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Naturheilkunde
Lesezeit: 7 Minuten

Dreifachkraft für das Mikromilieu

Sauerstoff, Basenpuffer und Selen in der komplementären Krebstherapie

Krebs ist eine sehr individuelle, multifaktorielle Erkrankung. Tumorentstehung und -wachstum gründen immer auf diversen Einflüssen und Ereignissen, die von Patient zu Patient und sogar von Tumor zu Tumor variieren. Einige allgemeine tumorspezifische Aspekte auf der Zellebene haben zu Ansatzpunkten geführt, über die Wachstumsbedingungen für Krebszellen beeinflusst werden können und/oder die Lebensqualität von Patienten erhöht werden kann. Ich zeige in diesem Artikel Möglichkeiten für die Naturheilpraxis auf.

Hypoxie als Prognosefaktor

Heute weiß man, dass aus dem Tumor gelöste Krebszellverbände (Cluster, CTCs) im Gegensatz zu einzelnen mobilen Krebszellen das höchste Risiko für eine Metastasenbildung in sich tragen. Diese Cluster stammen vorwiegend aus hypoxischem Tumorgewebe mit wenigen Blutgefäßen. Der dortige Sauerstoffmangel veranlasst die Krebszellen, verstärkt Proteine herzustellen, die eine Clusterbildung möglich machen. Cluster mit niedriger Sauerstoffsättigung sind aggressiver als solche mit normaler Sättigung.

Auch das Ansprechen von Tumorgewebe auf Bestrahlung oder Chemotherapie ist stark abhängig von der Sauerstoffversorgung der Tumorzellen. Um dasselbe Therapieergebnis zu erhalten, müssen schlecht versorgte Zellen z.B. mit höheren Strahlendosen behandelt werden als solche mit guter Sauerstoffversorgung. Das liegt daran, dass in hypoxischem Krebsgewebe weniger zerstörerische Sauerstoffradikale gebildet werden, die die Tumorzellen schädigen und zerstören. Ein ähnliches Prinzip gilt auch für die Chemotherapie. Zytostatika wirken v.a. auf Zellen, die sich gerade teilen. Unter Sauerstoffmangel proliferieren Tumorzellen jedoch langsamer und sind damit schlechter angreifbar.

Gestörtes Mikromilieu

Krebszellen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Energiestoffwechsels erheblich von gesunden Zellen. Dabei nutzen entartete Zellen anstelle der Verstoffwechselung von Glukose unter Verbrauch von Sauerstoff in den Mitochondrien den Weg der Glykolyse (Warburg-Effekt, nach dem deutschen Nobelpreisträger Otto Heinrich Warburg), selbst wenn in der Umgebung ausreichend Sauerstoff vorhanden ist. Das im Rahmen übermäßiger Vergärungsprozesse anfallende Laktat wird in das Interstitium transportiert und bildet um die Krebszelle herum einen „Säureschutzmantel“, was sich indirekt auf den Verlauf einer Krebserkrankung auswirken kann, denn dessen Eigenschaften könnten nach Meinung vieler Forscher zu einer verringerten Wirksamkeit von Chemo- und/ oder Strahlentherapie führen. Übersäuerung und Hypoxie in der Umgebung des Tumors tragen aber auch direkt über verschiedenste Signalwege sowie immunmodulierende und -suppressive Effekte zu dessen Wachstum, Ausbreitung und Metastasierung bei. Deshalb können Sauerstoffmangel und Azidose Ansatzpunkte in der Therapie sein.

Pufferung der Azidose

Bicarbonat- bzw. Hydrogencarbonat-Ionen tragen als Teil des körpereigenen Puffersystems dazu bei, den physiologischen pH-Wert im Blut/Gewebe zu balancieren. Dabei wirken sie einer Übersäuerung (Azidose) entgegen. Natriumhydrogenkarbonat, auch bekannt als Natron, kennt man als altes Hausmittel zur Neutralisierung von Magensäure. Es hat sich bei Verdauungsbeschwerden, Vergiftungserscheinungen und verschiedenen Stoffwechselstörungen bewährt, kann aber womöglich auch bei Erkrankungen hilfreich sein, die mit entzündlichen Prozessen einhergehen. Dabei soll es zur Etablierung eines antientzündlichen Milieus beitragen. Mit Blick auf die o.g. Eigenarten des Tumormilieus erscheint es sinnvoll, entsprechende Anwendungen zu fokussieren.

Tatsächlich hat sich die Gabe von Basen-Infusionen (z.B. Natriumhydrogencarbonat-Lösung 8,4%, Fa. Köhler Pharma) besonders nach Chemotherapien und Bestrahlungen bewährt. An den infusionsfreien Tagen empfiehlt es sich nach umfassender Aufklärung des Patienten, die Entsäuerung mit oralen Basenpräparaten (z.B. Fa. Nestmann, Biogena oder Orthotherapia), Basenbädern und -wickeln (z.B. Fa. Jentschura) weiter zu unterstützen.

Achtung: Bei der Anwendung sind einige praktische Aspekte, Gegenanzeigen und mögliche Wechselwirkungen mit Medikamenten zu berücksichtigen. Eine ausführliche Anamnese, Behandlung mit Bedacht und engmaschige Kontrollen sind deshalb unerlässlich.

Anwendung von Sauerstoff

Im Gegensatz zur Ozontherapie wird bei den folgenden Behandlungsansätzen mit reinem Sauerstoff gearbeitet. Auch hier müssen einige Rahmenbedingungen beachtet werden.

Hämatogene Oxidationstherapie

Bei diesem photochemischen Verfahren kombiniert man eine Sauerstoffanreicherung des Blutes mit UV-Licht. Während aus der Vene entnommenes Blut (ca. 50-100 ml) mit Sauerstoff „aufgeschäumt“ und gleichzeitig mit UV-Licht bestrahlt wird, entsteht ein wenig Ozon, aber v.a. hochenergetischer Singulett-Sauerstoff. Das aufbereitete Blut wird schließlich wieder in die Vene injiziert.

Gemäß einem Urteil aus dem Jahr 2022 ist es allein Ärzten vorbehalten, diese Form der Eigenbluttherapie mit Sauerstoff/Ozon anzuwenden. Für Heilpraktiker besteht aber die Möglichkeit, diese Behandlung durchzuführen, wenn sie das Blut homöopathisch aufbereiten (HHOT – Homöopathische Hämatogene Oxidationstherapie).

Oxyvenierungstherapie nach Regelsberger

Hier wird medizinischer Sauerstoff (ca. 10-60 ml) langsam in die Vene injiziert. Eine Nachruhezeit von 20 Minuten ist einzuhalten.

Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie

Die SMT besteht aus drei aufeinander folgenden Schritten: der Einnahme eines Präparates aus Vitaminen und Mineralien, der Inhalation eines Sauerstoff-Luft-Gemisches und ein moderates körperliches Training.

Die Methoden können als Baustein eines Behandlungskonzeptes zur Verbesserung der Sauerstoffversorgung im Blut und Gewebe sowie zur Linderung beeinträchtigender Begleiterscheinungen von Erkrankungen beitragen, was die Lebensqualität der Patienten positiv beeinflusst. Sie sind wissenschaftlich jedoch noch nicht abschließend erforscht.

Selen

ist ein lebensnotwendiges Spurenelement, das im Körper zahlreiche Stoffwechselfunktionen reguliert, die Zellgesundheit und deren antioxidative Kapazität stärkt und zu einer normalen Immunfunktion beiträgt. Ein Mangel an Selen wirkt sich gleich mehrfach negativ auf den Körper aus.

Liegt Selen zur Substitution in Präparaten organisch gebunden vor, handelt es sich meist um Selenomethionin, die bevorzugte anorganische Verbindung ist Natriumselenit. Organisch und anorganisch gebundenes Selen unterscheiden sich im Stoffwechselweg. Während das organisch an die Aminosäure Methionin gebundene Selen nicht sofort zur Verfügung steht und im Körper meist nur unspezifisch verwendet wird, kann Natriumselenit direkt und spezifisch im Stoffwechsel wirken, z.B. als Co-Faktor antioxidativ wirksamer Verbindungen. Diese tragen zum Schutz der Zelle vor Freien Radikalen bei, die u.a. unter Chemo- und Strahlentherapien vermehrt entstehen und in Zellen strukturelle Schäden, Genmutationen und entzündliche Prozesse hervorrufen können. Interessanterweise konnte in Studien sogar eine selektive Schutzwirkung von Natriumselenit belegt werden: Nur gesunde Zellen waren vor den Auswirkungen einer Bestrahlungstherapie geschützt, nicht jedoch die Krebszellen. In experimentellen Untersuchungen wurde unter Natriumselenit sogar eine höhere Empfindlichkeit von Tumorzellen gegenüber der Bestrahlung gefunden. Darüber hinaus konnte bei bestimmten Krebsformen gezeigt werden, dass Natriumselenit eine gesteigerte Immunantwort sowie eine höhere Fähigkeit der Immunzellen zur Zerstörung von Tumorzellen bewirken kann. Schließlich konnte die Abnahme von Nebenwirkungen einer Chemo- und Strahlentherapie beobachtet werden, wenn Natriumselenit komplementär verabreicht wurde, was mit einer verbesserten Lebensqualität einhergeht. Last but not least lässt die Erkenntnis, dass der Selenspiegel bei schwererem Verlauf einer Krebserkrankung weiter abnimmt (Tumorstadien I und II vs. III und IV), eine therapiebegleitende Selengabe sinnvoll erscheinen.

Natriumselenit ist für den Organismus direkt verfügbar und sollte gegenüber organischen Selenpräparaten den Vorzug bekommen. Eine Überdosierung von Selen (Selenose) ist bei vorschriftsmäßiger Anwendung äußerst selten. Erkennbar wäre diese an knoblauchartigem Atemgeruch, Übelkeit, Durchfall und Bauchschmerzen. Dann muss die Selengabe sofort abgesetzt werden! Achtung: Bei der Einnahme von anorganisch gebundenem Selen ist darauf zu achten, dass es nicht gleichzeitig mit Vitamin C aufgenommen wird. Grund: Die Substanzen reagieren miteinander und werden in jeweils unwirksame Formen überführt. Sollen beide zum Einsatz kommen, ist Natriumselenit morgens nüchtern und Vitamin C (auch Vitamin-C-haltige Speisen und Getränke) erst mindestens eine Stunde später einzunehmen. Das gilt auch für eine intravenöse Applikation.

Fazit

Die sachgerechte Verabreichung von Sauerstoff, Basenpuffer und Selen kann sowohl in der Begleitung schulmedizinischer Therapien als auch in der Nachsorge als Basisbehandlung zum Tragen kommen. Sie lässt sich fallspezifisch auch mit anderen Optionen kombinieren (z.B. Vitamin E, Hochdosis-Vitamin-C, Glutathion, Weihrauch). Über allem steht jedoch der Grundsatz: Die Therapie muss immer auf den individuellen Krankheitsstatus und Bedarf des Patienten ausgerichtet sein.

Und noch ein wichtiger Hinweis zum Schluss: Patienten sollten keine Experimente in Eigenregie wagen, z.B. durch die unkontrollierte Einnahme verschiedenster Präparate. Die Wirksamkeit therapeutischer Interventionen wird u.U. aufgehoben oder ins Gegenteil verkehrt, weswegen nicht nur umfangreiches Fachwissen, sondern auch eine professionelle interdisziplinäre Begleitung von zentraler Bedeutung sind.

Literatur

  • Donato C, Kunz L, Schroeder T, Aceto N et al.: Hypoxia Triggers the Intravasation of Clustered Circulating Tumor Cells. Cell Rep. 2020 Sep 8;32(10):108105.
  • Rayman MP: The use of high-selenium yeast to raise selenium status: how does it measure up? Br J Nutr. 2004 Oct;92(4):557-73.
  • Schrauzer GN: Sauerstoff und Selen in der Onkologie – Biochemische und praktische Aspekte. Z Onkol 2000; 32(1): 17-22.
  • Sill-Steffens R: Selen in der Onkologie. Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2003; 35(3): 112-122.
  • Vaupel P, Flood AB, Swartz HM: Oxygenation Status of Malignant Tumors vs. Normal Tissues: Critical Evaluation and Updated Data Source Based on Direct Measurements with pO2 Microsensors. Appl Magn Reson 52, 1451–1479 (2021).

Dr.rer.nat. Dagmar Fiedler
Heilpraktikerin mit Praxis in Freilassing, Dozentin an den Paracelsus Schulen
dagmar.fiedler@gmx.at

Foto: © karrastock I adobe.stock.com

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