Heilpraktikerin Dr. Johanna Budwig
Ernährungspionierin, Fettforscherin, Heilpraktikerin Dr. Johanna Budwig (1908 –
2003) war eine vielseitig begabte Persönlichkeit. Unser heutiges Wissen über gesundheitsfördernde Omega-3-Fettsäuren
verdanken wir auch ihren Studien (1). Kornelia Paßiel, Ökotrophologin und Ernährungsberaterin zeichnet das Porträt
einer starken Frau, die ihr Leben dem Leinöl und seinen heilenden Wirkungen verschrieben hatte. Die Dr. Johanna
Budwig Stiftung hat dazu eine aktuelle Fibel herausgegeben, die praxisorientiertes Beratungswissen rund um Leinöl
und Omega-3 vermittelt.
Die Wissenschaftskarriere von Dr. Johanna Budwig ist beachtlich. Sie studierte Physik, Chemie, Medizin, Biologie, Botanik und promovierte im Fach Physik bei Professor Kaufmann, einem in den 1950er-Jahren anerkannten Experten auf dem Gebiet der Fettchemie und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Fettforschung. Zu dieser Zeit hatte Dr. Budwig auch ihr Staatsexamen in Pharmazie und ihr Diplom im Fach Chemie längst erfolgreich absolviert.
Der Durchbruch
Professor Kaufmann war – wie viele mit ihm –
überzeugt von den herausragenden analytischen Fähigkeiten der Wissenschaftlerin. Und er sollte recht behalten: Nach
intensiver Erforschung konnte er 1950 gemeinsam mit Dr. Budwig auf dem Münchener Fettforscher-Kongress
richtungsweisende Ergebnisse präsentieren, die noch im gleichen Jahr unter dem Titel „Neue Wege der Fettanalyse“ in
der Fachzeitschrift „Fette und Seifen“ veröffentlicht wurden (2). Jetzt gab es erstmals gesichertes Wissen auch über
die Ungesättigtheit einer Fettsäure. Für die Fettforschung war das eine revolutionäre Neuerung, für Dr. Budwig der
wissenschaftliche Durchbruch.
Ungesättigte Fettsäuren in Leinöl
Mit dem neuen
Analyseverfahren der Papierchronomatographie war die Wissenschaft nun in der Lage, auch das Leinöl als bedeutende
Quelle hoch ungesättigter Fettsäuren zu identifizieren. Dr. Budwig widmete sich in der Folgezeit entsprechenden
Untersuchungen. 1951 wurde sie Obergutachterin für Arzneimittel und Fette im staatlichen Gesundheitsamt.
Neue Wege als Heilpraktikerin
Um die Behandlung ihrer
Patienten mit alternativen Heilmethoden auf feste Füße zu stellen, ließ sich Dr. Budwig zur Heilpraktikerin ausbilden.
Auf internationalem Parkett war sie inzwischen als „Flaxlady“ bekannt. Mit ihrem Heilwissen und der natürlichen
Stärkung der von ihr entwickelten Öl-Eiweiß-Kost für Zellen und Herz behandelte sie über 40 Jahre erfolgreich
Patienten, die aus der ganzen Welt zu ihr kamen.
Grundstein der Fettforschung
Dr. Johanna Budwig stirbt 2003
infolge eines Unfalls im Alter von 95 Jahren – wohl in der Gewissheit, dass ihr Forschungserbe erhalten bleibt.
Tatsächlich beruht unser heutiges Verständnis von den Inhaltsstoffen und den Gesundheitswirkungen mehrfach
ungesättigter Fettsäuren zu großen Teilen auf ihren Erkenntnissen.
Aktuelles Wissen
Schon seit vielen Generationen verzehren
Menschen Omega-3-Fette aus Fisch, Gemüse, Nüssen oder Ölsaaten. Unsere Gesundheit hängt buchstäblich von der
regelmäßigen Zufuhr der lebensnotwendigen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren Alpha- Linolensäure (ALA) und Linolsäure
(LA) ab. Der Körper benötigt diese Fettsäuren für die Bildung der Zellmembranen und für eine Vielzahl
unterschiedlicher Stoffwechselfunktionen. Ein Ungleichgewicht zwischen Omega-3- und Omega-6-Fetten in der Ernährung
kann einen Anstieg entzündungsauslösender Stoffe im Körper bewirken, die zur Entwicklung zahlreicher
Zivilisationserkrankungen beitragen (3). Die Zusammenhänge zwischen bester Gesundheit und guter Versorgung des Körpers
auf zellulärer Ebene mit essentiellen Fettsäuren stellte Dr. Budwig schon zu Beginn der 1950er- Jahre dar. „Das Fehlen
dieser hoch ungesättigten Fettsäuren führt viele Lebensfunktionen zum Erlahmen“, ist eine oft getätigte Aussage der
Wissenschaftlerin (4).
Der Körper kann nicht alles
Grundsätzlich ist der
menschliche Organismus in der Lage, unterschiedliche Fettsäuren selbst aufzubauen. Eine bedeutsame Ausnahme bilden
jedoch die Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure (ALA) und die Omega- 6-Fettsäure Linolsäure (LA). Durch
Kettenverlängerung (Elongation) und Einfügen von weiteren Doppelbindungen (Desaturierung) werden die höher
ungesättigten Omega-3- Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) und die Omega- 6-Fettsäuren
Gamma-Linolensäure (GLA), Dihomo-Gamma-Linolensäure (DGLA) und Arachidonsäure (AA) synthetisiert. Problematisch ist,
dass Desaturierung und Elongation der Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren durch dieselben Enzyme erfolgen. LA und ALA
konkurrieren im menschlichen Körper um die Verstoffwechselung durch das Enzym Delta- 6-Desaturase.
Das bedeutet: Wir müssen unserem Körper täglich Omega-3 zuführen. Dr. Budwig hat ihren Patienten jeden Tag 1 bis 2 Esslöffel Leinöl bester Qualität, und das am besten mit Quark, empfohlen.
Verhältnis der Fettsäuren entscheidend
Im Allgemeinen
enthält unsere heutige Ernährung deutlich mehr Omega-6- als Omega- 3-Fettsäuren. Die Folgen des Überhangs an
Omega-6-Fettsäuren und der unzureichenden Zufuhr an Omega-3-Fettsäuren können zu überschießenden Immunreaktionen wie
z.B. chronischen Entzündungsreaktionen führen (3, 5). Verantwortlich für diese Reaktionen sind vermehrt gebildete
hormonartige Stoffe: Prostaglandine, Prostacycline, Thomboxane und Leucotriene. Da es sich um Abkömmlinge der
C-20-Fettsäuren handelt, werden sie auch als Eicosanoide (griech.: eicosi = „zwanzig“) bezeichnet. Diese Mediatoren
beeinflussen bereits in kleinsten Konzentrationen Entzündungsprozesse, Fieber, Schmerzempfinden, Gerinnungsfaktoren,
Blutdruck, Blutfette, Gefäßmuskulatur, Schwangerschaftsverlauf und Immunantworten. Die biologische Wirkung der
Eicosanoide ist sehr komplex und noch nicht vollständig geklärt. Bekannt ist allerdings, dass sie maßgeblich an der
Entstehung entzündlicher Phänomene beteiligt sind.

Prostaglandine sind kurzlebige, lokal wirkende Gewebshormone und werden in fast allen Geweben gebildet. Sie haben sehr vielseitige und zum Teil sogar gegensätzliche Wirkungen. Sie beeinflussen den Blutdruck, die glatte Muskulatur und die Blutgerinnung. Einige Wirkungen sind therapeutisch unerwünscht, wie z.B. die der Prostaglandine PGE2, die verstärkt in verletztem Gewebe produziert werden. Dort verursachen sie u.a. Entzündungsreaktionen und Fieber. Durch die Blockierung des Enzyms Cyclooxigenase (COX), das für die Herstellung von Prostaglandinen notwendig ist, kann die Bildung der Prostaglandine gehemmt werden. Acetyl-Salicylsäure wird zu diesem Zweck eingesetzt. Prostacycline erweitern die Blutgefäße und wirken dem Zusammenlagern der Blutplättchen entgegen. Sie beugen einer Thrombenbildung vor.
Thromboxane sind die Gegenspieler der Prostacycline. Sie fördern die Blutgerinnung und unterstützen die Wundheilung. In hoher Konzentration stellen Thromboxane ein erhöhtes Risiko für Arteriosklerose, Bluthochdruck und Thrombosen dar. Leukotriene wirken als Mediatoren entzündlicher und allergischer Reaktionen, indem sie u.a. die Blutgefäße erweitern, die Durchlässigkeit der Gefäße erhöhen und Fieber hervorrufen (3, 6).
Die 5:1-Formel
Ein ausbalanciertes Verhältnis der
entzündungsfördernden und entzündungshemmenden Eicosanoide ist verantwortlich für den wirksamen Ablauf der
Immunreaktion. Erkrankungen wie z.B. rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn, Multiple Sklerose oder Psoriasis können u.a.
auch auf ein gestörtes Gleichgewicht der Eicosanoide hinweisen (5, 6). Dieses Gleichgewicht kann über eine ausgewogene
Zufuhr an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren über die Ernährung beeinflusst werden. Die Deutsche Gesellschaft für
Ernährung z.B. empfiehlt ein Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3 von 5:1.
Ernährungsberatung kann helfen
D
a vor allem die aus der Arachidonsäure gebildeten Eicosanoide das
Entzündungsgeschehen entscheidend beeinflussen bzw. auslösen, kann eine Reduzierung der Arachidonsäure durch eine
vegetarisch ausgerichtete Ernährung unter Berücksichtigung des Omega-6 zu Omega-3 Verhältnisses hier wegweisend sein.
So bewiesen z.B. Adam et al. (2003), dass die ernährungstherapeutischen Maßnahmen einer AA-Reduzierung (AA =
arachidonic acid) in der Ernährung und die zusätzliche Supplementierung über Omega-3-Fettsäuren die Immunreaktion bei
Rheumatoider Arthritis positiv beeinflussen können (7). Die Bestimmung des Fettsäurestatus kann eine individuell
angepasste Ernährungsberatung in der Regel unter Ergänzung durch Omega-3-Fettsäuren wirksam unterstützen. Für Dr.
Budwig gab es nur eine bedeutsame Omega-3-Ergänzung: naturbelassenes, äußerst schonend hergestelltes Leinöl, für
dessen Herstellung sie ein eigenes Verfahren entwickelt hatte. „Leinöl hat zu allen Zeiten Wunder bewirkt“ (8).
Omega-3-Fibel für Heilpraktiker
Speziell für Heilpraktiker
haben wir von der Dr. Johanna Budwig Stiftung unser heutiges Wissen in der Omega-3-Fibel zusammengetragen. Diese soll
Sie in Ihrer täglichen Arbeit begleiten, damit Sie alle Fakten kennen und Ihre Patienten ebenso umfassend wie
gründlich rund um die lebensnotwendigen Omega-3 Fettsäuren beraten können.
Dr. Johanna Budwig GmbH & Co.KG
Moltkestraße 24, 26122 Oldenburg
Telefon 04 41/39 06 30-0
www.dr-johanna-budwig.de
Quellenangaben:
- http://www.dr-johanna-budwig.de/wissenswertes/frau-dr-johanna-budwig.html
- http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/lipi.19500521202/abstract
- Simopoulos AP. -3 Fatty acids in health and disease and in growth and development. Am J Clin Nutr 1991
- Budwig, Johanna: Fette als wahre Hilfe. Hyperion-Verlag. 1959, S. 10
- James Michael J.: Gibson Robert A., Cleland Leslie G.: Dietary polyunsaturated fatty acids and inflammatory mediator production
- Calder P. C.: n3 Polyunsaturated fatty acids, inflammation, and inflammatory diseases.
- Adam O., Beringer C., Kless T., et al.: Antiinflammatory effects of a low arachidonic acid diet and fish oil in patients with rheumatoid arthritis. Rheumatol Int 2003
- Budwig, Johanna: Öl-Eiweiß-Kost. Hyperion- Verlag. 1955, S. 7