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Psychotherapie
Lesezeit: 6 Minuten

Gestörtes Essverhalten – Teil 2

2) Die Ess-Brech-Sucht

Definition

© Grischa Georgiew - Fotolia.comEss-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) ist eine Essstörung, die durch den Wechsel von Fressanfällen und Versuchen der Gewichtsreduktion gekennzeichnet ist. Charakteristisch ist der Kontrollverlust während der Hungerattacken, bei denen bis zu 20 000 kcal verschlungen werden. Die häufigsten Maßnahmen, die unternommen werden, um die exzessive Nahrungs- und Energiezufuhr auszugleichen, sind Erbrechen und Missbrauch von Abführmitteln und Diuretika (purging-Typ) sowie andere unangemessene kompensatorische Verhaltensweisen wie Fasten oder exzessiver Sport (non-purging-Typ). Im Gegensatz zur Magersucht wird die Bedrohung durch die Krankheit wahrgenommen und der Zustand als unangenehm empfunden.

Von der Bulimie können sowohl Unter- als auch Übergewichtige betroffen sein. Da sich viele Betroffene ihrer Krankheit schämen, muss von einer relativ hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. Schätzungen zufolge leiden etwa 5% der jungen Frauen an Bulimie.

2013-02-Ess2Diagnose

Bulimia nervosa weist zwar Gemeinsamkeiten mit der Anorexie auf (krankhafte Beschäftigung mit dem eigenen Körper), jedoch gibt es auch einige Unterschiede (s. Tabelle rechts).

Für die Diagnose ist eine ausführliche Anamnese erforderlich. Häufig findet sich ein gezügeltes, rein vom Kopf gesteuertes Essverhalten (restrained eating) in Kombination mit zahlreichen Diäten. Viele Patienten essen morgens und mittags nichts oder nur sehr wenig, woraus abends unerträglicher Heißhunger resultiert. Dies hat zum einen physiologische Gründe. Durch den Abfall des Blutzuckerspiegels reagiert der Körper mit Hunger. Zum anderen können auch psychologische Faktoren eine Rolle spielen. Während die Patienten tagsüber auf der Arbeit abgelenkt und in Gesellschaft sind, können Einsamkeit, Frust oder andere emotionale Belastungen dazu führen, dass abends versucht wird, diese Probleme mit Fressattacken zu kompensieren.

Auswirkungen auf den Körper

Allgemein: Die negativen Auswirkungen der Bulimie sind sowohl auf die Fastenperioden als auch auf das bei dieser Erkrankung typische Verhalten zurückzuführen. Die hormonellen Störungen ähneln in abgeschwächter Form denen der Magersucht.

Kaliummangel: Der durch die Mangelernährung meist vorliegende Kaliummangel wird durch die Kaliumverluste verstärkt, die durch das Erbrechen entstehen. Dies erhöht weiter das Risiko lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand.

Mundhöhle: Der Kontakt von Magensäure mit der Mundhöhle hat ebenfalls negative Auswirkungen. Durch die Säure wird der Zahnschmelz angegriffen und geschädigt, was zu einer Entmineralisierung führt. Dennoch ist die Karieshäufigkeit nur leicht erhöht, da die meisten Betroffenen anschließend ihre Zähne putzen, um den unangenehmen Geschmack zu beseitigen. Das Eindringen von Magensäure in die Speicheldrüsen kann Entzündungen und Schwellungen hervorrufen.

Therapie

Bei der Therapie der Ess-Brech- Sucht steht zunächst die Normalisierung des Essverhaltens im Vordergrund. Für unterernährte Bulimiker gelten die unter dem Thema Anorexie aufgeführten Ernährungsempfehlungen. Zur Veränderung des Essverhaltens ist verhaltenstherapeutische Unterstützung von besonderer Bedeutung. Im Rahmen eines Esstrainings werden die normalen Verhaltensweisen einstudiert, geübt und durch entsprechende Aufklärungsmaßnahmen unterstützt (nutritional counselling). Nach der Normalisierung des Essverhaltens, was relativ wenig Zeit in Anspruch nimmt, gewinnt die Therapie der ursächlichen Probleme an Bedeutung. Dazu zählen die gestörte Körperwahrnehmung, der Bezug zu Gewicht und Figur sowie die Stressbewältigung.

Erst wenn die psychischen Probleme überwunden sind, können Rückfälle vermieden bzw. reduziert werden. Auch hier ist psychologische Unterstützung erforderlich. Das Austauschen von Informationen mit Betroffenen kann ebenfalls sehr nützlich sein. Hierfür sind Selbsthilfegruppen geeignet, die es in jeder größeren Stadt gibt.

3) Binge Eating Disorder

Definition

Bei der Binge Eating Disorder (BED) handelt es sich um einen relativ neuen Krankheitsbegriff, der sich mit „Essattackenstörung“ übersetzen lässt. Allerdings ist aber auch in Deutschland die Verwendung des angloamerikanischen Begriffs üblich. Der Begriff wurde zwar bereits 1959 geprägt, als eigenständige Diagnose gibt es ihn in den USA jedoch erst seit 1994.

Diagnose

Binge Eating Disorder weist zwar Gemeinsamkeiten mit der Bulimie auf, jedoch gibt es auch einige Unterschiede (s. Tabelle unten).

2013-02-Ess3

Symptomatik

Wie bei Bulimia nervosa sind beim Binge Eating die wiederkehrenden Heißhungeranfälle das Hauptmerkmal. In den meisten Fällen verlieren die Betroffenen während der Heißhungeranfälle die Kontrolle. Anders als bei der Bulimie fehlen jedoch entsprechende Kompensationsmaßnahmen wie Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln etc. Wegen der hohen Kalorienanzahl während eines solchen Essanfalls entwickeln viele Betroffene daher mit der Zeit Übergewicht.

Sie unterscheiden sich in ihrem Essverhalten jedoch von einem „typischen“ Übergewichtigen. Während sich Adipöse ständig überessen, haben Übergewichtige mit Binge Eating Disorder „nur“ mehr oder weniger häufig Fressanfälle. Die Anfälle sind mit Ekelgefühl gegen sich selbst, Niedergeschlagenheit, Scham und Schuldgefühlen verbunden. Oft wird versucht, weitere Essattacken zu unterdrücken, damit das eigene Essverhalten wieder kontrolliert werden kann. Scheitert dieser Versuch, ziehen sich die Betroffenen häufig zurück und leben ihre Essattacken im Verborgenen aus. Sie können ihre Sucht häufig vor Familie und Freunden gut verstecken.

Häufigkeit

Eine in den USA erhobene Untersuchung zeigt, dass etwa 6% der Bevölkerung von der Binge Eating Disorder betroffen sind. Damit ist es die am häufigsten auftretende Essstörung. Bei Übergewichtigen liegt der Anteil bei 5% in Gruppen zur Gewichtsreduktion bei 35%. Anders als bei Anorexie und Bulimie gibt es keine typische Altersgruppe. Etwa ein Drittel der Betroffenen sind Männer.

Ursachen

Genaue Ursachen sind bisher noch nicht bekannt. Erfahrungen der Basler Universitätsklinik zeigen drei Faktoren als mögliche Ursachen

  • Übergewicht bereits im Kindesalter
  • Kohlenhydratarme, fettreiche Ernährung
  • Probleme im Umgang mit Konflikten

Außerdem zeigten Untersuchungen, dass etwa die Hälfte der Betroffenen schon mal depressiv war. Ob eine Depression Binge Eating verursacht oder ob sie ein Teil der Krankheit ist, ist derzeit noch nicht erforscht.

Befragungen von Patienten zeigten, dass negative Gefühle wie Ärger, Frust etc. Auslöser von Fressattacken sind, d.h., die Essattacken treten häufig in Zeiten nervlicher Belastung auf. Durch das Essen, das allgemein mit positiven Gefühlen assoziiert wird, sollen die negativen Gefühle kompensiert werden.

Verschiedene Studien haben ergeben, dass viele Menschen mit emotionalen Schwierigkeiten unfähig sind, Hunger von anderen unbehaglichen Gefühlen zu unterscheiden. Wie auch bei den anderen Essstörungen berichten die Betroffenen häufig über eine lange andauernde Unzufriedenheit mit der eigenen Figur und eine Vielzahl an Diätversuchen.

Auch gezügeltes Essverhalten, das mit der Zeit aufgegeben wird, gilt als Entstehungsursache. Es besteht die Vermutung, dass mit dem Nachlassen der kognitiven Kontrolle das Essverhalten chaotisiert.

Auch bei Binge Eating Disorder haben Modetrends, Schlankheitswahn und der Überfluss an Nahrungsmitteln bei der Entwicklung der Krankheit einen großen Einfluss.

Therapie

Die Behandlung von Binge Eating Disorder hat recht gute Erfolgsaussichten. Die Verhaltenstherapie ähnelt der der Bulimie. Es werden zwei Ziele verfolgt:

  • Normalisierung des Essverhaltens und
  • Behandlung der zugrunde liegenden seelischen Konflikte.

Die Normalisierung des Essverhaltens soll z.B. durch gemeinsame Einkäufe, Kochen und Essen in der Gruppe sowie durch Anleitung zu bewusstem Essen erfolgen. In den Therapiesitzungen sollen die Betroffenen die Auslöser ihrer Fressattacken kennenlernen und neue Strategien einüben, um mit den kritischen Situationen umgehen zu können, die bisher Auslöser waren. Um die Stimmungen, Gefühle und Gewohnheiten, die zu den Attacken führen, zu ermitteln, führen die Betroffenen Tagebuch.

Da Patienten häufig ein gestörtes Körpererleben haben, sind auch Bewegungstherapie und Sport Bestandteile der Therapie. Eine Diät ist nicht im Behandlungsansatz beinhaltet. Versuche der Gewichtsabnahme sollen unterlassen werden, die Regulierung des Körpergewichts soll durch die Normalisierung des Essverhaltens erfolgen.

Abbas Schirmohammadi
Heilpraktiker für Psychotherapie
kontakt@abbas-schirmohammadi.de

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