Kinesiologie bei chronischen Hauterkrankungen – Teil 2
Reise in die Haut
Im ersten Teil (Paracelsus Magazin 02/14) unserer dreiteiligen Serie „Kinesiologie bei chronischen Hauterkrankungen“ ging es um den Muskeltest als Stressdetektor und die Haut als Stressspeicher bei chronischen Hauterkrankungen. Schwerpunkt dieses Beitrags ist die strukturelle Beschaffenheit der Oberhaut, ihre differenzierte kinesiologische Testung sowie die differenzialdiagnostische Abklärung psychosomatischer und somatischer Krankheitsursachen.
Aufbau und Funktion
Die Haut, Integumentum communis, setzt sich von außen nach innen aus drei Schichten zusammen: der Epidermis (Oberhaut), der darunter liegenden Dermis, auch Corium (Lederhaut) genannt, und der noch tiefer liegenden Subcutis (Unterhaut). In die Haut eingelagert befinden sich die Hautanhangsgebilde: Haare, Nägel, Talg-, Schweiß- und Duftdrüsen.
Haben wir einen Menschen mit einer chronischen Hauterkrankung in der Praxis, stehen wir oft vor einer großen Herausforderung: Auf welcher Ebene liegt eigentlich das Problem? Wo sollen wir anfangen? Welche Schritte gilt es als Nächstes zu tun und was sollte besser erst einmal vermieden werden? Hier hilft uns der Muskeltest, genau das zu differenzieren: Wir führen sogenannte Challenges (Herausforderungen) durch und können mittels Muskelfeedback einen Therapieplan erstellen.
Jede der drei Hautschichten spricht auf eine bestimmte Herausforderung an. Reagiert der Indikatormuskel auf den Testreiz normoton, also mit normaler Spannungslage, müssen wir den Stress in einer anderen Hautschicht suchen. Antwortet der Muskel hypo- oder hyperton, mit einem Spannungsverlust oder einer Überspannung, dann kommen wir dem Problem unseres Betroffenen auf die Spur! Häufig sind auch mehrere Hautschichten gleichzeitig an der Pathogenese beteiligt; dann testen wir mithilfe des Muskeltests auf Priorität.
Screeningtest: Epidermis, Dermis, Subcutis
Schicht 1: Epidermis (Oberhaut) – Plattenbau auf 0,1 bis 1 mm
Challenge: Der Tester streicht sanft mit zwei Fingern über die Hautoberfläche des Patienten und testet im Anschluss daran den Indikatormuskel mit langsam ansteigendem Druck.
- Muskelantwort normoton = kein Stress
- Muskelantwort hypo- oder hyperton = Stress
Diagnose: Energieflussstörung in der Oberhaut
Schicht 2: Dermis (Lederhaut) – Gerüstbau auf 0,3 bis 2,4 mm
Challenge: Der Tester drückt sanft mit zwei Fingern in die Haut des Patienten und testet mit der anderen Hand den Indikatormuskel mit langsam ansteigendem Druck.
- Muskelantwort normoton = kein Stress
- Muskelantwort hypo- oder hyperton = Stress
Diagnose: Energieflussstörung in der Lederhaut
Schicht 3: Subcutis (Unterhaut) – Speicherbau, je nach Ernährungszustand mehrere cm dick
Challenge: Der Tester drückt mit zwei Fingern vorsichtig in die Haut des Patienten und lässt gleichzeitig das Gewebe vibrieren, dann erfolgt die Testung des Indikatormuskels mit langsam ansteigendem Druck.
- Muskelantwort normoton = kein Stress
- Muskelantwort hypo- oder hyperton = Stress
Diagnose: Energieflussstörung im Unterhautfettgewebe
Weitere Vorgehensweise
So wie wir jede Schicht der Haut einzeln testen können, können wir auch jede Ebene der Haut kinesiologisch einer Challenge unterziehen. Hierbei spielt die Fotoperzeption der Haut – die Fähigkeit der Haut, die verschiedenen elektromagnetischen Wellenlängen des Lichts zu erkennen – eine große Rolle. Jede Ebene der Haut besitzt eine Resonanzfarbe.
Welche Strukturen befinden sich in der Oberhaut und können von der Energieflussstörung betroffen sein?
Mehrschichtig verhornendes Plattenepithel, stellenweise so dünn wie ein Blatt Papier.
Hauptaufgaben: Schutz- und Barrierefunktion, Grenze nach innen und außen
Die Epidermis besitzt eine Oberseite (Hornschicht) und eine Unterseite (Basalmembran). Auf der Oberseite befinden sich die Haar-TalgÖffnungen, die Poren der Schweißdrüsen, eine Menge Bakterien, die die Hautflora bilden und ein Oberflächenfilm, der gemeinsam mit der lipidhaltigen Barriereschicht im Stratum granulosum (die Ebene unter der Hornschicht) den Säureschutzmantel bildet. Das physiologisch saure Milieu an der Hautoberfläche wird von auf der Haut lebenden Mikroorganismen gebildet. Der typische Schweißgeruch entsteht durch bakterielle Zersetzung. Die apokrinen Duftdrüsen, z.B. im Bereich der Achseln und der Anogenitalregion, transportieren alkalisches Sekret und Duftstoffe mit nach oben. Diese Duftstoffe sind dafür verantwortlich, ob wir jemanden riechen können oder nicht – ein Grund dafür, dass die Haut ein Beziehungsorgan ist. Wen wir nicht riechen können, lassen wir nicht an unsere Haut. Kommt so jemand uns trotzdem zu nah, schaltet die Haut auf Abwehr.
Der Säureschutzmantel der Haut schützt gegen das Eindringen fremder Substanzen, gegen pathogene Mikroorganismen, gegen Sonnenlicht, übermäßige Feuchtigkeit und Austrocknung sowie chemische Reize wie Säure und Lauge (Pufferkapazität).
Abgrenzung von psychosomatischen zu somatischen Störungen
„Psychosomatisches Leiden hat zum Inhalt, dass Heilung erst möglich wird, wenn die Verbindung von Leib und Seele wieder hergestellt ist.“ (Feichtinger)
Testen wir eine Energieflussstörung in der Oberhaut, stellen sich uns in der psychosomatischen Kinesiologie folgende Fragen: Ist die natürliche Hautflora physiologisch? Gibt es pathogene Keime auf der Haut, die behandelt werden müssen? Gibt es mechanische, physikalische oder chemische Reize durch Sonnenlicht, übermäßige Feuchtigkeit und Austrocknung sowie durch Säure und Laugen? Transportieren die Schweißdrüsen giftige Stoffe an die Hautoberfläche?
Oder: Steht das Symptom im Zusammenhang mit jemandem, den der Patient nicht riechen kann? Besteht eine Grenzverletzung? Überschreitet der Patient seine eigenen Grenzen? Lässt er Grenzüberschreitungen von anderen zu? Hat er Verletzungen erfahren? Gibt es etwas, was den Betroffenen juckt? Etwas, was ihn kratzt? Zeigt er eine erhöhte Abwehrneigung? Oder richtet er seine Aggressionen gegen sich selbst? Bekommt er genügend Berührung und Zärtlichkeit? Gibt oder gab es Berührungen, die unangemessen waren? Gibt es etwas, was den Betroffenen schmerzt? Oder hat jemand anderer den Schmerz verursacht? Darf der Patient aufblühen? Sich in seiner „vollen Blüte“ zeigen? Oder gibt es etwas, was ihm blüht? Fühlt er sich bedroht? Oder möchte er vielleicht aus der Haut fahren?
Das emotionale Stressareal der Stirn
Die Akupunkturpunkte Gallenblase 14 auf der Stirn eignen sich dazu, psychosomatische von somatischen Beschwerden abzugrenzen.
Der Patient berührt die Punkte Gallenblase 14, das emotionale Stressareal der Stirn, mit einer Hand (Handfläche überstreckt), der Tester fordert die Epidermis erneut heraus (wiederholter Streichtest). Reagiert der Testmuskel auf diese Testung hin normoton, haben wir es mit einer psychosomatischen Mitbeteiligung zu tun. Antwortet der Indikatormuskel schwach, sprechen wir von einer somatischen Störung.
Schicht 1, erste Ebene: Stratum basale (Basalzell-/ Regenerationsschicht), eine Lage
Das Stratum basale ist die tiefste Schicht der Epidermis. Sie liegt auf der Basalmembran auf und besteht aus einer Schicht kubischer Keratinozyten bzw. hornbildender Zellen. In der Basalzellschicht heißen die Keratinozyten Basalzellen. Ihre Aufgabe ist die Produktion von Keratin (Horn).
Challenge: Der Patient blickt auf die Farbkarte „Olivbraun“ + Test.
- Muskelantwort normoton = kein Stress
- Muskelantwort hypo- oder hyperton = Stress
Schicht 1, zweite Ebene: Stratum spinosum (Stachelzellschicht), vier bis acht Lagen
Die Stachelzellschicht liegt auf dem Stratum basale auf. Im Stratum spinosum bilden die Keratinozyten stachelförmige Ausläufer, sogenannte Desmosomen (interzelluläre Brücken) aus. Ihre Aufgabe: Sie verbinden die Keratinozyten wie Druckknöpfe. Da die Keratinozyten in dieser Ebene vieleckig geworden sind und mit diesen Anhängseln stachelig aussehen, werden sie Stachelzellen genannt. Mit dem Auftreten der Odland-Körperchen beginnt der Umwandlungsprozess zur Hornzelle.
Challenge: Der Patient blickt auf die Farbkarte „Signalbraun“ + Test.
- Muskelantwort normoton = kein Stress
- Muskelantwort hypo- oder hyperton = Stress
Schicht 1: erste Ebene + zweite Ebene = Stratum germinativum (Keimschicht)
Wir stellen uns folgende Fragen: Werden die Zellen der Basalzellschicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt? Ist der Aufbau der Epidermis regelgerecht? Gibt es Verhornungsstörungen oder Hyperkeratosen (Verdickung der Epidermis)? Parakeratose (Zellkerne bzw. Zellreste in der Epidermis)? Liegt eine Akanthose (Verdickung des Stratum spinosums) vor? Liegt eine Barrierestörung der Haut vor? Ist sie besonders trocken? Bestehen Allergien? Ist das Gleichgewicht zwischen TH1- und TH2-Zellen gestört? Gibt es Pigmentstörungen als Zeichen einer gestörten Melaninsynthese? Bekommt die Haut genügend natürliches Sonnenlicht? Besteht ein Mangel an Tyrosin? Wie ist das Berührungsempfinden? Liegt Juckreiz vor? Oder bestehen Schmerzen in der Haut?
Schicht 1, dritte Ebene: Stratum granulosum (Körnerzellschicht), drei bis fünf Lagen
Die Stachelzellschicht geht in das Stratum granulosum über. Neben den Odland-Körperchen treten jetzt kleine körnchenförmige Strukturen auf, die sternförmige Ansammlungen bilden: die Keratohyalingranula. Diese geben der Körnerzellschicht ihr gekörntes Aussehen. Die Keratinozyten heißen nun Körnerzellen. Während die Keratohyalingranula hochaktiv sind und Keratohyalin bilden, weicht zeitgleich das Leben aus den Körnerzellen: Zellorganellen und das Chromatin des Zellkerns werden seltener. Die Körnerzellen sind stark abgeflacht und erscheinen unter dem Mikroskop als dunkler Streifen.
Challenge: Der Patient blickt auf die Farbkarte „Khakigrau“ + Test.
- Muskelantwort normoton = kein Stress
- Muskelantwort hypo- oder hyperton = Stress
Fragestellung: Ist die Haut trocken und spröde? Bekommt sie genügend Sonnenlicht? Liegt ein Vitamin-D-Mangel vor? Liegen weitere Symptome eines Vitamin-D-Mangels vor, z.B. hormonelle Störungen oder depressive Symptome? Liegt ein Filaggrin-Defekt vor? Besteht ein Mangel an Histidin?
Schicht 1, vierte Ebene: Stratum corneum (Hornschicht), vier bis acht bzw. 15 bis 20 Lagen, auf zwei bis drei Stationen
Über der Körnerzellschicht befindet sich das Stratum corneum. Hier ist Endstation für die Keratinozyten. Ihr Umwandlungsprozess ist vollendet. Platt und kernlos, vollgestopft mit Keratin, liegen sie dachschindelartig in mehreren Lagen übereinander. Die Keratinozyten heißen nun Hornzellen (Korneozyten). Eine Hornzelle ist so platt, dass sie locker 25 Keratinozyten aus der Basalzellschicht überdeckt.
Challenge: Der Patient blickt auf die Farbkarte „Mahagonibraun“ + Test.
- Muskelantwort normoton = kein Stress
- Muskelantwort hypo- oder hyperton = Stress
Bedarfsstation: Stratum lucidum (Glanzschicht); nur in der Leistenhaut
Die sogenannte Glanzschicht findet sich ausgeprägt nur an Handflächen und Fußsohlen. In der Felderhaut ist sie kaum ausgebildet und daher auch nur als dünner Zellstreifen unter dem Stratum corneum zu erkennen. Sie enthält einige Lagen flacher, durchscheinender Zellen. Die Zellen enthalten verflüssigtes Keratohyalin, sogenanntes Eleidin. Unter dem Mikroskop erscheint die Glanzschicht als heller Streifen, weil Eleidin das eintreffende Licht reflektiert. Ihre Aufgabe besteht in der elastischen Verschiebbarkeit (Schutz vor mechanischer Belastung).
Challenge: Der Patient blickt auf die Farbkarte „Verkehrsorange“ + Test.
- Muskelantwort normoton = kein Stress
- Muskelantwort hypo- oder hyperton = Stress
Fragestellung in der Kinesiologie: Ist die Abschilferung der Epidermis regelgerecht? Oder liegen feine Schuppen auf der Haut? Gibt es irgendwelche Effloreszenzen? Makula, Papula, Vesikula, Plaque …? Oder verliert der Patient Schuppen in großen Mengen?
Symbiontische Zellen der Epidermis: Keratinozyten (ca. 90%), Melanozyten, Langerhanszellen, Merkelzellen, vereinzelt Lymphozyten
Langerhanszellen und T-Lymphozyten
Langerhanszellen (2-4%) sind die
Wachposten des Hautimmunsystems. Sie stammen ursprünglich aus dem Knochenmark und wandern über die Blutgefäße in die
Epidermis ein. Dort patrouillieren sie am liebsten im Stratum spinosum. Ungebetene Gäste halten sie mit ihren Armen –
langen, verzweigten Zytoplasmafortsätzen – fest. Sind ihre Gefangenen pathogene Keime, leiten die Langerhanszellen die
primäre Immunantwort ein und werfen sie den Fresszellen in der Haut vor die Füße. Allergene nehmen sie Huckepack,
wandern mit ihnen zu den Lymphknoten und präsentieren sie dort den T-Lymphozyten, wie auf dem Tablett. Letztere
fackeln nicht lange und senden ihren Brüdern, den B-Lymphozyten, postwendend ein Signal. Das wiederum veranlasst die
BLymphozyten dazu, massenhaft Antikörper zu produzieren und über den Blutweg auszuschütten. Somit leiten die
Langerhanszellen auch die sekundäre Immunantwort ein. Außerdem reagieren die dendritischen Zellen der Haut auf
physikalische Reize wie UV-Licht.
Die T-Lymphozyten entstammen der Linie der Leukozyten. Mit dem T weisen diese Lymphozyten auf ihren Ausbildungsplatz hin, den Thymus. Die T-Helferzellen (TH1 und TH2) spielen eine besondere Rolle beim Atopischen Ekzem und bei der Schuppenflechte. Verschiebung des Gleichgewichts der T-Helferzellen in Richtung TH1 triggert die Autoimmunerkrankung Psoriasis. Dominiert hingegen TH2, werden Allergien forciert, die das Krankheitsbild der Neurodermitis verschlechtern. Deshalb treten die beiden Erkrankungen nur sehr selten gleichzeitig bei einem Patienten auf.
Melanozyten (2-13%)
sind Nachbarn der Basalzellen im Stratum basale und
residieren in den Haarfollikeln. Sie sind mitverantwortlich für die individuelle Hautfarbe eines Menschen und
zuständig für die adaptive Bräunung der Haut, d.h. sie bauen einen natürlichen Sonnenschutz, die Melaninbarriere, auf.
Unter dem Einfluss von UV-Licht und dem Hormon MSH (Melanozyten stimulierendes Hormon) stellen sie in mehreren
Zwischenschritten aus der Aminosäure Tyrosin Melanine (Farbpigmente) für Haut und Haar und auch für das Auge her.
Merkelzellen, freie Nervenendigungen, Juckreiznerven
Die Merkelzellen (<
1%) ruhen im Stratum basale und den Haarfollikeln und kommen besonders häufig an Händen, Fingern, Füßen und Zehen vor.
Sie fungieren als Mechanorezeptoren und reagieren auf die Stärke eines Drucks. In Verbindung mit Nervenendigungen
werden die Merkelzellen zu Merkel-Tastscheiben, die im Bereich der behaarten Kopfhaut wiederum Pinkus-Iggo-Scheiben
genannt werden.
Freie, verzweigte und unverzweigte Nervenendigung lösen die verschiedensten Empfindungen aus. Sie sind ebenfalls sensibel für Druck und Berührung, das Temperaturempfinden und die Wahrnehmung von Schmerzen (Nozizeptoren).
Pruritus ist eine eigenständige Sinneswahrnehmung, die unabhängig vom Schmerzempfinden entsteht. Beteiligt an der Wahrnehmung von Juckreiz sind dafür eigenständige Nervenfasern (Juckreiznerven) sowie verschiedene Neurotransmitter. Durch die unterschiedlichen Rezeptoren und Neurotransmitter (in der Haut und aus dem Blut) erklären sich die verschiedenen Juckreizformen, wie reines Jucken, Brennen oder Stechen.
Freuen Sie sich jetzt schon auf Teil 3 unserer Serie: Erfahren Sie mehr über die Hautebenen Dermis und Subcutis sowie Therapieoptionen.
Sonja Kohn
Heilpraktikerin und Kinesiologin, Dozentin an den Paracelsus Schulen, Freie Redakteurin, Mitglied AG Haut
hpsonjakohn@t-online.de
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