Sorgenkind Vitamin D
Über kein anderes Vitamin wird so viel diskutiert wie über das Sonnenvitamin. Spätestens seit der Nationalen Verzehrstudie aus dem Jahr 2008 ist bekannt, dass 82% der Männer und 91% der Frauen die empfohlene tägliche Zufuhr von Vitamin D nicht erreichen. Dabei ist der Anteil in den Gruppen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen (>86% Männer, >96% Frauen) und Senioren (94% Männer, 97% Frauen) am höchsten. Diese Zahlen basieren auf den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die mit 20 µg oder 800 I.E. pro Tag sehr niedrig angesetzt sind. Moderne Wissenschaftler empfehlen eine tägliche Zufuhr von 4000 bis 8000 I.E., um den Blutspiegel von VitaminD-Stoffwechselprodukten auf einem Niveau zu halten, welches Krankheiten wie Multiple Sklerose, Diabetes mellitus Typ 1, Brust- und Darmkrebs verhindern kann.1)
Die niedrigere DGE-Empfehlung richtet sich nach der Menge, die benötigt wird, um die bekannte Vitamin-D-Mangelkrankheit Rachitis bzw. Osteomalazie zu verhindern. Doch Vitamin D hat viele weitere Funktionen im Organismus. Denn es ist im eigentlichen Sinn kein „vitales Amin“ (daher Vitamin), sondern ein Prähormon. Dennoch hat sich der Begriff Vitamin D etabliert.
Versorgungsituation in Deutschland
In den Wintermonaten leiden mehr als 30% der Deutschen an einem schweren Vitamin-D-Mangel (<10 ng/ml). 80% haben über das ganze Jahr gesehen ein Defizit. Im Sommer zeigen 75% der Senioren einen leichten bis schweren Mangel.
Deutschland liegt auf der nördlichen Hemisphäre der Erde, hier ist die UV-B-Strahlung niedrig. Dies führt dazu, dass selbst in den sonnigen Monaten April bis September der UV-B-Index oft unter 3 liegt. Vitamin D kann aber erst ab einem Index von >3 in der Haut gebildet werden. Nur von April bis September liegt der Index – bei sonnigem Wetter und zwischen 10:30 und 16:30 Uhr – über 3.
Tägliches Sonnenbaden im Sommer für 15 bis 30 Minuten um die Mittagszeit ist am effektivsten, bei längerer Einstrahlung sinkt die Umwandlung in der Haut ab. Wichtig ist, während dieser Zeit auf Sonnenschutzmittel, die uns zur Hautkrebsprophylaxe empfohlen werden, zu verzichten. Danach ist Eincremen natürlich sinnvoll. Empfindliche Hauttypen müssen Vitamin D ergänzen. Als positiver Nebeneffekt scheint eine gute Vitamin-D-Versorgung aber auch einen Sonnenbrand zu verhindern.
Sonnenschutzfaktor (SF) 8 reduziert die Vitamin-D-Produktion um 95% und SF 15 um 99%. Menschen mit dunkler Hautfarbe, die in Deutschland leben, sind oft von Vitamin-DMangel betroffen, denn das Farbpigment Melanin wirkt wie ein natürlicher Sonnenschutz und mindert die Vitamin-D-Produktion.
In unserer Praxis stellten wir im Rahmen eigener Messungen fest, dass 84% unserer Patienten einen Mangel (<30 ng/ml) und 25% sogar einen extremen Mangel (<4 ng/ml) aufwiesen.
Wer ist gefährdet?
- Junge Menschen, die viel Zeit an Computern und Spielekonsolen verbringen
- Menschen, die sehr viele Stunden in geschlossenen Räumen sind
- Kranke Menschen
- Senioren, die ungern in die Sonne gehen oder in Heimen auf das Herausbringen durch Angehörige und Pflegepersonal angewiesen sind
- Menschen mit Adipositas
- Schwangere und Kinder
- Menschen mit körperbedeckender Kleidung und Verschleierung
- Personen mit stark pigmentierter Haut
- Personen, die Statine, Diuretika, Antidepressiva, Antiepileptika oder Cortison einnehmen
Vitamin-D-Bildung
Die Tabelle (rechts) zeigt zwei Wege, wie der Körper Calcitriol (aktives Vitamin D) bilden kann. Der Weg über Vitamin D3 ist wesentlich effektiver, da es ein natürlicher Bestandteil unseres Organismus ist. Einige Produkte auf dem Markt enthalten Vitamin D2, das schlechter bioverfügbar ist.
Vitamin D2 findet sich ausschließlich in pflanzlichen Quellen. Die Umwandlungsrate in Calcitriol ist deutlich niedriger und man benötigt mehr, um den gleichen Effekt wie bei Vitamin D3 zu erzielen. Auch erfolgt der Abbau schneller als bei Vitamin D3.
Vitamin D3 entstammt tierischen Quellen und kommt natürlicherweise im menschlichen Organismus vor. Sein Abbau erfolgt langsamer. Es hebt die Konzentration von Calcitriol schneller und effektiver an.
Die Versorgung über die Nahrung ist nicht ausreichend. Speziell Vegetarier und Veganer sollten daher unbedingt Vitamin D3 ergänzen.
Vitamin D und seine Vorstufen können in der Haut gebildet werden. Mehr als 50% des täglichen Vitamin-D-Bedarfs werden darüber gedeckt.
Endogene Synthese von Vitamin D3: Provitamin 7-Dehydrocholesterol entsteht in Darmschleimhaut und Leber bei der Cholesterinaufnahme. Die Umwandlung in Vitamin D3 erfolgt durch Photo- und Thermoisomerisierung unter Sonnenlichteinfluss.
Synthese von Vitamin D2: Durch Photoisomerisierung unter Sonnenlicht wird Provitamin Ergosterol oder Ergosterin zu Vitamin D2 synthetisiert.
UV-B Licht regt die Vitamin-D-Synthese an, ist aber nur zu 5% im Sonnenlicht enthalten und glasundurchlässig. Das häufigere UV-A Licht (95%) hat keinen Einfluss auf die Vitamin-D-Bildung.
Funktionen von Vitamin D
Es reguliert mit Parathormon und Kalzitonin den Kalzium- und Phosphatstoffwechsel. Zielorgane sind Dünndarm, Nieren, Knochen und Nebenschilddrüse. Es beugt Rachitis vor, weshalb Kinder nach der Geburt regelmäßig Vitamin D erhalten. Im Alter beugt es der Osteoporose und dem langsamen Verlust der Muskelkraft vor. Vitamin D regt die Bildung von Proteinen an, welche die Immunkraft stärken. Es ist daher nicht erstaunlich, dass eine regelmäßige Vitamin-D-Einnahme das Risiko für Atemwegserkrankungen halbieren kann.
Vitamin D wirkt vorbeugend bei Krebserkrankungen und reduziert die Zellteilung von Tumorzellen. Es verhindert die Bildung von Blutgefäßen für die Versorgung des Tumors und behindert dessen Wachstum. Es verwundert daher nicht, dass Menschen mit niedrigem Vitamin-D-Spiegel überproportional häufig an Krebs erkranken.
Vitamin D reduziert die Ausbildung von Botenstoffen, die den Blutdruck erhöhen. Es ist ein fettlösliches Antioxidans und wirkt so der Oxidation von Cholesterin und anderen Zellstrukturen entgegen. Es fördert die Ausschüttung von Insulin und schützt vor Diabetes mellitus. Zusätzlich beeinflusst es den Serotoninstoffwechsel und beugt Depressionen vor. Vitamin D schützt den Fötus im Mutterleib vor Diabetes, Infektionen, Allergien und entzündlichen Hautkrankheiten.
Aufgrund seiner vielfältigen Wirkungen sind die Folgen eines Vitamin-D-Mangels sehr verschieden und zum Teil schwerwiegend. Oft lohnt es sich, den Vitamin-D-Spiegel zu prüfen und anzuheben, um Medikamente zu reduzieren. Das Sterberisiko im Alter steigt um 47% bei einem leichten und um 83% bei einem schweren Mangel an. In der LURIC-Studie hatten die Teilnehmer >60 Jahre eine um 60-128% höhere Sterblichkeitsrate durch Vitamin-D-Mangel (Krebserkrankung, Apoplex, Herzversagen). In Deutschland könnten jedes Jahr 20000 Menschen durch eine gute Vitamin-D-Versorgung gerettet werden.
Therapie mit Vitamin D
Ziel ist, den Vitamin-D-Spiegel im optimalen Versorgungsfenster zu halten (>45 ng/ml). Die Bestimmung ist über einen Bluttest sehr einfach durchzuführen.
In klinischen Studien war die Gabe von 700- 1000 I.E. Vitamin D täglich nur bei 50% der Teilnehmer effektiv. Bei 2000 I.E. Vitamin D täglich erreichten 93% der Teilnehmer einen optimalen Blutwert von 125 nmol/l. Anzustreben ist eine tägliche Dosierung von 2000 bis 4000 I.E.
Vitamin D ist fettlöslich, daher sind Kapseln mit Öl oder Fettanteil vorzuziehen. Die tägliche Dosis sollte bei einem Mangel auf zwei Gaben verteilt werden. Hochdosis-Präparate mit einer wöchentlichen Gabe von 20000 I.E. scheinen nicht immer effektiv zu sein, dies könnte daran liegen, dass die Einnahme vergessen wird.
Bei einem erheblichen Mangel führte jede Erhöhung der täglichen Einnahme um 1000 I.E. zu einem Anstieg des Spiegels um 10 ng/ ml. Bei einem Spiegel >30 ng/ml betrug der Anstieg nur noch 8 ng/ml, bei >50 ng/ml nur 5 ng/ml. Dies bedeutet, die Verstoffwechselung von Vitamin D nimmt proportional mit dem steigenden Blutspiegel ab, die Dosis kann nach einiger Zeit reduziert werden.
Nathalie Schmidt
Lebensberaterin, Reiki-Therapeutin, Autorin
information@energie-lebensberatung.de
Dr. med. Edmund Schmidt
Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie, Ernährungsmedizin
und Schmerztherapie
information@praxis-schmidt-ottobrunn.de
Literatur
1) Garland, Cedric F. & French, Christine B. & Baggerly, Leo L. & Haney, Robert P.: Vitamin-Ergänzungsdosen und Serumkonzentration von 25-Hydroxy-Vitamin D in der Größenordnung, die mit Krebsprävention in Zusammenhang gebracht wird. Anticancer Research, 2010
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