Familientherapie
In ihrer mit “sehr gut” benoteten Abschlußarbeit zeigt Paracelsus-Absolventin Wilma Hillinger, München, Kinder werden oft Symptomträger elterlicher Trennungsprobleme
Der Fall:
Der Ausgangspunkt der Abschlußarbeit ihres Psychotherapiestudiums war die Fallstudie Nr.3 zum Thema
Familientherapie
Frau P. ist 34 Jahre alt und meldet sich zu einem Einzelgespräch in der Familienberatung mit
dem Hinweis, eine lange Beratungsreihe werde sie sich nicht leisten können. Es gehe ihr im Grunde auch nur um eine
Frage, die sie allein nicht lösen könne. Auch ihr Partner, mit dem sie jetzt seit 2 Jahren zusammenlebe, könne ihr
da nicht helfen. Es gehe um ihre Tochter Nina aus der ersten Ehe. Nina sei 5 Jahre alt und verkrafte einfach die
Besuche beim Vater nicht. Jedes 2. Wochenende stehe ihr ein Drama bevor. Sie selbst würde am liebsten ihren Ex-Mann
gar nicht sehen, wenn er Nina abhole, weil sofort die negativen Erinnerungen wieder geweckt würden. Daß sie diesen
Mann einmal gemocht habe, könne sie heute beim besten Willen nicht mehr verstehen. Ja, sie könne sich ohrfeigen
dafür, sich mit ihm eingelassen zu haben. Liebe sei es wohl nie gewesen, eher schon sexuelle Anziehung. Aber dann
habe sie bald bemerkt, daß er ja nichts anderes als Sex im Sinn gehabt habe, und das hätte sie mehr und mehr
abgestoßen. Als Nina 2 Jahre alt gewesen sei, habe sie dann die Scheidung eingereicht und sich von ihrem Mann
getrennt – sie hatte die Nase gestrichen voll. Inzwischen habe er längst eine andere Frau, aber bestehe nach wie vor
auf der Besuchsregelung, die er auch gerichtlich bestätigt bekommen habe. Nina scheine sich an den Wochenenden im
Haus des Vaters vielleicht sogar ganz wohl zu fühlen, was ja bei der Verwöhnung auch kein Wunder sei. Wenn er sie
dann aber Sonntag abends zurückbringe, brauche sie immer 2 bis 3 Tage, um sich wieder einzugewöhnen. Sie schlafe
dann sehr schlecht und unruhig und wirke auch tagsüber völlig überdreht und hyperaktiv. Kein Spiel werde zuende
gespielt, kein Satz zuende gesprochen. Stattdessen flippe und tobe sie nur durch die Wohnung und sei kaum zu
bändigen. Ähnlich sei es dann auch im Kindergarten. Da könne doch im Grunde kein Jugendamt und kein Gericht
behaupten, diese Regelung sei “zum Wohle des Kindes”! Ihre Frage sei nun, ob die Beratungsstelle ihr nicht helfen
könne, eine andere Besuchsregelung zu erreichen, nach der der Vater das Kind höchstens alle 6 Wochen zu sehen
bekomme.
Inhalte und Analyse
Inhalte
Frau P. ist 34 Jahre alt, geschieden und lebt jetzt seit 2 Jahren in einer
Lebensgemeinschaft mit einem Mann und ihrer 5-jährigen Tochter aus erster Ehe.
Sie formuliert ihre Sorge um die
Tochter Nina, die nach ihrer Einschätzung die Besuchsregelung mit dem Vater nicht verkraftet. Sie möchte eine
Besuchsregelung in größeren Zeitabständen erwirken und fragt, ob ihr die Beratungsstelle dabei helfen kann, dies
durchzusetzen.
Im Gespräch schildert sie auch ihre Einstellung zu ihrem geschiedenen Mann und damit zum Vater ihrer
Tochter. Darüberhinaus beschreibt sie, wie sich ihre Tochter nach den Besuchen beim Vater dann im Haushalt der Mutter
verhält.
Gesprächsanteile nach Inhalten
Ca. 50% der wesentlichen Aussagen beziehen sich auf die
Einstellung von Frau P. zu ihrem geschiedenen Mann. Weitere 30% beinhalten Schilderungen über das Verhalten ihrer
Tochter nach den Besuchen beim Vater. Die restlichen Gesprächsanteile dienen ihrer Zielformulierung und deren
Bekräftigung.
Analyse
Die Ausführungen von Frau P. lassen vorläufig zwei wesentliche Themenfelder
erkennen:
a) Ihre eigene Einstellung zu ihrem geschiedenen Mann und
b) das Verhalten ihrer Tochter nach den
Besuchen beim Vater.
Aus diesen beiden Themenkreisen heraus formuliert Frau P. ihre Zielsetzung nach einer anderen
Besuchsregelung.
Analyse des Themenbereiches a):
Einstellung von Frau P.zu ihrem geschiedenen Mann
Aus der Art
der Formulierung und aus dem Gesprächsanteil zu diesem Thema läßt sich ableiten, daß die Beziehung der geschiedenen
Eheleute noch nicht geklärt, die Trennung zwar vollzogen, aber nicht emotional verarbeitet ist.
Aussagen aus der Fallbeschreibung, wie “sie kann sich nicht vorstellen, daß sie diesen Mann einmal gemocht habe” oder
“sie könne sich ohrfeigen dafür, sich mit ihm eingelassen zu haben” deuten auf Verletzungen und eine starke emotionale
Belastung aus der Beziehung zu ihrem geschiedenen Mann hin. Ihre Bewertung der ehelichen Beziehung und des
geschiedenen Mannes, z.B. durch die Aussage “er habe nichts anderes als Sex im Sinn gehabt und das habe sie mehr und
mehr abgestoßen”, ist negativ und läßt derzeit – auch in Teilaspekten – keine positiven Bewertungen zu. Selbst die
Aussage, daß sich Nina vielleicht bei ihrem Vater am Wochenende ganz wohl fühlt, wird sofort eingeschränkt durch den
Hinweis auf die Verwöhnung.
Verletzungen, Emotionen und unbearbeitete Probleme werden jedesmal aktuell, wenn Nina
vom Vater alle 2 Wochen abgeholt wird. Sie selbst spricht von “negativen Erinnerungen, die geweckt würden” und davon,
daß “ihr jedesmal ein Drama bevorstehe”.
Es gibt keine klaren Aussagen dazu, inwieweit sich dies auf die aktuelle
Beziehung mit ihrem Lebenspartner auswirkt. Der einzige Hinweis auf den Partner: “…ihr Partner könne ihr da nicht
helfen”. Unter dem Gesichtspunkt, daß im Bezugssystem jede Person eine Rolle spielt, ist auch dieser Aspekt im Auge zu
behalten.
Frau P. fokussiert das geschilderte Problem auf die 14-tägige Besuchsregelung und auf die – aus ihrer
Sicht – negativen Auswirkungen bei ihrer Tochter. Daraus resultiert dann auch ihre Zielsetzung der
“Problemverschiebung auf der Zeitachse”: Konfrontation mit dem Problem (“Drama”) statt alle 14 Tage höchstens alle 6
Wochen. Für die Zielerreichung sucht sie jetzt einen Mitstreiter und Helfer aus der Familienberatung.
Aus der Schilderung geht nicht hervor, ob sie die Wirkung ihres eigenen Problems mit dem geschiedenen Mann auf ihre Tochter erkennt bzw. “intuitiv” erfaßt. lch gehe davon aus, daß sie sich der Übertragungsfelder auf ihre Tochter nicht bewußt ist. Sie selbst übernimmt folglich keine Eigenverantwortung für die Situation, wie sie sich jetzt für sie darstellt.
Analyse des Themenbereiches b):
Verhalten der Tochter nach den Besuchen beim Vater
Die
Analyse kann nur auf der Basis von Verhaltensschilderungen durch die Mutter erfolgen. Ein direkter Kontakt zur
5-jährigen Tochter besteht zu diesem Zeitpunkt nicht. Die Analyse ist somit vorläufig und bei einer zustandekommenden
Beratung/Therapie mit der Tochter zu überprüfen und ggf. zu korrigieren.
Aus den Schilderungen der Mutter über das
Verhalten von Nina nach den Wochenend-Besuchen beim Vater fallen folgende Punkte auf:
Nina schlafe schlecht und
unruhig, sei tagsüber überdreht und hyperaktiv, zeige Konzentrationsstörungen. Dieses Verhalten ist aus Sicht der
Mutter zeitlich auf 2 bis 3 Tage nach den Besuchen befristet. Das geschilderte Verhalten tritt zu Hause und im
Kindergarten auf. Eine expansive Verhaltensstörung – zu der Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen gehören –
ist nicht auszuschließen.
Die Einflüsse des “Systems Familie/Bezugspersonen” spielen eine wesentliche Rolle, so daß
insbesondere die Auswirkungen aus dem oben analysierten Themenbereich a) “Einstellung von Frau P. zu ihrem
geschiedenen Mann” zu beachten sind. Die Interaktionen aller Bezugspersonen, insbesondere die auf den als Problem
geschilderten Themenkreis bezogenen, wirken auf das Kind. Meines Erachtens spielen dabei die Interaktionen der Mutter
eine wesentliche Rolle.
Vorläufige Diagnose
Für diesen Fall stehen ausschließlich Schilderungen der Aussagen von Frau P. zur Verfügung. Ohne die Klientin und ihre Tochter gesehen und noch weitere Daten/Informationen erhoben zu haben, läßt sich meines Erachtens keine Diagnose stellen. Für die Tochter kann ohnehin nur ein Verdacht formuliert werden. Der folgende Diagnoseansatz für Frau P dient ausschließlich dieser Abschlußarbeit. In der Praxiswürde ich nach dem vorliegenden Kenntnisstand keine Diagnose gemäß den DSM III Leitlinien abgeben.
In dem Fallbeispiel gehe ich vorerst bei Frau P. sinngemäß von einem “Eheproblem” – in diesem Fall nach Trennung –
aus.
Nach den DSM III-Richtlinien für Diagnostische Kriterien und Differentialdiagnosen sind die Leitlinien unter
V61.10 wie folgt definiert: “Diese Kategorie kann dann verwendet werden, wenn der Anlaß zur Beobachtung oder
Behandlung ein Eheproblem ist, das offensichtlich nicht auf eine psychische Störung zurückzuführen ist. Beispiel ist
ein Ehekonflikt in Zusammenhang mit Entfremdung oder Scheidung” (DSM III R).
Begründung:
Auch wenn die Ehe
formell nicht mehr besteht, ist die Beziehung aus der Ehe – nach meiner Analyse – noch nicht geklärt und emotional
nicht abgeschlossen. Die geschilderten Probleme und Verletzungen bei Frau P. sehe ich ähnlich, wie sie z. B. bei einer
Scheidung auftreten können.
Nach den vorliegenden Schilderungen kann nicht beurteilt werden, ob bei Frau P. eine
psychische Störung vorliegt.
Aufgrund der Ausführungen von Frau P. fällt bei Tochter Nina der Verdacht auf eine Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung. Zum Zeitpunkt der Scheidung war Nina 2 Jahre alt. Inwieweit die Scheidung der Eltern anhaltende psychische Auswirkungen und Verhaltensstörungen bei Nina hervorgerufen hat, kann anhand der Schilderungen nicht beurteilt werden. Eine klassische Diagnose im Sinne der klinischen Leitlinien kann ich hier deshalb nicht stellen.
Therapiemöglichkeiten
Aus der Vielzahl von Therapieformen sollen hier nur, die für diesen Fall wichtigsten Therapiemöglichkeiten, kurz aufgezeigt werden.
Therapiemöglichkeiten bei Erwachsenen
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Verfahren, die
aufdeckend sind und Verfahren, die zudeckend und stützend sind. Beide Verfahrenskategorien haben – sowohl einzeln, als
auch in der Kombination – in der Therapie ihren Sinn und ihre Berechtigung. Ausschlaggebend ist dafür die
Persönlichkeit und die Problemstellung des Klienten.
Aufdeckende Verfahren
Zu diesen Verfahren gehören z.B.
– die Gesprächstherapie,
– die
Transaktionsanalyse,
– die Verhaltenstherapie,
– Elemente der Gestalttherapie und
– teilweise Elemente aus
dem NLP.
Auch die Integrative Therapie und die Familientherapie gehören zu den
aufdeckenden Verfahren. Diese beiden Therapieformen bedienen sich einer Vielzahl von Methoden zur analytischen und
therapeutischen Intervention. Gerade durch die Methodenvielfalt, die hier zum Einsatz kommt, ist eine systematische
Vorgehensweise, die sich am Klienten und dessen Problemstellung orientiert, aus meiner Sicht wichtig.
Die
Bandbreite in diesen Therapieformen und der möglichen Integration von verschiedenen Methoden ist sehr groß und hängt
unter anderem vom jeweiligen “Menschenbild” des Beraters/Therapeuten ab.
In der Familientherapie gibt es aus meiner
Sicht zwei wesentliche Richtungen: Die Mailänder Schule und Vorgehensweisen wie z.B. die von V. Satir. Eine
Gemeinsamkeit beider Richtungen ist die Einbindung der Familie, die als System wirkt.
In der Mailänder Schule ist
die Teilnahme der Familienmitglieder an der Therapie nahezu vorgeschriebenes Gesetz. Das System steht im Vordergrund.
Bei anderen Richtungen der Familientherapie stehen System und Individuum nahezu gleichberechtigt
nebeneinander.
Ich denke, daß auch hier die Problemstellung des Klienten, seine Persönlichkeit und die
Familiensituation entscheidend sind für die Vorgehensweise. Dort, wo es möglich ist, sollte die Familie als System für
die Therapie gemeinsam in die Sitzungen kommen. Das sollte aber nicht zum Dogma werden. Ein starres Festhalten an
diesen Richtlinien kann unter Umständen Therapie und Veränderungsprozesse auch verhindern. Problemstellungen und
Ausgangssituationen lassen Wünschenswertes manchmal auch ganz einfach nicht zu. Zudem schließe ich mich der Auffassung
an, daß auch Veränderungsprozesse durch die Therapie bei einem Individuum auf das System wirken und damit auch auf
diesem Wege im System Veränderungsprozesse stattfinden können.
Zudeckende und stützende Verfahren
Diese Verfahren finden ihren Einsatz (auch) im Rahmen von
Kriseninterventionen: z.B. Lösungsorientierte Therapieformen.
Gemeinsam ist diesen Therapieformen, daß im ersten Schritt das Ziel die Umdeutung des Problems ist (Reframing): Das Problem wird in einen “anderen Rahmen gestellt” und so umgedeutet, daß die darunterliegenden positiven Absichten und Nebenprodukte deutlich werden (V. Satir, R. Bandler, J. Grinder).Wichtig ist hier eine exakte Zieldefinition durch den Klienten unter Einbindung möglichst vieler Wahrnehmungskanäle. lm nächsten Schritt geht es dann darum, Alternativen und Wahlmöglichkeiten im Verhalten zu finden und deren Auswirkungen zu beleuchten und zu festigen (ankern).
Je nach Situation ist es sinnvoll, begleitende Verfahren – die ebenfalls stützend wirken – einzusetzen: z.B.
Autogenes Training.
“Das Prinzip der Methode ist darin gegeben, durch bestimmte physiologisch-rationale
Übungen eine allgemeine Umschaltung herbeizuführen, die in Analogie zu den fremdhypnotischen Verfahren alle Leistungen
erlaubt, die den “echten” suggestiven Zuständen eigen sind” (Schultz, 1932).
Das Autogene Training ist an sich
keine eigene Form der Psychotherapie. Es dient in erster Linie, wie oben zitiert, einem Umschaltprozeß, wenngleich in
fortgeschrittener Form die Übergänge zu psychotherapeutischen Prozessen fließend sind.
Aus meiner Sicht ist ein
weiterer wichtiger Aspekt hier die Konzentration des Klienten auf sich selbst und sein Erleben.
Gruppentherapie
Die wesentlichen Methoden in und mit Gruppen sind – die themenzentrierte Interaktion,
– die systemische Therapie
und
– Methoden der Gestalttherapie.
Die Gruppentherapie hat auf jeden Fall einen stützenden Charakter. Der
Klient findet sich in einer Gruppe mit ähnlichen Problemen wieder, erkennt dabei, daß andere auch Probleme haben.
Allein diese beiden Punkte können dabei helfen, das eigene Problem in seiner Dimension zu relativieren und einen
anderen Zugang bzw. einen anderen Rahmen dazu zu finden.
Der Übergang von stützend zu aufdeckend ist dabei
fließend, so daß die Gruppentherapie für den einzelnen Klienten sehr wohl auch einen aufdeckenden Charakter haben
kann.
Die Gruppentherapie eignet sich als Ergänzung zu Einzelgesprächen, als Fortführung von Einzeltherapie oder
als eigene Therapieform. Auch hier ist die Problemstellung und die Persönlichkeit des Klienten ausschlaggebend.
Therapiemöglichkeiten bei Kindern
Analytische und therapeutische Interventionen bei Kindern
unterliegen besonderen Gegebenheiten. Das Alter der Kinder und damit das Entwicklungsstadium spielen dabei eine
wesentliche Rolle.
Zur Analyse und Prüfung von Therapieverlauf/-ergebnis sowie zur Therapie selbst eignen sich –
auch bei kleinen Kindern – Verfahren, wie z.B. die Auswertung von Kinderzeichnungen und Methoden der Spieltherapie in
der nicht-direktiven Form. Diese Formen setzen auf projektive Methoden:”Die Projektion in der Handlung steht hier im
Vordergrund. Projektive Vorgänge spielen ganz allgemein eine sehr große Rolle. In jeder Erzählung, in jedem Roman, in
jeder Zeichnung … drückt der Künstler Vorgänge aus, die sich in ihm selbst abspielen; er kann im Grunde genommen gar
nichts anderes darstellen als das, was in ihm selbst gegeben ist; er projiziert es in Personen, in Melodien …” (E.
Stern, 1956).
Verfahren “Kinderzeichnung Familie in Tieren”
Hier zeichnet das Kind seine Familie in Tieren.
Diese Methode spiegelt die Familiensituation und die Mitglieder der Primärgruppe aus Sicht des Kindes wieder. (L.
Brem-Gräser, 1995). Besonders wichtig erscheint mir, daß das Kind selbst z. B. die Besonderheiten, Eigenschaften und
die Gefühle, die es mit den dargestellten Tieren verbindet, formuliert und somit selbst die Interpretation gibt. Der
Übergang zur Therapie ist fließend, da bereits im Interpretationsprozess durch das Kind, Veränderungsprozesse
initiiert werden können.
Spieltherapie
Die Spieltherapie als Methode zur Analyse und Therapie eignet sich ebenfalls bei
kleinen Kindern. Die Methode setzt auf kreative Verfahren, so z.B. auf Rollenspiele/Puppenspiele, Arbeiten mit Ton,
freies Spiel.
Die Spieltherapie in der nicht-direktiven Form setzt nicht wertendes Wahrnehmen und eine Atmosphäre des “gewährenden
Annehmens”, der “wohlwollenden Zuwendung”, der “schwebenden Aufmerksamkeit” sowie der “leisen Bestätigung” beim
Beobachter voraus. Die wesentlichen Arbeitsschritte im therapeutischen Prozess sind
– Kontaktfindung
–
Exteriorisation der Konflikte
– Ichstärkung
– Angleichung an die Realität
Jedem dieser Arbeitschritte kommt
eine besondere Bedeutung zu, wobei der erste Schritt der Kontaktfindung für die Vertrauensbasis und den
therapeutischen Prozess eine Schlüsselrolle einnimmt.
Verfahren aus der hypnotherapeutischen Arbeit
In der überexklusiven Phase der
Aufmerksamkeitssteuerung im Vorschulalter wird das Kind von einzelnen Aspekten seiner Umwelt “gefangen genommen”. Dies
kann in Form von Metaphern oder Imagination genutzt werden, mit dem Ziel, Inhalte – die in der aktuellen Situation
nicht bewußt sind – im Sinne einer Problemlösung zu aktivieren und alternative Lösungen zu entwickeln.
“Eine
Metapher ist im allgemeinen dadurch besimmt, daß sie eine Sache in den Begriffen einer anderen ausdrückt, wobei
diese Verknüpfung ein neues Licht auf die beschriebene Sache wirft” (Kopp 1971, zit. nach Gordon 1986) Vorgehensweise und konkretes Therapieangebot
Hintergründe: Ich habe hier bewußt die Formulierung eines Therapie-Angebotes gewählt, da im
vorliegenden Fall das Beispiel mit der konkreten Frage “nach der Hilfe zum Erreichen einer anderen Besuchsregelung”
endet. Das heißt, Frau P kommt nicht wegen ihrer eigenen Konflikte mit der Situation, sondern mit einem konkreten
Ziel. Die Beratungsstelle hat aber keine formellen Möglichkeiten, eine Änderung der Rechtsprechung zu der bereits
gerichtlich bestätigten Besuchsregelung herbeizuführen. Es bestehen aber sehr wohl Möglichkeiten, die derzeit
bestehenden Konflikte auf therapeutischem Wege so zu lösen, daß
” ein konstruktiver Umgang mit der geschilderten
Situation möglich ist (Krisenintervention) und darüber hinaus
” Bewältigungs- und Veränderungsprozesse bei Frau
P. sich auch auf das System dauerhaft “gesünder” auswirken.
Aus der Fallbeschreibung geht nicht hervor, ob
sich Frau P. persönlich oder telefonisch bei der Beratungsstelle für ein Einzelgespräch gemeldet hat. Ich gehe davon
aus, daß es sich – unabhängig von der Kontaktaufnahme – um eine Terminvereinbarung für ein noch folgendes
Einzelgespräch geht.
Kontaktphase
Die Kontaktphase ist für den weiteren Verlauf enorm wichtig. Dazu gehört auch das
therapeutische Verhalten beim (telefonischen oder persönlichen) Erstkontakt. Bereits bei diesem Erstkontakt gilt es,
Verständnis für die Problemstellung und für ihre Verletzungen zu zeigen. Die konkrete Frage von Frau P. nach
“Unterstützung zur Erreichung einer anderen Besuchsregelung” sollte in keinem Fall einfach mit einem “Ja” oder “Nein”
beantwortet werden. Ziel im Erstkontakt ist es, ihr deutlich zu machen: Ich nehme mir gerne Zeit für sie und möchte
gerne mehr über ihre Problemstellung erfahren.
Erstgespräch
Beim Erstgespräch geht es dann darum, Vertrauen durch Akzeptanz, Empathie und
Kongruenz zu schaffen. Während dieser Phase gelten für mich die “Regeln” der Gesprächspsychotherapie nach C. Rogers.
Das Gespräch muß einen stützenden Charakter haben.
Für das Erstgespräch stehen somit folgende Ziele im
Mittelpunkt:
– Frau P. spürt das Verständnis, das ihr entgegengebracht wird
– Sie nimmt das Gefühl mit, daß es
verschiedene Lösungswege/Bewältigungsmöglichkeiten für ihr aktuelles Problem der Besuchsregelung gibt und daß sie auch
die Kraft hat, diese zu finden,
– Sie ist motiviert, weitere Gesprächstermine wahrzunehmen,
– Sie erkennt, daß
sie damit auch ihrer Tochter hilft und
– Sie ist bereit, ein Arbeitsbündnis einzugehen.
Der Schwerpunkt im
Erstgespräch liegt – im Sinne einer Krisenintervention – darin, die Überzeugung zu schaffen, daß das aktuelle Problem
auch ohne formellen Weg (= Änderung der gerichtlich bestätigten Besuchsregelung) zu lösen ist.
Inwieweit bereits
beim Erstgespräch eine (neue) Zieldefinition durch Frau P. für die Problemstellung möglich ist, hängt vom
Gesprächsverlauf ab. Die positive und konkrete Zielformulierung nach den Kriterien des NLP und der lösungsorientierten
Therapieformen kann auch zu Beginn der nächsten Sitzung im Rahmen der Therapie erfolgen. Auf jeden Fall muß die
Zielformulierung am Anfang stehen. (Walter/Peller 1995, Stahl 1994)
Exploration
Im Erstgespräch und im Laufe der nächsten Sitzung/en geht es darum, weitere
Informationen/Daten zu erheben. Zum einen aus ihrem eigenen Erleben, zum anderen hinsichtlich des Verhaltens ihrer
Tochter.
Im Zuge der Exploration liegt zu Beginn ein besonderes Augenmerk darauf,
– wie ihre jetzige
Lebenssituation ist (Beruf, Lebensstandard, finanzielle Situation, Partnerschaft)
– wie Frau P. ihre Ehe erlebt
hat
– ob ihre Tochter ein Wunschkind war, wie die Geburt verlief und die eheliche Beziehung nach der Geburt
war
– wie die Tochter auf die Trennung der Eltern reagierte und wie sich ihr jetziges Verhalten gegenüber dem
Vater, dessen Frau, sowie dem Lebenspartner der Mutter und gegenüber Frau P. darstellt.
Auf dieser Basis kann dann
der Therapieplan im Sinne eines lösungsorientierten Vorgehens erstellt werden und ist dann ein weiterer Baustein zur
Festigung des Arbeitsbündnisses. Inwieweit dies bereits nach der ersten Sitzung erfolgen kann oder ein weiteres
Gespräch dazu notwendig ist, hängt vom Gesprächsverlauf ab.
Die Exploration ist aus meiner Sicht keine abgeschlossene Phase. Im Laufe der Gespräche können weitere Themenfelder auftauchen, die eine weitere Erhebung von Informationen/Daten notwendig macht; so z.B. die Frage nach der Ursprungsfamilie von Frau P., der Kindheit und Jugendzeit.
Therapieplan und Therapieverlauf
Der Therapieplan dient dazu, das Arbeitsbündnis zu
konkretisieren und zu strukturieren.
Therapieplan für Frau P.
In diesem Fall stelle ich mir für Frau P. einen Therapieplan vor, der
verschiedene “Bausteine” enthält, die einander ergänzen. Im Sinne der integrativen Therapie und im Sinne der
Familientherapie gilt es hier, verschiedene Methoden bei den analytischen und therapeutischen Interventionen zu
verknüpfen. Die Prozesse dabei sind fließend, folgen aber einer klaren Struktur. Wesentliche Eckpfeiler des
Therapieplanes und damit des Arbeitsbündnisses mit Frau P. sollten aus meiner Sicht folgende Punkte sein:
Einzelsitzungen mit Frau P.
Im ersten Schritt ist Ziel dieser Einzelgespräche, daß Frau P.
–
ihr Ziel klar und eindeutig definiert, sich ein Bild von der bereits “gelösten Situation der Besuchsregelung” macht
und beschreibt, woran sie die Veränderung erkennt
– auf der kognitiven und der emotionalen Ebene ihre Ehe be- und
verarbeitet (Gefühle erkennen und annehmen, einen Zugang dazu finden, neue Bilder/neues Erleben ermöglichen)
– auf
der Verhaltensebene neues Verhalten/neue Bewältigungsstrategien findet, ausprobiert und übt.
Krisenintervention zur Besuchsregelung
Im Sinne einer lösungsorientierten Vorgehensweise kann es
sinnvoll sein, das von Frau P. formulierte Problem der Besuchsregelung in einer familientherapeutischen Sitzung zu
lösen. Das bedeutet, ein oder zwei Sitzungen mit Frau P. und ihrem geschiedenen Mann zu gestalten. Diese Sitzung soll
dann ausschließlich dem Ziel dienen, eine für alle tragbare Besuchsregelung zu finden und den Rahmen dazu zu
definieren. Angelehnt an das Verfahren der Mediation ist hier die Aufgabe des Beraters/Therapeuten, als neutraler
Dritter zu unterstützen und auf die Struktur des Prozesses zu achten. Der Inhalt ist Sache von Frau P. und ihrem
geschiedenen Mann. Eine derartige Vorgehensweise führt zu höherer Akzeptanz und fördert die Kooperation der Partner
auch für und in künftigen Situationen. (Oerta/Montada, 1995)
Diese Krisenintervention ist begleitend zu den
Einzelgesprächen zu sehen.
Inwieweit diese Möglichkeit zum Tragen kommt und zu welchem Zeitpunkt, hängt vom
therapeutischen Verlauf der Einzelgespräche mit Frau P. ab und von der Bereitschaft ihres geschiedenen Mannes.
Gruppentherapie
Ziel der Gruppentherapie ist es, Menschen mit ähnlichen Problemen und
Lebenssituationen zusammenzubringen. Dabei ist es für den einzelnen wichtig, zu erleben, daß er mit seinem Problem
nicht alleine ist und von der Gruppe angenommen wird.
Für Frau P. wäre eine Gruppe von Alleinerziehenden sinnvoll,
die nach den Regeln der systemischen Therapie bzw. der themenzentrierten Interaktion angeleitet wird.
Vorläufiger Therapieplan für die Tochter Nina
Bei der Tochter Nina geht es im ersten Schritt
darum, sich in einem perönlichen Kontakt ein Bild von ihr zu machen.
Erst dann kann ein Therapieplan erstellt
werden. Hier gelten sinngemäß die gleichen “Spielregeln” wie beim Erstgespräch mit Erwachsenen: Akzeptanz, Empathie
und Kongruenz stehen im Vordergrund.
Ein Therapieplan für Nina könnte folgende therapeutische Methoden umfassen:
Spieltherapie
Die
erste Sitzung – evtl. auch eine zweite -sollte gemeinsam mit der Mutter erfolgen. Dabei liegt das Augenmerk auf den
Interaktionsmustern zwischen Mutter und Tochter. Im Rahmen der Spieltherapie gilt es dann erstmal zu analysieren, wie
Nina mit der Trennung der Eltern umgeht und welche Bewältigungsstrategien sie einsetzt.
Verfahren “Kinderzeichnung Familie in Tieren”
Hier geht es darum, Ninas Sichtweise und ihr
Erleben der Bezugspersonen im System zu erkennen. Dazu zeichnet sie die Familie -in diesem Fall die erweiterte Familie
– in Tieren und schildert, was sie mit den einzelnen Tieren auf der emotionalen und kognitiven Ebene verbindet. In der
Zeichnung sollten folgende Personen dargestellt sein: Nina, Mutter und deren Lebenspartner, Vater und dessen Frau,
ggf. weitere Bezugspersonen, wie z.B. Großeltern.
Autogenes Training für Kinder
Sollte sich der Verdacht auf eine Aufmerksamkeits- und
Hyperaktivitätsstörung bestätigen, wäre ggf. als begleitende Maßnahme die Teilnahme an einem Kurs “Autogenes Training
für Kinder” sinnvoll. Dabei ist das Alter und die Entwicklung von Nina zu berücksichtigen. Für zu Hause könnten ggf. –
bei entsprechender Einstellung von Frau P. – auch Geschichten zum Vorlesen mit integrierten Entspannungsübungen und
Geschichten zur Ichstärkung empfohlen werden.
Verfahren aus der hypnotherapeutischen Arbeit
Hier kommen Metaphern und Imaginationen zum
Einsatz, die auf dem akuellen Interessenkreis des Kindes aufbauen und positive Suggestionen zur Ichstärkung
beinhalten.
Therapiesetting und Therapiedauer
Bei Frau P. gehe ich vorerst von ca. 8 Einzelgesprächen aus.
Sind in dieser Zeit die wesentlichen Ziele erreicht und u.a. neue Bewältigungsstrategien im Umgang mit ihrem
geschiedenen Mann – insbesondere auch mit der Besuchsregelung – entwickelt, so kann der weitere therapeutische Prozess
im Rahmen einer Gruppentherapie erfolgen. Diese Vorgehensweise berücksichtigt auch die finanzielle Situation von Frau
P. (“… eine lange Behandlungsreihe werde sie sich nicht leisten können”), da eine Gruppentherapie erheblich günstiger
ist.
Die Einzelgespräche sollten wöchentlich erfolgen. Wenn möglich sollten zu Beginn zwei Termine pro Woche
vereinbart werden. Für das Verfahren der Mediation sind ein bis zwei Sitzungen vorgesehen.
Bei Tochter Nina kann zum Umfang einer Therapie noch nichts gesagt werden, da derzeit zwar Verdachtsmomente, aber keine konkreten Anhaltspunkte (z. B. für eine expansive Verhaltensstörung) bestehen.
Literaturverzeichnis
III Arist von Schlippe, 1995: Familientherapie im Überblick
Virginia
Satir/Michele Baldwin 1993: Familientherapie in Aktion
Oerta/Montada,1995: Entwicklungsspychologie
Luitgard
Brem-Gräser, 1995: Familie in Tieren. Die Familiensituation im Spiegel der
Kinderzeichnungen
S.Mrochen/K.L.Holtz/B.Trenkle (Hrsg.),1993: Die Pupille des Bettnässers. Hypnotherapeutische
Arbeit mit Kinder und Jugendlichen
Hartmut Kraft,1989:AutogenesTraining. Methodik, Didaktik und
Psychodvnamik
Carl R.Rogers,1995: Die nicht-direktive Beratung
John L.Walter/JaneE.Peller, 1995:
Lösungsorientierte Kurzzeittherapie
Thies Stahl, 1992: Neurolinguistisches Programmieren (NLP)
Paul Watzlawick,
1976: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?
W.Toman/R.Egg (Hrsg.), 1985: Psychotherapie
Bachmair et al., 1994:
Beraten will gelernt sein
1989, DSM III-R, Diagnostische Kriterien und Differentialdiagnosen
John 0.Stevens,
1993: Die Kunst der Wahrnehmung. Übungen der Gestalttherapie
Fritz Riemann, 1995: Grundformen der Angst
Wilma Hillinger, 1957 in München geboren, ist Mutter eines 6-jährigen
Sohnes und hauptberuflich im Marketing bei einem Finanzdienstleister tätig.
Abends und in der Freizeit beschäftigt
sie sich schwerpunktmäßig mit Phantasie-Reisen und “Märchen, die weiterhelfen”. Diese Art der therapeutischen
Intervention eignet sich aus ihrer Erfahrung nicht nur für Kinder, sondern auch für einen bestimmten Kreis von
Erwachsenen. Der wesentliche Vorteil in der Beratungspraxis bei der Überwindung von Problemsituationen liegt darin,
daß sich dem Klienten die Möglichkeit bietet, eine andere, distanziertere Sichtweise der Problemsituation zu erleben
und darüber hinaus mit Lösungsmöglichkeiten zu “spielen”. Dieses “Spielen” schafft nachhaltig eine größere Bandbreite
von Reaktionsmöglichkeiten in der Bewertung von Problemsituationen und im direkten Umgang damit. Auch im beruflichen
Alltag profitiert sie von ihrer Ausbildung zur Psychologischen Beraterin: Sei es bei schwierigen Meetings, bei
Beratungen von Vertriebsdirektoren, wo es oftmals auch um Führungsaufgaben und -verhalten geht oder einfach auch beim
Transfer von Sachinhalten.
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Naturheilkunde