Desinfektion
Einerseits sollte es sich erübrigen, über dieses Thema zu schreiben, andererseits kann man es gar nicht oft genug in die Erinnerung zurückrufen.
Versäumnisse bei der Händedesinfektion und des Injektionsfeldes vor einer Injektion stellen einen groben Behandlungsfehler dar!
Bei allen medizinischen Eingriffen, dazu gehören natürlich auch Injektionen, ist eine gründliche Desinfektion eine unerlässliche Vorbereitungsmassnahme, um gegen die bekannten Infektionsgefahren gefeit zu sein. Gemeint ist die Händedesinfektion des Arztes oder Heilpraktikers aber auch der Krankenschwester oder der Sprechstundenhilfe, sowie die Desinfektion – lege artis – des Injektionsfeldes. Versäumnisse bei dieser unerlässlichen Massnahme vor einer Injektion stellen einen Verstoss gegen elementare Behandlungsregeln dar und sind somit als ein grober Behandlungsfehler zu bewerten.
Wurde ein grober Behandlungsfehler festgestellt, besteht die Möglichkeit, dass sich die Beweislast umkehrt und der Behandler den Beweis dafür zu erbringen hat, dass der eingetretene Schaden nicht auf seinen groben Fehler beruht. Eine Beweislastumkehr in diesem Sinne kommt vor allem bei Verstössen gegen elementare Behandlungsregeln in Betracht. Diese grundsätzliche Beurteilung nahm das OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 4. Juni 1987 – 8 U 113/85 – vor.
Ein Patient hatte in dem Streitfall einen Arzt erfolgreich auf Schadenersatz verurteilt. Der beklagte Arzt hatte, ohne sich die Hände und das Injektionsfeld zu desinfinzieren, dem Patienten im Bereich des rechten Ellenbogens ein Anästhetikum (im Rahmen der Neuraltherapie?) injiziert. Daraufhin kam es zu einen Spritzenschaden.
Kein Behandler sollte sich bei der Neuraltherapie dazu verleiten lassen, an das zu glauben, was Ferdinand Hunecke
einmal in einer seiner Vorlesungen über die von ihm entwickelte Neuraltherapie – scherzhaft (?) – gesagt haben soll:
“Ich desinfiziere nie, da das Procain selbst antibakteriell wirkt. Ich werde doch nicht die Bakterien, die sowieso
getötet werden, mit teurem Alkohol besoffen machen!”
Die Einhaltung der Einwirkzeit des Desinfektionsmittels ist eine Pflicht!
Die Pflicht der Einhaltung einer Einwirkzeit des Desinfektionsmittels auf dem Eingriffsfeld gehört zum Grundwissen
und zu den Grundfertigkeiten der Infektionsprophylaxe. Dieses “Allgemeingut” des Wissens beschränkt sich nicht alleine
auf den Behandler selbst sondern auch auf sein medizinisches Hilfspersonal.
Nach einem Urteil des OLG Stuttgart vom 20. Juli 1989 – 14 U 21/88 – ist es ein grober Behandlungsfehler, wenn ohne
Beachtung der Einwirkzeit gleich nach dem Abreiben der Einstichstelle mit Alkohol die Spritze gesetzt wird.
Es ging in dem Streitfall um Schadenersatzansprüche wegen einer fehlerhaften Injektionsbehandlung. Das Gericht
entschied für den Kläger, weil es eindeutige Verstöße gegen die Regeln der Injektionstechnik erkannte. Die für den
betroffenen Patienten schädliche Injektion war deshalb nicht korrekt erfolgt, weil gleich nach dem Abreiben der
Einstichstelle mit Alkohol gespritzt worden war (allenfalls waren 10 Sekunden vergangen). Es wird aber allgemein eine
Mindesteinwirkzeit von 30 Sekunden angenommen, teilweise wird sogar eine Einwirkzeit von mindestens 1 Minute für
erforderlich erachtet. Gegen diese Regeln wurde klar verstossen.
Abgesehen von der ordnungsgemässen Hände- und Injektionsfeldesinfektion ist es mir unerklärlich, wie manche Behandler auch heute noch ohne Handschuhe Injektionen, Blutentnahmen, ja sogar blutiges Schröpfen und Blutegelbehandlungen durchführen können.