Fallstudie aus der tierheilkundlichen Praxis: Hündin aus unseriöser Vermehrerzucht
Patientin
ca. 5 Jahre alte Dalmatiner-Hündin Senta
Vorgeschichte
Die Hündin wurde bisher von einem unseriösen Hundevermehrer als Gebärmaschine missbraucht. Ob die Hündin vom Welpenalter an bei diesem Vermehrer gelebt hat, wie viele Würfe sie bereits hatte und wie genau sie gehalten wurde, ist nicht bekannt. Alles was man weiß, ist, dass sie von einer Tierschützerin übernommen und vermittelt wurde.
Senta kommt von ihrem alten Zuhause direkt ins Tierheim, wo sie liebevoll empfangen und auch sofort betreut wird. Sie ist zwar sauber und auch nicht abgemagert, macht aber trotzdem einen sehr jämmerlichen Eindruck. Die eigentlich große Hündin wirkt deutlich kleiner, als sie in Wirklichkeit ist, weil sie nur in sehr geduckter Haltung läuft und auch bei jedem Schritt zu überlegen scheint, ob sie sich wirklich trauen kann, zu laufen. Sie ist sehr angespannt und zeigt eindeutige Stresssymptome, wie starkes Hecheln, sehr stark zurückgezogene Mundwinkel sowie Zittern am ganzen Körper. Ich habe mich, nachdem wir im Zwinger angekommen waren, für ca. 1 Stunde einfach neben sie gesetzt und ihr das Gefühl gegeben, dass sie nicht alleine ist und geliebt wird und ihr angeboten, jederzeit Kontakt zu mir aufzunehmen. Die ersten 15 Minuten waren Stress pur für die Hündin und sie schien die schlimmsten Befürchtungen zu haben. Nach dieser Zeit wurde sie langsam ruhiger und hat sich mehr und mehr an mich gelehnt, angefangen, normal zu atmen und auch aufgehört zu zittern. Ich habe sie einfach nur in den Arm genommen, vorsichtig gestreichelt und leise und freundlich mit ihr gesprochen. Fressen mochte sie zwar noch immer nichts, schien den Kontakt aber nicht mehr abzulehnen und wollte mir am Ende, als ich den Zwinger verlassen wollte, sogar hinterher laufen und nicht alleine zurück bleiben.
Es ist davon auszugehen, dass sie sehr schlimme Erfahrungen machen musste, denn als ich kurze Zeit später wieder nach ihr sehen wollte, zuckte sie deutlich zusammen und verkroch sich im hintersten Teil ihres Zwingers, als ich die Tür öffnete. Sie hat sicherlich versucht, ihren „Peiniger“ durch Beschwichtigungssignale gnädig zu stimmen und zu „bitten“, sie in Ruhe zu lassen. Höchstwahrscheinlich hat sie auch versucht auszuweichen oder sich zu wehren. Wurde sie dann für diesen „Ungehorsam“ bestraft, festgehalten oder anderweitig daran gehindert zu fliehen oder sich zu verteidigen, blieb ihr als letzter Ausweg aus dieser schlimmen Situation nur noch der „Todstellreflex“ bzw. das „Einfrieren“. Zudem zeigte sich durch ihr panisches Verhalten bei Spaziergängen, dass sie bislang nur in einem Zwinger oder Keller lebte.
Diagnose
Posttraumatische Belastungsstörung nach lang anhaltendem Trauma und höchstwahrscheinlich schwere Deprivationsschäden durch mangelnde Gewöhnung und Sozialisierung
Therapie
Die Tierheimmitarbeiter schafften es durch intensive Betreuung, Sentas Vertrauen zu gewinnen und so war es möglich, mit ihr spazieren zu gehen, ohne dass sie panisch weglief. Sie fror allerdings sofort ein, sobald etwas Neues auftauchte und war dankbar, wenn sie sich hinter dem Menschen verstecken durfte. Bis zur Vermittlung wurde im Tierheim bereits damit begonnen, Senta durch ein konditioniertes Ruhe- und Entspannungswort und kleine Denkaufgaben sowie freie Bewegung in den Ausläufen zu stabilisieren.
Nachdem Senta in ihr neues Zuhause vermittelt werden konnte, hat die neue Halterin intensiv mit ihr weiter trainiert und sowohl das Vertrauen zu ihr, als auch ihr Selbstbewusstsein immer mehr gestärkt. Als ich Senta einige Monate nach der Vermittlung besuchte, hatte sie deutlich an Lebensqualität gewonnen und begrüßte mich freundlich. Zwar war sie immer noch sehr schreckhaft und viele Auslöser veranlassten sie zum „Einfrieren“, aber insgesamt ist sie ansprechbarer und die Halterin schafft es immer besser, sie in „gefährlichen Situationen“ zu schützen und hinterher normal mit ihr weiter zu gehen. Da es sehr viele Auslöser für Sentas Angst gab und man gerade am Anfang der Therapie überhaupt nicht wissen konnte, vor was sie als Nächstes panisch flüchten würde, war eine gezielte Desensibilisierung nicht möglich. Der wichtigste Therapieschritt nach der Stabilisierungsphase war also, dass Senta gelernt hatte, dass sie sich immer und überall auf ihre Halterin verlassen kann und sich nur hinter sie stellen muss, wenn sie Schutz braucht. So konnte sie nach und nach gelassener werden und sich allmählich ein Erfahrungsrepertoire aufbauen, auf das sie in vergleichbaren Situationen zurückgreifen kann.
Zusätzlich zur durchgeführten Verhaltenstherapie bekam Senta folgende Bach-Blüten:
Aspen
- Die Hündin wurde von ihrem bisherigen Halter gequält und misshandelt.
- Es ist kein nachvollziehbarer Auslöser für die Angst erkennbar.
Pine
- Senta verhält sich übertrieben unterwürfig und kriecht jedem Menschen förmlich auf dem Bauch entgegen.
Gentian
- Sie verliert sehr schnell den Mut, wenn etwas nicht sofort funktioniert.
- In neuen oder ungewohnten Situationen ist Senta sehr unsicher und misstrauisch.
Wild Rose
- Der Hund war sehr lange einer angstauslösenden Situation ausgesetzt, der er nicht entfliehen konnte.
Sweet Chestnut
- Sie scheint jeden Mut und Lebenswillen verloren zu haben und verzweifelt an ihrer Situation.
Alexandra Hoffmann
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Dozentin an der Paracelsus Schule München
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