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Naturheilkunde
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Genie, Querdenker, Revolutionär – Paracelsus

Wirkung und Bedeutung einer historischen Figur

Darstellung des Paracelsus (Theophrast von Hohenheim) in einem Gemälde von Quentin MassysDas Schriftwerk des Theophrastus Phillipus „Aureolus“ Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, enthält wesentlich mehr, als die Aufsätze der Philologen und Medizinhistoriker erkennen lassen. Paracelsus, Mediziner und Universalgelehrter, lebte 1493 – 1541, wurde nur 48 Jahre alt. Er hinterließ ein erstaunlich kompaktes Wissen auf tausenden von Seiten.

Eine 10-bändige Ausgabe seiner Werke erschien 1591 bis 1598. Als Naturforscher, Philosoph, Mystiker, Prophet, Astrologe, Magier und Alchemist schien er die Teilbereiche ineinander übergehen zu lassen, ganz im Gegenteil zur heutigen Wissenschaft, bei der die Fachleute durch ihre Spezialisierung von immer weniger immer mehr wissen, bis sie eines Tages von nichts alles wissen.

Die alten Meister benutzten Gedichte, in denen sich Rezepturen verbargen, fertigten Zeichnungen an, deren Symbolwert klare Vorschriften für die Medikamentenherstellung enthielten. Sie mussten ihre wertvolle Arbeit immer wieder verbergen. Die Verschlüsselung von Texten und Zeichnungen sorgte für Irrwege, die den Adepten (= Schüler der Hermetik) häufig um sein gesamtes Vermögen brachten.

Paracelsus’ Weltbild fußte auf den Lehren Hermes Trismegistos, der als Begründer der Hermetik gilt. Diese Jahrtausendealte, aus Ägypten stammende Lehre sieht den ibisköpfigen Gott Thot als Hüter der Weisheits Suchenden an. Ziel ist es, den Menschen wieder in Harmonie mit den kosmischen Kräften zu bringen. Das kann u.a. mit wohl durchdachten und hoch wirksamen Heilmitteln geschehen. Der Gott Thot wurde von den Griechen Hermes und von den Römern Merkur genannt. Als Götterbote brachte er den Menschen das Wissen über Astrologie, Medizin, Alchemie, Musik und Dichtung.

Um Paracelsus entschlüsseln zu können, ist es also notwendig, die Hermetik zu studieren, sonst fehlt einem der Übersetzungscode für seine Schriften. Aus Gründen der kirchlichen Verfolgung entstand ein Schweigegelübde unter den Hermetikern. Einer ihrer Meister war Harpokrates, der mystische Gott des Schweigens. „Wisse, wolle, wage und schweige“, lautet daher einer der ersten Hermetik-Leitsätze.

Paracelsus lebte in der Zeit der Renaissance. Die Wissenschaft wandelte sich unter den Einflüssen Byzants, griechisches Medizinwissen und spätantike Schriften gelangten in den deutschsprachigen Raum. In dieser Zeitepoche finden wir neben Paracelsus Zeitgenossen wie Nikolaus Kopernikus, Nostradamus, Leonardo da Vinci, Michelangelo, Albrecht Dürer, Agrippa von Nettesheim und Martin Luther.

Die wichtigsten Werke der arabischen Medizin gelangten als lateinische Texte nach Zentraleuropa. Aus Italien kamen Impulse zur medizinischen Alchemie. Wichtigste Autoren medizinischer Schriften in dieser Epoche waren Geber, Rhazes, Hippokrates, Dioskurides, Galen und Plinius. Da der Buchdruck damals große Fortschritte machte, konnte das Wissen gut verbreitet werden.

Quelle: sil / www.fotolia.deParacelsus wurde bei Einsiedeln in der Schweiz geboren. Seine Mutter war Leibeigene des dortigen Klosters, der Vater gehörte einem schwäbischen Adelsgeschlecht an und war Arzt. Das Geburtshaus lag direkt am Jakobspilgerweg nach Santiago de Compostela. Die berühmte Schwarze Madonna des Ortes zog schon damals viele Pilger an. Nach dem Tod der Mutter übersiedelten Vater und Sohn 1502 nach Villach in Kärnten.

Paracelsus lernte neben der Medizin durch seinen Vater ebenso den Bergbau und den Umgang mit Mineralien kennen. In der Alchemie waren mit hoher Wahrscheinlichkeit der Abt Johannes Trithemius und Agrippa von Nettesheim seine Lehrer. Sigmund Fugger, Alchemist und Inhaber des größten Kupfer- und Silberbergwerkskonzerns in Österreich und Ungarn, diente Paracelsus ebenfalls als Lehrer. 1509 bis 1515 studierte Paracelsus Medizin an deutschen, italienischen und französischen Hochschulen. Am längsten studierte er in Ferarra, wo er in der Inneren Medizin und der Chirurgie promovierte. Danach war er wie ein Walzbruder bis 1524 in ganz Europa unterwegs. „Ich habe über 80 Bauern gekannt, die die Kräuter nur wegen ihrer Form und Anatomie mit den Krankheiten verglichen haben, und sie haben vor meinen Augen damit wunderbar und gut geholfen. Denn wenn man dies beim Lichte besieht, gelangten die sichersten Künste fast alle vom gemeinen Manne und unachtbaren Leuten an uns. Würden alle derartigen Erfahrungen ungefälscht durch Rezepte und Rezeptemacher in ein einziges Büchlein geschrieben werden, dann wäre mir das lieber als alle Kommentare des Galenus und Avicenna.“

Es war klar, dass sich dieser Arzt ungeheuer unbeliebt bei seinen ärztlichen Kollegen und Apothekern gemacht hatte, da diese nur selten über umfangreiches Wissen und Handwerkskunst verfügten. Paracelsus wirkte in Salzburg als Arzt und betrieb ein Labor, in dem er Naturstoffe bearbeitete. Die so entstehenden Medikamente und die damit verbundenen Fertigungsabläufe nennt man Iatrochemie. Paracelsus gilt heute als Begründer dieser Wissenschaft.

In Tübingen und Freiburg verfasste er den „Herbarius“ und die „Archidoxis“, Bücher über ein langes Leben und die tartarischen Krankheiten. 1529 schuf er in Nürnberg zwei Bücher über die Syphilis und 1530 das Werk „Paramirum“ in Regensburg. 1536 druckte in Ulm ein Verleger die „Große Wundarznei“. In Kärnten entstand 1537 – 1540 die „Philosophia Sagax“. In Salzburg fand er dann seine letzte Ruhe.

1960 wurden die Überreste von Paracelsus exhumiert. Die Gerichtsmediziner fanden einen zu Lebzeiten zertrümmerten Schädel vor, der einen gewaltsamen Tod oder einen Unfall bewies, auf keinen Fall handelte es sich um einen natürlichen Tod.

Aus dem Schatz des Paracelsus

Der Mensch wird, so Paracelsus, von drei Gewalten eingeschränkt: Alter, Krankheit und Tod. Besonders die Krankheit macht auf die menschliche Unzulänglichkeit aufmerksam, auf die Sehnsucht nach Gesundheit, Harmonie und Geborgenheit. Krankheit und Unglück sind Geschwister. Die Ursache von Erkrankungen liegt nicht bei Säftedysbalancen, wie fast alle Ärzte dieser Zeit glaubten, sondern das Ungleichgewicht der Säfte ist lediglich die Auswirkung einer Erkrankung. Nur wenn das Milieu des Patienten bereits ge schwächt ist, kann es zu Disharmonien der Säfte oder zu einem Erregerbefall kommen.

Das gilt auch für Pflanzen. Nur ein bereits geschwächter Baum wird von einer Mistel heimgesucht, von Blattläusen und Borkenkäfern. In der Regel denkt man ja meist, dass erst der Schädling den Baum in eine Erkrankung stürzt. Paracelsus dagegen sieht die Krankheitsursachen metaphysisch.

Für einen Therapeuten ist das ständige Lernen wichtig, so Paracelsus. Dafür stellt er folgende Regeln auf: Die erste Regel ist das lebenslange Studium, denn das Leben ist kurz und die Kunst ist lang, wie er schreibt. Wer glaubt, ausgelernt zu haben, hat das Wesentliche nicht begriffen.

Die zweite Regel ist der Respekt vor dem Wissen und der Erfahrung anderer. „Der Arzt lernt nicht alles, was er können und wissen soll, auf den hohen Schulen, er muss auch zeitweise zu alten Weibern, Zigeunern, Schwarzkünstlern, Landfahrern, alten Bauersleuten und dergleichen mehr unachtsamen Leuten in die Schule gehen und von ihnen lernen. Denn diese haben mehr Wissen von solchen Dingen, als alle hohen Schulen.“ Dafür ist es erforderlich, auf Wanderschaft zu gehen und das Studierstübchen zu verlassen, „weil keinem der Meister im Hause wächst und weil keiner seinen Lehrer hinter dem Ofen hat. Nicht alle Künste sind im Vaterland eines Menschen verschlossen, sondern sie sind in der ganzen Welt verteilt.“

Die dritte Regel betrifft die Lebensweise. Diese sollte auf der einen Seite bescheiden sein, auf der anderen aber auch im Einklang mit den kosmischen Gesetzen stehen. Auch wenn einem das nicht sofort und perfekt gelingt, das ist nicht das Entscheidende, viel wichtiger, so meint Paracelsus, ist, dass man es anstrebt. Dabei sollte man jegliche Einseitigkeit und extreme Verhaltensweisen meiden.

Als vierte Regel nennt er die Erfahrung. Denn nur die Summe an Erfahrung jedes einzelnen Arztes macht ihn eines Tages zum Meister seines Gebietes.

Iwailo Schmidt

Literatur:
Iwailo Schmidt, Der Homunkulus –
Die Wiederentdeckung der Alchemie,
Schmidt Verlag, Dresden, 2008.

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