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Naturheilkunde
Lesezeit: 8 Minuten

Porphyrie – Wirklich so selten oder eine unterdiagnostizierte Stoffwechselstörung?

© kmiragaya - Fotolia.comHinter einer langen Symptomliste ohne erkennbare Ursachen könnte eine nur selten diagnostizierte Stoffwechselstörung stecken.

Die Porphyrie ist eine Gruppe von erblichen Stoffwechselerkrankungen, welche die Produktion des Häms und lebenswichtiger Enzyme der Leber vermindern. Stoffwechselzwischenprodukte häufen sich an und es können sich spezielle Symptome zeigen, wie z.B. bei den kutanen Formen: bräunliche Haut, Pigmentflecken, Blasenbildung im Sonnenlicht.

Eine Krankheit mit einer unspezifischen langen Symptomliste, welche bei einer Aufbaustörung der ringförmigen Grundstruktur des Häms auftreten kann, dem Porphyrin.

Anhand eines Fallbeispiels möchte ich versuchen, die Kette der Symptome, die Schwierigkeit der Diagnostik und die starke psychische Belastung der betroffenen Patienten zu erklären.

Fall

Eine 42-jährige Frau, Mutter eines Kindes, sportliche Natur. Ihre gesunde Gesichtsbräune lässt vermuten, dass sie sich viel an der frischen Luft aufhält. Sie klagt über immer wieder auftretende abdominale und muskuläre Beschwerden. Durchfall hat sie seit 25 Jahren fast täglich. Die Entfernung des Appendix mit 15 Jahren und der Gallenblase mit 21 Jahren brachten keine Linderung. Magen- und Darmspiegelungen sowie drei Laparoskopien waren ohne Befund. Eine ausgeprägte Kälteintoleranz verschlimmert die Symptomatik und weitere, für sie sehr bedrohlich erscheinende Beschwerden kommen dazu: Hustenattacken, welche an asthmatische Anfälle erinnern, Tachykardien, Hypertonie und Extrasystolen. Die alleinerziehende, selbstständige Mutter berichtet, dass sie früher körperlich hart gearbeitet hat.

Sie hatte bereits mehrere Ärzte aufgesucht. Sehr oft wurde durch Stressbelastung eine vegetative Dystonie neben dem Reizdarm diagnostiziert. Sie erzählt, dass sie mit ihrer Tätigkeit weiter machte, aber nur selten die verordneten Medikamente aus der Apotheke hole, da sie schon früh die Erfahrung machte, dass diese die Symptomatik eher verschlimmerten und sie zusätzlich schwächten. Sie mochte aber den Ärzten davon nichts mehr sagen, aus Angst vor Reaktionen des Unverständnisses, und hörte auf ihr Bauchgefühl. Ein Bandscheibenvorfall und die daraufhin doch genommen Analgetika sowie eine Operation am Karpaltunnel ließen die Patientin arbeitsunfähig werden. Neuropathien bis Lähmungserscheinungen sowie absolute Schwäche, begleitet von abdominalen Koliken quälten sie. Die Ärzte vermuteten erst MS, dann Rheuma, letztendlich Fibromyalgie und Reizdarm.

Eine ganzheitliche Schmerztherapie ließen ihre Probleme mit dem Bewegungsapparat fast gänzlich verschwinden. Die Patientin lernte, auf die Auslöser ihrer Schübe zu achten und diese, sofern möglich, zu vermeiden. Sie erwähnt, dass die Kälteintoleranz u.a. einen großen Einfluss auf die Ursache hat und berichtet von zusätzlich aufgetretenen starken Sehstörungen mit Blitzen, verschwommenem Sehen und auch Schwebeteilchen nach einer Zahnoperation, wenn sie bei Kälte raus geht. Das verordnete Antibiotikum vertrug sie nicht. Sie war sich ganz sicher, dass die Ursache „innen“ zu suchen wäre; sie spüre es ganz genau. Besorgt berichtet sie, dass ihre Tochter seit Einsetzen der Menses verstärkt über ähnliche Symptome klagt.

Ein aufgeschlossener Internist veranlasste die entsprechende Diagnostik mit dem Ergebnis Porphyrie! Viele Heilpraktiker und Ärzte kennen ähnliche Fälle. Natürlich werden nun nicht alle dieser Patienten eine Porphyrie haben, aber sie sollte ausgeschlossen werden können, da diese unter Umständen lebensbedrohlich werden kann.

Leider findet man in den Lehrbüchern nur recht wenig über diese Erkrankung, manchmal widersprechen sich die Angaben, oft ergänzen sie sich. Ist diese Störung der Hämbiosynthese wirklich so selten oder wird aus Unwissenheit zu selten darauf hin untersucht?

Es gibt angeborene und erworbene Porphyrien und es wird zwischen akuten und nicht akuten Porphyrien differenziert.

Je nachdem, welches Enzym der Hämbiosynthese defekt ist, tritt in der entsprechenden Lokalisation eine Überproduktion und Akkumulation der Porphyrien und deren Vorläufer auf, welche bei den hepatischen Porphyrien (Störung in der Leber) überwiegend abdominelle, neurologische, kardiovaskuläre und psychische Symptome hervorrufen und bei den erythropoetischen Porphyrien (Störung im blutbildenden Knochenmark) verstärkt Photodermatosen und eine Photosensibilität.

Akute Porphyrien können lebensbedrohlich werden. Eine Manifestation findet meist durch Sexualhormone, Hunger (z.B. Diäten), Arzneimittel, Alkohol und/oder Stress statt. Eine erworbene Porphyrie kann z.B. durch eine Bleivergiftung, Alkohol, Leber- und auch Blutkrankheiten hervorgerufen werden.

Die Porphyrie tritt in Schüben mit unspezifischen Symptomen auf und wird meist erst spät diagnostiziert. Die Untersuchungen von Blutserum, Stuhl und Urin sollten von Speziallaboren übernommen werden. Bei Bekanntwerden einer Erkrankung des ersten Familiengrades ist eine Familienuntersuchung anzuraten, bei der nach molekularen Defekten gesucht wird.

Acht Enzyme katalysieren acht Metaboliten, um Häm herzustellen. Ein spezifischer Defekt dieser einzelnen Enzyme kann Porphyrie hervorrufen. Eine kurze Auflistung der dominierenden Symptomatik, des Erbgangs sowie des betroffenen Chromosoms soll ein kleiner Leitfaden in der Diagnostik der unspezifischen Symptomatik mancher der zu uns kommenden Patienten darstellen. Dabei möchte ich erwähnen, dass der Ausschluss einer Porphyrie nur über das Labor möglich ist.

  • Differenzialdiagnostik Porphyrien
  • Erythropoetische Porphyrie (Morbus Günther)
  • Schwere Lichtdermatose
  • Rotverfärbung der Zähne (Erythrodontie)
  • Hämolytische Anämie
  • Splenomegalie
  • Hypertrichose

Eine kongenitale Porphyrie (autosomale-rezessive Vererbung) bricht meist in der Kindheit aus. Auffallend ist ein sich in Tageslicht rot verfärbender Urin. Uroporphyrin und Koporphyrin sind meist stark erhöht.

Erythropoetsche Protoporphyrie – chronische erythro-hepatische Protoporphyrie

  • Leichte Lichtdermatose
  • Selten eine hämolytische Anämie
  • Chronische Hepatopathie
  • Autosomal-dominant; Manifestation in der Kindheit, leichte Lichtdermatose. Protoporphyrin in Erythrozyten, Blutplasma, Leberzellen und Stuhl stark erhöht. Bei Leberbeteiligung: Koporphyrien im Urin erhöht.

Hepatische Porphyrien

  • Akute intermittierende Porphyrie (AIP)
  • Akute Abdominalkoliken
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Neurologische und psychologische Symptome
  • Kardio-vaskuläre Symptome, z.B. Hypertonie, Tachykardien, Extrasystolen
  • Autosomal-dominant, Manifestation meist nach Pubertät. ALS und PBG im Urin meist erhöht.
  • ADP, Doss-Porphyrie (Variation AIP)

Bei der Variante der AIP zeigt sich die Porphobilinogen-Desaminase normal. Daher ist eine molekulargenetische Analyse wichtig.

Diese Form der Erkrankung ist sehr selten. Die Enzymaktivität der Delta-Aminolävulinsäure- Dehydrase ist vermindert, die Symptome sind ähnlich wie bei der AIP.

Hereditäre Koporphyrie

  • Lichtdermatose
  • Neurologisch-psychologische Symptome
  • Autosomal-dominant; erstes Auftreten: Kindheit oder später. Koproporphyrin teils stark erhöht im Urin, eventuell auch ALS und PBG.

Porphyria variegata (gemischte Porphyrie)

  • Leichte Lichtdermatose
  • Eventuell Abdominalkoliken
  • Neurologische und psychologische Symptome
  • Hyperpigmentation, neuroviszerale Symptomatik
  • Autosomal-dominant; erstes Auftreten im frühen Erwachsenenalter. Protoporphyrin, Koporphyrin im Urin und Stuhl erhöht, ALS und PBG sind nur bei akutem Anfall erhöht.

Porphyria cutanea tarda

  • Lichtdermatose, Blasenbildung
  • Hyperpigmentierung von Haut und Haaren
  • Hypertrichose
  • Autosomal dominant; Auftreten im höheren Erwachsenenalter. Uroporphyrin und Koporphyrin im Urin erhöht, brauner oder roter Urin. Östrogene sind ein wichtiger Auslöser!

Es besteht erhöhtes Risiko für Leberzirrhose, HCC (hepatozelluläres Karzinom).

Achtung

Ein Porphyrieschub kann zum Notfall werden! Lähmungen, auch der Atmung, können auftreten und bedürfen intensiver medizinischer Betreuung.

Vielleicht fallen dem einen oder anderen Kollegen gerade Patienten mit ähnlicher Symptomatik ein. Die aufgeführten Merkmale sollen eine Hilfe in der Diagnostik sein.

Antlitzdiagnostik

  • Trockene, dünne Haut
  • Leichte Verletzbarkeit der Haut
  • Livide Färbung der Augenlider
  • Schwellung der Lider
  • „Schmutziger Hals“ und/oder bräunliche Flecke auf der Haut nach Sonnenexposition, teils mit Blasenbildung
  • Hypertrichose (vermehrtes Haarwachstum), verstärkt an sonnenexponierten Flächen, wird u.a. am Rücken, verstärkt auf medialer Linie beobachtet.

Beugung nach vorne: diverse Muskelverkürzung in Folge abdominaler Symptomatik

Nageldiagnostik

  • Längsrillen
  • Keine oder wenig Nagelmonde
  • Dünn, meist auch brüchig

In der ausführlichen Anamnese erfahren Sie eventuell, dass sich ab und an rötliche Flecken in der Unterhose befinden oder dass dem Patienten eine rötliche Verfärbung länger stehenden Urins auffiel. Die Symptome treten in Schüben auf und meist haben die Patienten eine wahre Odyssee hinter sich, während der (nicht selten) verschiedene Operationen stattgefunden haben.

Prinzipiell sollte bei Anamnese ein Schwerpunkt in der Befragung auf Nahrungs- und/ oder Medikamentenunverträglichkeit sowie plötzlich auftretenden Allergien liegen. Wobei bedacht werden muss, dass die durch die Porphyrie verursachten Symptome Stunden bis Tage auf sich warten lassen. Symptome, die sehr schnell auftreten, haben eine andere Ursache.

© Klaus Eppele - Fotolia.comSobald der Verdacht sich verfestigt, sollte der Patient zu einem aufgeschlossenen Schulmediziner überwiesen werden, der die nötigen weiteren Laboruntersuchungen veranlasst. Wir kommen unserer Sorgfaltspflicht nach und unser Patient spart Geld. Allerdings sollten wir handeln, wenn der Arzt nicht reagiert. Ein spezialisiertes Labor sollte zeitnah mit einer Serum-, Stuhl- und/oder Urindiagnostik auf Porphyrie beauftragt werden. Allerdings muss beachtet werden, dass der Test des Urins nicht aussagekräftig ist, da er meist nur im akuten Schub und in der Variante der AIP gar nicht auffällig ist.

Wie kann man helfen?

Beispiele:
Angstabbau durch Aufklärung:
Angst ist Stress! Stress kann einen Schub auslösen und verschlimmern. Angst bringt den Sympathikus des vegetativen Nervensystems in Schwung und die Erythrozytenbildung wird angeregt.

Schulung des Körperbewusstseins, Eigenbeobachtung, Persönlichkeitsschulung:
Die betroffenen Patienten müssen die Auslöser erkennen und meiden können. Sie müssen lernen, rechtzeitig richtig zu handeln.

Ernährungsberatung:
Eine kohlenhydratreiche Ernährung (55 bis max. 70%) wird angeraten, da Glucose ebenso wie Hämarginat die ALSSynthese in der Leber hemmt. Nahrungsmittel mit blutbildenden Eigenschaften sowie blutverdünnende Lebensmittel, z.B. Knoblauch, sollten vor allem im akuten Schub nur sparsam verwendet werden.

Stressabbau durch Entspannungstechniken:
Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Hypnose etc.

Aderlass von mind. 5 ml, ca. einmal wöchentlich:
Es ist wichtig, daran zu denken, dass der Körper sofort Ersatz für die verlorene Blutmenge produzieren möchte. Da das aber so durch den Enzymdefekt nicht möglich ist, wäre ein größerer Aderlass kontraindiziert. Weniger ist mehr! Wenig raus, wenig Anschub, weniger Belastung und dadurch Erleichterung.

Schmerzreduktion durch z.B. Myoreflextherapie oder Akupunktur:
Schmerz ist Stress! Schmerz ist u.a. aber auch eine Warnung einer drohenden Unterversorgung. Durch die Entspannung einzelner Muskelgruppen und -ketten wird der Schmerz gelindert und die Versorgung wieder hergestellt.

Homöopathie
Wärmetherapie – Hydrotherapie (Vorsicht bei Kälteintoleranz!)
Betroffene Patienten sollten stets Traubenzucker bei sich tragen, um einen Schub so gering wie möglich zu halten. Ein Notfallausweis, SOS-Armband oder -kette muss empfohlen werden, damit eine Medikamentenverabreichung, welche kontraindiziert und somit lebensgefährlich sein könnte, vermieden wird. Patienten mit Porphyrie dürfen nur Medikamente aus der sicheren Liste verabreicht bekommen. Auf weitere, zum Teil sehr gefährliche Auslöser wie Nikotin und Alkohol (vor allem Rotwein) muss ebenfalls dringend hingewiesen werden.

Auch Behandlungstechniken aus der Naturheilkunde können einen Schub auslösen bzw. diesen verschlimmern, z.B.:

  • Aderlass größerer Mengen
  • Neuraltherapie mit Procain
  • Hochdosierte Vitaminpräparate
  • Ausleitungsverfahren

Eine ausführliche Anamnese, eine gründliche körperliche Untersuchung und das Wissen, dass es diese Stoffwechselerkrankung gibt, kann Patienten das Leben wieder lebenswert erscheinen lassen, wenn nicht gar lebensverlängernd wirken.

Kolikartige abdominale Beschwerden, z.B. gekoppelt mit Tachykardien und/oder Kälteintoleranz, Sonnenlichtunverträglichkeit, Depressionen können auf eine Porphyrie hinweisen und bedürfen dringend eine Abklärung zum Wohle des Patienten.

Martina Heyke

Martina Heyke
Heilpraktikerin mit Schwerpunkt Schmerztherapie

Wakanda71@gmx.de 

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