Bringt das Patientenrechtegesetz wirklich Neues?
Viel Wind um wenig
Mit dem Patientenrechtegesetz werden von der Rechtsprechung entwickelte und seit Langem in Praxen praktizierte Verhaltensweisen gesetzlich festgeschrieben. Bevor das Gesetz am 20.02.2013 in Kraft trat, wurde lange um den Inhalt gerungen.
Patientenrechtegesetz gilt auch für Heilpraktiker
Gegenstand des Behandlungsvertrages ist nach § 630a Abs. 1 1. Halbsatz BGB die medizinische Behandlung. „Medizinische Behandlung“ wird vom Gesetzgeber weit verstanden. Erfasst werden sollen alle Vertragsverhältnisse von Gesundheitsberufen (Begründung des Gesetzentwurfes vom 15.08.2012, III.1., Deutscher Bundestag, Drucksache 17/10488). Dienstverträge mit Heilpraktikern sind danach Behandlungsverträge im Sinne von § 630 a BGB.
Der Behandlungsvertrag
Zwischen Heilpraktiker und Patient bestand schon immer ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis als Dienstvertrag. Nach dem Inhalt des Behandlungsvertrages schuldet der Heilpraktiker nicht die Wiederherstellung der Gesundheit des Patienten (also keinen Erfolg der Behandlung), was in Anbetracht der unabsehbaren Reaktionen des menschlichen Organismusses auch kaum möglich wäre.
Mit dem Patientenrechtegesetz wurde nun § 630 a BGB eingeführt, der den Vertragstyp „Behandlungsvertrag“ regelt. Die Vorschriften über das Dienstverhältnis (§ 611 BGB) sind über § 630 b BGB weiter ergänzend anwendbar. Hierunter fällt z.B. die persönliche Leistungspflicht des Heilpraktikers nach § 613 BGB. Der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung bedeutet, dass, unabhängig von der fachlichen Befähigung, eine Delegation an Hilfspersonal des Heilpraktikers nur erfolgen darf, wenn der Patient hierzu im Vorhinein sein Einverständnis erklärt hat.
Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist. Allgemein anerkannt ist ein Standard, wenn er dem von der großen Mehrheit der Heilpraktiker akzeptierten Kenntnisstand entspricht. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber auch eine ordnungsgemäße Organisation dem einzuhaltenden medizinischen Standard zuordnet. Nicht klar geregelt ist, wann eine standardunterschreitende Behandlung vereinbart werden kann. Der Gesetzgeber hat hier in der Begründung Neulandmethoden, klinische Prüfungen sowie eine besondere Disposition des Patienten im Blick gehabt.
Informationspflichten
In § 630 c Abs. 1 BGB wird die einzige echte Patientenpflicht festgelegt. Der Patient muss alle für die Behandlung relevanten Informationen offenlegen, um die medizinischen Maßnahmen vorzubereiten und zu unterstützen. Das Kernstück von § 630 c BGB ist die Regelung in Abs. 2 Satz 1. Hier wird die von der Rechtsprechung bisher als „therapeutische Aufklärung“ entwickelte Pflicht des Heilpraktikers festgeschrieben, den Patienten zu Beginn der Behandlung und ggf. in deren Verlauf in verständlicher Weise über sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu informieren. Danach sollen die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie selbst und die zu und nach ihr zu ergreifenden Maßnahmen erläutert werden.
Eine wirkliche Neuerung bringt nur § 630 c Abs. 2 Satz 2 BGB. Hier wird die bislang noch nicht zuerkannte Offenbarungspflicht des Heilpraktikers über eigenes und fremdes fehlerhaftes Verhalten normiert. Wenn Umstände erkennbar sind, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, muss der Patient hierüber informiert werden. Nach § 630 c Abs. 2 Satz 3 BGB darf die Information nur mit Zustimmung des Heilpraktikers in einem gegen ihn oder seine Angehörigen geführten Straf- oder Bußgeldverfahren zu Beweiszwecken verwendet werden. Dieses Beweisverwertungsverbot gilt nicht außerhalb des Strafrechts, also im Berufsrecht, Arbeitsrecht oder wenn Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht werden. Richtig verstanden verpflichtet die Neuerung zur Mitteilung des Schadens (Ergebnis des Behandlungsfehlers), nicht aber zur Offenlegung der Art und Weise des Fehlers oder der Verantwortlichkeiten.
Achtung bei schriftlichem Kostenvoranschlag
§ 630 c Abs. 3 BGB verpflichtet den Heilpraktiker, vor Beginn der Behandlung seinen Patienten schriftlich über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung zu informieren, wenn die vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Kostenträger nicht gesichert ist. Die Schriftform sollte unbedingt eingehalten werden, da zu befürchten ist, dass Behandlungsverträge von Gerichten als unwirksam beurteilt werden, wenn die voraussichtlichen Kosten der Behandlung nur mündlich mitgeteilt werden. Ggf. muss bei späterer Ausdehnung der Therapie eine erneute schriftliche Information gegeben werden. Die Information ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet (§ 630 c Abs. 4 BGB). Den Verzicht sollte sich jeder Heilpraktiker schriftlich vom Patienten bestätigen lassen.
Wirtschaftliche Aufklärung
Die Normen bieten nichts wesentlich Neues, da es nach der Rechtsprechung dem Heilpraktiker bisher schon oblag, über eventuelle Kostenerstattungsprobleme aufzuklären (sogenannte wirtschaftliche Aufklärung). Anders als bei der Risikoaufklärung muss diese Aufklärung durch den Heilpraktiker nicht persönlich und auch nicht mündlich erfolgen (Schlussfolgerung aus § 630 e Abs. 1 und Abs. 2 BGB). Die Aufklärung durch Hilfspersonal ist deshalb ausreichend. Eine Patientenbestätigung über die erfolgte wirtschaftliche Aufklärung im Behandlungsvertrag erscheint rechtlich möglich. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die Übersichtlichkeit und Verständlichkeit des Gesamtformulars gewährleistet ist. Wegen der Betonung des Verbraucherschutzes kann von Gerichten schnell eine Unwirksamkeit des Formulars angenommen werden.
Aufklärungspflicht
Der Heilpraktiker hat nach § 630 e BGB über die geplante Behandlung aufzuklären. Die Aufklärung ist zwingende Voraussetzung für die Einwilligung des Patienten bzw. seines Vertreters und muss durch einen Heilpraktiker erfolgen. Das Aufklärungsgespräch muss rechtzeitig vor der geplanten Maßnahme sein, um dem Patienten die Möglichkeit einer sorgfältigen Abwägung aller Umstände zu ermöglichen. Weil der Gesetzgeber auf Fristen verzichtete, gilt die Rechtsprechung, wonach bei nicht eiligen Eingriffen eine Bedenkzeit von mindestens einem Tag zu gewährleisten sei.
Die Aufklärung hat mündlich zu erfolgen, um Nachfragen des Patienten zu ermöglichen. Auf ausgehändigte Unterlagen darf lediglich ergänzend Bezug genommen werden. Selbstverständlich hat die Aufklärung in für den Patienten verständlicher Art und Weise zu erfolgen. Unterzeichnete Dokumente sind dem Patienten in Kopie oder als Durchschrift zur Verfügung zu stellen.
Einsichtsrecht – Alter Wein in neuen Schläuchen
§ 630 g BGB normiert das Recht des Patienten und seiner Erben auf Einsicht in seine vollständigen Behandlungsunterlagen. Eine entsprechende Regelung findet sich bisher eher unbeachtet in § 810 BGB – übrigens bereits seit dem Inkrafttreten des BGB am 01.01.1900! § 630 g BGB geht jedoch häufig über die Regelungen der Berufsordnungen hinaus. Er sieht das Einsichtsrecht auch in subjektive Vermerke des Heilpraktikers vor, sodass ein Schwärzen ausscheidet. Eine Einsichtnahme kann in der Regel nur wegen erheblicher therapeutischer Gründe oder erheblicher Rechte Dritter verweigert werden. Die Verweigerung der Akteneinsicht muss substantiiert begründet werden. Kopier- und Versandkosten trägt der Patient.
Dr. jur. Frank A. Stebner
Fachanwalt für Medizinrecht
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