Stoffwechselstörung Kryptopyrrolurie
Ursache für zahlreiche Fehldiagnosen und -therapien
Kennen auch Sie Menschen, die über eine Vielzahl von körperlichen Symptomen klagen, die aber scheinbar nichts miteinander zu tun haben: Schlafstörungen, Arthrose, Osteoporose, Verdauungsstörungen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Schilddrüsenprobleme, Zyklusstörungen? In der Folge werden die Einzelerkrankungen nebeneinander therapiert, oftmals leider nur symptombezogen. Problematischer ist es, wenn neurologisch-psychiatrische Symptome im Vordergrund stehen, wie z.B. Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen, Doppeltsehen, wo Neurologen aber nur Verdachtsdiagnosen, u.a. auch auf schwere degenerative Erkrankungen (z.B. Multiple Sklerose), stellen. Die häufig verzweifelten Betroffenen begeben sich oftmals jahrelang in psychologisch-psychiatrische Behandlung – häufig ohne durchgreifenden Erfolg.
Fallbeispiel 1
Eine 60-jährige Frau, die den Weg in unsere Praxis fand, litt bereits seit 30 Jahren an einer manifesten Depression, nachdem ihr Mann bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Sie hatte ihre Lebensfreude verloren und wurde von massiven Schlafstörungen geplagt. Zugleich klagte sie über ständig wiederkehrende Blasenentzündungen (bis zu sechsmal im Jahr), bei der regelmäßig Antibiotika zum Einsatz kamen. Weiterhin hatte sie starke Arthrose, vor allem in den Fingergelenken. Wir führten bei der Patientin einen Test auf Kryptopyrrol im Urin durch und überprüften die Zink- und Mangan-Werte im Blut. Der Urintest zeigte, dass die Patientin – vermutlich schon über Jahre – lebenswichtige Vitalstoffe wie Mangan und Zink sowie Vitamin B6 unbemerkt über den Urin verlor. Nach dem Ausgleich des Vitalstoffmangels per Infusion kann die Patientin nunmehr wieder durchschlafen, die Traumerinnerung kehrt zurück, die Blasenentzündungen bleiben aus.
Fallbeispiel 2
Eine 38-jähige Frau kam in die Sprechstunde, da seit über 10 Jahren – unabhängig von ihren beiden Schwangerschaften – an massivem Haarausfall sowie einer unerklärlichen Anämie krankte. Kein Hautarzt, Gynäkologe oder Endokrinologe hatte ihr bisher helfen können. Wir führten einen Test auf Kryptopyrrol durch und ließen außerdem Zink und Biotin (Vitamin H) im Vollblut messen. Die Patientin hatte eine manifeste Kryptopyrrolurie und schied unbemerkt über den Urin Zink, Biotin und Mangan aus. Im Vollblut waren Zink, Mangan und Biotin stark erniedrigt. Auch beim 10-jährigen Sohn der Patientin, der in der Schule durch sein unkonzentriertes, unruhiges Verhalten auffiel und vom Schulpsychologen bereits Ritalin empfohlen bekommen hatte, machten wir den Urintest – und stellten eine starke Kryptopyrrolurie fest, die er wohl von seiner Mutter geerbt hatte.
Die Symptome bei Mutter und Sohn besserten sich schnell und durchgreifend, nachdem der notwendige Bestand an fundamental wichtigen Vitalstoffen im Körper wiederhergestellt worden war. Die Mutter wurde zudem noch mit Chelatierungen entgiftet, da wir in späteren Untersuchungen auch verschiedene Schwermetallbelastungen feststellten.
Fallbeispiel 3
Eine 40-jährige Patientin suchte uns auf, nachdem bei ihr die Verdachtsdiagnose Multiple Sklerose gestellt worden war, obwohl die Liquoruntersuchung keine hinreichende Erklärung für ihre Symptome ergeben hatte. Sie berichtete über regelmäßig wiederkehrende Doppelbilder, starke Erschöpfung sowie ausgeprägte Parästhesien an Armen und Beinen und war sehr in Sorge, insbesondere weil man ihr seitens der neurologischen Ärzte keine klare Diagnose und keinerlei Therapie angeboten hatte. Nach einem positiven Kryptopyrrol-Test und dem Ergänzen der fehlenden Vitalstoffe haben sich die Symptome bei der Patientin innerhalb von 12 Wochen zu 90% zurückgebildet.
Alle aufgeführten Patienten leiden an einer nicht behandelten Kryptopyrrolurie, die eine „unbemerkte, abnorm vermehrte Ausscheidung von Pyrrolen über den Urin“ bezeichnet. Patienten mit einer Kryptopyrrolurie leben im ständigen Vitalstoffmangel, der auch nicht durch eine gesunde, vollwertige Ernährung ausgeglichen werden kann.
Wie kommt es zu dieser Störung?
Die Kryptopyrrolurie (KPU) ist eine genetischdeterminierte, familiär gehäuft auftretende biochemisch-enzymatische Störung des Häm-Stoffwechsels. Entdeckt wurde diese Stoffwechselstörung in den 1960er-Jahren von den amerikanischen Ärzten Dr. Pfeiffer, Dr. Illiev und Dr. Irvine, die eigentlich auf der Suche nach einer Substanz waren, die die Schizophrenie erklären könnte.
Eine Kryptopyrrolurie kann aber auch erworben sein.1)
Pyrrole sind Bausteine der Häm-Gruppe (Bestandteil z.B. des Hämoglobins, der TPO, der Entgiftungsenzyme CYP 450, der Cytochrome etc.), können verschiedene Vitalstoffe binden und mitreißen, insbesondere Zink, Mangan und Vitamin B6, aber auch Chrom III und Magnesium. Normalerweise werden Pyrrole, an Gallensäuren gebunden, mit dem Stuhl ausgeschieden. Bei einer fehlerhaften Häm-Synthese kommt es jedoch zu einer unmerklichen, mehr oder weniger starken Ausscheidung freier Pyrrole über den Urin – und damit auch vorwiegend von Vitamin B6, Zink und Mangan.
Ein normaler Urintest kann dies nicht nachweisen, und auch die Untersuchung von z.B. Vitamin B6 und Zink im Serum ergibt häufig normale Werte.
Es ist die Bestimmung von Kryptopyrrol im Urin bzw. eine Vollblutmineralanalyse notwendig, um den zellulären Mangel dieser Vitalstoffe nachzuweisen. Diese Tests sind kein Bestandteil der herkömmlichen Labordiagnostik und vielen Ärzten und Heilpraktikern unbekannt.
Seit einigen Jahren gibt es einen speziellen Test auf Kryptopyrrolurie, der vom Patienten zu Hause mit Morgenurin durchgeführt wird. Der Test kostet ca. 35-45 Euro. Das Ergebnis liegt nach 3 Tagen vor.
Zink, Vitamin B6 und Mangan sind wichtige Vitalstoffe, die im menschlichen Körper fundamentale Aufgaben erfüllen:
Zink gehört zu den essenziellen Spurenelementen im Körper. Zink ist Bestandteil von mehreren Hundert Enzymen; es nimmt Schlüsselrollen im Zucker-, Fett- und Eiweißstoffwechsel ein und ist beteiligt am Aufbau der Erbsubstanz. Sowohl das Immunsystem als auch viele Hormone benötigen eine ausreichende Zinkmenge für ihre normale Funktion. Neueste Forschungen zeigen, dass Zink auch eine bedeutende Rolle im Hirnstoffwechsel spielt. Die tägliche Bedarfsmenge liegt bei ca. 15 mg. Zinkmängel finde ich in meiner Praxis auch ohne Kryptopyrrolurie häufig. Die Ursachen sind vielfältig: entzündliche Darmerkrankungen, Infektionen, Krebserkrankungen und vor allem eine unzureichende Zufuhr insbesondere bei Kindern, Jugendlichen, Senioren und Vegetariern.
Gute Zinkquellen sind rotes Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, Weizenkleie und Sonnenblumenkerne. Da Zink überwiegend intrazellulär gebunden ist, sollte es im Vollblut gemessen werden.
Vitamin B6 ist ein Vitamin des B-Komplexes, das als Coenzym an über 100 enzymatischen Prozessen im Körper beteiligt ist. Der Bedarf an Vitamin B6 ist abhängig von der Eiweißaufnahme und wird mit ca. 1,8 mg pro Tag angegeben. Je mehr Eiweiß aufgenommen wird, desto mehr Vitamin B6 wird benötigt.
Viele Medikamente verschlechtern den Vitamin-B6-Status, allen voran die oralen Kontrazeptiva („Antibabypille“). Mittel zur Reifehemmung auf Pfirsichen, Tomaten, Äpfeln und Weintrauben sowie Sprühmittel auf Tabakpflanzen, aber auch Treibstoff für Militärflugzeuge beinhalten Vitamin-B6-Antimetaboliten, d.h. Wirkstoffe, die die Resorption von Vitamin B6 stören.
Rauchen, Alkohol- und Kaffeekonsum führen ebenfalls zu Vitamin-B6-Mangelerscheinungen: z.B. Angstzustände, Degeneration der peripheren Nerven, Krampfzustände.
Vitamin B6 kommt in geringen Dosen in fast allen Lebensmitteln tierischer und pflanzlicher Herkunft vor. Milchprodukte, Leber, Geflügel und Vollkorngetreide sind gute Quellen. Eine Mangelversorgung tritt wegen der oben genannten Gründe heute auch ohne Kryptopyrrolurie auf. Die Analyse des Blutes auf Vitamin B6 ist aber in Bezug auf eine Mangeldiagnostik schwierig. Für die Feststellung eines Vitamin-B6-Mangels ist der Wert Cysthationin im Urin besser geeignet.
„Es wäre besser, wenn die Leute beim Essen, anstatt noch einmal mit Pfeffer und Salz zu würzen, Vitamin B6 und Zink dazu nehmen würden.“ (Dr. Carl C. Pfeiffer)
Mangan ist wie Zink ein essenzielles Spurenelement, das an über 100 enzymatischen Prozessen und auch am Vitamin-B1-Stoffwechsel beteiligt ist. Zudem reguliert es die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse. Mangan ist hauptsächlich an Knochen und Gelenkknorpel gebunden und für deren gesunden Aufbau unerlässlich. Daher ist ein Manganmangel ein wichtiger Risikofaktor für das Entstehen von Arthrose und Osteoporose.
Manganreich sind Nüsse, Vollkornprodukte und Kakao. Der tägliche Bedarf wird mit 2-5 mg pro Tag angegeben. Auch Mangan ist überwiegend intrazellulär gebunden und sollte daher – wie Zink – im Vollblut gemessen werden.
Bei der Behandlung einer Kryptopyrrolurie ist es wichtig, nicht nur auf den Mikronährstoffverlust zu achten, sondern auch auf die Entgiftung. Nach über 10 Jahren Behandlung von Menschen mit Kryptopyrrolurie können wir sagen, dass vor allem die Häm-Stoffwechselstörung (bzw. Störung der Enzyme mit Häm.Anteil) behandelt werden muss, die sich in einer Entgiftungsstörung zeigt. Gerade bei diesen Patienten finden wir starke Belastungen mit toxischen Metallen.
Durch Mikronährstoffmangel UND Einschränkung der Häm-abhängigen Enzyme kommt es daher zu den typischen Symptomen einer Kryptoyrrolurie, wie z.B.
- Unklaren neurologischen Symptomen
- Nebennierenschwäche, Störung der Katecholaminsynthese
- Hirnfunktionsstörungen
- Schilddrüsenerkrankungen
- Eiweißunverträglichkeit
- Depressionen
- Starke Erschöpfung und Müdigkeit
- Schlafstörungen
- Starke emotionale Schwankungen
- Schlechtes Kurzzeitgedächtnis
- Menstruationsprobleme
- Rheumatologische Beschwerden
- Arthrose, häufig schon in jungen Jahren
- Osteoporose
- AD(H)S
- Legasthenie
- Histaminunverträglichkeit
Diese Symptome sind Folgeerkrankungen einer nicht behandelten Kryptopyrrolurie.
Prävalenz
Die Störung der Kryptopyrrolurie ist weit verbreitet. Schätzungsweise 10% der Bevölkerung weisen diese enzymatische Störung im Häm-Metabolismus auf, insbesondere Frauen sind betroffen. Wenn sie dann einmal diagnostiziert ist, ist sie in der Regel gut behandelbar. Das Drama der Kryptopyrrolurie ist nicht die Störung an sich, sondern dass man diese nicht erkennt.
Therapie
„For every drug that benefits a patient, there is natural substance that can achieve the same effect.“ (Dr. Carl C. Pfeiffer)
Wie erfolgreich eine Therapie letztendlich greifen kann, hängt von verschiedenen Einflüssen ab. Eine gründliche Diagnostik im Vorfeld, mit entsprechenden Laborparametern, halten wir für unabdingbar. Daneben ist aber auch die Compliance des Patienten ein messbarer Marker. Auf Grundlage der jahrelangen Praxiserfahrungen mit KPU-Patienten und dem angehäuften Wissen von Dr. Pfeiffer haben wir die „4E-Therapie“ entwickelt. Diese ist die modifizierte Behandlungsform einer Pyrrolurie. Die Therapie besteht aus 4 Bausteinen:
1.E = Ernährungsumstellung
Menschen mit KPU sollten auf eine
ausgewogene Ernährung achten. Die Ernährungsempfehlungen haben sich bei vielen Patienten bewährt. Besonders
berücksichtigt werden der erhöhte Nährstoffbedarf und die erhöhte Sensibilität des Magen-Darm-Trakts. Wir raten zu
einer histaminarmen und glutenfreien Ernährung.
2.E = Ergänzung
Da Menschen mit KPU bestimmte Vitalstoffe in
stärkerem Maß verlieren, müssen diese wieder aufgefüllt werden. Die Entgiftungsfähigkeit kann durch bestimmte
Vitalstoffe gefördert werden. So wird der Organismus unterstützt. Es stehen verschiedene Zufuhrmöglichkeiten wie orale
Gaben und gezielt einsetzbare Infusionslösungen zur Verfügung.
3.E = Entgiftung
Bei vielen Betroffenen mit KPU ist die
eigene Entgiftungsfähigkeit herabgesetzt. Durch Alltagsgifte über Wasser, Luft, Kosmetik, Nahrungsmittel o.ä. kann der
Organismus belastet werden. Um den Körper zu entlasten, sollten Entgiftungsförderer eingesetzt werden, z.B. bestimmte
Algen oder Chelatoren, wie DMSA, DMPS, EDTA und/oder Alpha-Liponsäure, die toxische Metalle binden können.
4.E = Entstressung
Die Pyrrolausscheidung wird durch Stress
getriggert. Wichtig bei einer ganzheitlichen Kryptopyrrolurie-Therapie ist der gezielte Stressabbau. Da jeder Mensch
einzigartig ist, muss hier jeder seine individuell funktionierenden Methoden finden.
Fazit
Da die Kryptopyrrolurie so häufig ist, wäre es sinnvoll, dass öfter auf sie untersucht würde. Der Test ist preiswert und die Therapie einfach und kostengünstig, insbesondere wenn noch keine schweren Beschwerden vorliegen. Durch eine Früherkennung könnte vielen Menschen ein langer Leidensweg erspart bleiben.
Das Wissen über die KPU kommt derzeit leider nur einem Bruchteil der Betroffenen im Sinne einer sinnvollen Diagnostik und Therapie zugute. Wir wünschen uns, dass mehr Therapeuten sich dieses Themas annehmen.
Kyra Hoffmann
Heilpraktikerin mit
Praxisschwerpunkten Diagnose und Therapie von Stoffwechselerkrankungen, Störungen des Immunsystems und Umweltmedizin,
Autorin
kyra@naturheilkundliche-medizin.de
Sascha Kauffmann
Heilpraktiker mit
Praxisschwerpunkten Diagnose und Therapie von Stoffwechselerkrankungen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und
Autoimmunerkrankungen, Autor
sascha.kauffmann@yahoo.com
Literatur
- Hoffmann, Kyra; Kauffmann, Sascha:
Kryptopyrrolurie – eine häufige, aber vergessene Stoffwechselstörung, Oberhachinger Verlagsgruppe, 2014 - Hoffmann, Kyra; Kauffmann, Sascha:
KPU und HPU – 101 Fragen und Antworten,
Oberhachinger Verlagsgruppe, 2015
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