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Tierheilkunde
Lesezeit: 8 Minuten

Das alte Tier in unserer Gesellschaft

© Christin Lola - Fotolia.comDank guter Ernährung, Pflege und tiermedizinischer Versorgung erreichen unsere Haustiere ein immer höheres Lebensalter. Alter allein ist keine Erkrankung, jedoch sind die Übergänge zwischen Alterserscheinung und Erkrankung häufig fließend. Je eher Veränderungen erkannt werden, umso besser sind die Chancen, erfolgreich gegensteuern zu können. Der Tierbesitzer sollte stets bemüht sein, dass sein altes Tier die Zeitspanne des Alters mit viel Lebensqualität genießen kann.

Was geht in einem alten Körper vor sich?

Zunehmende Leere, die sich im Laufe des Lebens entwickelt, kann das Entstehen von gesundheitlichen Problemen wie Stagnation und Blockaden fördern. In der Jugend prägen Entwicklung, Wachstum, Aufbau und Initiative das Bild. In dieser Phase braucht der Körper eine Unterstützung, wenn es um Entwicklungsstörungen geht, oder er braucht Hilfe mit der Auseinandersetzung mit exogenen pathogenen Faktoren, an die der Körper noch nicht gewöhnt ist.

Das Alter ist dem Wesen nach von durchgemachten Erfahrungen, Rückzug, verbrauchter Energie, manifestierten Blockaden, Zellverfall und mangelnder Regenerationsfähigkeit geprägt. In dieser Phase benötigt der Körper Hilfe im Sinne von Energieaufbau, Lösen von Blockaden und Unterstützung der Regeneration.

Im Alter entleert sich die Lebensenergie, Organe können ihre Funktion nicht mehr zu 100% erfüllen. Giftstoffe werden nicht mehr ausreichend aus dem Körper eliminiert, Energien nicht mehr aufgefüllt, es entsteht ein Qi-Mangel. Daraus entwickelt sich eine schwache Stoffwechsel- bzw. Verdauungstätigkeit, der Energiehaushalt wird nachteilig beeinflusst. Muskelmasse schwindet, Gewebe wird schwächer und empfänglicher für folgenschwere Traumata.

Neben dem natürlichen Alterungsprozess durch Energieentleerung sollte man auch die äußeren Einflüsse, die über Jahre Probleme bereiten und sich dann im Alter bemerkbar machen, beachten. Hier zu erwähnen seien Umwelttoxine, Narbenbildung, Traumata, Überforderung, schlechte Ernährung bzw. schlechte Haltung, nicht zu vergessen eine längere Medikamentengabe.

2015 05 Tier2Ab welchem Alter ist ein Tier geriatrisch?

Beim Hund ist dies (Rasse abhängig) ab dem 5. bis 9. Lebensjahr, bei der Katze ab dem 7. Lebensjahr, beim Pferd zwischen dem 16. und 20. Lebensjahr der Fall. Auch bei nur geringen äußeren Anzeichen hat der innere Alterungsprozess schon begonnen.

Wie erkenne ich den Alterungsprozess bzw. welche Organe sind betroffen?

Zunächst die Gelenke: Steifheit beim Aufstehen am Morgen, es folgt die Unlust zum Gassi gehen und Unbehagen beim Treppen steigen. Der Hund springt nicht mehr ins Auto, er kommt nur noch schwer auf die Couch. Meistens betroffen ist der LWS-Bereich bzw. Hüftgelenk, Schultergelenk oder Kniegelenk. Seltener betroffen sind die Zehengelenke. Bedingt durch die Schmerzen werden altbekannte Kommandos wie z.B. „Sitz“ oder „Platz“ nur noch zögerlich bzw. gar nicht mehr ausgeführt. Des Weiteren führen Schmerzen zu Verhaltensveränderungen, z.B. zu einer erhöhten Aggressivität.

Weiter betroffen sind Herz und Kreislauf. Dies zeigt sich in einer vorzeitigen Ermüdung beim Spazieren gehen, Keuchen, Räuspern oder auch Husten bei Anstrengung und Freude, im fortgeschrittenen Stadium plötzliches Umfallen (kurzzeitige Durchblutungsstörung im Gehirn) und beginnendes Desinteresse am Umfeld. Auch kann eine beginnende Herzinsuffizienz zu einer Minderdurchblutung des Gehirns führen mit einer nachfolgenden Orientierungslosigkeit.

Am Nervensystem zeigen sich folgende Symptome: Die Aufmerksamkeit lässt nach, die Tiere wirken zum Teil teilnahmslos. Zerebrale Durchblutungsstörungen durch eine verminderte Herz- und Lungenfunktion und einer damit zwangsläufig zu geringeren Sauerstoffversorgung u.a. des Gehirns führen zur Altersdemenz. Die nachlassende Aktivität des Hundegehirns kann sich in folgenden Verhaltensänderungen widerspiegeln, die zunächst nur wenig auffallen, da sie schleichend beginnen:

  • Ein reduziertes Aktivitätslevel, d.h. weniger Freude am Spielen oder Spazierengehen
  • Gedächtnisverlust bezogen auf bestimmte Objekte oder die direkte Umgebung
  • Sinkendes Interesse an sozialer Interaktion gegenüber Familienmitgliedern oder anderen Hunden bzw. Katzen
  • Abnehmende Neugier auf die Umgebung
  • Veränderte Schlaf-/Wachzyklen, längere Schlafphasen am Tag und kürzere in der Nacht
  • Nachlassende Stubenreinheit, bei Katzen im Alter häufig durch Orientierungsschwierigkeiten (sie finden das Katzenklo nicht mehr), bei Hunden bedingt durch eine altersbedingte Dysfunktion des Blasenschließmuskels oder durch eine altersbedingte Einschränkung der Nierenfunktion.

Auch bei unseren Haustieren nehmen im Alter die Hirnfunktionen ab. Das Gehirn sollte immer neu stimuliert und trainiert werden. Zu berücksichtigen ist, dass die geistige Stärke bei Hunden eng mit dem Spieltrieb und ihrem Verlangen nach körperlicher Aktivität verknüpft ist. Unerwünschte Verhaltensweisen, die ein Haustier bereits in jungen Jahren zeigte, verschwinden im Alter nicht, das Gegenteil ist häufiger der Fall, sie verstärken sich. Schlechte Verhaltensweisen bleiben nicht nur bestehen, sondern können sich im Alter noch verstärken.

Bedingt durch eine generelle Zellalterung sind natürlich alle Organe in irgendeiner Form vom Alterungsprozess betroffen. Die Zellalterung wird überall manifest, z.B. in den Augen, der sogenannte trübe Blick, Verzögerung des Pupillarreflexes und beginnende Schwachsichtigkeit. Die Ohren: Hund und Katze hören nicht mehr alle Frequenzen, so können Hunde die Türklingel nicht mehr von anderen Klingelgeräuschen unterscheiden und laufen scheinbar grundlos bellend zur Haustür. Der Verdauungstrakt: Hat zur Folge, dass Nahrungsmittel nicht mehr so gut verdaut und aufgenommen werden, was wiederum bewirkt, dass Muskulatur, Haut und Haarkleid nicht optimal versorgt werden, was zu Muskelabbau und stumpfem, schuppigem Fell führen kann.

Die physische und psychische Anpassungsfähigkeit des Tieres verringert sich im Alter. So werden extreme Temperaturen (Hitze, Kälte) schlechter vertragen, ebenso ein Ortswechsel. Eine größere Familienfeier kann den alten Hund überfordern und zu aggressiven Verhalten gegenüber den Besuchern führen. Ein altes Haustier sollte seine bisherigen Gewohnheiten beibehalten können.

Was ist zu tun?

Sicherlich sollte sich der Halter den altersbedingten Gewohnheiten seines Tieres anpassen. Ein altes Tier braucht mehr Zuwendung als ein junges Tier. Gerade bei Pferden ist der gewohnte tägliche Kontakt im Alter sehr wichtig. Ein „Abschieben“ in ein Herdenleben ohne den gewohnten täglichen Kontakt mit seinem Freund Mensch ist für ein altes Pferd sehr schwierig, zumal das meist abgeschobene „Sportgerät“ Pferd nie gelernt hat, sich in einer Herde zu behaupten. Es verliert seine Lebensfreude, obwohl nach unserem Denken das alte Pferd doch nun glücklich sein müsste.

2015 05 Tier3Beim alten Hund und der alten Katze sollte durch häufiges Spielen die körperliche Aktivität gefördert werden. Neben der körperlichen Aktivität sollte auch die geistige Fitness trainiert werden. Hierfür geeignet sind Suchspiele im Haus oder auch beim Spazierengehen, des Weiteren Apportierübungen, das Bringen der Zeitung, der Schuhe oder eines Stockes im Wald. Diese Übungen sind der jeweiligen körperlichen Fitness anzupassen. Das alte Tier braucht eine mentale Stimulation durch Anregung des Gehirns mit einem Spielzeug, das mental fordert, und eine visuelle Stimulation durch Fensterplätze, von denen aus die Umwelt beobachtet werden kann. Förderlich kann auch das Aufsuchen von neuen Plätzen bei Spaziergängen sein.

Das alte Tier möchte nicht mehr allein sein. Was früher selbstverständlich war, kann im Alter zum Problem werden. Eine nachlassende Sinneswahrnehmung kann dazu führen, dass sich bestehende Angstprobleme verstärken. Das Tier kann in Panik geraten, wenn es allein gelassen wird, was der Besitzer anfänglich vielleicht nicht versteht, aber auch hier muss er entsprechende Lösungen finden. Denken wir mal an uns: Auch wir werden mit zunehmendem Alter unsicher und ängstlich.

Da die oft schleichenden Veränderungen durch den Tierbesitzer nur schwer wahrzunehmen sind, diese jedoch möglichst früh erkannt werden sollten, empfiehlt es sich, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen entsprechend der Größe des Tieres ab einem Lebensalter von etwa 5-7 Jahren durchführen zu lassen. Zunächst jährlich, bei zunehmendem Alter halbjährlich. Diese Vorsorgeuntersuchungen sollten wie folgt durchgeführt werden:

Anamnese

Verhalten – sind Veränderungen aufgefallen, wie erhöhte Aggressivität, Schwerhörigkeit, eingeschränktes Sehvermögen, eingeschränkter Orientierungssinn, entwickelt sich eine gewisse Sturheit
Futteraufnahme – zögernd, vorheriges Futter wird nicht mehr akzeptiert
Trinkverhalten – vermehrtes Trinken, zu wenig Trinken
Kotabsatz – öfter, breiig, Farbe, gerade die Farbe des Kotes kann auf gewisse Organerkrankungen hinweisen
Urinabsatz – öfter oder seltener, Menge vermehrt oder verringert, wichtig auch die Farbe des Urins, durchsichtig klar oder dickflüssig dunkel

Adspektion

Gesamteindruck – Haltung, Verhalten
Fell und Haarkleid – stumpf, fettig, schuppig, licht, verfärbt, zottelig
Zähne und Zahnfleisch – Zähne braun, abgebrochen, Zahnstein, Zahnfleisch entzündet, Epuli
Augen – Trübungen, Entzündungen, Augeninnendruck, Pupillarreflex
Ohren – Entzündungen, Zuwucherungen
Bewegungsapparat – Schonhaltung, Bewegungsstörung, Krallenlänge, Krallenabnutzung, durchhängender Rücken, schwaches Bindegewebe, Muskelrückgang

Palpation

Abdomen – fester Bauch, Verhärtungen, Umfangsvermehrung
Gliedmaßen – Schmerzhaftigkeit, Exostosen, Muskelschwund

Auskultation

Herz – Stärke, Frequenz, Klappengeräusche
Lunge – expiratorisches, inspiratorisches Atemgeräusch, gedämpfter Schall (Wasser in der Lunge)
Abdomen – Darmgeräusche (hoch, hell, dunkel), abgeschwächt (Aszites)

Abrunden kann man Vorsorgeuntersuchungen mit Erstellen eines Blutbildes mit entsprechenden Organprofilen und einem Differentialblutbild oder aber mit einer Haaranalyse durch eine Bioresonanzanalyse. Altersbedingte Organerkrankungen sollten rechtzeitig behandelt werden. Hierzu eignet sich besonders neben einer entsprechenden Ernährungsumstellung die Phytotherapie. Aber auch Mikronährstoffe haben eine Bedeutung im Alter.

  • Glykosaminoglykane, aus Muschelarten gewonnen, sind Grundbausteine für die Synthese einer gut schmierfähigen Gelenksflüssigkeit und für die Knorpelregeneration. Über einen längeren Zeitraum konsequent gefüttert, kann es den Regenerationsprozess entscheidend unterstützen.
  • Mangan, Molybdän, Vitamin B6 sind wichtige Co-Faktoren bei der Regeneration geschädigter Gelenkknorpel.
  • Weißdorn wird seit Jahrhunderten in der Medizin als Herztonikum eingesetzt.
  • DL-Methionin (Aminosäure) ist wichtig für den Leberschutz.
  • Ginseng und B-Vitamine unterstützen das Gehirn und die Gedächtnisleistung. 

Dr. Barbara LüdtkeDr. Barbara Lüdtke
Tierärztin in eigener Praxis, Schwerpunkt Naturheilkunde, Dozentin an den Paracelsus Schulen

b.luedtke@t-online.de 

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