Wenn der Geist schwindet …
Protektive Wirkung von Holunder bei Demenz
Über 1,2 Millionen Menschen leiden in Deutschland an der Alzheimer-Erkrankung – ein weiterer Anstieg der Inzidenz wird prognostiziert. Obgleich die Ursachen für Demenzen und andere neurodegenerative Erkrankungen vielfältig und im Einzelnen noch nicht vollständig verstanden sind, zeichnet sich u.a. auch ein nutritiver Einfluss auf das Risiko ab. Von besonderer Bedeutung ist hier die Zufuhr an bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffen, im Speziellen von Polyphenolen, deren Aufnahme Untersuchungen zufolge invers mit der Gefahr, an Demenz zu erkranken, korreliert. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der Schwarze Holunder.
Pathogenese
Mit einer erblichen Veranlagung können nur ca. 50% der Alzheimer-Fälle erklärt werden. Die Forschungsergebnisse der letzten Jahre weisen auf eine Beteiligung entzündlicher und oxidativer Prozesse hin. Die vermehrte Bereitstellung von Entzündungsmediatoren (z.B. IL-1, IL-6) und Freien Radikalen im Körper scheint die Schädigung von Neuronen und deren Absterben zu begünstigen.
Besonders bedroht vom Radikalen-Angriff sind Zellmembranen und deren Fettsäuren. Das Gehirn hat einen hohen Sauerstoffbedarf, die Energiegewinnung im Rahmen der Zellatmung läuft hier auf Hochtouren. Generell werden jedoch nur bis zu 97% des eingeatmeten Sauerstoffs vollständig zu Wasser reduziert. Die verbleibenden 3% erfahren eine Umwandlung in Freie Radikale. Damit sind die Gehirnstrukturen einer verstärkten Radikalbelastung ausgesetzt. Der Anteil an oxidationsempfindlichen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist in den Membranen der Nervenzellen besonders hoch, was ebenfalls eine weitere Gefährdung durch Freie Radikale birgt. Schließlich ist die Funktionsfähigkeit der neuronalen Membranen eine wesentliche Voraussetzung für die Reizleitung. Werden die Membranen durch den oxidativen Angriff modifiziert und geschädigt, ist eine synaptische Transmission nicht mehr oder nur eingeschränkt möglich. Ein weiterer Grund für das besondere Risiko durch Freie Radikale liegt im hohen Eisen- und Kupfergehalt der Basalganglien. Erhöhte Konzentrationen können die Umwandlung von Superoxidradikale in die hochtoxischen Hydroxylradikale katalysieren, wodurch die Peroxidation der Membranlipide beschleunigt wird.
Neuroprotektion durch Polyphenole
In Zusammenhang mit der Prävention von Demenz- und anderen degenerativen Erkrankungen ist zusätzlich zur antiinflammatorischen und antioxidativen die nervenzellschützende Wirkung bioaktiver Pflanzeninhaltsstoffe von Interesse. In wissenschaftlichen (tierexperimentellen) Studien konnte gezeigt werden, dass Polyphenole (v.a. jene, die in Beerenfrüchten vorkommen) die Plastizität des Hippocampus deutlich verbessert und altersbedingte Veränderungen in Bezug auf die neuronale Signaltransduktion reversibel waren. Es ergab sich ein Anstieg der antioxidativen Kapazität, eine Verminderung des Untergangs von Neuronen sowie ein Rückgang der Gehirnatrophie (Tab. 1). Interessant ist die hemmende Wirkung, die (Frucht-)Polyphenole auf die Fibrillen- und Amyloidbildung im Gehirn haben. Hier ergaben sich aus wissenschaftlichen Studien Hinweise auf eine Reduktion der Eiweißaggregation, die letztlich für die Plaquebildung im Gehirn verantwortlich gemacht wird.
In einer französischen Untersuchung wurden über 1300 Personen ab dem 65. Lebensjahr über einen Zeitraum von 5 Jahren auf ihre Zufuhr an Polyphenolen (speziell Flavonoide) untersucht. Es zeigte sich, dass die Gruppe mit der höchsten und mittleren Aufnahme, im Vergleich zu jener mit der niedrigsten Aufnahme, ein um 50% reduziertes Risiko für die Entwicklung einer Altersdemenz aufwiesen. Auch die SUVIMAX-Studie, an der mehr als 2500 Probanden mittleren Alters teilgenommen hatten, kam nach Auswertung mittels multivariabler linearer Regression zu folgendem Ergebnis: Die Aufnahme bestimmter Polyphenole (diverse Flavonoide und Phenolsäuren, v.a. Anthocyane) korreliert invers mit dem Risiko des Verlustes an mentaler Leistungsfähigkeit. Probanden, die eine gute Polyphenolversorgung hatten, konnten sich besser artikulieren und hatten ein besseres Gedächtnis als jene, die eine geringe Zufuhr im Alltag praktizierten. Weitere Studien (u.a. die MEAL-Studie aus Italien mit 2044 Probanden) bestätigten denselben positiven Effekt von Polyphenolen auf die Verbesserung der kognitiven Eigenschaften, selbst dann, wenn auch soziodemografische Faktoren (z.B. Schulbildung und -abschluss) mitberücksichtigt wurden.
„Polyphenolbombe“ Schwarzer Holunder
Der Schwarze Holunder kann auf eine sehr lange Tradition im Heilwesen zurückblicken. Bereits in der Antike wurde er vom griechischen Arzt Dioskurides geschätzt und infolge seiner schweißtreibenden und schleimhautschützenden Eigenschaften auch von Hildegard von Bingen empfohlen. Inzwischen sind die Inhaltsstoffe des Moschuskrautgewächses, die für die vielseitigen gesundheitsfördernden Wirkungen der dunklen Früchte verantwortlich gemacht werden, bekannt. Diese weisen einen extrem hohen Anteil an Polyphenolen, und Flavanolen auf. Neben Phytosterinen, Tanninen, Schleimstoffen und den interessanten, immunmodulatorisch wirksamen Arabinogalaktanen kommen nennenswerte Mengen an Vitamin C, B-Vitaminen (v.a. Folsäuren) sowie Nährstoffen wie Kalium und Kalzium vor. Interessant im Hinblick auf eine mögliche neuroprotektive Wirkung ist der hohe Gehalt an Anthocyanen und Phenolsäuren.
Im Rahmen einer kürzlich publizierten Metaanalyse wurden 18 Studien zur mentalen Wirksamkeit von Anthocyanen ausgewertet. Es ergaben sich deutliche Hinweise auf eine verbesserte Gedächtnisleistung und Psychomotorik. In weiteren 54 Arbeiten zeigten sich günstige Effekte auf das kardiovaskuläre System (Verbesserung von Hypertonie, Lipid- und Insulinstoffwechsel). In einer randomisierten kontrollierten Studie erhielten Personen mit milder bzw. moderater Demenz (n = 49) für die Dauer von 12 Wochen täglich ein Glas eines anthocyanreichen Fruchtsafts. Ziel dieser Studie war die Überprüfung der Anthocyane auf die Gedächtnis- und Sprachleistung der Teilnehmer. Es zeigte sich, dass sich sowohl Kurz- und Langzeitgedächtnis wie auch die Sprechfähigkeit und eine bestehende Hypertonie verbesserten.
Wahl eines guten Holunderbeeren-Extrakts
Für einen qualitativ hochwertigen Holunderbeeren-Extrakt (Inhaltsstoffe, damit verbundene Wirkung) hat bereits die Wahl des Extraktionsmittels erheblichen Einfluss. In alkoholischen Auszügen werden wertvolle wasserlösliche Inhaltsstoffe nicht oder kaum miterfasst, eine Kontamination mit dem Lösungsmittel ist möglich. Schonend gewonnene wässrige Extrakte ermöglichen dagegen den Erhalt der ursprünglichen Fruchtmatrix und im Fall des Schwarzen Holunders nicht nur die Gewinnung ausreichender Konzentrationen an Polyphenolen, sondern auch der immunmodulatorisch wirksamen Polysaccharide.
Die Art der Extraktions- und Anreicherungsmethode spielt eine ebenso eine wichtige Rolle. So werden z.B. bei der Gewinnung des Extrakts ElderCraft® (enthalten in rubyni®) ganze Holunderbeeren zunächst zu Saft gepresst, dieser mit Wasserextraktion des Tresters kombiniert und anschließend einer speziellen Ultrafiltration unterzogen. Im Zuge dieses rein physikalischen Verfahrens werden über diverse Membranfilter niedermolekulare Substanzen (z.B. Salz, Einfachzucker) ausgesondert und die hochmolekularen Polysaccharide sowie sekundären Pflanzeninhaltsstoffe zurückgehalten und angereichert.
Fazit
Demenz ist eine Erkrankung mit multifaktorieller Genese. Diese konnte bislang nur unzureichend geklärt werden, allerdings gilt ein nutritiver Einfluss als unumstritten. Unsere Ernährung sollte polyphenolreich sein, wobei der schwarze Holunder (Sorte Haschberg) in Form eines Extrakts einen wesentlichen Beitrag leisten kann.
Buch-Tipp
Prof. Dr. Michaela Döll
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Prof. Dr. rer.
nat. Michaela Döll
Dipl.-Biologin mit mehrjähriger Forschungserfahrung, Professorin an der TU
Braunschweig, Expertin für Ernährung
Fotos: © pathdoc I adobe.stock.com, © domnitsky I adobe.stock.com
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