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Psychotherapie
Lesezeit: 5 Minuten

Sozial-emotionale und kommunikative Fähigkeiten bei Kindern spielerisch fördern

© Gennadiy Poznyakov - Fotolia.comMit Beginn des neuen Kindergartenjahres haben Kinder mit Vollendung des ersten Lebensjahres ein Recht auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflege. Neben der Diskussion von bedarfsgerechten und familiennahen Betreuungsangeboten ist gerade das Thema der sozial-emotionalen und kommunikativen Entwicklung im frühen Kindesalter stark in den Fokus gerückt. Längst sollen Kinder nicht mehr verwahrt oder nur betreut werden, die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung von jungen Kindern ist zu einem wichtigen Erziehungsthema geworden.

Das setzt voraus, dass Kinder in verlässliche Beziehungen und sichere Bindungen eingebettet sind und neben einem liebevollen familiären auch ein förderndes Umfeld in Form von empathisch erziehenden Bezugspersonen vorhanden ist, die den Nachwuchs in ihrer Entwicklung und ihren Eigenaktivitäten unterstützt und fördert.

Die Rolle der Bezugspersonen ist also bedeutsam, emotionsreiche Erfahrungsräume sowie Raum und Zeit zur Erforschung, zum Spielen und für Kreativität sollen in Kindertageseinrichtungen und in der Tagespflege bereitgestellt werden, damit Kinder die Welt neugierig mit Freude und Lust entdecken können. Die emotionale Geborgenheit, eine positive und sichere Bindung erweist sich als beste Grundlage für eine angemessene harmonische Persönlichkeitsentfaltung. Im Rahmen der frühkindlichen Bildung spielen in diesem frühen Entwicklungsalter Emotionen eine entscheidende Rolle. Das Kind braucht erwachsene Vorbilder und Bezugspersonen, die auf seine Welt- und Selbsterfahrung durch kommunikative und emotionale Äußerungen, durch Mimik, Gestik und Verhalten verstehend und annehmend reagieren. Erfährt das Kind diese Resonanz durch die Erwachsenen um sich herum, kann es Selbstbestätigung, Sicherheit und Vertrauen, auch Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten erleben. Eine gute Bindung ist somit eine wesentliche Basis für einen gelingenden Bildungsprozess in Kindertagesstätten und Tagespflege und eine entscheidende Grundlage für spätere Lernprozesse.

Gleichzeitig sollte das spielerische Lernen für die Entwicklung dieser sehr jungen Kinder herausgestellt werden. Das Spiel erlaubt Kindern frei von Leistungsansprüchen, die Welt um sich herum, sich selbst, Situationen, Beobachtungen und Erlebnisse im wahrsten Wortsinn zu begreifen. Es erlaubt den Kindern, neue Fertigkeiten in einem angemessenen und sicheren Rahmen auszuprobieren, um für sich Lösungen und Strategien für immer komplexere Probleme zu finden und emotionale Konflikte zu bewältigen, ist eine wertvolle Ressource von Lernfreude, Zufriedenheit und Selbstsicherheit. Diese spielerisch leichten und kreativen Erfahrungen fördern und bahnen neuronale Vernetzungen im kindlichen Gehirn an, die auch in der Schule sowie im späteren Leben mit darüber entscheiden, ob sich ein Kind gerne neuen Aufgaben zuwendet, konzentriert und aufmerksam lernen kann.

Zudem kann das spielerisch kreative Lernen einen neuen Rahmen in der Erziehungsarbeit zwischen erwachsenen Bezugspersonen und den Kindern setzen, indem Konzentration und Aufmerksamkeit fokussiert werden. Ein Erleben im Tun, in einer kindlichen Neugier auf neue Erfahrungen, in der An- und Entspannung und Freude am Gelingen einer gemeinsamen Erfahrungswelt – nämlich dem Spielen – und Erschaffen von etwas Gelingendem kann ein Potenzial für Groß und Klein sein. Auch wenn dies nicht beim Spiel ein bewusstes Tun ist – die strukturbildenden Elemente im kindlichen Gehirn werden angeregt, eine wichtige Voraussetzung für spätere Konzentrations- und Aufmerksamkeitsfähigkeit kann geschaffen werden.

Gerade die aktuellen Erkenntnisse und Forschungsergebnisse aus der Hirnentwicklungsforschung und der Entwicklungspsychologie bestätigen, dass der Gestaltung von Erziehungs- und Bildungsprozessen zur Integration von jungen Kindern in Kindertageseinrichtungen und Tagespflege entwicklungspsychologisch eine besondere Aufgabe zukommt. Ein Zitat des Hirnforschers Professor Dr. Hüther sei an dieser Stelle erlaubt, der in einem Vortrag in der StädteRegion Aachen davon spricht, dass Kinder mit einem unglaublichen Potenzial zu lernen zur Welt kommen. Professor Dr. Spitzer befasst sich u.a. in seinem Artikel „Große kleine Schritte – Was wir vom Gehirn lernen können“ mit der Gehirnentwicklung des Kindes im Mutterleib und nach der Geburt. So spricht er davon, dass bei der Geburt nur wenige Verschaltungen zwischen den Neuronen vorhanden sind, die neuronalen Verschaltungen zwischen den verschiedenen Arealen und Bereichen des Gehirns im Verlauf der Entwicklung eines Kindes entstehen. Diese neuronalen Verschaltungen können gerade in den ersten Lebensjahren spielerisch und an den Ressourcen des einzelnen Kindes orientiert, entwickelt und stabilisiert werden. Vielfältige, möglichst alle Sinne anregende Angebote wie z.B. Malen, Musizieren, Singen, die spielerische Förderung von sozialen und emotionalen Fähigkeiten, aktivieren emotionale Zentren des kindlichen Gehirns und reagieren auf neue Herausforderungen und in Beziehungen gemachten Erfahrungen mit komplexen neuronalen Verschaltungsmustern. Schon relativ früh im Leben werden sie zu sinngebenden Konzepten für späteres Lernen und auch für die mit jedem Lernprozess untrennbar verknüpfte emotionale Erlebniswelt angelegt. Im Frontalhirn kann ein eigenes inneres Bild von Selbstwirksamkeit angelegt, stabilisiert und für die Selbstmotivation in allen nachfolgenden Lernprozessen genutzt werden.

Die hier genannten Aspekte im Aufbau von Beziehungserfahrungen, Bindung, sozialen, emotionalen und kommunikativen Erfahrungen sollten meiner Erfahrung nach gerade bei sehr jungen Kindern sehr sensibel, bewusst und verantwortungsvoll gestaltet werden. Dann kann sicherlich ein guter Start für die Anbahnung von Beziehung und Bindung von Kleinkindern gelegt werden und damit die Chance für eine weitere positive Entwicklung des Kindes. Diese ersten Erfahrungen können einen positiven Einfluss auf alle weiteren Erfahrungen machen – wie z.B. auf den Übergang von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule, von der Grundschule in eine weiterführende Schule, möglicherweise bis in den Beruf. Eine bewusste und verantwortungsvolle Gestaltung von Übergängen, insbesondere die Stärkung von Kindern in ihrem Grund- und Selbstvertrauen, die Entwicklung einer angstfreien Neugier und Offenheit sowie eine entspannte Konzentration bilden die psychischen Ausgangsbedingungen für ein gelingendes Lernen.

Zusammengefasst und aus Sicht des Kindes betrachtet braucht es auf seinem Weg zugewandte und empathische Erwachsene, die Interesse an seiner Entwicklung haben, seine Eigenaktivitäten unterstützen und ihn auch wertschätzen. Unter dem einfühlsamen Schutz und der am Kind orientierten Anleitung ohne Über- oder Unterforderung können sozial-emotionale Fähigkeiten kreativ ausprobiert werden, Kinder dabei ihre eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten erkennen, als Ressourcen weiterentwickeln und ein gutes und integriertes Selbstbild von sich bekommen.

Marie-Anne Raithel Marie-Anne Raithel
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Coach & Psychosoziale Beraterin DVNLP-t, EMDR-Therapeutin (VDH/DGMT)

ma.raithel@freenet.de

Literatur

  • Manfred Spitzer: Erfolgreich lernen in Kindergarten und Schule, DVD, 673D, Auditorium Netzwerk Jokers Edition
  • Manfred Spitzer: Lernen, Gehirnforschung und die Schule des Lebens, Spektrum Akademischer Verlag, Oktober 2002, ISBN 978-3-8274-1396-3
  • Karl Gebauer, Gerald Hüther: Kinder brauchen Wurzeln, Patmos, 2011 ISBN-13: 978-3-843-60017-0
  • John Bowly: Frühe Bindung und kindliche Entwicklung, Rheinhardt, 6. Auflage 2010 ISBN 978-3-4970-2146-8
  • Marie-Anne Raithel: HERZWESEN – Lernen mit allen Sinnen, Shaker, 2012 ISBN 978-3-8440-1054-1

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