ExpertenTipp: Gedanken zum Kern und Mehrwert heilpraktischer Dienstleistung
Das Berufsbild Heilen und Helfen gibt es seit Menschengedenken. Die Kunst, Verletzungen, Krankheiten und psychische Leiden sachgerecht und zielführend zu behandeln, beruht nicht nur auf Wissen und Erfahrung. Weiche Fähigkeiten – sogenannte Soft Skills – wie Empathie, Intuition, Zuhören und das Bewusstsein der Gleichzeitigkeit vielfältiger im- und materieller Faktoren und Prozesse im Menschen und um ihn herum machen Diagnostik und Therapie erst menschengerecht. Doch die materielle Sichtweise auf Mensch und Krankheit nahm im Laufe der letzten hundert Jahre stark zu. Die Methodik des Messbaren ist an der scheinbaren Unausweichlichkeit genetischer Prägung als Krankheitsprinzip angekommen. Dies macht den Menschen zum hilflosen Opfer seiner ererbten Systembedingungen und braucht eine ganzheitliche, verhaltensorientierte Krankheitsbetrachtung als Korrektiv. Komplementär- und Alternativmedizin orientieren sich an objektiven und subjektiven Parametern, aber auch an der Befindlichkeit des Patienten. Das Folgende handelt vom Kern heilpraktischer Dienstleistung und seinem Mehrwert für unsere Gesellschaft.
Herausforderung Diagnose
Neben den Menschen, die immer schon Heilpraktiker aufsuchten, weil sie eine andere Art der Behandlung wünschen, konventionell-medizinisch als austherapiert gelten oder aktiv präventiv tätig werden wollen, gibt es drei Kategorien von Patienten, die immer häufiger in der Praxis auftauchen. Diese drei Kategorien gliedern sich in folgende schulmedizinische Aussagen:
- „Sie haben nichts.“
- „Das geht von selbst wieder weg.“
- „Da kann man nichts machen.“
Man mag ja bereits den Begriff der Diagnose für die schlimmste aller Krankheiten halten. Nicht zu wissen, was die Befindlichkeit beeinträchtigt und damit keinen Ausweg aus dem Leiden oder wenigstens eine Aussicht auf Besserung aufgezeigt zu bekommen, scheint jedoch menschenunwürdig.
Unsere Sorgfaltspflicht erfordert, zunächst herauszufinden, ob der Patient an etwas Schwerwiegendem leidet, das wir entweder nicht behandeln können oder dürfen. Der Untersuchungshistorie der „Nichtshaber“ kommt man mit der Frage, wie denn festgestellt wurde, dass sie nichts haben, auf die Spur. Im Idealfall kommen diese Patienten bereits komplett schulmedizinisch durchgecheckt in die Praxis. Es ist schon richtig, dass alles Mögliche manchmal „von selbst wieder weggeht“, z.B. Rückenschmerzen oder psychische Verstimmungen. Die Frage ist aber, ob Rezidive zu erwarten sind, diese Erstsymptome also den milden Einstieg in eine chronische Erkrankung darstellen. Oder es nach dem erwünschten Verschwinden zu einer Symptomverschiebung z.B. in tiefere Gewebeschichten kommt. Etliche Erkrankungen sind so alt und komplex, dass mit einem schulmedizinischen Ansatz tatsächlich nur Schadensbegrenzung, aber keine Heilung möglich ist. Setzt ein Patient ärztliche Vorschläge zur Veränderung seiner Lebensweise nicht um, wird er auch beim Heilpraktiker kein Heilungswunder erleben, wenn er sich z.B. nicht mehr bewegt oder anders ernährt. Dann kann man vielleicht wirklich nichts machen – oder aber ermitteln, was diesen Couchbewohner daran hindert, seinem reichen Leben einen individuellen Sinn zu geben und ihn gesundheitlich unterstützen, diesen zu erreichen bzw. zu leben.
Ist der Patient dazu bereit, ist fast alles möglich. Eine vollständige Erstattung der Behandlungskosten ist meist an eine Diagnose gemäß ICD-10 geknüpft. Und die sprechende Medizin, so wirksam sie auch ist, wird kaum erstattet. Die an Unterricht grenzende Vermittlung einer nachhaltig-gesunden Lebensweise und das gemeinsame Erarbeiten einer für den Patienten umsetzbaren Praxis sind nun einmal zeitaufwendig. Viele Gespräche, immer wieder dort ansetzend, wo der Patient sich gerade befindet. Kleine und große Therapieabstände, warten und wirken lassen. Sanftes und bisweilen resolutes Begleiten zur nachhaltigen Erreichung seiner Gesundheitsziele in seinem eigenen Tempo. Wertvolle Behandlungsmethoden, die bestenfalls analog (Gebührenziffer mit Nennung eines ähnlichen Verfahrens) nach GebüH abgerechnet werden können, helfen dem Patienten nur, wenn er bereit ist, die Kosten selbst zu tragen. Lauter schlechte Nachrichten? Nein, denn erstens ist der Gegenwert erheblich, und zweitens sind nur 10% aller Patienten voll privat versichert. Bei allen anderen geht es darum, ihnen zu erklären, wie ihre Schmerzen oder Befindlichkeitsstörungen zustande gekommen sind sowie die Schritte inklusive Zeit- und finanziellem Aufwand, die erforderlich sind, um eine Besserung zu erzielen. Und zwar auf Basis einer eigenen ganzheitlichen Diagnose, die dem Menschen gerecht wird und nicht in erster Linie einem offiziellen Diagnoseschlüssel.
Noch nicht sinnvoll geregelt
Dieses unabhängige selbstständige Denken und Handeln und die Gemeinwohlverpflichtung gehören zum Berufsethos des Freiberuflers. Daraus ergibt sich ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Patienten, der sich darauf verlassen kann, vom Wissens- und Erfahrungsschatz seines Heilpraktikers zu profitieren. Der Heilpraktiker trägt zum gesamtgesellschaftlichen Nutzen bei, indem er Menschen anregt, eigenverantwortlich Gesundheit anzustreben, ohne die staatlichen Gesundheitssysteme (ausgenommen die Beihilfe) zu belasten.
Die alleinige Ausrichtung am hyperrationalen naturwissenschaftlichen Paradigma bei Diagnose und Therapie ist nicht gesundheitsfördernd. Messbare Ursache- und Wirkungsbezüge haben ihre Berechtigung dort, wo sie tatsächlich angebracht sind. Keinem Menschen ist geholfen, wenn seine medizinischen Parameter in Ordnung sind, er sich aber nicht auf der Höhe seiner Kraft fühlt und seinen Beruf nicht so ausüben kann, wie er möchte. Wirtschaftsunternehmen haben ein Interesse an subjektiv gesunden Arbeitnehmern zur Erreichung der Unternehmensziele, wovon alle Menschen, nicht nur in diesem Land, profitieren. Sie sind zwar selbst verantwortlich für die Bewältigung krankmachender innerbetrieblicher Mängel, können aber jeden Mitarbeiter mit jährlich 500,- € steuerfrei gesundheitlich fördern. Die Beschränkung dieser Option durch das Sozialgesetzbuch führt jedoch dazu, dass Beschäftigte dabei nicht von Heilpraktikerleistungen profitieren können. Die Wirtschaft könnte sich – unter ihrem derzeit herrschenden Trend zu Ethik und Spiritualität – für eine Gesetzesänderung starkmachen.
Ich möchte, dass es Ihnen besser geht!
Fragt man einen Patienten, was sich ändern muss, damit es ihm besser geht und er sich gesund fühlt, erhält man wertvolle Hinweise auf die eigentliche Problemstellung und kommt über die eigene ganzheitliche Vorgehensweise zu einer sinnvollen Diagnose und Behandlungsstrategie. Menschen mit der Erfahrung, dass Komplementärmedizin wirksam ist, sind gern bereit, weitere ganzheitliche Diagnose- und Therapieansätze auszuprobieren – denn sich besser zu fühlen braucht keinen anderen Beweis.
Swantje Kallenbach
Heilpraktikerin und Coach
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