Osteopathie in der Yogapraxis
Behandlungsstrategien und Selbsthilfe-Übungen
Immer mehr Patienten, v.a. sportlich aktive Menschen oder jene, die bereits Erfahrungen in der Yogapraxis sammeln konnten, vertrauen bei Schmerzen komplementärmedizinischen Verfahren, wie z.B. der Osteopathie oder der Yogatherapie. Einen Grund dafür erkenne ich im wachsenden Interesse der Betroffenen, der Ursache ihrer Beschwerden auf den Grund zu gehen, anstatt die Symptome im hektischen Alltag einfach wegzudrücken. Viele Patienten wünschen sich neben einer osteopathischen Behandlung Übungen und Anleitung für die Selbsthilfe im Alltag.
Fehlhaltungen vorbeugen
Obwohl die Übungen (Asanas) im Yoga dafür bekannt sind, dass sie sanft und gesundheitsbewusst durchgeführt werden, können sich in der Praxis während des Übens Fehlhaltungen einschleichen. Unkorrigiert ermöglichen diese die Entstehung von Beschwerden. Besonders achtsam sollten intensive Rückbeugen, z.B. die „Radhaltung“ (Chakrasana), ausgeführt werden, damit Verletzungen in der Lendenwirbelsäule vermieden werden.
Entstehen dennoch lumbale Beschwerden, sollte der Osteopath mit spezifischen Tests einschätzen, ob der Patient Eigenübungen ausführen darf. Der Vorlauftest im Stehen und im Sitzen, der Lasègue-Test und die Überprüfung eines muskulär bedingten Beckenschiefstandes (z.B. durch die ischiocrurale Muskulatur) sind gängige Tests aus der Osteopathie, um die geschädigte Rückenregion (Ilium, Sakrum, LWS) näher zu bestimmen. Vorsicht ist geboten, wenn der Lasègue-Test positiv ist oder der Patient anhaltende, sehr starke Schmerzen beschreibt.
Bevor dem Patienten bei nervalen Schmerzen eine Übung gezeigt wird, sollten ein Bandscheibenvorfall und eine Verletzung des Plexus lumbosacralis schulmedizinisch ausgeschlossen werden. Besteht eine akute Blockade in den iliosakralen Gelenken oder in der LWS, kann diese durch eine manualtherapeutische Technik des Osteopathen i.d.R. schnell gelöst werden.
Die Katze – Dehnung und Mobilisation
Bei muskulären, faszialen oder viszeralen Ursachen, die bei lumbalen Beschwerden in Betracht gezogen werden müssen, kann dem Patienten eine spezielle Übung zur Selbstmobilisation gezeigt werden. In der Yoga-Haltung „Die Katze“ werden besonders viele Rückenstrukturen (Lumbalfaszie, Rückenmark, die großen Rückenmuskeln, Wirbelkörper) angesprochen:
Der Patient lässt ausatmend den ganzen Rücken rund werden (Abb. 1). Der Kopf rollt zum Brustbein ein. Mit der Einatmung wird die Wirbelsäule gestreckt (Abb. 2). Die Hände geben leichten Druck in die Matte und der Kopf richtet sich mit gerader Halswirbelsäule auf. Die Übung wird im Wechsel für 1-3 Minuten durchgeführt.
Vergleicht man die Übung mit einem osteopathischen Impuls, wirkt sie ähnlich einer Nervenmobilisation, einer Muskeldehntechnik oder einem faszialen Release.
Zusätzliche Berücksichtigung der Handgelenke
Als Tipp kann man dem Patienten dazu die Eigendehnung für die Unterarmmuskulatur zeigen (Abb. 3), denn viele Yoga-Übende haben Probleme, die Handgelenke während der Übungen (z.B. im „Herabschauenden Hund“) schmerzfrei zu strecken.
Berichtet der Patient von nur einem schmerzhaften Handgelenk mit Instabilitätsgefühl in der gleichseitigen Schulter bei bestimmten Yoga-Asanas, z.B. der „Planke“ (Phalakasana), dann sollte der Osteopath in der Anamnese nach einem Sturz auf das Handgelenk fragen und das gleichseitige Os scaphoideum auf Blockierungen untersuchen.
Kontraindikationen und Sicherheitstests
Vorsicht geboten ist auch bei der Yoga- Übung „Pflug“ (Halasana). Diese erfordert eine hohe Flexibilität der Halswirbelsäule in der Beugung und belastet die vordere Thoraxapertur mit Kompression. Patienten mit Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule, Schilddrüsenproblemen oder Gefäßverengungen sollten auf sanftere Yoga-Alternativen ausweichen (z.B. die Schulterbrücke).
Hat der Patient starke Schmerzen in der Halswirbelsäule, dürfen die Sicherheitstest für die Ligg. Alaria, die Arteria vertebralis und der Sharp-Purser-Test zur Überprüfung der Funktion des Lig. transversum keinesfalls fehlen.
Stärkung der myofaszialen Anteile
Hat der Patient den „Pflug“ in der Yogapraxis unachtsam ausgeführt oder seine Bewegungskapazitäten überschätzt, findet sich die Ursache der Beschwerden häufig in den myofaszialen Anteilen. Wünscht der Patient eine Eigenübung, hat aber Bedenken, durch Eigeninitiative die Beschwerden noch zu verstärken, kann ihm eine Mobilisation für die vordere Halsfaszie gezeigt werden. Mit der Dehnung berührt der Patient die Halswirbelsäule nur indirekt.
Sie bewirkt eine reflektorische Entlastung der getriggerten, rückseitigen Halswirbelsäulenmuskulatur, z.B. des M. trapezius oder des M. levator scapulae.
Übung zur Eigenmobilisation der vorderen Halsfaszie
Der Patient legt beide Hände mit etwas Druck auf das Brustbein und öffnet leicht den Mund (Abb. 4). Er behält den Druck auf dem Brustbein bei und zieht es etwas nach unten. Der Kopf bewegt sich mit geöffnetem Mund in die Extension. Die Schultern bleiben entspannt (Abb. 5).
Um die seitlichen Anteile der vorderen Halsfaszie zu dehnen, legt der Patient die Hände seitlich neben das Brustbein und neigt den Kopf zur entgegengesetzten Schulter (Abb. 6).
Fühlt sich der Patient sehr verspannt, kann ich drei Präparate empfehlen, die meiner Erfahrung nach helfen, die betroffene Muskulatur zu durchbluten und Schmerzen aufzulösen: Rosmarin-Salbe 10% (Weleda), Mucokehl D3 Salbe (Sanum) und Pinofit Kühlgel (Pino).
Sanfte Hinführung zum Lotussitz
Der Lotussitz ist ein Klassiker unter den Yoga-Asanas. Aus diesem Grund streben viele Yoga- Übende an, diese Haltung zu beherrschen. Er erfordert viel Flexibilität in den Hüftgelenken, die der Übende oft durch vermehrte Außenrotation der Kniegelenke erreichen will. Nicht selten entstehen in der Folge durch die Überlastung des Meniskus Schmerzen in den Knien oder im Bandapparat.
Deshalb sollte der Yoga-Übende achtsam an den Lotussitz herangeführt werden und zunächst die Flexibilität der Hüftgelenke trainieren, z.B. mit der Asana „Schmetterling“ (Bhadrasana), Hilfsmittel (Bolster oder Yogakissen) benutzen und im Schneidersitz (Sukhasana = leichte Haltung) meditieren.
Vergleicht man diese Varianten mit einem osteopathischen Impuls, kommen sie einer Kapseldehnung der Hüftgelenke gleich, die selbst tiefe fasziale Schichten der Hüft- und Leistenregion erreicht.
Hilfreiche Übung für Kniegelenke
Mit einer einfachen Eigenmobilisation bei überlasteten Kniegelenken kann der Patient die osteopathische Behandlung zu Hause nachhaltig unterstützen:
Im Sitzen legt er die Hand flächig auf die Kniescheibe (Patella) des langgestreckten Beines (Abb. 7). Wie eine Saugglocke zieht er diese mit der Hand hoch. Der Knorpel unter der Kniescheibe bekommt als Reiz einen leichten Zug. Anschließend löst er den Zug auf und gibt leichten Druck auf die Patella. Der Knorpel wird komprimiert. Druck- und Zugreize wirken regenerierend auf die Knorpeloberfläche. Gelenkflüssigkeit wird gleichmäßig verteilt und Weichteilstrukturen, wie die Bursen, erfahren Entlastung. Letzteres ist von besonderer Bedeutung, wenn der Schleimbeutel entzündet ist.
Bei entzündlichen Knieergüssen bewährt sich ein feuchter Umschlag mit Heilerde, der über Nacht einwirkt und über mindestens drei Nächte wiederholt angewandt wird.
Fazit
Sich selbst behandeln zu können, bedeutet für den Patienten auch, die Kontrolle über die Schmerzen zurückzugewinnen, Ängste abzubauen und eine tiefe Bindung mit dem eigenen Körper einzugehen. Spezifische Übungen für zu Hause unterstützen die osteopathische Behandlung nachhaltig und bewirken, dass der Patient durch ein gestärktes Körpergefühl schädigende Alltagsmuster überdenkt.
Friederike
Reumann
Heilpraktikerin und Physiotherapeutin in eigener Praxis mit YogaLoft,
Schwerpunkte:
Osteopathie und TCM
mailbox@physioplus-neustadt.de
Buch-Tipp
Friederike Neumann: Selbstheilung mit Yoga und Osteopathie – Mit osteopathischen
Techniken in der Yogapraxis Beschwerden behandeln und Schmerzen lindern. riva Verlag
Fotos: ©Nils Schwarz
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