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Pflege und Geriatrie
Lesezeit: 10 Minuten

Entspannung für Senioren

Warum auch Senioren die Kraft der Entspannung nutzen sollten

Sich im Rentenalter aktiv zu entspannen, das passt doch nicht zusammen, mögen manche denken. Der Alltag ist doch gar nicht mehr so straff durchgeplant, es gibt keine Verpflichtungen mehr, man kann endlich das tun, was während des langen Arbeitslebens nicht möglich war. Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Die andere: Körper und Geist sind nicht mehr so flexibel und belastbar wie noch 10 oder 15 Jahre zuvor. Es braucht längere Erholungsphasen und einen bewussteren Umgang mit Stresssituationen. Denn gerade die Einstellung „Jetzt bin ich in Rente und hole alles nach“ kann in mehrerlei Hinsicht inneren Stress auslösen und eine massive körperliche und/oder seelische Belastung darstellen.

Ruhe ist relevant

Körpervorgänge, die automatisch ablaufen (Verdauung, Herzschlag, Atmung etc.), werden vom vegetativen Nervensystem gesteuert, das über zwei gegensätzliche Kräfte wirkt: Der Sympathikus übernimmt die Führung während der aktiven Phase, der Parasympathikus gewinnt in Ruhezeiten die Oberhand. Wichtige Organfunktionen, wie z.B. Ausscheidung, Verdauung, Atem- und Herzrhythmus, sind von Ruhe, also vom Parasympathikus abhängig, um optimal zu funktionieren. Da die Organaktivität mit zunehmendem Alter abnimmt und der Körper möglicherweise nie daran gewöhnt war zu entspannen, verstärken sich unter Stress Krankheitssymptome, wie z.B. Bluthochdruck, Verstopfung oder Atemnot, umso mehr. Deshalb lohnt es sich immer, den Parasympathikus durch aktive Entspannung zu trainieren und den natürlichen Ablauf vieler Körperfunktionen zu unterstützen!

Der Körper verändert sich im Alter

Seh- und Hörkraft nehmen ab. Das Herz-Kreislauf-System wird durch den natürlichen Alterungsprozess der Gefäße und das Nachlassen der Herzleistung stärker gefordert als in jungen Jahren. Gerade deshalb empfiehlt es sich, Körper und Geist regelmäßig über aktive Entspannung zu entlasten.

Oft möchten wir nicht wahrhaben, dass mit zunehmendem Alter mehr Rücksicht auf Körper und Geist genommen werden muss. Ein Beispiel dafür ist der Atemapparat. Im Vergleich zu allen anderen Organsystemen wird er am stärksten im Alter beeinträchtigt, auch ohne Vorerkrankungen. Die Atmung steht eng in Verbindung mit unserer Leistungsfähigkeit. Besteht Sauerstoffmangel, so haben Körper und Geist weniger Energie zur Verfügung. Zur positiven Unterstützung bieten sich aus der Welt der Entspannungsmethoden Atemübungen an. Sie schenken Ruhe und unterstützen das Atmungssystem. Hier die Kurzversion einer passenden Übung:

Setzen oder legen Sie sich bequem hin und schließen Sie Ihre Augen. Konzentrieren Sie sich einige Augenblicke nur auf Ihren Atem, wie er ganz von allein ein- und ausströmt. Beobachten Sie diesen Vorgang. Wie fühlt es sich an? Fließt der Atem ruhig und gleichmäßig, oder spüren Sie irgendwo eine Blockade? Nehmen Sie wahr, ohne zu bewerten. Einfach nur den Atem spüren. Spüren, wie sich Lungen und Bronchien weiten. Mit jeder Einatmung wird der Körper mit frischem Sauerstoff versorgt, mit jeder Ausatmung von verbrauchter Luft befreit. Immer ruhiger und gleichmäßiger wird der Atem, immer tiefer der Entspannungszustand. Versuchen Sie, auch tief in den Bauch zu atmen: Bei der Einatmung hebt sich der Bauch, bei der Ausatmung senkt er sich. Spüren Sie, wie nun noch mehr Sauerstoff durch den Körper strömt, und lassen Sie diesen Vorgang noch einige Augenblicke auf sich wirken. Öffnen Sie wieder die Augen.

Vorteile von Entspannung

Schon nach solch einfachen Atemübungen spürt man sofort, dass sich etwas im Körper verändert. Ob nun die Atmung ruhiger wird oder man für ein paar Augenblicke den eigenen Sorgen entflieht, ist nebensächlich. Entspannung kann sich bei jedem Menschen unterschiedlich auswirken und vielfältige Effekte erzielen. Diese sind auch von der Methodik abhängig, dazu später mehr.

Entspannung kann im Alter das Leben bereichern und hat folgende Pluspunkte:

  • Verbesserung des inneren Gleichgewichts
  • Unterstützung der geistigen Frische
  • Entlastung des Nervensystems und der Muskulatur
  • Abbau von Spannung im Körper
  • Bewusstes Zeitnehmen für sich selbst
  • Achtsamer Umgang mit dem Körper
  • Schulung der Vorstellungskraft und Fantasie
  • Aktivierung und Verbesserung der Körperwahrnehmung

Bewusst die Körperwahrnehmung stärken

Begünstigt durch den altersgemäßen Schwund der Muskelmasse und der Verringerung von Nervenfasern lässt die natürliche Körperwahrnehmung im Alter nach, das Körperempfinden verändert sich. Auch verminderte Flexibilität und Beweglichkeit sind die Folge. Schließlich bewirken Erkrankungen, wie z.B. Diabetes, Arteriosklerose oder Rheuma, eine Veränderung des Körperempfindens, wir fühlen uns immer weniger wohl in unserer Haut.

Verschiedene Formen der Entspannung können dabei unterstützen, die eigene Körperwahrnehmung zu verbessern und die Sensibilität von Nerven und Muskeln zu fördern. Je nach Methode gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte, um sich Schritt für Schritt wieder mehr im eigenen Körper zuhause zu fühlen. Das Bewusstsein für den Körper möglichst lange zu erhalten, ist äußerst wichtig, da dies vor Stürzen, Verletzungen sowie vor Missachtung von Krankheitssymptomen schützt. Gerade der letzte Punkt ist ein wichtiger Aspekt: Höre ich auf die Signale meines Körpers, oder habe ich im Laufe meines Lebens gelernt, sie zu ignorieren und sofort mit Tabletten einzudämmen? Hier können Meditationen helfen, wieder stärker in sich hineinzuhorchen und auf die Zeichen des Körpers zu reagieren, sodass man früher zum Therapeuten geht. Entspannungsverfahren helfen, eine gesunde Verbindung zum Körper aufzubauen!

Hier ein Beispiel für eine Körperreise: Schließen Sie Ihre Augen und bereiten Sie sich auf eine tiefe Entspannung vor. Sie werden nun Schritt für Schritt Ihren ganzen Körper entspannen und jegliche Anspannung loslassen. Spüren Sie nun Ihre kleinen Muskeln im Gesicht und auf der Stirn, und lockern Sie diese. Entspannen Sie Ihre Augenlider, Augäpfel und Nase. Lockern Sie die Wangen- und Kiefermuskulatur. Entspannen Sie Hals, Genick und Schulterblätter, und fühlen Sie, wie die Entspannung sich immer weiter ausdehnt, über den ganzen Rücken, von den Schultern aus über die Oberarme, die Ellenbogen, Unterarme und Hände. Bis in die Fingerspitzen hinein können Sie spüren, dass Sie immer entspannter und lockerer werden. Ihr Herz schlägt ruhig und gleichmäßig, Ihre Bronchien und Lungen sind tief entspannt und voller Luft. Lockern Sie Ihre Bauch- und Beckenmuskulatur und lassen Sie die Entspannung auch in Ihre Beine fließen. In die Oberschenkel, die Knie, die Wadenmuskulatur, in die Füße und die kleinen Muskeln in den Zehen. Ihr ganzer Körper ist nun tief entspannt! Verweilen Sie einige Augenblicke in diesem schönen Zustand.

Wie kann sich Entspannung bemerkbar machen?

Das Gefühl ist oft sehr diffus und nicht greifbar, sodass die Frage „Ab wann spricht man von Entspannung?“ berechtigt ist. Für manche Menschen bedeutet entspannen, nach einem langen Arbeitstag gemütlich vor dem Fernseher zu sitzen. Doch welches Programm beginnt in diesen Momenten zu wirken?

Ein Entspannungszustand kann sich auf der körperlichen Ebene bemerkbar machen. Dies lässt sich z.B. an der Muskelspannung und der Nervenaktivität feststellen. Je entspannter wir werden, desto lockerer sind die Muskeln und desto ruhiger die Nerven. Auch die Organsysteme reagieren auf Entspannungsphasen. Dies ist anhand eines ruhigeren und gleichmäßigeren Herzrhythmus‘ ebenso spürbar wie an der tiefen und regelmäßigen Atmung. Es gibt viele andere Beispiele für die körperlichen Effekte von Entspannung, doch die hier genannten dürfte jeder am schnellsten wahrnehmen.

Bewusstes und regelmäßiges Entspannen wirkt sich natürlich auch auf die psychisch-seelische Ebene aus. Ein inneres Gleichgewicht kann sich vielfältig zeigen, u.a. durch Verbesserung des Schlafs, Steigerung der Lebensqualität oder eine ruhigere Reaktion in Stresssituationen. Wer Entspannung gezielt in sein Leben einlädt, unterstützt seinen Geist, das ewige Gedankenkarussell zu durchbrechen und die Schwere des Lebens leichter loszulassen. Je besser es uns seelisch geht, desto weniger lassen wir uns durch Sorgen oder Probleme beeinflussen.

Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass beide Ebenen in Wechselwirkung zueinander stehen. Körperliche Entspannung hat einen Effekt auf den Geist und umgekehrt. Dasselbe Phänomen kennen wir in Stressphasen: Sind wir innerlich unruhig, gereizt und angespannt, drückt sich dies auch im Körper aus, z.B. durch Nackenschmerzen, Kurzatmigkeit, eine Überreizung des Nervensystems. Je nachdem, welche Themen auf der körperlichen oder seelischen Ebene gerade vorrangig sind, kann die Wirkung von Entspannungsphasen unterschiedlich ausfallen.

Auswahlkriterien für „meine Favoriten“

Die Welt der Entspannungsmethoden ist groß und bunt, weshalb es sich empfiehlt, genauer hinzusehen, welche Angebote am besten zu einem passen.

Da sind z.B. die klassischen Entspannungsmethoden: das Autogene Training (AT) und die Progressive Muskelentspannung (PMR). Das AT umfasst sieben Übungen, die durch das gedankliche Sprechen zugehöriger Formulierungen bestimmte Organe und Körperabläufe positiv unterstützen. Bei der PMR werden Muskelgruppen durch gezieltes Anspannen und Entspannen gelockert, Spannung wird abgegeben.

Entspannungsmethoden aus dem asiatischen Raum, wie z.B. Qigong, Yoga und TaiQi, agieren ebenfalls mehr auf der körperlichen Ebene, verlangen jedoch eine gewisse Beweglichkeit.

Eine weit verbreitete Methode ist die Meditation, die aufgrund ihrer verschiedenen Arten sehr vielfältige Wirkungen erzielen kann.

Wie finde ich nun die für mich passende(n) Methode(n)? Das kommt ganz darauf an, welchen Weg Sie einschlagen möchten, wie Ihr körperlicher und seelischer Zustand ist und wo Sie sich am besten aufgehoben fühlen.

Wenn Sie eher ein körperlicher, aktiver Typ sind, sind Methoden wie Yoga, Qigong und TaiQi der richtige Zugang für Sie.

Für alle, die sich zum körperlichen Typ zählen, aber nur wenig aktiv mitwirken möchten, ist die Progressive Muskelentspannung empfehlenswert. Die Übungen sind einfach durchführbar, trainieren die Muskeln jedoch nur zweitrangig.

Der denkende und seelische Typ kann sich dem Autogenen Training oder Meditationen widmen, die zwar anspruchsvoller für den Geist sind, aber eine Beruhigung des Gedankenkarussells durch geistige Entspannung erreichen.

Menschen, die an verschiedenen Krankheitsbildern oder Schmerzen aller Art leiden, sind am besten beim Autogenen Training aufgehoben, da es ein Komplettprogramm für den gesamten Körper beinhaltet und gleichzeitig den Verstand beschäftigt.

All diejenigen, die sich zu keiner der genannten Gruppen zählen, sind gut beraten, Verschiedenes auszuprobieren und zu entscheiden, mit welchen Methoden sie sich am wohlsten fühlen.

Tipps für optimales Entspannen

Wenn Sie noch keine Erfahrungen mit gezielter Entspannung haben oder nicht wissen, wie Sie diese am besten in Ihren Alltag einbauen sollen, können Ihnen die folgenden Anregungen weiterhelfen:

  • Sorgen Sie dafür, dass Sie beim Entspannen ungestört sind. Schalten Sie Handy, Telefon und andere störenden Geräte aus. Geben Sie Ihren Mitbewohnern Bescheid, dass Sie für ein bestimmtes Zeitfenster Ihre Ruhe haben möchten.
  • Es zählt nicht, wie lange Sie entspannen, sondern dass Sie regelmäßig und bewusst üben. Entspannungsphasen irgendwo in den Tag hineinzupressen, zwischen Einkaufen und Zeitunglesen, ist nicht zielführend. Wenn Sie entspannen, dann entscheiden Sie sich bewusst dafür.
  • Schaffen Sie sich eine angenehme Atmosphäre und finden Sie heraus, ob Sie lieber im Sitzen oder Liegen entspannen möchten. Vielleicht hören Sie dazu ruhige Musik, verdunkeln den Raum oder füllen sich eine Wärmflasche. Ihnen soll es gut gehen.
  • Probieren Sie aus, welche Entspannungsmethoden für Sie und Ihre Situation am sinnvollsten sind. Können Sie sich am besten bei geführten Meditationen entspannen, oder trainieren Sie Ihre Muskeln lieber aktiv mit?
  • Finden Sie heraus, wann für Sie die beste und effektivste Zeit zum Entspannen ist. Dies kann vor dem Einschlafen, morgens nach dem Aufwachen, nach dem Mittagessen oder auch nach Bedarf sein.
  • Besuchen Sie einen Kurs, wo Sie eine Entspannungsmethode von Grund auf lernen und Fragen stellen können. Dann holen Sie den besten Effekt für sich und Ihren Körper heraus und können auch mit anderen Menschen Erfahrungen austauschen.
  • Je länger und regelmäßiger Sie üben, umso tiefer wird der Entspannungszustand und umso deutlicher werden sich die positiven Auswirkungen bemerkbar machen. Welche dies sind, hängt davon ab, welche Methoden Sie wählen und wie Ihr körperlicher Zustand ist.

Philipp FeichtingerPhilipp Feichtinger
Dipl.-Naturheiltherapeut mit eigener Praxis in Österreich, Kursleiter für Autogenes Training und Progressive Muskelrelaxation, Burnout-Berater und AMQ-Mentalcoach
office@nhp-feichtinger.at

CD-Tipp
Philipp Feichtinger:
Entspannung für Senioren.
Wirksame Methoden zur Steigerung Ihres Wohlbefindens.
hsm healthstyle.media GmbH, 2020

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