Die medizinische Wirkung von Safran auf den menschlichen Organismus
„Safran macht den Kuchen gel“ – wer hat den etwas verunstalteten Kinderreim nicht schon gehört? Der Satz, dem im Gedicht einfach nur der Buchstabe b fehlt, damit der Reim passt, reduziert das kostbarste und teuerste Gewürz der Welt auf seine Funktion als leckere Backzutat, die aus einem einfachen Rührkuchen eine goldgelbe Köstlichkeit macht. Dabei kann das Gewürz, das die orientalische Küche entscheidend prägt, noch so viel mehr.
Safran wird aus den getrockneten orangeroten Stempelfäden der zart lila Blüten der Krokusart Crocus Sativus gewonnen. Die Ernte erfolgt auch heute noch in reiner Handarbeit – jedes Pflänzchen muss einzeln geerntet und der Blüte dann die bis zu drei Stempelfäden entzogen werden. Für die Herstellung eines einzigen Kilos Safran müssen zwischen 150000 und 250000 Blüten geerntet werden – was den hohen Preis des Gewürzes erklärt.
Die Blüte- und damit die Erntezeit der Safranblüten liegt im November. Die wichtigsten Anbaugebiete der Krokusart liegen im Iran, in Indien, aber auch rund ums Mittelmeer in Ländern wie Griechenland, Marokko, Spanien und Italien. Als Besonderheit gelten die Anbaugebiete in Österreich und der Schweiz, hier liegen die geernteten Blütenmengen für die beiden Produktionsgebiete insgesamt nur im Kilo-Bereich.
Was selten ist, ist begehrt und teuer. Das gilt auch für Safran. Um für das seltene Gewürz zumindest in Sachen Preis Transparenz zu schaffen, hat die Internationale Organisation für Normung eine ISO-Norm für Safran aufgestellt. Die ISO 3632-2 ist für die Normierung des chemischen und physikalischen Zustands des Safrans verantwortlich. Gemessen wird dabei der Crocin-Wert des Gewürzes – Crocin ist ein Carotinoid, das die goldgelbe Farbe des Safrans verursacht. Die ISO-Norm schreibt auch die Mindestwerte für Picrocrocin (der Bitterstoff, das sogenannte Safranbitter), sowie für Safranal (den Hauptaroma- und Duftstoff) vor. Entsprechend werden die Qualitätskategorien wie folgt definiert:
Kategorie I: Crocin-Wert > 190
Kategorie II:
Crocin-Wert > 150-190
Kategorie III: Crocin-Wert > 110-150
Kategorie IV: Crocin-Wert > 80-110
Welchen Wert die einzelnen Safranfäden erreichen, hängt von einer Reihe von Faktoren ab: Zum einen vom Anbaugebiet des Crocus Sativus, zum anderen von der Trocknung, Frische und der Lagerung der Safranfäden. Als beste iranische Safran-Sorten gelten Neginund Sargol-Safranfäden, die beide in der Regel Crocin-Werte von über 260 aufweisen können.
Neben seiner Verwendung als Gewürz besitzt Safran auch eine vielseitige medizinische Wirkung, die auch wissenschaftlich nachweisbar ist. Die Carotinoide sowie die unterschiedlichen ätherischen Öle sind in der traditionellen Heilkunde schon lange bekannt.
Safran erschien zum ersten Mal in historischen Schriften des „Ebers Papyrus“ (1500 v. Chr.) aus Ägypten als Mittel gegen Nierenprobleme und ist außerdem sehr gut in der ayurvedischen Bibel „Bhavprakash Nikhantu“ als Mittel gegen eine Vielzahl von Krankheiten beschrieben worden.
Im 14. Jahrhundert wird eine medizinische Anwendung des goldgelben Gewürzes erstmals in einem medizinischen Lehrbuch (Konrad von Megenberg beruft sich auf Dioskurides und Pilinus, wenn er Safran gegen Augen- und Magenschmerzen empfiehlt) erwähnt. [1]
Einen wichtigen Zusammenhang zwischen den Heilerfolgen von Pflanzen beim Menschen beschreibt Sunder-Plassmann in ihrem Buch über Safran: „Die Heilerfolge der Pflanze hängen nicht allein von der sachlichen Zweckdienlichkeit, sondern auch vom Glauben des Behandelten ab.“ [2] Sie geht dabei auch auf die „Signaturenlehre“ des Mittelalters ein, bei der „Pflanzen als Sinnbilder und Gleichnisse von menschlichen Organen und Lebensregungen“ dargestellt werden. Auch Paracelsus war ein leidenschaftlicher Vertreter dieser Thesen: „Jeder Stern am Himmel, sagt Paracelsus, ist ein geistiges Gewächs, dem ein Kraut bei uns auf der Erde entspricht; der Stern zieht durch seine anziehende Kraft das ihm entsprechende Kraut auf der Erde an, und jedes Kraut ist daher ein irdischer Stern und wächst über sich den Himmel zu.“ [1, 2].
Heute werden Safran und seine Extrakte in der Homöopathie und in der ayurvedischen Medizin in verschiedenen Ländern bei einer Reihe von Anwendungsgebieten eingesetzt: Safran wird sowohl schmerzlindernde Eigenschaften als auch harn- und schweißtreibende Auswirkungen nachgesagt. Er soll sich positiv bei Verdauungsbeschwerden auswirken, also gegen Magenbeschwerden eignen und wirkt dabei auch gegen Appetitlosigkeit und Blähungen. Die enthaltenen leichten Bitterstoffe sollen bei Leberbeschwerden helfen. Die ätherischen Öle sollen sich außerdem positiv auf Schwierigkeiten bei der Atmung auswirken, hilft also gegen Asthma oder Husten. Bei starkem Husten oder infektiösem Keuchhusten kann Safran zumindest eine Linderung der Symptome bewirken. [3]
Als Therapieansatz gegen Husten kann man z.B. auf ein einfaches Hausrezept, die Safranmilch zurückgreifen: 500 ml Milch mit 0,1 g Safran und ½ TL Zimtpulver kurz aufkochen lassen und abgekühlt mit etwas Honig servieren.
Außerdem soll Safran eine positive Wirkung auf die Geschlechtsorgane haben und somit auf Menstruationsbeschwerden, z.B. PMS, [4] und hilft bei Potenzproblemen als Aphrodisiakum.
Verschiedene pharmakologische Befunde sprechen Safran eine Reihe von Wirkungsweisen zu. So soll es als Mittel gegen epileptische Anfälle und als Herzmittel eingesetzt werden können und Auswirkungen auf das Nervensystem in Form einer Verbesserung der Lern- und Gedächtnisfunktion haben. Abe und Saito [5] konnten in ihrer Studie von 2000 anhand von Tierversuchen mit Mäusen zeigen, dass sich Safran positiv auf das Lern- und Gedächtnisverhalten auswirkt. Dabei konzentrierten sie sich zudem auf die Bedeutung von Safran als Radikalfänger, welcher sich durch die Crocine im Safran bildet und sich eventuell zur Behandlung von Krankheiten des zentralen Nervensystems (wie Alzheimer, Parkinson etc.) eignen könnte.
Zusätzlich lindert Safran laut einer iranischen Studie depressive Schübe. Des Weiteren soll er den Blutdruck senken, das Cholesterin minimieren sowie die Aufnahme des Sauerstoffs in den Körperzellen verbessern. Last but noch least wirkt er allgemein schmerzlindernd und entzündungshemmend. Die Studien hierzu wurden vermehrt anhand von Tierversuchen mit Mäusen und Ratten nachgewiesen. [7]
Eine antikanzerogene Wirkung konnte anhand von Studien [8] nachgewiesen werden. Dabei steht vor allen die Behandlung von Tumoren und Tumorneubildungen mit Crocetin und Quercetin im Vordergrund, welchen beiden starke antioxidative Fähigkeiten nachgesagt werden.
Crocetin, besagt eine neueste Studie, [10] hat ein bedeutendes Potenzial als Anti-Tumor-Mittel in Tiermodellen und Zellkulturen gezeigt. Crocetin beeinflusst das Wachstum von Krebszellen und hemmt die Nukleinsäuresynthese, trägt zu einer Verbesserung des antioxidativen Systems bei und hilft Apoptosen zu induzieren.
„Besonders wichtig ist, dass Safran keine Nebenwirkungen in minimalen homöopathischen Dosen hat“, so Sunder-Plassmann. [2]
Wer allerdings des Guten zu viel tut und das Gewürz überdosiert, muss mit weniger schönen Folgen rechnen. Denn was bei normalem Genuss als Heilpflanze gilt, verursacht in größeren Mengen Vergiftungen beim Menschen: Bei einer erhöhten Einnahme von mehr als fünf Gramm kann Safran negative Effekte hervorrufen, dazu gehören Schwindelgefühle, eine Verminderung des Pulsschlages, Nasenbluten, Übelkeitsgefühle und Gesichtsrötung sowie im schlimmsten Fall ein Abbruch der Schwangerschaft. [11] Dosierungen über 10g können für den Menschen tödlich sein [12] – das gilt für eine Menge von 100g Speisesalz allerdings auch.
Dirk Schneider
Experte für Edelgewürze
Quellangaben
[1] Schauer G.K (1943), Rosen und Tulpen, Lilien und Safran, Gartenlust von gestern und heute, Rudolf M. Rohrer, Brünn-München- Wien
[2] Heike Edith Sunder-Plassmann (2009), Safran – Phytologie, Inhaltsstoffe, Produktion, Verarbeitung, Qualität, Vermarktung, VDM
[4] Agha-Hosseini M, Kashani L, Aleyaseen A, Ghoreishi A, Rahmanpour H, Zarrinara AR, Akhondzadeh S., (2008), Crocus sativus L. (saffron) in the treatment of premenstrual syndrome: a double-blind, randomised and placebo-controlled trial, BJOG 2008 Mar;115(4):515-9. doi: 10.1111/j.1471- 0528.2007.01652.x.- http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18271889
[5] Abe, K – Saito H. (2000), Effects of Saffron Extract and its Constituent Crocin on Learning Behaviour and Longterm Potentiation, Phytotherapy Research
[6] Noorbala AA, Akhondzadeh S, Tahmacebi- Pour N, Jamshidi AH (2005), Hydro-alcoholic extract of Crocus sativus L. versus fluoxetine in the treatment of mild to moderate depression: a double-blind, randomized pilot trial., Journal of Ethnopharmacology (2005;97:281–4) – http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15707766/
[7] R. Srivastava, H. Ahmed, R. K. Dixit, Dharamveer, and S. A. Saraf (2010), Crocus sativus L.: A comprehensive review, Pharmacogn Rev. 2010 Jul-Dec; 4(8): 200–208. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3249922/
[8] Jagadeeswaran R., Thirunavukkarasu, C, Gunasekaran P., Ramamurty N, Sakthisekaran D. (2000) In vitro studies on the selective cytotoxic effect of crocetin and quercetin, Fitoterapia 71
[9] Abdullaev (2002 + 2003), Cancer Chemo preventive and Tumoricidal Properties of Saffron, Exp. Biol. Med. Vol 227 (1)
[10] Gutheil WG, Reed G, Ray A, Anant S, Dhar A.(2012), Crocetin: an agent derived from saffron for prevention and therapy for cancer. Curr Pharm Biotechnol. 2012 Jan;13(1):173-9. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21466430
[11] http://www.vetpharm.uzh.ch/reloader.htm?giftdb/pflanzen/0183_tox.htm?inhalt_c.htm
[12] Jossen, E. (1989), Mund – Das Safrandorf im Wallis, Naters
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