz zur turbulenten keine Geräusche. Ein Kriterium für das Entstehen von Turbulenzen ist die dimensionslose Reynoldsche Zahl Re:

vm = mittlere Flüssigkeitsgeschwindigkeit (Blut)
R = Gefäß (Rohr) radius
p = Dichte der Flüssigkeit (Blut)
n = Viskosität der Flüssigkeit (Blut)

Es sei erwähnt, dass die Viskosität ein Maß für die innere Reibung ist und in den Einheiten Pascalsekunden (Pa × s) gemessen wird.
Die Viskosität von Blut beträgt z.B. bei 37° C etwa 2,3 bis 2,7 × 10-3 Pa × s.
Sofern die Reynoldsche Zahl den Wert von ca. 1 200 nicht überschreitet, liegt eine laminare Strömung vor. Bei höheren Werten kann sie turbulent werden.
Verringert man den Gefäßradius R, so steigt die mittlere Geschwindigkeit quadratisch an. Wenn also z.B. R halbiert wird, steigt die mittlere Geschwindigkeit auf das Vierfache an. Damit wächst die Reynoldsche Zahl nach Gl.1 insgesamt um den Faktor zwei an. Der Druck ist definiert als Kraft pro Fläche und wird in bar oder Pascal (Pa) gemessen. Dabei herrscht ein Druck von 1 Pa, wenn eine Kraft von 1 Newton senkrecht auf eine Fläche von 1 m2 wirkt.

Es gilt also:
100 000 Pascal sind ein bar
105 Pa = 1 bar
In der Medizin hat sich bis heute die Einheit Millimeter Quecksilbersäule (mm Hg) erhalten. Dabei gilt, dass ein Druck von 750 mm Hg einem bar entspricht.
750 mm Hg = 1 bar
Der mittlere Luftdruck beträgt auf Meereshöhe 1,013 bar und damit 760 mm Hg.

Quelle: Medicine worldwide
www.m-ww.de/enzyklopaedie/diagnosen_therapien/blutdruckmessung.html