Chronische Erschöpfung bei Brustkrebs
Vielversprechender Behandlungsansatz mit S-Acetylglutathion
Cancer-Fatigue, Krebs-Fatigue, krebsbedingte Erschöpfung, chronische Müdigkeit bei Krebs, Tumor-Fatigue-Syndrom … viele Namen beschreiben die wohl belastendste „Begleiterscheinung“ von Brustkrebs. Die extreme Schwäche tritt auch bei fast allen anderen bösartigen Tumoren und deren Behandlung auf. Und sie kann nach Abschluss der Therapie noch jahrelang anhalten. Das Wort „Fatigue“ kommt aus dem Französischen und bedeutet „Mattigkeit, Erschöpfung“.
Cancer-Fatigue führt zu starken Einschränkungen der Lebensqualität, Leistungsfähigkeit, im Beruf und Alltagsleben. Daher kann man der Fatigue durchaus einen eigenen Krankheitswert zusprechen. Viele Patientinnen und Patienten ziehen sich aufgrund der Schwäche immer mehr zurück – bis hin zur vollkommenen sozialen Isolation. Von der Umwelt werden sie völlig zu Unrecht oftmals als hypochondrisch wahrgenommen. Und auch von den Therapeuten fühlen sie sich häufig alleingelassen, denn es existieren keine einheitlichen Therapieempfehlungen.
Dabei gibt es offenbar durchaus einen vielversprechenden Behandlungsansatz: die Therapie mit SAG (S-Acetylglutathion). Erste klinische Erfahrungen mit diesem Wirkstoff sind sehr gut. Noch gibt es zwar keine veröffentlichten medizinischen Studien, doch ist eine Beobachtungsreihe derzeit in Vorbereitung. Im Folgenden soll der Behandlungsansatz am Beispiel Brustkrebs vorgestellt werden.
Fatigue – auch bei Brustkrebs eines der Hauptprobleme
Brustkrebs ist deutschlandweit und international die häufigste Krebserkrankung bei Frauen.
Während der Chemo- und Strahlentherapie leiden fast alle Brustkrebspatientinnen an Erschöpfung (3). Rund zwei Drittel
der betroffenen Frauen empfinden die therapiebegleitende Schwäche als mittelschwer bis schwer (6, 7). Auch nach der
Behandlung sagt etwa die Hälfte der Brustkrebspatientinnen, die extreme Mattigkeit beeinträchtige ihre Lebensqualität
erheblich (1, 3, 4, 7). In einer anderen Studie wurden rund 450 Brustkrebspatientinnen 2 bis 10 Jahre nach der
Behandlung gefragt, was das jetzt vorherrschende Problem sei. Ergebnis: die Erschöpfung und ein reduziertes
Durchhaltevermögen (3) – und das, obwohl die Frauen inzwischen alle krankheitsfrei waren! Aufgrund dieser Zahlen lässt
sich das Ausmaß der Beschwerden erahnen.
Fatigue ist also keineswegs ein Randsymptom, sondern eine zentrale Problematik bei Brustkrebs.
Was Glutathion mit Erschöpfung zu tun hat
Welche Abläufe im
Körper genau zu der schweren Erschöpfung führen, ist noch nicht ganz geklärt. Sicher ist aber, dass das
Glutathion-System im menschlichen Organismus eine Hauptrolle für Energie und Leistungsfähigkeit spielt.
Glutathion ist ein körpereigener Stoff, der lebenswichtige Aufgaben erfüllt. In seiner aktiven Form (man spricht vom „reduzierten Glutathion“, G-SH) kann es bsw. freie Radikale neutralisieren. Diese verursachen eine Vielzahl von Schäden an biologischen Strukturen. Auf Zellebene können sie die „Zellkraftwerke“ (Mitochondrien) schädigen, die u.a. für die Energiebereitstellung des Körpers zuständig sind. Dafür produzieren sie das energiereiche ATP – quasi die „Energiewährung“ unseres Organismus.
Normalerweise schützt reduziertes Glutathion die Zellen vor freien Radikalen. Wenn es „verbraucht“ (oxidiert) ist, kann der Körper es wieder regenerieren und in die aktive Form zurückführen. Ist man aber extrem vielen freien Radikalen ausgesetzt – das ist z.B. im Rahmen eines Tumorgeschehens und ganz besonders bei der Chemo- und Strahlentherapie der Fall – dann wird zu viel reduziertes Glutathion verbraucht. Die Regenerationsmechanismen können nicht mehr nachkommen. Es entsteht ein Glutathion-Mangel. Die Mitochondrien werden geschädigt und können nicht mehr ausreichend ATP produzieren. Forscher nehmen an, dass es so zu Müdigkeit und Erschöpfung kommt (8).
Was das Glutathion-System sonst noch kann
Glutathion und Entgiftung
Zu den wichtigsten Funktionen des
Glutathions gehört die Entgiftung schädlicher Substanzen, die zum einen von außen auf den Organismus eindringen und
zum anderen beim menschlichen Stoffwechsel anfallen. Das körpereigene reduzierte Glutathion bindet diese Schadstoffe,
so dass sie über die Nieren ausgeschieden werden können.
Glutathion und Schmerz
Bei Krebserkrankungen hat Glutathion
sehr willkommene „Nebeneffekte“: Es fördert die Produktion des Endorphins SAM, das schmerzstillend, antidepressiv und
stimmungsaufhellend wirkt. In der Krebsbehandlung wurden unter der Begleittherapie mit Glutathion bedeutende
Verbesserungen der Lebensqualität und der Gesundheit beobachtet (9, S. 207).
Glutathion und Knochenmark
Zudem reduziert Glutathion die
Schwere der sogenannten Knochenmarkdepression (9, S. 207), die oftmals mit der Chemo- und Strahlentherapie verbunden
ist. Kommt es zu dieser Nebenwirkung, dann produziert das Knochenmark zu wenige Blutzellen. Der Mangel an Erythrozyten
(Anämie) bewirkt, dass man schneller ermüdet und leistungsschwach ist. Durch den Thrombozytenmangel ist die
Blutungsneigung erhöht. Insgesamt wird das Immunsystem geschwächt und es kann zu schweren Infektionen kommen.
S-Acetylglutathion scheint diese Folgen der Krebstherapie zu verringern.
Weitere Funktionen von Glutathion
Darüber hinaus
unterstützt das Glutathion-System die Abwehrkräfte, die Entzündungshemmung und reguliert die lebensnotwendige Eiweiß-
Produktion im Organismus.
Auf die Bioverfügbarkeit kommt es an
Nicht nur bei Krebs und während der
Krebstherapie, sondern auch bei vielen anderen Erkrankungen ist ein erniedrigter Glutathion-Spiegel feststellbar (5),
denn reduziertes Glutathion spielt eine ganz entscheidende Rolle für die Leistungsfähigkeit und die Gesunderhaltung
des menschlichen Körpers. Ein interessanter Ansatzpunkt der Therapie bei Cancer-Fatigue ist daher der Ausgleich des
Glutathion-Mangels.
Doch nicht mit jedem Glutathion-Präparat kann ein Glutathion-Mangel ausgeglichen werden. Um den Glutathion-Spiegel tatsächlich zu erhöhen, muss das reduzierte Glutathion „bioverfügbar“ sein. Bei oraler oder intravenöser Gabe von reinem reduzierten Glutathion würde dieses im Körper sofort oxidieren. Danach ist es nicht mehr „aktiv“, hat also praktisch keine positiven Wirkungen mehr. Genau dies ist der Grund, warum die Therapie mit „normalem“ reduzierten Glutathion keine langanhaltenden Effekte hat.
Auch mit der Gabe von Acetylcystein ist der intrazelluläre Glutathion-Spiegel bei Mangelzuständen kaum zu heben. Acetylcystein soll dem Körper Cystein zur Verfügung stellen, das dieser wiederum zur Produktion von Glutathion benötigt. Leider zeigen klinische Erfahrungen, dass sich der Glutathion-Spiegel mit Acetylcystein nicht wesentlich beeinflussen lässt.
Die Lösung des Problems liegt vielmehr in der pharmazeutischen Aufbereitung von reduziertem Glutathion.
Schutz durch Acetylierung
Um den Glutathion-Spiegel
effektiv zu erhöhen, muss reduziertes Glutathion in die Zelle gelangen. Dafür muss es auf seinem Weg dorthin vor
Oxidation geschützt werden. Erst vor Ort darf es in seine bioverfügbare Form übergehen, wie sie auch der (gesunde)
Körper selbst herstellt. Dieses Problem hat der Biochemiker Dr. med. habil. Gerhard Ohlenschläger gelöst, indem er den
pharmazeutischen Wirkstoff S-Acetylglutathion (SAG) entwickelte. Er acetylierte das reduzierte Glutathion – ein
bewährtes Verfahren, das z.B. auch bei Acetylsalicylsäure (Aspirin®) angewandt wird. So ist das reduzierte Glutathion
vor unerwünschten Reaktionen geschützt, bis es an seinen Wirkort gelangt. Dort wird es enzymatisch zu reduziertem
Glutathion rückgebaut.
Individuelle Behandlung
Die Gesamttherapie der
Cancer-Fatigue wird immer mehrere Elemente beinhalten. Wichtig sind z.B. Bewegung und Ernährung. Ein Standardelement
des Gesamtkonzepts sollte jeweils S-Acetylglutathion sein. Da sich S-Acetylglutathion, Vitamin D3 und Selen
gegenseitig in ihrer Wirkung unterstützen, ist es sinnvoll, eine Kombination dieser drei Stoffe einzunehmen.
Zusätzlich kann eine Hochdosistherapie mit Vitamin C, Coenzym Q10 und/oder Magnesium empfehlenswert sein. Je nach
Ernährungsgewohnheiten muss auch an B-Vitamine gedacht werden.
Die Dosierung wird individuell angepasst. Hierzu sind vor der Behandlung und im weiteren Verlauf Blutproben zu entnehmen. Auf diese Weise können die jeweiligen Blutspiegel (z.B. an Glutathion, Vitamin D3 und Selen) genau analysiert werden und der Behandlungserfolg wird auch labortechnisch überprüfbar. Gerade in Kombination mit Selen steigt der Glutathion-Spiegel durch S-Acetylglutathion oft sehr schnell an und Verbesserungen sind bald zu spüren. Für die Blutuntersuchung stehen spezialisierte Labors zur Verfügung (die exakte und reproduzierbare Messung des reduzierten Glutathions ist schwierig – siehe Labor-Empfehlung am Ende des Artikels).
Die anfangs recht hohen Kosten sinken rasch, denn wenn ein guter Glutathion-Spiegel im Blut erreicht ist, braucht man nur noch eine Erhaltungsdosis. Die Behandlung wird nur in Ausnahmefällen von den Krankenkassen erstattet.
Eine Über- oder Unterdosierung von S-Acetylglutathion ist grundsätzlich unbedenklich; Wechselwirkungen zwischen S-Acetylglutathion und anderen Therapeutika sind nicht bekannt.
Zusammenfassung
Vieles weist darauf hin, dass bei der
Entstehung der Cancer-Fatigue eine Störung des Glutathion-Stoffwechsels eine wesentliche Rolle spielt. Will man die
entsprechenden Krankheitsmechanismen beeinflussen, dann bietet sich der pharmazeutische Wirkstoff S-Acetylglutathion
als mögliches Element der Therapie an. Die Gesamttherapie wird immer noch weitere Elemente umfassen, z.B. Bewegung und
Ernährung sowie Vitamin D3 oder Selen. Viele Patientinnen berichten, dass ihr Leidensdruck durch die Fatigue damit
erheblich gemindert wurde. Positiv zu bewerten sind außerdem gesundheitsfördernde „Nebeneffekte“ wie Immunstärkung und
Verminderung einer Knochenmarkdepression. Die bisherigen Erfahrungen mit diesem Wirkstoff sind äußerst positiv.
Professor Dr. med. Ingrid Gerhard
Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Gründerin der Ambulanz für Naturheilkunde an der
Universitäts-Frauenklinik in Heidelberg
Literaturnachweis:
(1) Andrykowski MA, Curran SL, Lightner R (1998) Off-treatment fatigue in breast cancer survivors: a controlled comparison. J Behav Med 21:1–18
(2) Baumann FT, Wajda S, Bloch W (2009) Einflüsse von körperlichen Aktivitäten auf das Fatiguesyndrom von Brustkrebspatientinnen. Z Komplement Med 1:14–8
(3) Berglund G, Bolund C, Fornander T et al. (1991) Late effects of adjuvant chemotherapy and postoperative radiotherapy on quality of life among breast cancer patients. Eur J Cancer 27:1075–81
(4) Bower JE, Ganz PA, Desmond KA et al. (2000) Fatigue in breast cancer survivors: occurrence, correlates, and impact on quality of life. J Clin Oncol 18:743–53
(5) Ganten P, Ruckpaul K (2006) Molekularmedizinische Grundlagen von para- und autokrinen Regulationsstörungen. Berlin: Springer
(6) Irvine D, Vincent L, Graydon JE et al. (1994) The prevalence and correlates of fatigue in patients receiving treatment with chemotherapy and radiotherapy: a comparison with the fatigue experienced by healthy individuals. Cancer Nurs 17:367–78
(7) Linke J (2009) Cancer Fatigue und gestörte Ruhe/Aktivitäts-Regulation bei Mammakarzinom-Patientinnen. Eine explorative Fall-Kontroll-Studie. Univ. Diss., Med. Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin
(8) Myhill S, Booth ME, McLaren-Howard J (2009) Chronic fatigue syndrome and mitochondrial dysfunction. Int J Clin Exp Med 2(1):1–16
(9) Pfeifer B, Preiß J, Unger C (Hrsg.) (2006) Onkologie integrativ. Konventionelle und komplementäre Therapie. München: Elsevier
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