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Naturheilkunde
Lesezeit: 10 Minuten

Homöopathie bei Hauterkrankungen

„Die Haut ist der Spiegel der inneren Anspannung, der inneren Dynamis, der inneren Wirkweise dieses menschlichen Organismus. Er hat in der Haut seinen Reflektor, sein Kaleidoskop, die Bildfolge seiner inneren Bewegungen und seiner vielfältigen Krankheitsschattierungen, seiner Licht- und Schattenseiten, die zusammen ein Bild ergeben, das auf die menschliche Leinwand geworfen wird – die Haut, die viel vom pervertierten Leben im Organismus preisgibt.“
Dr. John Henry Allen (1854-1925), von dem dieses Zitat stammt, war einer der größten Homöopathen, der sich v.a. mit chronischen Krankheiten beschäftigte.

Die Lebenskraft

Um Hauterkrankungen aus homöopathischer Sicht zu verstehen, muss man mit dem Begriff der Lebenskraft beginnen. Ihr Hauptprinzip ist es, Leben zu erhalten. Das kann man sich folgendermaßen vorstellen: Treffen Krankheiten auf einen Organismus, geht es darum, die lebenswichtigen Organe zu schützen und die Krankheit auf möglichst unwichtige, an der Peripherie stehende Organe umzuleiten. Wichtige Organe sind das Hirn, das Herz, die Leber, Nieren und Lungen. Das peripherste und für das Überleben „unwichtigste“ Organ ist die Haut.

Die Lebenskraft wirkt immer von innen nach außen und je nach verfügbaren Möglichkeiten. Ist sie stark genug, kann sie die Krankheit bis auf die Ebene der Haut „abschieben“. Sicher sind Hautausschläge unangenehm, sie können fürchterlich jucken oder brennen. Wir können auch in unserer Eitelkeit beeinträchtigt sein, wenn im Gesicht ein Ekzem auftritt. Dennoch ist ein einfacher Ausschlag nicht akut lebensbedrohlich. Im Gegenteil: Wenn eine solche Hauterkrankung entsteht, ist unsere Lebenskraft meist stark genug, diese nach außen zu produzieren.

Um das Prinzip der Lebenskraft noch besser zu verstehen, benötigt man einen kleinen Einblick in die Miasmenlehre der Homöopathie:

Chronische Erkrankungen und Miasmen

Die Miasmen bestimmen, welche Erkrankungen wir im Laufe unseres Lebens entwickeln können. Wir unterscheiden in der Homöopathie zwischen drei Grundmiasmen (Psora, Syphilis, Sykose), drei gemischten Miasmen (sykotische Tuberkulinie, syphilitische Tuberkulinie, Kanzerinie) und der Arzneimittelkrankheit (z.B. Vakzinose).

Die Miasmen und die damit einhergehenden Krankheitsneigungen erben wir von unseren Vorfahren – manche davon (Sykose und Syphilis) können wir im Laufe unseres Lebens auch selbst erwerben.

Hauterscheinungen als „Beschwichtigung“

Jedem dieser Miasmen ist eine Gruppe von Krankheiten zugeordnet, die die verschiedensten Organe betreffen. Abhängig vom Miasma, mit welchem man zur Welt kommt, hat man die entsprechende Krankheitsneigung – es ist, wie man heute weiß, in unseren Genen festgeschrieben.

Von Anfang an ist die Lebenskraft bestrebt, das jeweilige Miasma abzumildern, damit keine schlimmen, für den Organismus lebensbedrohlichen Erkrankungen auftreten. Deshalb der Versuch, möglichst ungefährliche Krankheitserscheinungen zu entwickeln. Dementsprechend hat jedes Miasma jeweils typische Hauterscheinungen.

Diese Hautkrankheiten haben wichtige Nutzen:

1. Sie dienen der Abmilderung des Miasmas. Sie fungieren quasi als Ventil (wie bei einem Dampfkochtopf), durch das sich das Miasma entladen, aber dem Organismus keinen großen Schaden zufügen kann.

2. Sie dienen dem Homöopathen als Warnleuchte. Denn solange sie sichtbar sind, ist das Miasma im Organismus noch aktiv. Erst, wenn es unter der homöopathischen Behandlung verschwindet, ist das Miasma wieder zur Ruhe gebracht worden.

Hautkrankheiten sind Warnsignale

Damit kommen wir zu einem wichtigen Punkt, wie die Homöopathie Hauterkrankungen sieht, nutzt und therapeutisch angeht. Hierzu ein Vergleich:

Würden Sie, wenn in Ihrem Auto das Warnsymbol für niedrigen Ölstand aufleuchtet, einfach nur die Leuchtdiode entfernen, damit diese nicht mehr aufblinkt, oder würden Sie die Ursache beheben und Öl nachfüllen?

Analog dürfen Hautkrankheiten niemals äußerlich behandelt werden (weder mit Salben oder Cremes, noch durch das Herausschneiden von Warzen etc.)! Sondern wir lassen die Warnleuchte brennen, bis sie durch unsere homöopathische Behandlung von selbst wieder ausgeht.

Unterdrückung von Hautkrankheiten

Im besten Fall (für den Organismus) ist die Lebenskraft stark genug, nach Beendigung einer Unterdrückung der Hauterkrankung diese wieder hervorzurufen. So flammt z.B. das Ekzem wieder auf, nachdem die Cortisonsalbe abgesetzt wurde.

Ist die Lebenskraft nicht mehr stark genug, die Krankheit an die äußerste Peripherie zu treiben, geht sie ein Stück weiter nach innen an die nächstwichtigeren Organe. Auch hierzu zwei Beispiele: Nicht selten geschieht es, dass nach erfolgreicher „Wegsalbung“ eines neurodermitischen Ausschlags ein allergisches Asthma entsteht. Die Lebenskraft wurde durch die Unterdrückung mit Salben so geschwächt, dass sie es nicht mehr schafft, das Miasma, in diesem Fall die Tuberkulinie, auf die Haut zu produzieren; dieses breitet sich somit auf einem lebenswichtigeren Organ (der Lunge) aus. Ebenso häufig finden wir das Entstehen von rheumatischen Gelenkbeschwerden nach der „erfolgreichen“  Unterdrückung von Psoriasis – beides kanzerinische Erkrankungen.

Unterscheidung von Hautkrankheiten

Im Folgenden ein Überblick zu verschiedenen Beschwerdebildern:

Verletzungen der Haut sind Ausnahmen, bei denen wir auch äußerlich behandeln, z.B. Entfernen eines Fremdkörpers, Verschließen einer großen Wunde durch eine Naht oder äußerliche Wundbehandlung mit Salbe. Diese Maßnahmen sind selbstverständlich notwendig. Zusätzlich können wir mit homöopathisch gewählten Mitteln den Heilungsprozess beschleunigen.

Ekzeme durch äußere Einflüsse
Hier-zu eine Fallstudie aus meiner Praxis: Eine Patientin gönnt sich im Urlaub eine Gesichtsbehandlung mit Salzen, Moor und diversen Auflagen. Ihre Haut im Gesicht reagiert jedoch mit starker Anschwellung und Rötung, die auch zuhause nicht mehr abklingt. Sie empfindet ein unerträgliches, beißendes Jucken und bittet mich um Hilfe.

Bei der Behandlung eines solchen Falles ist das dahinterstehende Miasma erst einmal nicht wichtig, da die Erkrankung durch ein äußeres Agens verursacht wurde – die kosmetische Behandlung.

Aufgrund der Art des Ausschlags und nach sorgfältiger Repertorisation empfehle ich das Mittel Sulphur, das in der Homöopathie oft benutzt wird, wenn der Organismus mit toxischen Stoffen in Kontakt gekommen ist und darauf reagiert hat. Die Patientin erhält Sulphur C200 – 1×3 Globuli auf der Zunge zergehen lassen und dann noch 3 Globuli in 100 ml Wasser auflösen und einnehmen (stündlich 1 Teelöffel, bis das Akute abklingt; ab dann seltener einnehmen, bis die Beschwerden ganz erloschen). Innerhalb weniger Stunden verschwindet der Hautausschlag vollständig.

Dieser Überempfindlichkeit/Allergie liegt eine miasmatische Veranlagung zugrunde, die behandlungsbedürftig ist. Um sie zu heilen, folgt im Anschluss eine miasmatische Behandlung.

Hauterkrankungen mit miasmatischem Ursprung

Jedes Zeichen auf der Haut, jede Hauterkrankung hat einen miasmatischen Ursprung. Sie alle sind der Versuch der Lebenskraft, das Miasma zu beschwichtigen und auf periphere, unwichtige Orte zu verschieben. Hierzu Beispiele der miasmatischen Zuordnung von Erkrankungen und dermatologischen Erscheinungen, die dem Auffinden des zugrundeliegenden Miasmas dienen:

Die Psora ist das Grundmiasma, das bei jedem Menschen zu finden ist. Es beschreibt die Grundsterblichkeit und die Grundneigung, krank zu werden. Wir finden in diesem Miasma keine schwerwiegenden Erscheinungen, eher funktionelle Beschwerden nervöser Natur, z.B. Verdauungsbeschwerden, Schlafstörungen, leichte Hauterkrankungen – eher in Form von Juckreizen.

Syphilis
Bei syphilitischen Menschen können wir alle Arten von Hautausschlägen finden. Hier geben uns Begleiterkrankungen und Familienanamnese den Hinweis auf das Miasma. Bei der Syphilinie finden wir viel Destruktives, z.B. Geschwüre (Hautgeschwüre, Magengeschwüre), Knochenerkrankungen, Nekrosen, Fehlbildungen, Mehrlingsschwangerschaften, Mumps etc.

Sykose
Bei sykotischen Menschen ist meist eine gonorrhoische Ansteckung beim Patienten selbst oder in der Familie zu finden. In Folge treten auf: Neugeborenenikterus, Dreimonatskoliken, Windeldermatitis, viele Leberflecken und Warzen (v.a. gestielte Warzen), Herpes genitalis, Erkrankungen der Geschlechtsorgane jeglicher Art, Aborte um den 3. Monat, um nur einige zu nennen.

Tuberkulinie
Folgende Erkrankungen weisen auf dieses Miasma hin: Masern, Keuchhusten, Scharlach, Tonsillitis, Migräne, Nasenbluten, Gefäßerkrankungen, Tuberkulose in der Familie, rheumatische Erkrankungen, Neurodermitis, Zahnungsbeschwerden, Obstipation, Heuschnupfen, Erkrankungen der unteren Atemwege.

Kanzerinie
Beim Krebsmiasma findet man folgende Erkrankungen: Gehäuftes Auftreten von Tumoren in der Familienanamnese, besonders hartnäckige Beschwerden (z.B. Allergien, Bronchitis, Neurodermitis, Obstipation), Café-au-lait-Flecke, gehäufte Leberflecke und filiforme Warzen, Psoriasis, Mononukleose.

Vakzinose
Vakzinotische Menschen leiden häufig unter Warzen, Neuralgien, Hautpilzerkrankungen.

Jede Erscheinung lässt sich zuordnen, sodass sich die miasmatische Herkunft eingrenzen lässt. So gelangt man zur sicheren Mittelwahl.

Fallstudie Neurodermitis

Eine Mutter kommt zu mir mit ihrem 16-jährigen Sohn, der an einer Hausstaubmilben-Allergie leidet, was einen neurodermitisartigen Hautausschlag verursacht. Als Säugling hatte er bereits Probleme damit, und seit dem 14. Lebensjahr ist der Ausschlag wieder da, v.a. in der Armbeuge und am Hals, selten in der Kniekehle. Die Ausschläge sind rau und gerötet. An der frischen Luft erfolgt sofortige Besserung. Zusätzlich leidet er seit 4 Jahren an Migräne, die fast nur nach Sport oder körperlicher Anstrengung auftritt, ca. 8-9 Mal pro Jahr. Er beschreibt sie als zunächst kleinen Punkt im Sichtfeld, der flimmert und immer größer wird, dann folgen die Kopfschmerzen. Er versucht dann zu schlafen und es dunkel zu haben. Seit 2,5 Jahren kommt bei Anstrengung noch schweres Atmen hinzu.

Primärmiasmatik
beschreibt die miasmatischen Erkrankungen in der direkten Familie. Als wichtigsten ersten Schritt sehe ich in meiner homöopathischen Betrachtungsweise die Familienanamnese und hole sie auch in diesem Fall ein:

Mutter

  • Masern
  • adenoide Wucherungen
  • Bandscheibenprolaps

Vater

  • Masern
  • Dornwarzen als Kind
  • Tonsillenentfernung
  • öfter Synkopen
  • Hypertonie
  • Aphthen
  • Kniearthrose
  • Fußpilz
  • Karies

Bei seiner Halbschwester (väterlicherseits) sind folgende Erkrankungen zu finden: Windpocken, Pertussis, Masern, Röteln, die sich alle ganz extrem äußern, sowie starke Allergien.

Vakzinotik

Der Patient hat folgende Impfungen hinter sich: Masern-Mumps-Röteln, Polio, Diphtherie, Tetanus. Alle blieben jedoch ohne Reaktion. Vor 3 Jahren erfolgte ein Allergietest (Prick-Tests sind aus homöopathischer Sicht wie eine Impfung einzustufen, da hierbei Fremdeiweiße unter die Haut gespritzt werden).

Krankheitsvorfälle im Lebenslauf

Ebenfalls sehr aufschlussreich für die Diagnostik sind die durchgemachten Krankheiten von der Geburt bis heute:

  • Mundsoor als Baby
  • Windpocken und Otitis media als kleines Kind
  • Armfraktur mit 4 Jahren
  • Vor 6-7 Jahren häufiges Nasenbluten
  • Vor 4 Jahren zweimaliges Auftreten von Ohnmacht aufgrund des eigenen Blutes
  • Vor 4 Jahren Warze am Fuß, verschwand von selbst
  • Benutzung von Cortisonsalbe für die Ausschläge
  • Vor wenigen Monaten Grippe mit Fieber und Antibiotika-Einnahme
  • Vorliegen der Diagnose „Kurzsichtigkeit“
  • Einmalig Herpes labialis
  • Zahnspange wegen „Hasenzähnen“

Erkenntnisse aus der Anamnese

Appetit, Durst und Verdauung sind unauffällig. Außerdem liegt eine Skoliose vor. Nachts lässt der Jugendliche immer die Fenster offen, egal wie kalt es ist. Er spricht im Schlaf und träumt von Verfolgung sowie vom Fallen.

Homöopathische Analyse

Mit Blick auf die Familienanamnese muss man beachten, dass 80% der miasmatischen Neigung vom gegengeschlechtlichen Elternteil stammen. Das bedeutet: Töchter erben eher den miasmatischen Anteil der Vaterseite, Söhne eher denjenigen der Mutter. Bei unserem jungen Patienten kann man das sehr gut sehen: Seine Mutter ist tuberkulinisch (adenoide Wucherungen und Masern), deren Vater ebenfalls (Herzinfarkte).

Die Tuberkulinie spiegelt sich auch im Lebenslauf des Patienten: Neurodermitis, Migräne, Tonsillitis, Nasenbluten, Otitis media und Aphthen sind hochtuberkulinische Zeichen. Daher entscheide ich mich, ihm Tuberkulinum KochAlt LM6, 2x wöchentlich 2 Tropfen, zu geben.

Verlauf

Ich höre erst ein paar Jahre später wieder von der Mutter, als ich sie zufällig treffe. Sie erzählt, dass das Mittel Wunder bewirkt habe und sowohl Neurodermitis, Kopfschmerzen als auch Atembeschwerden verschwunden und nicht mehr wiedergekommen seien.

Fazit

Anhand der beiden vorgestellten Fälle erkennt man, wie wichtig es ist, die unterschiedlichen Ursachen von dermatologischen Erkrankungen zu eruieren, um auf das passende heilsame homöopathische Mittel zu kommen.

Alle Erscheinungen, sofern es keine von außen zugeführten Verletzungen sind, sind miasmatischen Ursprungs und somit ein Ventil, das benötigt wird, um uns vor schwereren Krankheiten zu schützen. Daher dürfen in der homöopathischen Behandlung Hauterkrankungen in keinem Fall äußerlich behandelt werden.

„Wenn wir diese Hautkrankheiten einfach als lokale Zustände oder Veränderungen betrachten, ignorieren wir jenes kooperative Prinzip, das den gesamten Organismus als Ganzes reguliert.“
Dr. John Henry Allen (1854-1925), Homöopath

Patricia Torff
Heilpraktikerin mit Schwerpunkten Klassische Homöopathie und Schmerztherapie nach Liebscher & Bracht, Dozentin an der Paracelsus Schule Zürich
info@patricia-torff.de

Foto: © vectorfusionart I adobe.stock.com

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