Schröpfen in der Naturheilpraxis
Das Schröpfen stellt in der naturheilkundlichen Praxis eine sehr schöne, einfach zu erlernende und potente Therapie dar, die dem Patienten in kurzer Zeit Erleichterung und eine Verbesserung seines Krankheitszustandes bringen kann. Auch zeigt die Schröpfkopfbehandlung dem Therapeuten sofort, ob seine gestellte Diagnose richtig war, da beim Schröpfen die Therapieerfolge innerhalb kürzester Zeit, sogar innerhalb weniger Minuten erkennbar werden.
Geschichte des Schröpfens
Das Schröpfen ist eine der ältesten Therapien in der Medizin. Archäologische Funde zeigen, dass schon in der Steinzeit der Mensch geschröpft hat. Damals wurde die Haut über eiternden Wunden oder das, was wir heute als Furunkel u.Ä. bezeichnen, mit einem steinzeitlichen Messer aufgeschnitten und ausgesaugt. Im Laufe der Jahrtausende verbesserte sich die Therapie immer weiter, und am Ende der Entwicklung stehen nun Schröpfgläser aus Glas, Plastik und Silikon. An den physikalischen Gegebenheiten, einen Unterdruck an der zu bearbeitenden Stelle zu erzeugen, änderte sich nichts, nur die Methoden vervollkommneten sich.
Erste schriftlich dokumentierte Zeugnisse über das Schröpfen erschienen vor mehr als 5000 Jahren und stammen aus dem Gebiet Persiens. Von dort gelangte die Technik im Laufe der Jahrhunderte immer weiter in den Westen. Hippokrates beschrieb das Schröpfen als eine „naturheilkundliche, entstauende Therapie“. Im Mittelalter war sie den Badern und Feld scheren vorbehalten, die über die Dörfer und in die Städte zogen, um an Markttagen dort den Menschen die Haare zu schneiden, Zähne zu ziehen, Extremitäten zu amputieren oder eben zu Schröpfen. Daher kam diese Behandlungsmethode auch bald in Verruf.
Während der Renaissance erfuhr das Schröpfen wieder einen Aufschwung. Von Italien verbreitete es sich in ganz Europa und weiter bis nach Amerika. Wilhelm Hufeland empfand das Schröpfen zu seiner Zeit als ein „sehr wirksames, aber leider vernachlässigtes Hautreinigungsverfahren“. Im Weiteren vernachlässigte man diese Methode dann immer mehr, bis sie Heilpraktiker, die sich auf die Aschner-Ausleitungsverfahren besonnen hatten, wieder in ihren Praxen anwandten – und dieses bis heute so, mit großem Erfolg.
Wie funktioniert das Schröpfen?
In früherer Zeit wurde beobachtet und festgestellt, dass bestimmte Symptome an genau definierten Stellen am Körper Hautsensationen verursachen. Die Anwender hielten dies schriftlich fest und katalogisierten alles, sodass sich im Laufe der Jahre immer fundiertere Aussagen über Symptome und Befunde an der Körperoberfläche tätigen ließen. Heutzutage können wir natürlich – aufgrund unseres Wissens über die neurologischen Zusammenhänge, das ZNS mit seinen Schmerz leitenden C-Fasern, die Leitungsbahnen des Tractus Spinothalamicus und die neuronalen Aktivitäten der Nozizeptoren – die Wirkung der Schröpfungen besser nachvollziehen und herleiten. Head und MacKenzie entdeckten zu Beginn des letzten Jahrhunderts die „Dermatome“, mit deren Hilfe sich definierte Hautareale ganz bestimmten inneren Organen zuordnen ließen.
Hypothesen zur Wirkungsweise naturheilkundlicher Reflextherapien
Die therapeutisch gewünschten, kontrollierten Verletzungen der Haut (Hämatome, Petechien) führen zur Zellzerstörung und zu lokalen (aseptisch) entzündlichen Prozessen. Diese Vorgänge werden eingeleitet oder begleitet durch die Dilatation lokaler Blutgefäße sowie die Aggregation von Zellen des Immunsystems (Mastzellen). Es erfolgt eine Ausschüttung diverser Substanzen, wie Histamin, Serotonin, Prostaglandine und Leukotriene. Diese Veränderung der Umgebung der Nozizeptoren führt zu einer größeren Feuerrate dieser Rezeptoren. Es kommt daraufhin zur Weiterleitung der verstärkten Anregung über die peripheren, schmerzleitenden Fasern (C-Fasern) zum Zentralnervensystem. Die erhöhte nozizeptive, neuronale Aktivität tritt in das dorsale Horn des Rückenmarks über und gelangt über den Tractus spinothalamicus zum Gehirn. Diese gesteigerte Tätigkeit des nozizeptiven Systems hält Stunden bis Tage an. Im längsten und normalen Fall solange, wie die Hautveränderungen (Hämatome, Petechien) andauern.
Wir unterscheiden zwei Arten des Schröpfens
Das unblutige (trockene) Schröpfen und das blutige Schröpfen. Bei Ersterem unterscheiden wir das stationäre, trockene Schröpfen und die Schröpfkopfmassage.
Bei der stationären Trockenschröpfung wird der evakuierte Schröpfkopf aufgesetzt, ohne dass man die Haut vorher anritzt. Er saugt einen Haut-/Unterhautgewebeteil mehr oder weniger leicht oder stärker an. Die dort aufgesetzten Schröpfköpfe stehen so lange, bis auf der bearbeitenden Stelle etwas Flüssigkeit austritt (Lymphe) oder sich die Haut unter der Schröpfglocke bläulich verfärbt (Extravasate).
Bei der Schröpfkopfmassage reibt man die Haut vorher mit einem guten Öl reichlich ein. Anschließend wird der trocken aufgesetzte Schröpfkopf über die Haut gezogen, sodass entlang einer längeren Linie immer mehr Extravasate auftreten.
Es kommt dabei zum Aufreißen kleiner Äderchen im Unterhautgewebe, in denen venöses Blut stehen geblieben ist. Die stärkere Porosität der Gefäße begünstigt das Reißen der Äderchen – typisch bei Sauerstoffarmut in anatomisch dilatierten Venolen und venösen Schenkeln von Kapillaren.
Die Schröpfmassage kann sehr schmerzhaft sein. Gerade an den Stellen, wo es zu Gefäßzerstörungen kommt. Die Patienten müssen darüber Bescheid wissen.
Bei der blutigen Schröpfung wird an dafür bestimmten Schröpforten die Haut mit kleinen Messerchen skarifiziert, sodass Blut austritt. Über diese Stellen setzt man dann den evakuierten Schröpfkopf auf. In diesen hinein entleert sich das in der Gelose stehen gebliebene Blut in einer Menge, die zwischen 5 und 200 ml schwankt.
Diese Methode behandelt heiße/rote Gelosen. Sie treten beim Fülletyp (Phletoriker) auf, auch bei Leptosomen und Asthenikern, dann als lokale Fülle-Erscheinung. Außerdem finden wir sie zu Beginn einer Erkrankung. Schon bei geringem Druck apperzipiert der Patient Schmerzen. Es kommt, aufgrund der Zerreißung der Kapillaren, schnell zu Hämatomen. Das blutige Schröpfen wird ausschließlich auf der dorsalen Körperseite praktiziert. Je länger eine Krankheit anhält, desto mehr verändern sich die roten in blasse Gelosen.
Wann wird blutig geschröpft, wann unblutig?
Kalte/blasse Gelosen favorisieren die Anwendung einer Trockenschröpfung. Sie stellen nicht oder nur sehr schlecht durchblutete, weiß marmorierte bis zyanotische Hautregionen dar. Diese weisen einen schlaffen Hautturgor auf, unter Umständen durchsetzt mit sulzigen Bindegewebsknötchen. Ein kalte Gelose verursacht kaum einen Schmerz. Erst bei großem Druck verspürt der Patient einen solchen in der Tiefe. Das trockene Schröpfen wird sowohl auf der ventralen als auch auf der dorsalen Seite praktiziert. Indikationen für Trockenschröpfen sind u.a. alle chronisch schwächenden Zustände.
Komplikationen
Beim Schröpfen treten mitunter Komplikationen auf! Bei Schröpfung der Herzzone auf der linken Schulterhöhe oder der Hypertoniesülze kommt es zuweilen zu einer echten Hypotonie. Wenn man versucht, eine heiße Gelose trocken zu schröpfen, besteht – sofort und über einen längeren Zeitraum hinweg betrachtet – durchaus die Gefahr einer Verschlechterung des Krankheitsbildes und des Allgemeinzustandes. Nach einer ausgiebigen Schröpfung im Kreuzbeinbereich oder auf der linken Schulter kann bei schwacher Abwehrlage und schwachem Kreislauf eine sich hinziehende Hypotonie auftreten.
Materialien, die für das Schröpfen benötigt werden
Eine Auswahl der benötigten Werkzeuge s. links für blutiges/unblutiges Schröpfen sowie die Schröpfmassage. Die Schröpfgläser mit Ball sollte man ausschließlich für die Massage benutzen, da sie nach häufiger Reinigung undicht werden und das Vakuum nur wenige Sekunden zu halten vermögen. Als wichtig erweisen sich auch die unterschiedlichen Größen. Großvolumige Gläser erzielen starken Unterdruck. Kleine Schröpfgläser lassen sich auch an kritischen Stellen mit starker Faltenbildung der Haut gut verwenden. Den Schröpfschnepper, wenn überhaupt, nur mit Bedacht einsetzen, da er Narben verursachen kann. Am besten klärt der Therapeut den Patienten vorher auf und hält dies schriftlich fest. Die geeignetere Alternative hier: die Benutzung von Blutlanzetten.
Lothar Satzek
Heilpraktiker in Essen
satzek@essener-naturheilkundepraxis.de
Buch-Tipp
- J. Abele: Das Schröpfen, Gustav Fischer Verlag
Fotos: © Andrey Popov / fotolia.com, eigene Praxisbilder
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