Long-COVID – Iss dich gesund!
Wichtige Ernährungsmaßnahmen beim Post-COVID-Syndrom
Binnen kürzester Zeit hat ein Virus unser Leben auf den Kopf gestellt. Die Langzeitfolgen sind dabei noch nicht absehbar, und doch gibt es schon genügend Betroffene, die noch Monate nach einer Infektion unter Folgeerscheinungen leiden. Wir sprechen dann vom „Post-COVID-Syndrom“ (PCS) oder „Long COVID“. Welche Rolle eine gezielte Ernährung sowohl prophylaktisch als auch therapiemäßig spielen kann, ist Thema dieses Beitrags.
Ernährung als Unterstützung
Eine Infektion mit SARS-CoV-2 aus der Gruppe der Beta-Coronaviren ruft bei Betroffenen vielfältige Beschwerden hervor, die zum Teil über einen längeren Zeitraum anhalten. Das Long-/ Post-COVID-Syndrom, bei dem die Symptome >12 Wochen bestehen, wird zunehmend zu einer Herausforderung für Medizin und Gesellschaft. Positiv daran ist lediglich, dass das Interesse an einem gesunden Lebensstil steigt und die wichtige Rolle eines intakten Immunsystems für unsere Gesundheit neue Aufmerksamkeit bekommt. In diesem Zusammenhang kann die Ernährung einen wichtigen Beitrag leisten, denn sie liefert unserem Körper sowohl präventiv als auch im Rahmen einer Nachsorge die Bausteine, die für die Erhaltung von Gesundheit bzw. den Heilungsprozess nötig sind.
Die Gesundheit unseres Darms und dessen Resorptionsfähigkeit sind der Schlüssel für eine adäquate Nährstoffversorgung, worüber auch Long-COVID-Patienten effektiv unterstützt werden können. Eine integrative Ernährungstherapie, modernste ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse und das Erfahrungswissen der TCM setzen hier an. Integrativ bedeutet v.a. Hilfe zur Selbsthilfe mit Ernährungsmaßnahmen, die im Alltag umsetzbar sind und die jeder bei sich zuhause anwenden kann.
Long-COVID und seine Auswirkungen
10-20% aller Betroffenen berichten nach einer Corona-Infektion über langanhaltende, bleibende Symptome, egal ob der Verlauf mild oder schwerer war. Kardinalsymptome sind Husten, Leistungsschwäche, Kurzatmigkeit sowie Atemnot bei geringen Belastungen. Häufig kommt es im Rahmen einer COVID- 19-Infektion auch zum Verlust des Geruchsund Geschmackssinns. Patienten, die einen längeren Aufenthalt auf der Intensivstation mit maschineller Beatmung überstanden haben, leiden danach öfter einige Zeit noch unter körperlicher Schwäche, Energielosigkeit, Erschöpfung, depressiver Verstimmung und kognitiven Beeinträchtigungen (PICS – Post-Intensive-Care-Syndrom).
Belastung der Mitochondrien
Für den therapeutischen Umgang mit Long-COVID gibt die konventionelle Medizin aktuell nur wenige Empfehlungen. Die wichtigste Maßnahme ist das Vermeiden von Überanstrengung, weil diese den Zustand verschlechtert. Es geht also vorrangig darum, die individuellen Belastungsgrenzen auszuloten und strikt zu beachten.
Laut Medizinern, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, steht im Mittelpunkt der Gesamtproblematik ein extremer Energiemangel. Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass die Funktion der Mitochondrien bei Long-COVID beeinträchtigt ist.
Integrative Ernährungstherapie
Die chronischen Beschwerden von Long-COVID können der Aufhänger und die Motivation für eine bessere Lebensführung inklusive gesunder Ernährung sein. Da klassische Behandlungsmöglichkeiten eingeschränkt oder noch zu entwickeln sind, ergibt sich eine ideale Chance, um auf das große gesundheitsförderliche Potenzial einer ausgewogenen, vitalstoffreichen Ernährung hinzuweisen und Interessierte an ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten heranzuführen. Das Thema Kochen ist als Einstieg dafür gut geeignet. Dabei ist es wichtig, auf einfache und schnelle Rezepte zu achten, damit keine Überforderung auftritt. Tipps und Tricks zur Organisation der Mahlzeiten („Meal Prep“ und Vorkochen) sind zusätzlich hilfreich.
Das Kurprinzip der Chinesischen Medizin
Nach dem Verständnis der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) sind PCS-Beschwerden auf zu viel Feuchtigkeit und Schleim sowie einen Mangel an Qi (Energie) zurückzuführen. Die Natur von Feuchtigkeit ist schwer und in Form von Schleim klebrig. Als krankmachende Faktoren verursachen diese Aspekte laut TCM eine Verlangsamung und Stauung der natürlichen Lebensvorgänge, was Beschwerden auslösen kann.
Fehlernährung über einen längeren Zeitraum überlastet den Körper und schädigt das Milz-Qi. Diese Energie fehlt dann im Rest des Körpers – Müdigkeit, Trägheit und Abgeschlagenheit sind die Folgen. Tatsächlich führen zu viel Feuchtigkeit und Schleim in unserem Organismus zu Verdauungs- und Stoffwechselstörungen, Energiemangel und einer schlechten Blutzirkulation mit den beschriebenen Symptomen. Im Rahmen der Behandlung wird deshalb v.a. das Milz-Qi gestärkt, damit Feuchtigkeit und Schleim umgewandelt und aus dem Körper ausgeleitet werden. Die wichtigste Maßnahme ist eine Ernährungsumstellung. Die bald sichtbaren Erfolge bleiben, anders als bei vielen Diäten, langfristig erhalten. Bei starker Feuchtigkeitsbelastung können eine Detox- oder Getreidekur nach TCM-Gesichtspunkten (ergänzt mit viel Gemüse) sowie eine Basenkur für 5-12 Tage ein hilfreicher Einstieg sein.
Wohltuende Getreidekur
Grundnahrungsmittel während einer Getreidekur sind Reis, Gerste, Quinoa (Pseudogetreide) und Hirse – allein gekocht oder als Congée zubereitet (1 Tasse Getreide mit 10 Tassen Wasser, 7 Kardamomkapseln, 2 Scheiben Ingwer für 1,5 Stunden zu einem Getreidebrei kochen). Das gekochte Getreide wird mit gedünstetem Gemüse oder Obst (Kompott) zu einer vollwertigen Mahlzeit ergänzt. Kräuter und Gewürze sorgen für Geschmack. Kleine Mengen Nüsse, Samen, Linsen, Bohnen oder Tofu unterstützen die Sättigung. Hochwertige Öle (Lein-, Hanf-, Kürbiskern-, Olivenöl) sind ebenfalls erlaubt.
Im Folgenden eine Anleitung für eine Getreidekur (ideale Dauer 5-12 Tage):
- Verzehren Sie pro Tag maximal 150 g Getreide (roh gewogen), aufgeteilt auf drei Mahlzeiten
- Essen Sie so viel Gemüse, wie Sie möchten
- Nehmen Sie 1-2 Portionen Obst als Kompott, Mus oder in weicher und reifer Form (z.B. Beeren) zu sich
- Trinken Sie 2 Liter Flüssigkeit am Tag (Tee, Suppe, Wasser)
- Essen Sie langsam und kauen Sie jeden Bissen gut
- Nicht erlaubt sind Fleisch, scharfe Gewürze, Brot und Gebäck, Genussmittel wie Alkohol oder Nikotin
Diese Getreidekur kann mehrmals im Jahr durchgeführt werden. Auch sinnvoll ist es, 1-2 Getreidetage wöchentlich oder alle zwei Wochen einzulegen, um eventuelle „Ernährungssünden“ vom Wochenende oder vor anderen feierlichen Anlässen auszugleichen.
Heilsame Lebensmittel
Zur Stärkung und Förderung des Gesamtzustandes empfiehlt es sich, auf eine regelmäßige, ausgewogene Ernährung mit drei (idealerweise frisch gekochten) Mahlzeiten zu setzen.
Ein hochwertiges, typgerechtes Frühstück, bekömmlich und nahrhaft, stellt einen kraftvollen Start in den Tag dar. Je nach individuellem Konstitutionstyp kann dies ein Getreidebrei, z.B. Hafer-Porridge, Reis-/Gersten-Congée, ein Kraftbrei mit Amaranth oder Quinoa verfeinert mit Obst, Gemüse, Lein-/Hanföl (Omega-3-Quelle) und Nüssen sein. Noch besser eignen sich Kraftsuppen mit Gemüse und Kräutern. Fleisch-, Geflügel-, Fisch- und Gemüse-Kraftsuppen halten 5-7 Tage im Kühlschrank.
Für das Mittag- und Abendessen sind einfache Mahlzeiten ideal, z.B. Ofengemüse mit Hühnerkeulen oder Fisch mit Gemüse und Kartoffeln, Eintöpfe mit Hülsenfrüchten oder Kraftsuppen aus Rind/Huhn/Fisch mit Gemüse bzw. Kartoffeln. Auch Wok-Pfannen mit viel Gemüse, Huhn oder vegetarisch mit Tofu, Mandeln/Nüssen oder Spiegelei liefern Qi, wertvolle Vitamine und Mineralstoffe. Frische Kräuter und Gewürze sorgen für Bewegung der Energie im Körper – sie regulieren das Qi.
Als Nachtisch nährt reifes, weiches Obst oder Kompott, auch Rote Grütze Blut und Säfte.
Wirkung ausgewählter Lebensmittel
In der TCM-Diätetik werden Lebensmittel therapeutisch eingesetzt. Ähnlich wie bei Schnupfen und Grippe gibt es bei COVID-19 im Körper Zeichen von Hitze (Fieber, Halsschmerzen) und Kälte (Frösteln, Schüttelfrost). Solange das Gleichgewicht im Körper verschoben ist, kann die thermische Wirkung von Lebensmitteln zur Wiederherstellung genutzt werden. (Tab. 1)
Kräuter und Gewürze schenken viel Energie
Kräuter und Gewürze werten Speisen nicht bloß geschmacklich auf, sondern sind v.a. nach einer überstandenen Infektion eine Wohltat für den Körper, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Sie tonisieren das Qi (Energie), bewegen und leiten Nässe aus. Am besten werden sie als Tee oder zum Würzen von Speisen verwendet. Die Gerichte werden dadurch bekömmlicher, leichter verdaulich und regen die Geschmacksrezeptoren an. Qi-tonisierende Kräuter sind Ginseng, Datteln, Wermut, Salbei, Schafgarbe und Süßholz. Dabei regen sie die Energie von Milz, Herz, Lunge und Niere an, beruhigen den Geist, steigern den Appetit, stärken die Verdauung, leiten Feuchtigkeit aus und wirken Qi-Stagnation aufgrund von Schwäche entgegen.
Ich empfehle, die genannten Kräuter mit Qi-bewegenden zu mischen, da diese Spannungsgefühle in Brustkorb, Bauch, Unterleib lindern und Kurzatmigkeit, Blähungen, Völlegefühl, Aufstoßen sowie kalten Händen und Füßen entgegenwirken. Qi-bewegende Kräuter sind Koriandersamen, unreife Bio-Mandarinenschalen, Johanniskraut, Melisse und Pfefferminze.
Histamin und Spermidin
Aus westlicher Sicht ist bei vielen Patienten eine histaminarme Ernährung sinnvoll, v.a. wenn das Mastzellenaktivierungssyndrom (MCAS) vermutet wird. Mastzellen sind Immunzellen und in vielen Geweben des Körpers (Verdauungstrakt, Atemwegsorgane, Schleimhäute, Haut) aktiv. Bei Kontakt mit Fremdkörpern wie Viren produzieren sie Botenstoffe (u.a. Histamin) als Abwehrreaktion, was systemisch vielfältige Symptome verursachen und verstärken kann: Atemnot, Juckreiz, Erschöpfung, Verdauungsstörungen u.v.m.
Aus ernährungsmedizinischer Sicht steht daher eine vitalstoffreiche Ernährung mit viel Gemüse, ausreichend Eiweiß (Mindestbedarf von 0,8 g pro kg Körpergewicht beachten – wichtig z.B. für Frauen, die sich vegan oder vegetarisch ernähren) und hochwertigen Ölen im Vordergrund.
Einen besonderen Fokus sollte man auf das biogene Polyamin Spermidin legen. Dieses kommt in jeder Körperzelle vor und ist eng mit dem Zellwachstum verknüpft. Es scheint besonders wirksam zu sein. Eine seiner Funktionen im Zellstoffwechsel ist das „Einschalten“ zellulärer Reinigungsprozesse (Autophagie). SARS-CoV-2 drosselt die Autophagie in den Zellen. Spermidin, das in vielen Lebensmitteln enthalten ist, z.B. in Weizenkeimen, gereiftem Käse, Brokkoli, Blumenkohl, Pilzen, Erdnüssen, Haselnüssen, Sojabohnen und anderen Hülsenfrüchten, wirkt dagegen. Es wird auch als Nahrungsergänzung angeboten.
Kraftsuppen – Power von innen
Für viele Menschen sind Suppen etwas Nebensächliches. Dabei sind sie die „Essenz der Nahrung“ und helfen, Beschwerden zu lindern und nach Krankheiten wieder zu Kräften zu kommen. Ein halber Liter selbst gekochte Kraftsuppe als Tagesportion lässt sich auf zwei oder mehrere Portionen aufteilen und ist ideal zum Aufbau oder als Therapie. Suppen sind unglaublich hydratisierend (befeuchtend) und füllen den Vorrat an Elektrolyten (Natrium, Kalium) wieder auf, die etwa bei starkem Schwitzen verloren gehen. Eine Kraftsuppe enthält null Zucker, stabilisiert aber den Blutzuckerspiegel, weswegen sie den Heißhunger stillt. Zwei Nährstoffe, die satt machen und über einen längeren Zeitraum hinweg Energie liefern, sind ebenso enthalten: Eiweiß und gesundes Fett.
Hauptbestandteile von Kraftsuppen sind neben (Wurzel-)Gemüse rohe Knochen, die vollgepackt sind mit wertvollen Nährstoffen. Daher ist eine richtig zubereitete Knochen-Kraftsuppe die beste Form, um alle guten Bestandteile im Körper aufzunehmen.
Wichtige Nährstoffe für die Genesung
Die aus den Knochen gelöste Gelatine liefert einige wichtige nicht-essenzielle Aminosäuren. Hat der Körper eines gesunden Menschen einen ausreichenden Vorrat an essenziellen Aminosäuren, kann er die nicht-essenziellen selbst herstellen. Nach Krankheiten gerät der Körper mit der Produktion jedoch ins Hintertreffen, da während der Regeneration ein erhöhter Bedarf entsteht. Die nicht-essenziellen Proteine werden dann essenziell, und man braucht mehr davon, um sich schneller zu erholen. Gelatine ist dafür ein hervorragendes Hilfsmittel. Auch das Knochenmark ist als eine gute Quelle für entzündungshemmende Omega-3-Fettsäuren zu nennen.
Das Geheimnis der Hühnersuppe
Die medizinische Wirkung von Hühnersuppe wurde wissenschaftlich in vielen Studien belegt. Es zeigt sich, dass der Konsum während einer Atemwegsinfektion zur Einschränkung der Neutrophilen-Bewegung führt, jener weißer Blutkörperchen, die bei Infekten von der Immunabwehr freigesetzt werden, aber dann selbst Entzündungsprozesse auslösen. Folgende Aminosäuren, die in gelatinereichen Kraftsuppen vorkommen, spielen dabei eine Rolle: Cystein wirkt schleimhautabschwellend und sekretverdünnend, sodass leichter abgehustet werden kann. Glutamin fördert das Zellwachstum, auch der Immunzellen. Im Akutfall ist es wichtig, die Hühnersuppe über den ganzen Tag verteilt so oft wie möglich zu sich zu nehmen, dann ist sie am wirksamsten.
Geruchstraining
Beim COVID-19-bedingten Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns kann ein gezieltes Geruchstraining mit Aromaölen zur Verbesserung beitragen. Die Geschmacksinneszellen sind in der Lage, sich binnen weniger Wochen zu regenerieren. Im Gegensatz dazu dauert die Erneuerung des Geruchssinns mehrere Monate. Das Geruchstraining mit hochwertigen ätherischen Ölen kann bei der Regeneration der Nervenzellen unterstützen. Dafür werden v.a. vier Öle eingesetzt – Geranium, Zitrone, Nelke und Eukalyptus – die ein breites Aromaspektrum abdecken: blumig, fruchtig, würzig/scharf und krautig/harzig. Die unterschiedlichen Öle werden für das Geruchstraining in vier Geruchsstifte gefüllt, mit denen das olfaktorische System gezielt angeregt werden kann. Die ätherischen Öle gelangen über die Nase direkt ins Gehirn (Limbisches System). In der Folge werden für die Regeneration notwendige Stoffwechselprozesse stimuliert.
Weil die Erneuerung des Geruchssinns bis zu sechs Monate dauern kann, ist es wichtig, das Training regelmäßig durchzuführen.
Fazit
Erschöpfung, Kraftlosigkeit und Müdigkeit sind häufige Symptome nach einer COVID-Erkrankung. Die medizinisch-therapeutischen Möglichkeiten sind derzeit begrenzt bzw. noch zu entwickeln. Es lohnt sich daher, das Potenzial einer integrativen Ernährungs- und Aromatherapie zu nutzen.
Buch-Tipp
Claudia Nichterl
Integrative Ernährung
Springer Verlag
Dr. oec. troph.
Claudia Nichterl
Ernährungswissenschaftlerin, TCM-Ernährungsberaterin, Autorin
claudia.nichterl@integrative-ernaehrung.com
Fotos: © Jesse I adobe.stock.com, © Aleksandar I adobe.stock.com, © nadianb I adobe.stock.com
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