Stationäre Psychotherapie
Möglichkeiten der Gestaltung eines stationären Settings
Bei der Station, von der ich berichte, handelt es sich um eine offene psychiatrisch-psychotherapeutische Station an
einer gemeindenah angelegten Abteilung für Klinische Psychiatrie mit Pflichtversorgung an einem Allgemeinkrankenhaus.
Unser Behandlungsspektrum umfaßt die typischen neurotischen Störungen, wie beispielsweise Angststörungen und
Depressionen, psychosomatische Erkrankungen, Persönlichkeitsstörungen und sekundäre Abhängigkeitserkrankungen
(Alkohol-, Medikamenten – und pathologische Spielsucht), aber wir betreuen auch Menschen, die sich in einer schweren
Lebenskrise befinden.
Allgemeines
Unser Ziel ist die Entwicklung der Fähigkeit, mit ambulanten psychotherapeutischen bzw. suchttherapeutischen Angeboten und Selbsthilfegruppen nach der Entlassung an sich selbst und den Problemen, die zur Aufnahme in die Klinik führten, weiter zu arbeiten (Ú Hilfe zur Selbsthilfe). Dabei kommen die Patienten freiwillig in die Behandlung; in der Regel, wenn die häusliche Situation nicht mehr tragbar ist (Patient mit Angststörung traut sich nicht mehr aus dem Haus) und eine ambulante Behandlung nicht ausreicht. Fremdmotivierte Patienten (Arbeitgeber drängt seinen alkoholabhängigen Mitarbeiter zu einer Therapie) bleiben zur Motivationsbehandlung sechs Wochen in der Behandlung, ansonsten beträgt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer acht bis zwölf Wochen und länger. Vor jeder Aufnahme steht ein Vorgespräch, in dem die Indikation, die Notwendigkeit zur stationären Behandlung und die Motivation festgestellt wird.
Das Behandlungsteam ist multiprofessionell, d.h. Mitarbeiter verschiedener Berufsgruppen unterstützen den Patienten
bei der Bearbeitung seiner Probleme entsprechend ihrer Fachkompetenz und setzt sich zusammen aus:
fünf
Mitarbeitern im Pflegedienst, einem Stationsarzt, einer Psychologin, einer Sozialarbeiterin, einer
Bewegungstherapeutin und einer Ergotherapeutin.
In regelmäßig stattfindenden Teamsitzungen werden Beobachtungen und Ansichten bezüglich des Patienten aus unterschiedlichen Perspektiven heraus ausgetauscht und gemeinsam mögliche Therapieschritte erarbeitet. Die fachärztliche Supervision erfolgt durch den Chefarzt bzw. die leitende Oberärztin und den Abteilungspfleger. Ein hausexterner Supervisor kommt regelmäßig 12 mal pro Jahr ins Team. Psychopharmaka werden nur in begründeten Ausnahmefällen verordnet. Patienten mit einer Suchtproblematik erhalten neben den Stationsregeln einen Suchtvertrag.
Therapie:
1. Patientengemeinschaft
Ein wichtiger Bestandteil der stationären psychotherapeutischen Behandlung ist die Patientengemeinschaft, in der sich der neu aufgenommene Patient wiederfindet. Hier hat er zum einen die Möglichkeit, seine sozialen Strukturen, die er von „draußen” mitbringt, weiterzuleben, was diagnostisch-therapeutisch interessant sein kann, da ungünstiges zwischenmenschliches Verhalten gut identifiziert und mit ihm bearbeitet werden kann und zum anderen kann der Patient in der Gemeinschaft neues Verhalten ausprobieren und einüben; sinnbildlich gesprochen: sie ist wie ein Spiegel, der dem Patienten vorgehalten wird und dem Team Einblicke ermöglicht.
Ein weiterer Vorteil dieser Gemeinschaft ist, wenn man bedenkt, daß beispielsweise viele Suchtmittelabhängige große
Schwierigkeiten haben, sich in vorgegebene Strukturen ein- und zurechtzufinden, zu lernen, Verantwortung für sich
innerhalb dieser und für diese zu übernehmen.
Dies wird u.a. durch das Übernehmen eines Patientenamtes (dazu
später mehr) und die Stationsregeln ermöglicht.
Ein anderer Aspekt ist die „Schutzfunktion” für die Patienten, die in einem komplizierten und den Therapieprozeß
erschwerenden äußeren Umfeld leben; sie haben so die Möglichkeit, in einer abschirmenden Geborgenheit das Gespräch zu
suchen und zu lernen, sich Hilfe zu holen. Trotzdem soll die künstliche Gemeinschaft innerhalb der Klinik nicht zum
einzigen Zufluchtsort werden, da sonst die Gefahr bestehen kann, die äußeren Realitäten, in die der Patient nach der
Behandlung entlassen wird, gänzlich außer Acht zu lassen.
Aus diesem Grunde sind die Stationsregeln mit
großzügigen Belastungsurlauben über Nacht und Ausgangsregelungen ausgestattet, um neu erlerntes Verhalten auch in
privaten Bereichen ausprobieren zu können.
2. Einzeltherapie
Die Einzeltherapie findet auf zwei Ebenen statt: regelmäßige, wöchentliche Gespräche mit dem/der Bezugstherapeuten/in
und dem/der Bezugspfleger/in.
Durch die feste Zuordnung der Patienten zu einem Mitarbeiter ist professionelle
Beziehungsarbeit erst möglich (wichtigstes Kriterium für die Wirksamkeit von Psychotherapie), denn intime
Lebensdetails des Patienten und „krankmachendes” Verhalten lassen sich nur dann wirksam ansprechen und bearbeiten,
wenn eine tragfähige Beziehung zwischen Patient und Therapeut/in entsteht.
In den Einzelgesprächen formuliert der Patient seine Ziele, die er sich für die Therapie gesetzt hat. Oft sind diese nur sehr allgemein gehalten [ „ich will mit dem Trinken aufhören’’ oder „ich möchte wieder lachen können”] und so nicht verwertbar. In diesen Fällen versuchen wir mit ihm, konkretere Probleme/Zielvorstellungen zu formulieren und praktizieren somit die Therapie der „kleinen Schritte”. Das könnte wie folgt aussehen (vereinfacht schematisiert):
Unkonkretes Ziel: „Ich will mit dem Trinken aufhören”
Bearbeitung: (Suche nach möglichen Ursachen, die immer wieder dazu führen, daß der Patient zur Flasche
greift)
„Was macht es Ihnen so schwer, nicht zu trinken ?”
„ln welchen Situationen greifen Sie zur
Flasche?”
„Beschreiben Sie doch bitte einfach einmal eine Situation, die dazu fuhrt, daß Sie kurze Zeit später zum
Kiosk gehen, um sich dort ihren Flachmann zu kaufen!”
Konkretisiertes Ziel/Kleiner Schritt
Im Gesprächsverlauf wird (beispielsweise) deutlich, immer wenn der Patient nach einem Streit mit seiner Ehefrau unter starke innerer Anspannung gerät, diese aber nicht loswerden kann, weil er sich unterlegen fühlt und so kein ihn befriedigendes Gespräch mit dieser führen kann, ist als Therapieschritt die „Hausaufgabe” möglich, im stationären Alltag auf solche Situationen gezielt zu achten und Probleme, die sich mit Mitpatienten ergeben, anzusprechen. In weiteren Gesprächen können beide daran arbeiten, inwiefern dieses Gefühl der Unterlegenheit noch in anderen Lebensbereichen besteht.
Dieses Schema ist auch auf andere Erkrankungen anzuwenden und setzt immer die Bereitschaft des Patienten voraus.
Außerdem wird es von Mitarbeiter zu Mitarbeiter variieren, je nach therapeutischer/beruflicher Ausrichtung.
Der
Hauptunterschied zwischen den Berufsgruppen der Ärzte/Psychologen und der Pflege besteht in erster Linie darin, daß
die einen eher auf innerpsychische Konflikte und die anderen auf Probleme eingehen, die lebenspraktischer Natur sind
[Bewerbungen, Ärger mit Ämtern; aber auch: zwischenmenschliche Konflikte].
3. Gruppentherapie
In der Gruppentherapie hat der Patient eine weitere Möglichkeit – neben dem Einzelgespräch – an seinen Problemen zu arbeiten: nicht nur die Ansichten und Meinungen (Ú Interventionen) seiner Bezugsperson, sondern auch die der Mitpatienten können hier zur Geltung kommen.
Zum Beispiel: ein Patient, der glaubt, von allem und jedem abgelehnt zu werden, einschließlich von den
Klinikmitarbeitern [“die machen ja nur ihren Job”], kann jetzt innerhalb der Gruppe die Erfahrung machen, daß er
angenommen und mit seinen Vorstellungen akzeptiert wird. Er erhält eine Vielzahl unterschiedlicher Rückmeldungen auf
seine Probleme, sein Verhalten und seine Gefühle und macht so die Erfahrung, daß es zwischen „Schwarz” und „Weiß” noch
viele Zwischentöne gibt.
Anhand der nun folgenden Beschreibung der Gruppen möchte ich versuchen, diese „Qualität”
zu beschreiben.
Die Sitzungen dauern in der Regel 90 Min. und sollen den Patienten auf unterschiedlichen Ebenen erreichen, um mit sich und seiner Umwelt in Kontakt zu treten und Veränderungen zu bewirken:
1. Therapeutische Gruppen Bezugsgruppe
Die Bezugsgruppen finden zwei Mal wöchentlich, getrennt nach Gruppe „A” und „B”, unter der Leitung der
Bezugstherapeuten statt.
In einer kurzen „Blitzlichtrunde” beschreiben die Patienten der Reihe nach ihre
derzeitige emotionale (und körperliche) Verfassung. Dies dient der Steigerung des Selbstausdruckes und der
Selbstwahrnehmung. Danach werden Themen für die jeweilige Sitzung gesammelt und es wird gemeinsam entschieden, welcher
Patient die Möglichkeit erhält, sein Anliegen zu thematisieren; eventuell, je nach Zeit, ist es auch möglich, mehrere
Anliegen anzusprechen.
Wichtig ist, daß hier jedes Thema angesprochen werden kann: von der Angst, ein Problem mit seinem Ehepartner anzusprechen, bis hin, sich mit vergangenen Geschehnissen – manchmal Leichen, die im „Keller” sind– auseinanderzusetzen. Meist kann ein Problem gut beschrieben werden, aber erst die therapeutische Bearbeitung macht das tieferliegende emotionale Geschehen, das verdeckt und tief verwurzelt sein kann, deutlich und für den Patienten spürbar.
Ein Beispiel:
Patient A
„Mir ist heute wieder so übel. Außerdem habe ich in der letzten Nacht sehr schlecht geschlafen und warum
ich jetzt wieder so angespannt bin, weiß ich auch nicht.
Therapeut
„Das, was Sie momentan beschreiben, sind ja körperliche Probleme, die Ihnen nur allzu gut bekannt sind.
Interessant ist außerdem, daß diese nur in bestimmten Situationen auftreten. Haben Sie irgendeine Vorstellung davon,
was Ihnen im Magen liegen könnte und Ihnen wieder den Schlaf raubt?”
Patient A
„Darüber habe ich mir auch schon den Kopf zerbrochen, aber ich bin nicht darauf gekommen. Sicherlich war
es oft so, wenn ich mir über bestimmte Dinge Gedanken gemacht habe und zu keiner Lösung gekommen bin. Aber was heute
wieder los ist mit mir, weiß ich auch nicht.”
Therapeut
„ Wie ist das mit dem Kopfzerbrechen?”
Patient A
„Bestimmt bin ich eher ein Mensch, der sich leicht Gedanken über sich und seine Umwelt macht, aber
insgesamt kann ich doch ganz gut von meinen Problemen abschalten….”
Patient B
„Sag mal, Peter: Hat gestern nicht deine Mutter angerufen und dich gebeten, die Garage aufzuräumen und
den Rasen zu mähen ? Du hattest dich nach eurem Telefonat ziemlich aufgeregt und warst auch ein bißchen angespannt
danach…”
Patient A
„Schon, weil´s wieder so kurzfristig war, aber was soll’s, man kann seine Eltern doch nicht im Stich
lassen!”
Patient C
„Du bist mir vielleicht lustig: Regst dich in der Therapie die ganze Zeit darüber auf, daß deine Mutter
deine Schwester ständig vorzieht und dein Vater, wenn er mal wieder besoffen ist, bei dir zu Hause anruft und mit dir
streitet, weil du es zu nichts gebracht hast, und dann ist alles O.K, wenn sie nach dir verlangen.”
Therapeut
„Herr XYZ: Wie würden Sie denn in einer solchen Situation reagieren?”
Patient C
„Ich würde mich tierisch aufregen und denen meine Meinung sagen. Meine Mutter würde ich bitten, ihre
Tochter zu fragen und meinem Vater würde ich antworten, ein Nichtsnutz kann auch keinen Rasen mähen, weil er zu doof
ist!”
Therapeut
„Sie wären sehr sauer und würden Ihrem Ärger Luft machen!”
Patient C
..Ja!”
Therapeut
„Herr XYZ: Wie ist das für Sie, wenn sie das hören?”
Durch die Einmischung des Patienten B wurde schnell klar, daß vor den beschriebenen Symptomen doch eine Begebenheit
geschah, die letztendlich zu psychosomatischen Beschwerden führte; Patient C zeigte eine andere Möglichkeit zu
reagieren auf, eine, die vielleicht zu einer konflikthaften Auseinandersetzung mit den Eltern geführt hätte, aber
keine körperlichen Reaktionen nach sich ziehen würde, da das erlebte Gefühl ausgedrückt werden darf.
Neben dem
Gespräch in der Gruppe ist es aber auch möglich, Verhaltensweisen und Probleme mit Hilfe darstellender Methoden zu
verdeutlichen und zu bearbeiten: In Rollenspielen kann eine erwartete angstbesetzte Situation „geübt” und
beispielsweise problematische Kommunikationsstile analysiert werden.
Der Einstieg in die gruppentherapeutische Arbeit erfolgt über den sog. „Zeitkuchen”, bei dem der Patient einen
durchschnittlichen Tag, an dem sein Problem auftrat, in einem Kreisdiagramm mit Tageszeiten und äußeren Umständen
darstellt, diesen in der Gruppe vorstellt und sich somit zum Thema macht.
Nach der achten Woche erfolgt eine
„Bilanz”, in der der Patient seinen bisherigen Therapieverlauf reflektiert und Ziele für den weiteren Aufenthalt
formuliert. Im Anschluß erhält er von der Gruppe und den Mitarbeitern Rückmeldungen, Tips und Anregungen.
Am Ende
der stationären Behandlung erfolgt eine Abschiedsgruppe; auch hier hat der Patient wieder die Möglichkeit, seine
Therapie zu reflektieren und von der Gruppe weitere Rückmeldungen zu erhalten.
Rückblick
Der Wochenrückblick findet unter der Leitung des Bezugstherapeuten und unter Begleitung der Pflege freitags statt.
In dieser gibt jeder Patient jedem seiner Mitpatienten der Reihe nach eine Rückmeldung, wie er ihn in der
vergangenen Woche erlebt hat, ob er Fort- oder Rückschritte gemacht hat, was sich in seinem Verhalten vielleicht noch
ändern sollte oder, ganz einfach, wie er zu ihm steht.
Am Ende der Runde hat der Patient, der einen Rückblick von
der Gruppe erhalten hat, die Möglichkeit, der Gruppe zu berichten, wie er sich im Gesamtkontext sieht. Neben der
Auseinandersetzung mit Eigen- und Fremdwahrnehmung fördert dies einen angemessenen Umgang mit positiven und negativen
Rückmeldungen.
Infogruppe
Einmal wöchentlich findet die Infogruppe statt, in der spezielle Themen von den therapeutischen Mitarbeitern mit den
Patienten besprochen werden.
Hier werden u. a. medizinische Belange, wie z.B. Krankheitsbilder, Medikamente,
Folgen von Alkoholismus, aber auch Themen bezüglich Gefühlen, Ängsten, Kommunikation, Beziehungen usw. angesprochen.
Ziel ist die Vermittlung sachlicher Informationen (z.B. Kommunikationsstile, das Entstehen von Ängsten).
Großgruppe
In regelmäßigen Abständen kommt der Chefarzt der Abteilung in die Patientengemeinschaft und leitet die Großgruppe anstelle der Infogruppe. Themen sind nicht vorgegeben, sondern werden von den Patienten, entsprechend ihrer Wünsche und Bedürfnisse, eingebracht und sind nicht eingeschränkt.
2. Pflegegruppen
Männer-und Frauengruppe
Diese Gruppe findet einmal wöchentlich geschlechtsspezifisch geteilt statt und wird von den Mitarbeitern aus dem
Pflegeteam geleitet.
Hier haben unsere Patienten nun einen Raum, in dem es ihnen leichter fällt, Themen
anzusprechen, mit denen sie in geschlechtsheterogenen Gruppen Schwierigkeiten haben.
Themen sind u.a.:
- Männer/-Frauenbilder
- die Rolle des Mannes/der Frau in der partnerschaftlichen Beziehung – Sexualität und sexuelle Dysfunktionen, sexueller Mißbrauch
- Vaterrolle/Mutterrolle
- gesellschaftliche Strukturen … aber auch:
sportliche Aktivitäten in angemessenen Abständen, wenn die Patienten den Wunsch danach haben: Fußball, Aerobic …
Für Patienten ist es oft sehr schwierig und schambesetzt, ihre Sexualität anzusprechen. Die Angst – und das gerade in der Männergruppe – in der „Hackordnung” dem anderen zu unterliegen, „nicht potent genug” zu sein, ist oft sehr groß. Um dann den Einstieg zu erleichtern, machen wir in einer Sitzung gemeinsam eine Themensammlung, die in den darauf folgenden Stunden unter allgemeineren Aspekten „abgearbeitet” wird. In dieser Gesprächssituation versuchen wird dann, auf den einzelnen näher einzugehen.
Stationsparlament
Im wöchentlich stattfindenden Stationsparlament verteilen die Patienten in Eigenregie die vorgegebenen Stationsämter untereinander auf, bringen Regelverstöße zur Ansprache, teilen mit, in welcher Selbsthilfegruppe sie waren, verabschieden sich, wenn sie entlassen werden, tragen Beschwerden vor und besprechen organisatorische Dinge (z.B. Disco-Abend, Stationsausflug, nächtliche Ruhestörungen …).
Verteilt werden u.a. folgende Ämter:
- Stationssprecher (leitet das Stationsparlament und ist Ansprechpartner für das Team)
- Gruppensprecher (spricht für seine Gruppe und fährt neue Patienten in die Station ein)
- Essenskartendienst (kümmert sich darum, daß die von den Pat. ausgefüllten Essenskarten in die Küche kommen)
- Küchendienst (sieht nach, ob jeder selbst für Ordnung gesorgt hat)
- Weckdienst (weckt um 7.30 Uhr)
- Zimmer mit dem Wasserdienst (bestellt Mineralwasser und kontrolliert den Bestand)
Anhand der Dienste ist zu erkennen, welchen Stellenwert die Eigenverantwortlichkeit der Patienten hat und den Tagesablauf bestimmt.
Sozialtraining
Im Sozialtraining bildet die Patientengemeinschaft Gruppen (mindestens drei Pat. pro Gruppe; eine Gruppe wird i.d.R.
von einem Mitarbeiter des Pflegeteams begleitet) mit unterschiedlichen Außen- und Innenaktivitäten und halten diese
verbindlich schriftlich fest.
Diese Gruppe hat mehrere Ziele: Zum einen soll sie den Patienten, die wenig
Tagesstruktur haben, Möglichkeiten aufzeigen, ihre Freizeit sinnvoll auszugestalten und zum anderen Übungsfeld für das
Treffen von Absprachen und das Einhalten dieser sein.
An Aktivitäten ist (fast) alles möglich, da die reale
Lebenssituation so gut wie möglich widergespiegelt werden soll:
- Spiele auf Station (mit genauer vorheriger Angabe des/der Spiels/Spiele, z.B. Outburst, Canasta, usw.)
- Kino/- Museumsbesuch
- Badminton/Squash
- Besuch des Botanischen Gartens/der Sternwarte/des Zoos – Stadtbummel
- Disco
In einer anschließenden Nachbesprechung wird der Verlauf der durchgeführten Aktivitäten besprochen. Es wird kritisch reflektiert, wie die Absprachen zustande gekommen sind, ob sie eingehalten wurden oder Korrekturen vorgenommen wurden, wie das Miteinander während der Aktivität erlebt wurde und ob es Schwierigkeiten gab. Gleichzeitig zeigen wir Ideen und Möglichkeiten für die folgenden Aktivitäten auf.
Kochgruppe
Es gibt vier Kochgruppen mit jeweils 3 bis 5 Patienten, so daß jede Gruppe einmal monatlich ein Mittagsmenu
vorbereitet und in der darauf folgenden Woche kocht.
In einer Vorbereitungsgruppe, die von der Pflege geleitet
wird, wird die Art der Mahlzeit, die sich daraus ergebende Zutatenliste und die Verteilung der Aufgaben, wie z.B.
Einkaufen der Lebensmittel, Zubereitung (Schälen der Kartoffeln, Braten des Fleisches), Kochen, Herrichten der
Eßtische und das Spülen des benutzten Bestecks und Geschirrs besprochen.
Da primär das Ziel dieser Gruppe nicht
das Erlernen von „Kochfertigkeiten” sondern das Einüben von Absprachen, Einhalten dieser und die Übernahme von
Verantwortung für die Gemeinschaft ist, findet im Anschluß des Kochens, das beobachtend und unterstützend von der
Pflege begleitet wird, eine Nachbesprechung statt, in der gemeinsam Probleme besprochen, Erfahrungen und Tips
ausgetauscht und Vorschläge zur Verbesserung gemacht werden.
3. Ergotherapeutische Gruppen
Einzelwerken in der Gruppe
Das Einzelwerken in der Gruppe ist ein kompetenzzentriertes Angebot. Es findet einmal wöchentlich für jede Patientengruppe im Zeitraum von 90 Min. im Werkraum der Ergotherapie statt. Es stehen unterschiedliche Materialien (z.B. Ton, Holz, Speckstein usw.) für eine Vielzahl von Techniken zur Verfügung, sowie unterschiedliche Arbeitsplatzbedingungen (z.B. abgelegener Arbeitsplatz oder zentral, ruhig oder laut usw.). Die Patienten können ihrer Neigung entsprechend ein Werkstück erstellen und daran Stärken und Schwächen kennenlernen und bearbeiten.
Gestaltungstherapie
Die Gestaltungstherapie zählt zu den ausdrucksorientierten und auch interaktionellen Angeboten der Ergotherapie. Die
Gestaltung findet in einem reizarmen Gruppenraum statt, der ein konzentriertes Gestalten ermöglicht.
In der
Gestaltungstherapie bekommt der Patient eine konkrete Aufgabe (z.B. „ich als Tier”), der er sich der vorgegebenen
Technik stellen kann.
Nach Abschluß der praktischen Arbeit hat jeder Patient die Möglichkeit, sein Werkstück in
die Mitte der Gemeinschaft zu legen und so lange zu besprechen, bis er es selbst wieder herausnimmt.
Dieses
Besprechen des Themas ist häufig diagnostisch sehr interessant, da Grundproblematiken deutlich werden (z.B.
übertriebener Perfektionismus, mangelnde Abgrenzungsfähigkeit). Der Patient erfährt Neues, häufig Unbewußtes, das sich
über ein kreatives Medium ausdrückt.
4. Konzentrative Entspannung
Dies ist eine Therapie, die helfen kann, körperliche Verspannungen zu erspüren und diese aktiv zur Entspannung hin zu
beeinflussen.
Oft haben Patienten gerade hier große Schwierigkeiten, sich auf das Geschehen einzulassen, sich
fallen zu lassen und sich einer weniger selbstkontrollierten Situation hinzugeben.
Widerstände sind gerade dann zu
erleben, wenn Patienten mit großer Regelmäßigkeit einschlafen.
5. Kommunikative Bewegungstherapie
Diese beinhaltet die Herstellung zwischenmenschlicher Kontakte mit den Mitteln – der Bewegung – des Ausdrucks – des
gemeinsamen Handelns – der Lösung vorgegebener Aufgaben – der Aufnahme von Beziehungen zueinander – der Erprobung
neuer Verhaltensweisen.
Durch diese eher spielerischen Methoden kommt der Patient einfacher in die Rolle zu
handeln und kann so unter schutzgebender Leitung erfahren, auf andere Arten und Weisen unkomplizierten Kontakt zu
anderen Menschen aufzunehmen. Gerade diejenigen, die an ihrer Kopflastigkeit „leiden”, profitieren von dieser
Vorgehensweise.
6. Therapeutenfreie Gruppe
Hier sind die Patienten ausschließlich unter sich. Das Ziel dieser Gruppe ist es, auf der einen Seite Themen
ansprechen zu können, von denen sie möchten, daß diese in der Patientengemeinschaft bleiben und auf der anderen Seite
die Mobilisierung der Selbsthilfekräfte.
Ein Gruppensprecher führt Buch über die angesprochenen Themen,
strukturiert das Geschehen und achtet auf die Bedürfnisse des Einzelnen: der Kontext einer Selbsthilfegruppe ist
hergestellt.
Ich hoffe, meinem eingangs erwähnten Ziel, dem Leser eine Möglichkeit der stationären Psychotherapie zu erläutern, einigermaßen gerecht geworden zu sein!
Die Psychotherapie ist ein sehr komplexes Thema, über das bändeweise Literatur verfaßt wurde, und berücksichtigt man gleichzeitig die Tatsache, daß es außerdem aufgrund der sehr verschiedenen Schulen kontrovers diskutiert wurde und wird, so ist doch eigentlich klar, daß stationäre Psychotherapie einen noch größeren Raum hat und ich im Grunde lediglich eine schemenhafte Skizze wiedergeben konnte; erst recht dann, wenn ein eingeschränkter Rahmen, wie hier in diesem Artikel, besteht.
Die Darstellung von Psychotherapie kann sehr abstrakt sein; dieses wollte ich durch ein Einfügen von praktischen Beispielen verhindern, vielleicht auch auf Kosten bestimmter Aspekte.
Dirk Dellmann
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