FazienReflexTechnik (FRT)
Diagnose & Therapie
FRT ist die Arbeit mit den Händen auf und in der Haut, um die Funktion im Inneren des Körpers weitreichend, schnell und gezielt zu behandeln.
Viele Techniken nutzen die Haut als Ort der Behandlung, denn sie ist unsere äußerste Schicht für den Kontakt zur Außenwelt. Aber die Art, wie wir die Haut berühren und vor allem wo genau, um einen bestimmten Effekt zu erreichen, ist entscheidend. So nutze ich die Haut nicht nur für die Behandlung, sie liefert mir aufgrund ihrer Temperatur, Beschaffenheit, Spannung, Durchblutung und mit ihrer Reaktion auf meine Reize wertvolle Hinweise, die im Zusammenhang mit einer gezielten Anamnese, der Art oder Ursache der Störung stehen.
Mein gesammeltes Wissen und meine Erfahrungen fasse ich im Folgenden unter dem Begriff FaszienReflexTechnik zusammen. In diesem ganzheitlichen Behandlungsansatz wird der Patient zum Eigentraining angeleitet, über den vegetativen Reflexbogen werden mit meiner Arbeit an Haut und Faszien die Organe, Gefäße, Nerven und das vegetative Nervensystem erreicht, wodurch auch ein positiver Einfluss auf die Psyche erreicht wird.
Neueste Erkenntnisse und verschiedene sowohl alte als auch neue Techniken werden in der FRT verknüpft, um einen schmerzfreien, leistungsfähigen, beweglichen und gut funktionierenden Körper auszubilden oder zu erhalten. Sportler trainieren schon seit Langem bewusst unterschiedliche Fähigkeiten, damit die Leistungsfähigkeit des Körpers positiv beeinflusst und das Verletzungsrisiko möglichst gering gehalten wird. Sie trainieren die Ausdauer (Herz-Kreislauf-System), die Kraft (Muskelaufbau) und die Bewegungskoordination. Aber wie wichtig die Elastizität und die Spannkraft des Bindegewebes – oder um es genauer auszudrücken – der Faszien ist, um Kraft optimal nutzen zu können, wurde bisher vernachlässigt. Dass Bewegungen nur stabil, ökonomisch und schnell auszuführen sind, wenn das verbindende und haltende, mit Rezeptoren ausgestattete Bindegewebe elastisch und voller Spannkraft ist, vermindert das Verletzungsrisiko deutlich. Zwar dehnen Sportler immer auch einzelne Muskeln, aber die Komplexität einzelner Muskelgruppen, die gedehnt werden sollten in funktioneller Einheit und nicht im Einzelnen, war in dieser Dimension bislang nicht im Bewusstsein angekommen.
Die ersten Aufnahmen des Fasziengewebes von Guimberteau in vivo revolutionierten die Sichtweise auf das Bindegewebe. Lange Zeit wurde es nur als Füllmaterial bezeichnet oder als Umhüllung, die das Gleiten der Muskeln ermöglicht. Manchmal auch als verstärkende Faszienplatte, die oft „verklebt“ und mehr Ärger macht als hilft. So begannen immer mehr Ärzte, Anatomen und natürlich auch Therapeuten zu untersuchen, zu hinterfragen und auch zu verstehen. Die Forschungsergebnisse von Anatomin Carla Stecco sowie die Versuche und Studien des Faszienforschers und Rolfing-Therapeuten Robert Schleip machen deutlich, wie lebendig, wirkungsvoll und wichtig dieses allumfassende und alles verbindende Netzwerk für die optimale Funktion des gesamten Körpers ist. Man könnte die Faszien als eigenes Organ bezeichnen, welches schützt, hält, sich aktiv bewegt, das Immunsystem unterstützt, verbindet, das Gehirn ständig mit Informationen über den Zustand von Spannung und Last informiert und sich ein Leben lang an neue Gewohnheiten anzupassen vermag.
Die Faszien sind ein Körpernetzwerk, welches alles mit allem verbindet und verschiedene Formen einnimmt, um unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. Beispielsweise bildet sich der Tensor Faszie latae erst aus, wenn der Mensch beginnt, aufrecht zu gehen oder zu laufen. Wechseln wir unsere Fortbewegungsart und sind plötzlich überwiegend auf einem Pferd unterwegs, würde der Tensor sich zurückbilden und eine ähnliche Stabilisation auf der Innenseite der Oberschenkel ausbilden (s. Geo, 03/2015: „Der innere Halt“).
Hinzu kommt noch, dass über 80% aller freien Nervenendigungen, also Nerven, die Reize aus der Peripherie des Köpers an das Gehirn weiterleiten, sich in den Faszien befinden.
Das könnte eine Antwort auf die Frage nach der Ursache sein, weshalb eine enorm hohe Zahl an Rückenschmerzen auch im MRT keine Erklärung findet. Bei den Menschen, bei denen es nicht die Bandscheibe, kein enger Spinalkanal und keine Knochensinterung durch Osteoporose ist und die trotzdem Schmerzen haben, die ihr Leben enorm beeinträchtigen.
Schmerzen breiten sich auch über das Fasziennetzwerk im ganzen Körper aus sowie auch im Umkehrschluss heilende Impulse. Ignoriert man diesen Zusammenhang, entstehen immer mehr Störungen auch an anderen Körperstellen, es bilden sich Verletzungsketten, Unwohlsein oder Krankheit.
Da die Faszien den gesamten Körper umhüllen und alles mit allem verbinden, mit Flüssigkeit gefüllt sind oder Flüssigkeit leiten, haben sie nach neuesten Erkenntnissen (Ulmer Arbeitsgruppe um Robert Schleip) auch Einfluss auf das Immunsystem und den Stoffwechsel. Dadurch ergibt sich auch hier ein Zusammenhang; und vor allem auch die Möglichkeit, von Außen über die Haut zu behandeln. Schon ein Blick auf die Haut verrät dem geschulten Therapeuten Fehlfunktionen und Beschwerden im Körper, die mit der Anamnese ein Gesamtbild ergeben. Durch Erspüren von körpereigenen Bewegungen, Elastizität, Oberflächenbeschaffenheit und Temperatur der Haut mit dem dazugehörigen Wissen um die Zusammenhänge der inneren Funktionen im Körper ist es möglich, Irritationen im Körper zu lokalisieren und zu behandeln. Zuerst findet eine Anamnese statt, in der der Patient seine Beschwerden und seine Sicht in Bezug auf die möglichen Ursachen berichtet. Daraus entsteht meist schon die Idee über einen Behandlungsansatz. Als Beispiel erfordert eine lange Schmerzgeschichte meist erst eine Dämpfung des Sympathikus. Das ermöglicht mir das Ansehen und gezielte Tasten der Spannung und Verschiebbarkeit der Haut auf dem Rücken. Die Rückmeldung des Patienten über die Reaktionen, die er mir nach der ersten Behandlung nennen kann, gibt mir den weiteren Behandlungsablauf vor. Immer bestimmen Reiz und Reaktion des Patienten die Weiterbehandlung. Der Patient erhält stets Übungen oder Aufgaben für Zuhause, sodass er aktiv in den Heilungsprozess einbezogen wird und sich dadurch das Körpergefühl deutlich verbessert.
Dieses Wissen ist empirisch entstanden und natürlich nicht neu, aber mit den neuen wissenschaftlichen Ergebnissen verknüpft, lassen sich alte Techniken wie Massage, Bindegewebsmassage, Fußreflexzonentherapie, Rolfing, Yoga, Myofascial release u.a. aus einem neuen Blickwinkel betrachten. Sowohl für Ärzte, Heilpraktiker, Physiotherapeuten, Hebammen, Stillberaterinnen und Masseure ist diese Behandlungstechnik eine Erweiterung ihres Wissens, sofern sie gewillt sind, den Körper mit ihren Händen zu behandeln.
Die FRT wirkt schmerzlindernd und unterstützt die Selbstheilung. Meine These ist, dass der Körper immer ein Ökonom ist. Eine erhöhte Muskel- oder Gewebsspannung ist nicht ökonomisch. Bietet man dem Körper an, Spannungsverhältnisse selbstständig auszugleichen, wird er sich immer für einen ressourcenschonenden Umgang und gegen Fehlfunktionen entscheiden. Im Ergebnis ist eine effektive Faszien-Behandlung also stets eine schmerzlindernde. Diesen Prozess nenne ich „Selbstheilung“.
Sanya Konstanze Wolf
Physiotherapeutin, Dozentin an der Paracelsus Schule Hamburg
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