Qualitätssicherung in der Heilpraktikerpraxis
Qualität ist kein Heilversprechen, sondern ein ganzheitlicher Maßstab, ob Ziele, Methodik und (Zeit-)Abläufe in der Organisationseinheit Heilpraktikerpraxis darauf ausgerichtet sind, die angebotene Dienstleistung in optimaler Weise zu erbringen, um dem Patientenwohl zu dienen.
Qualität wurde ab 1900 mit dem Aussortieren fehlerhafter Produkte aus dem industriellen Fertigungsprozess zum Thema und später immer umfassender standardisiert: die Qualitätsanforderungen der Deutschen Industrie Norm (DIN) und die fachbezogene Normreihe ISO 9000 ff., z.B. für Medizinprodukte. Diese beruht auf der 1985 formulierten Forderung der WHO, internationale Qualitätsmanagementsysteme im Gesundheitswesen einzuführen. Als Dienstleistungsnormen für Krankenhäuser dienen sie dem Patienten- und Mitarbeiterschutz und der Einhaltung einer als effizient definierten Vorgehensweise. Für Heilpraktiker gilt z.B. die Wartung und technische Überprüfung von am Patienten angewandten elektrischen Geräten und des Blutdruckmessgeräts (Eichkontrolle oder Gerät ersetzen). Erst später rückte der Kunde als Adressat der Qualitätssicherung in den Mittelpunkt: Wie muss ein Produkt, eine Dienstleistung beschaffen sein, damit sie die Kundenerwartung trifft, also Zufriedenheit, erneute Nachfrage und Weiterempfehlung generiert? Patientenzufriedenheit und Bekanntheitsgrad sind zwei wesentliche Aspekte für den wirtschaftlichen Erfolg einer Praxis. Daher lohnt sich die Beschäftigung mit Fragen der Qualität für den Heilpraktiker auch da, wo es keine behördlichen Vorschriften gibt oder der Heilpraktiker allein in der Praxis arbeitet. Qualitätssicherung bedeutet nicht Kontrolle durch eine Institution und Erwerb einer Zertifizierung. Es geht vielmehr um ständige Selbstkontrolle und Verbesserung von Praxisprozessen, um gegenüber dem Patienten eine exzellente Dienstleistung zu erbringen. Für größere Praxen mit Mitarbeitern käme ein einfaches ganzheitliches Qualitätsmanagementsystem wie EFQM infrage, um sich grundsätzlich und regelmäßig mit wichtigen Fragen der Qualitätssicherung wie förderlicher Mitarbeiterkommunikation und Zielorientierung auseinanderzusetzen.
Neben Vorschriften, die z.B. durch das Gesundheitsamt überwacht werden, gibt es eine Fülle regelmäßiger Handlungen, die allein oder von anderen in An- oder Abwesenheit des Patienten ausgeführt werden. Diese haben entweder mit der Erbringung der medizinischen Leistung zu tun oder mit betriebswirtschaftlichen Belangen (Rechnungserstellung, Buchhaltung, Budgetierung) oder gehören zur Arbeitsorganisation (Erreichbarkeit, Reinigung, Dokumentation, Merkblatt für Patienten bereitlegen, Materialien bestellen). Werden alle einzelnen Prozesse nach Notwendigkeit, Häufigkeit und genauem Ablauf beschrieben (Prozessdefinition), wird nichts vergessen. Oft lässt sich so wertvolle Zeit gewinnen, indem Aufgaben zusammengefasst (und vielleicht ausgelagert) werden und damit effizienter erledigt werden können. Dieser Zeitgewinn kann für die eigene Erholung oder für die Behandlung weiterer Patienten genutzt werden. Die strukturierte Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit am Patienten dient auch der stärkeren Ausrichtung auf die eigene Lieblingszielgruppe. Also jene Patienten, bei denen mit der individuellen Arbeit am meisten bewirkt werden kann. Denn die eigene Zufriedenheit mit dem Geleisteten ist die beste Burnout-Prävention.
Im Gesundheitswesen wird ein immaterielles, individuelles Produkt erbracht. Da stellt sich die Frage, wie denn in unserer Branche Qualität definiert und sichergestellt werden kann.
Der 1. Schritt besteht in der möglichst vollständigen Beschreibung sämtlicher allein, gemeinsam oder von anderen erbrachten Leistungen in verschiedenen Kategorien.
Einhaltung behördlicher Vorschriften
Welche Regelungen treffen auf meine eigene Praxis zu? Welche Arbeitsschritte sind wann, wie mit welcher Zeitdauer erforderlich?
Fachliche Aspekte
Welche Schritte werden wann, wie, in welcher Reihenfolge und mit welchen Inhalten erbracht, um den Patienten zu untersuchen, eine Diagnose zu stellen und zu behandeln? Der Prozess einer homöopathischen Anamnese erfordert eine bestimmte Vorgehensweise und Zeitdauer bei Erst- und Folgeanamnese. Die Einordnung der Symptome des Patienten, die Differentialdiagnose bis zur Feststellung einer Erkrankung sind Prozesse, die jeder Heilpraktiker mittels seiner individuell erlernten Arbeitsweise und Techniken durchführt. Der Therapieprozess mit seinen einzelnen Behandlungsterminen (Teilprozesse) ist ebenfalls individuell je Behandler und Patient. Grundsätzlich gibt es aber in jeder Technik der Diagnosestellung und Therapie eine als fachgerecht und Erfolg versprechend (effizient, zielführend) zu bezeichnende Vorgehensweise, wie bspw. in der Kinesiologie die Vor- bzw. Klartests. Gehört ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten zur Arbeitsweise, kann dies beschrieben und strukturiert werden, um sicherzustellen, das damit angestrebte Ziel unter wirtschaftlichem Mitteleinsatz zu erreichen. Checklisten oder ausgedruckte Anamnesebögen mit Optionen zum Ankreuzen unterstützen, an alles zu denken und Zeit optimal einzusetzen.
Dienstleistungsaspekte und Kommunikation
Hierzu gehören alle Rahmenbedingungen vom ersten (telefonischen) Kontakt bis der Patient in die Praxis kommt, während er sich dort aufhält (Sitzplatz, Garderobe, Toilette, Wartezeit, Getränk) und sie wieder verlässt. Wie gehe ich mit dem Patienten um, damit er sich sicher fühlt, vertrauen kann und etwaige Ängste vor Untersuchung oder Behandlung abgebaut werden können?
Qualitätskern Patientensicht
Wie wird die Patientensichtweise, das subjektive Ergebnis seines früher oder später automatisch stattfindenden Soll-Ist-Abgleichs von erwarteter und erhaltener Dienstleistung ermittelt? Ist Patientenzufriedenheit möglich, obwohl der Patient nicht ganz gesund werden kann? Ja, wenn er von Anfang an in seinen Zielen ernst genommen und über Chancen, Nebenwirkungen und Kosten einer Therapie aufgeklärt wird. Hier gilt es das richtige Maß zu finden, um Compliance und innere Heilkräfte anzuregen und trotzdem die Grenzen des medizinisch Möglichen ehrlich darzustellen.
Der 2. Schritt besteht in der regelmäßigen Selbstüberprüfung, ob Prozesse verbessert werden können: Ein Soll-Ist-Abgleich einmal pro Jahr, um sicherzustellen, dem eigenen und fremden Qualitätsanspruch gerecht zu werden, als Stresstest zur Selbstreflexion und zum Ausmisten überzogener Ansprüche, um sich auf das eigene Verständnis von Heilkunde zu konzentrieren.
Bewährt hat sich zu Beginn und Ende eines Patiententermins eine kurze Vor- bzw. Rückschau, um den Patienten immer wieder dort abzuholen, wo er gerade steht und um herauszufinden, ob die Behandlung noch im Einklang mit seinen Vorstellungen steht. Eines muss er aber auch wissen: Manchmal ist die Medizin bitter und genau deswegen wirkt sie. Und das führt dann genau zu der Ergebnisqualität, die er wünscht, wenn er auch nicht jeden Schritt des Weges dahin mag.
Swantje Kallenbach
Heilpraktikerin und Coach
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