Gesundes Wohnen – Schadstoffquellen erkennen
Schon Paracelsus wusste: „Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift, allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist“. Heute aber wird nicht nur die Dosis, sondern auch die Vielfalt der chemischen Stoffe zum Problem. Wir werden täglich mit einer Vielzahl von Chemikalien konfrontiert. Die Wechselwirkung dieser Chemikalien sowohl untereinander als auch mit verschiedenen Umweltfaktoren macht es unmöglich, die Auswirkungen auf den Organismus abzuschätzen. Grenzwerte bestehen nur für sehr wenige Chemikalien.
Experten schätzen, dass heutzutage rund tausend verschiedene chemische Substanzen in einem Gebäude vorzufinden sind. Unter anderem auch Schadstoffe, welche die Gesundheit beeinträchtigen können.
Laut Umweltministerium ist jeder dritte Bundesbürger umweltkrank. Die Innenluft von Wohnräumen ist oft stärker mit Schadstoffen belastet als eine stark befahrene Straßenkreuzung.
Wohngifte können in Teppichböden, PVC-Böden, Möbeln, Fußbodenklebern, Versiegelungen, Lacken, Putz- und Möbelpflegemitteln, Spanplatten, Dämmstoffen, Wandfarben, Baumaterialien und Holzschutzmitteln enthalten sein. Die hierdurch entstehenden Innenraumbelastungen führen zu sehr unterschiedlichen, individuellen Folgen. Akute Vergiftungen mit eindeutigen Symptomen sind bei den auftretenden Konzentrationen selten, es können jedoch spontane Allergieanfälle wie z.B. Atemnot, Haut- und Augenreizungen auftreten. Meist wird der Organismus über einen langen Zeitraum belastet, bevor er mit unspezifischen Krankheitssymptomen reagiert. Wegen dieser schleichenden Entwicklung kommt es vielen Betroffenen nicht in den Sinn, nach derartigen Belastungen in ihrem Wohn- oder Arbeitsumfeld zu suchen.
Da wir aber rund 80% unserer Zeit in geschlossenen Räumen verbringen, sollten wir gerade hier die Schadstoffbelastung so gering wie möglich halten und wissen, welche Schadstoffe sich in den verschiedenen Produkten befinden.
Formaldehyd
Möbel können aufgrund ihrer großen Oberfläche eine wesentliche Quelle für die Belastung der Innenraumluft sein. Schadstoffe stammen hier in aller Regel aus den Holzwerkstoffplatten selbst sowie aus Klebern, Leimen und Oberflächenbeschichtungen.
Diese Holzwerkstoffplatten (wie z.B. Spanplatten und zunehmend auch OSP-Platten) werden für vielfältige Zwecke im Innenausbau und für Möbel verwendet. Beispiele für den Einsatz sind: Wände, Decken, Fertigparkett, Kleiderschränke und Küchenmöbel.
Kritisch ist die Verwendung der Bindemittel, mit denen die aufgearbeiteten Holzspäne zu Platten gepresst werden. In 90% der Fälle werden als Bindemittel formaldehydhaltige Kunstharze verwendet, die mit den Holzspänen keine dauerhafte Verbindung eingehen. So gast Formaldehyd ununterbrochen aus den Platten aus und belastet die Raumluft. Das Gas entweicht solange die Spanplatte existiert. Erst wenn die Platten selbst zerbröseln, besteht keine Gesundheitsgefahr mehr. Formaldehyd kann also noch nach 10 bis 30 Jahren die Bewohner schädigen. Das Gas entweicht vorwiegend an den Stellen, die nicht verklebt oder zusätzlich geschützt sind, wie z.B. an Sägeschnittflächen oder aus Bohrlöchern.
Für Formaldehyd gilt ein gesetzlicher Grenzwert in der Raumluft von 0,1 ppm. Durch den Einsatz sogenannter E1-Platten (formaldehydarm) wird üblicherweise sichergestellt, dass die Platten diesen Grenzwert nicht überschreiten. Allerdings kann es trotz der E1-Klassifizierung in kleinen Wohnräumen mit vielen Möbeln zu erheblich höheren Konzentrationen kommen. Auch werden viele Möbel im Ausland gefertigt, wo dieser gesetzliche Grenzwert nicht gilt.
Unmittelbare gesundheitliche Auswirkungen durch Formaldehyddämpfe können Symptome wie Übelkeit, Atembeschwerden, Schwindel, Kopfschmerzen und Augenreizungen, Schleimhautreizungen, Tränenfluss und ein brennendes Gefühl im Hals sein.
Flammschutzmittel
dienen dazu, die Entzündung brennbarer Kunststoffe, Textilien oder Holz hinauszuzögern und die Flammausbreitung zu verlangsamen. In einem voll entwickelten Brand brennen aber auch flammgeschützte Gegenstände und es können hochgiftige Dioxine und Furane entstehen.
In Innenräumen finden Flammschutzmittel einen umfangreichen Einsatz, z.B. in Polyurethan- Schäumen (z.B. Montageschäume), Matratzen, Farben, Klebern, Tapeten und Teppichen. Ein weiterer Einsatzbereich sind Kunststoffe und PVC-Produkte sowie Kunststoffgehäuse von Elektrogeräten aus dem Unterhaltungs- und Informationsbereich.
Flammschutzmittel können aus den Materialien ausdünsten und es kann zur Anreicherung sowohl in der Raumluft als auch im Staub kommen. Sie können somit über die Atemluft in den menschlichen Körper aufgenommen werden.
Biozide
sind Substanzen und Produkte, die Schädlinge wie Insekten, Mäuse oder Ratten, aber auch Algen, Pilze oder Bakterien bekämpfen. In vielen Bereichen des privaten oder beruflichen Lebens werden Biozide eingesetzt, z.B. als antibakterielle Putz- und Desinfektionsmittel, Holzschutzmittel bis hin zu Mückenspray und Ameisengift. Produkte mit dem Zusatz „antibakteriell“ oder „keimtötend“ sind mit Bioziden behandelt, wie z.B. Schneidbretter, Kühlschränke oder die Laptop- Tastatur mit keimtötender Beschichtung.
Auch können Freizeit- und Sportbekleidung mit Bioziden belastet sein. Diese Kleidung hat oft den Hinweis auf einen „geruchshemmenden Zusatzschutz“ oder „hemmt Geruchsbildung“.
Schadstoffe lassen sich in Naturteppichen finden. Sie sind zum Schutz gegen Mottenfraß meist mit Schädlingsbekämpfungsmitteln behandelt. Hierzu werden vorwiegend Pyrethroide eingesetzt. Der zentrale Angriffspunkt der Pyrethroide ist das Nervensystem, auf das sie als Nervengift einwirken.
Gerade für Babys und Kleinkinder ist das problematisch, da sie beim Spielen auf dem Boden viel Kontakt zum Teppich haben und den belasteten Staub einatmen. Eine ungefährliche Alternative sind Teppiche und Teppichböden von Öko-Herstellern, die auf Schädlingsbekämpfungsmittel konsequent verzichten.
Weichmacher
Allergien haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Mittlerweile kämpfen bereits 15% der Kinder mit allergischen Reaktionen (z.B. Neurodermitis, chronische Atemwegserkrankungen etc.).
Eine Ursache für diese Zunahme können Weichmacher sein. Weichmacher werden Kunststoffen beigemischt, um diese geschmeidig, biegsam und dehnbar zu machen. Einige Weichmacher (Phthalate) gehen jedoch mit dem Kunststoff keine chemische Verbindung ein und werden somit im Laufe der Zeit freigesetzt. Dr. Holger Koch – Lebensmitteltechniker am Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung an der Ruhr-Universität Bochum – veranschaulicht dies mit folgendem Vergleich: „Phthalate im Kunststoff wirken so wie Wasser in einem Schwamm. Der Weichmacher ist im Kunststoff nicht fest gebunden, sondern wie das Wasser im Schwamm. Er löst sich raus und der Kunststoff wird wieder hart und zerbrechlich.“
Weichmacher können in PVC-Fußböden, geschäumten Tapeten, Kinderspielzeug, PET-Getränkeflaschen, Plastikschuhen, Aufbewahrungsbehältern für Lebensmittel aus Kunststoff, Kunststoffverpackungen etc. enthalten sein.
Die Aufnahme von Weichmachern erfolgt entweder über die Atemluft, die Nahrung oder über die Haut. Kleinkinder stecken oft belastetes Spielzeug in den Mund und dadurch gelangt der Schadstoff über die Schleimhäute in den Körper.
Weichmacher können aber nicht nur Allergien auslösen, sondern stehen im Verdacht, eine hormonelle Wirkung zu haben und das Erbgut zu verändern.
Fazit
Die Umwelt ist neben der Ernährung der häufigste Krankmacher unserer modernen Zeit. Die Weltgesundheitsorganisation stellt deshalb auch fest: „Ein Viertel aller Erkrankungen wird mehr oder minder durch veränderte Umweltbedingungen verursacht.“ Umweltbedingte Krankheiten und Beschwerden sind also keine Einbildung, es gibt sie tatsächlich.
Aus diesem Grund sollte man auf eine möglichst schadstofffreie Wohnumgebung achten. Besonders im Schlafbereich und im Kinderzimmer fördern natürliche, unbelastete Materialien eine gesunde Regeneration des Körpers.
Karin Stahl
Baubiologin IBN, Dozentin an den Paracelsus Schulen, Autorin
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