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Psychotherapie
Lesezeit: 8 Minuten

Hilfe für Kinder und Jugendliche bei Trennung der Eltern

Die Trennung und Scheidung der Eltern sind immer traumatische Ereignisse für die betroffenen und wehrlosen Kleinen, deren einzig bekanntes und vorstellbares Beziehungsgefüge plötzlich zusammenbricht.

r9905_ki1Jungen zeigen häufiger deutliche Verhaltensauffälligkeiten bei Scheidungen als Mädchen, die oft ausgeglichener wirken. Beide Geschlechter reagieren zwar oft unterschiedlich, leiden aber gleichermaßen. Sehr kleine Kinder reagieren häufig mit Angstzuständen und Schlafstörungen (auch Traumwandeln), sind irritiert und oft aggressiv (Bettnässen).
Das Empfinden des Verlassenseins, der Trauer, der Angst wegen mangelnder Liebe und Aufmerksamkeit ihnen gegenüber, lässt oft zu, dass sie die Schuld für das Weggehen von Vater oder Mutter bei sich selbst suchen. Sie schämen sich vor ihren Freunden, Klassenkameraden und anderen bisher vertrauten Personen.

Die schulischen Leistungen lassen oft spürbar nach. Ältere Kinder übernehmen in dieser Situation oft Aufgaben und Verantwortung, für die sie eigentlich noch zu jung sind (z. B. Kümmern um den Haushalt, jüngere Geschwister, Behördengänge). Ihre Interessen kommen in dieser Lebensphase zu kurz, die Defizite in der sich erst entwickelnden Persönlichkeit treten häufig später auf. Da das eigene Erleben der älteren Kinder und Jugendlichen in dem langsamen Lösen von den Eltern nicht vonstatten gehen kann, weil sie in die Familienprobleme mit verstrickt sind, werden sie schneller erwachsen, als es eigentlich gut wäre.

Wie in einem solchen Falle nun beraten? Die meisten Eltern macht das Problemverhalten regelrecht hilflos. Es verstärkt Schuldgefühle und die Angst vor Entwicklungsstörungen ihrer Kinder. Die Reaktionen der Kinder sind das Bemühen, auf irgendeine Art mit der Situation fertig zu werden. Sie sind letztlich „normale” Reaktionen auf eine „schwierige” Situation.

Was man den Eltern raten sollte:

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  • Keine Ermunterung geben, sich gegen das andere Elternteil entscheiden zu müssen (dein Vater, deine Mutter hat uns verlassen …),
  • keine „Entschädigung” für das Kind anbieten, da es jetzt ja entbehren muss (kein Schauklima schaffen),
  • die Kinder nicht als Partnerersatz benutzen (keine Erwachsenenkompetenz übertragen, („Du bist jetzt der Mann im Haus…”).

Was sollte man weiter empfehlen?

  • Das Kind mit der neuen Realität vertraut machen (auch der finanziellen Situation),
  • genaue Absprachen über Umgangsregelungen, auch das mit dem Kind bereden,
  • deutlich machen, dass die Eltern Eltern bleiben und die Liebe und Fürsorge in anderer Form weiter erhalen bleiben.

Die Scheidung/Trennung mit ihren Folgen ist nicht nur ein plötzlicher Einschnitt im Leben der Familie, sondern auch ein langer Weg zu einer veränderten Familie. Was gegenwärtig als unlösbar und beängstigend erscheint, ist oft zukünftig der Beginn eines neuen Weges, eines neuen Anfangs.

Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie

Nach der Zeit der Aufklärung, die die Pädagogik stark reformierte, werden Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen und Problemen respektiert. Seit diesem Zeitpunkt kennt man zunehmend die Begriffe Verhaltensstörung.
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie hat sich nun zum Inhalt/Ziel gestellt, mit korrigierenden Maßnahmen die Betreffenden wieder in die Gesellschaft und deren Ordnung zurückzuführen. Kinder und Jugendliche benötigen Regeln, Anordnungen, Vorbilder, um ihr Persönlichkeitsbild zu formen. Wenn ein Erwachsener sich zu einer Psychotherapie entschließt, so ist diesem Schritt ein langer Entscheidungsprozess vorangegangen. Nach vielen Wegen zu verschiedenen Ärzten hat man endlich erkannt, dass nicht der Körper, sondern die „Seele” krank ist. Es entsteht der für eine wirkungsvolle Psychotherapie notwendige sogenannte „Leidensdruck”.
Handelt es sich bei Erwachsenen also schon um Wege voller Zweifel und Zögern, so ist der Entschluß ein Kind oder einen Jugendlichen zur Therapie zu bringen, oft noch viel komplizierter. An ihrem Verhalten bemerken wir zunächst nur indirekt, dass „etwas nicht stimmt”. Sei es, daß sie bettnässen, aggressiv reagieren, extrem still werden u. a.
Durch Handeln macht das Kind oder der Jugendliche auf sich aufmerksam, sie produzieren damit gewissermaßen ihr Symptom. Oftmals wird dadurch der Eindruck erweckt, sie tun das bewusst oder gezielt. Da sich Kinder und Jugendliche in großem Tempo entwickeln, wird auch ihr Verhalten folgerichtig schnellen Veränderungen unterworfen. Vielfach beachtet man eben aus diesem Grunde Verhaltensveränderungen zu wenig, als psychisches Signal wird es nach dem Motto „das wird schon wieder”, „Kinder müssen sich austoben”, gehandelt. Aber in nicht wenigen Fällen bleibt das Fehlverhalten bestehen bzw. entwickelt sich noch negativer.

Als Leitlinie gilt dabei:

Jedes Verhalten, das mit ungewöhnlicher Intensität oder über einen längeren Zeitraum gezeigt wird und bei dem alle Erziehungsmethoden offensichtlich versagen, ist ein Achtungszeichen. Das gilt auch, wenn sich das Verhalten auf andere Bereiche ausdehnt und es das Alltagsleben des Kindes und des Jugendlichen, der Familie, der Schule u.a. beeinträchtigt und somit die Eltern keinen Einfluss mehr darauf mehr besitzen. Aufgrund der Schwierigkeit des Erkennens psychischer Störungen sollten Eltern sich an dem Leidensdruck (Verhaltensänderung) orientieren:

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  • an dem des eigenen Kindes,
  • dem eigenen,
  • dem anderer (vertrauter) Personen.

Hier sollte der Therapeut als Berater zur Verfügung stehen. Eltern neigen dazu, nur zu dem Mittel zu greifen, das ihnen vertraut ist: Erziehung. Sie werden je nach eigener Erfahrung mit mehr oder wenigen Verständnis oder Druck reagieren. Oft haben gerade auch die Eltern den Blick für ein richtiges Verhalten, für die Norm verloren.

Ein Therapeut kann anhand der ihm bekannten Leitlinien gemeinsam mit den Eltern herausfinden, ob es sich um ein harmloses Verhalten oder eine zu diagnostizierende Störung handelt (oft mit Krankheitswert, wie z. B. die Essstörung). So wird kindliches Fehlverhalten den Bezugspersonen angelastet, die ungünstige Erziehungshaltungen zu streng, zu weich, zu nachgiebig, zu kontrollierend, zu großzügig u. a. m. handhaben, die ihrerseits Entwicklungsstörungen nach sich ziehen können.

Was sich hinter immer einer Störung verbirgt, jedes Symptom ist Ausdruck einer leidenden Seele. Das Sich-durchsetzen-wollen, mittels seiner Ängste, seines Bettnässens, seiner Aggressivität, seiner Traurigkeit, ist der Versuch des Kindes, des Jugendlichen, Situationen zu bewältigen, die belasten. Das Fehlverhalten ist eben auch das einzige Verhalten, das ihnen zur Verfügung steht, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Erstens: Entwicklungsstörungen wie Sprachstörungen, Lese-, Rechtschreibstörungen, Rechenstörungen, Autismus:

  • Zur Gruppe der Sprachstörungen gehören die Artikulationsstörungen (Schwerfallen von Lautkombinationen, sollten bis zum 6. und 7. Lebensjahr beherrscht werden).
  • Die Gruppe der expressiven Sprachstörung beinhaltet, dass die Kinder keine Zweiwortsätze bilden können, oft ein eingeschränktes Vokabular besitzen und grammatisch falsch zusammensetzen.
  • Die Gruppe der rezeptiven Sprachstörung gilt für Kinder, die nicht alles verstehen, was ihnen gesagt wird. Eine Fehlentwicklung liegt dann vor, wenn andere das ca. 4-jährige Kind nicht verstehen, weil eine der Hauptschwierigkeiten des Erkennens darin besteht, dass die Eltern ihr Kind meist verstehen.
  • Häufige Sprachstörungen sind auch Lispeln und Stottern, dabei gruppiert man Lispeln in die Entwicklungsstörung, Stottern in entwicklungsunabhängige Störungen. Gleichfalls gilt für die Gruppe die Entwicklung motorischer Fähigkeiten (Feinmotorik: Schere schneiden, Grobmotorik: Fahrrad fahren).  Je jünger das Kind, desto enger der Altersbereich, in dem eine bestimmte Fähigkeit erworben sein sollte. Verzögerungen in der motorischen Entwicklung können auch psychisch bedingt sein.
  • Die Lese-, Rechtschreibstörung (Legasthenie) ist allseitig bekannt und tritt vor allem bei Jungen auf, die weniger bekannte schulische Entwicklungsstörung – Rechenstörung (Dyskakolie) – ist mehr bei Mädchen festzustellen.

Zweitens: Verhaltens- und emotionale Störungen. Diese beginnen in der Kindheit und können bis in das Erwachsenen-Alter hinein reichen, das sind Geschwisterrivalitäten, hyperkinetische Störungen, Trennungsängste, Bettnässen, Einkoten. Wir sprechen in der psychotherapeutischen Diagnostik von Verhaltensstörungen und emotionalen Störungen, wenn folgende Indikationen feststellbar sind:

  • Störungen des Sozialverhaltens mit und ohne familiäre Bindungen (aggressives, oppositionelles Auftreten, Stehlen u. a.),
  • Hyperkinetische Störungen, Aufmerksamkeits-, Hyperaktivitäts-, Impulsivitätsstörungen),
  • Emotionale Störungen (Rivalitäten, Ängste, Phobien, Depressionen u. a.)
  • Störungen sozialer Funktionen (Bindungsstörungen, selbst gewähltes Schweigen / Autismus),
  • Tics wie Stirnstreichen, Augenzucken u. a.,
  • andere Verhaltensstörungen wie Bettnässen, Einkoten, Stottern, Zwänge u.a.

Diesen Störungen ist gemeinsam, daß sie gut feststellbar und behandelbar sind, die Ursachen sind oft nicht bekannt.

Freud stellte bereits fest, daß die Störungen eine spezifische Form der Angstabwehr bedeuten, diese erzeugen ein subjektives Belastungsgefühl, das dann diese Symptome hervorbringt. Daraus entwickelte sich in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Reaktions- oder Angstverarbeitungsmuster für die Praxis.

  1. Die Phobien sind Verhaltensweisen, die durch die spezifische Angst vor einem Objekt oder einer Situation gekennzeichnet sind, z. B. Angst vor Hunden (Vermeidung von Begegnungen, selbst das Bild eines Hundes kann Anfälle verursachen). Dunkelheit, Höhe, Donner, Blitz, geschlossene Räume u. a. können gleichfalls spezifische Ängste hervorrufen. Die Angst tritt dabei nur in Anwesenheit des Objektes hervor. Trennungsängste bei Kindern, überfürsorgliche Eltern (Mutter) können z. B. Ursachen für die Schulangst sein.
  2. Die allgemeinen, unspezifischen Ängste sind nicht an einen Gegenstand oder Situation gebunden, sie treten urplötzlich auf und rufen motorische Spannungen oder vegetative Übererregbarkeit wie Schwitzen, Bauch- und Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Durchfall, trockener Mund u. a. hervor.
  3. Die Zwänge (Zählen, Ordnen usw.) vollziehen sich bei Kindern und Jugendlichen unter starker Spannung, es wird versucht, sich dagegen zu wehren, oft vergeblich. Das bezieht sich oft auf zigmaliges Waschen am Tag, Zähne putzen, Aufräumen u. a., was Eltern an den Rand der Verzweiflung treiben kann.
  4. Die Hysterie zeigt sich in diesem Altersbereich als Schlafwandeln, Vergesslichkeit, Schmerzunempfindlichkeit oder auch Lähmungserscheinungen an Armen und Beinen. Erst dann, wenn diese Störung das Kind / den Jugendlichen selbst belastet oder gefährdet, sprechen wir von einer Störung mit Krankheitswert.
  5. Depressionen kommen in dieser Altersgruppe relativ häufig vor. Sie sind gekennzeichnet durch eine allgemeine Unsicherheit, Hoffnungslosigkeit und Antriebsschwäche; ein Verstecken hinter aggressiven Verhaltensweisen ist möglich.
  6. Essstörungen (Magersucht, Brechsucht) vor allem im jugendlichen Alter sind Hilferufe der Psyche. Sie gehen oft mit einer starken Selbstablehnung und mangelnder Selbstannahme einher.

Im nächsten Beitrag werden die einzelnen Therapieangebote beschrieben.

Dr. H. Gutsche
Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut

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