IM FOKUS: Die Procain-Basen-Therapie
parenteral – dermal – oral
Mitte der 1990er-Jahre wurde die Procain-Basen- Therapie von den Autoren dieses Artikels entwickelt. 1997 als Procain-Basen-Infusion (Infusionsneuraltherapie) erstmals publiziert, ist diese Methode inzwischen zu einer Standardtherapie bei der Schmerz- und Entzündungshemmung geworden und hat weitere Effekte wie Gefäßerweiterung, Sympathikolyse, antioxidative, antirheumatische und Fett senkende Wirkung bis hin zur Immunmodulation und Krebshemmung. Vor wenigen Jahren ist es gelungen, Procain als Feststoff (Salz) zu synthetisieren, welcher aufgrund hydrophiler und hydrophober Eigenschaften über die Haut und Schleimhäute resorbierbar ist und auch als parenterale Gabe mit verbesserten Wirkeigenschaften gegenüber der Procain-Basen- Infusion Vorteile aufweist.
Die Methode: Procain-Basen-Therapie
Bereits vor über 100 Jahren als Lokalanästhetikum synthetisch hergestellt (Novocain, 1898, vorher aus der Agave hergestellt), zeichnet sich Procain durch eine Summation von pharmakologischen Eigenschaften aus, weshalb Frau Prof. Ana Aslan als Begründerin der gleichnamigen Therapie (Procain-Revitaliserungstherapie) auch von einem „königlichen Medikament“ sprach. Es führt im Gegensatz zu den meisten anderen Anästhetika zu einer Mikrozirkulationserhöhung [1]. Glusa et al. [2] konnten die kapillare Weitstellung am Tiermodell auch für das bei der Infusion übliche Procain-Basen-Gemisch finden. Weitere Vorzüge bestehen in der guten Steuerbarkeit und geringen Toxizität durch kurze Halbwertszeit und Serumabbau, Sauerstoff sparenden und kapillarabdichtenden Effekt [3], Entzündungshemmung [4, 5, 6], antioxidativen und Lipid senkenden Effekt [7-9]. Die von Krause [6] nachgewiesenen antiinflammatorischen Effekte von Procain bei rheumatischen Erkrankungen zeigten die hohe Potenz besonders in Kombination mit einem Basenzusatz. Die Wirkung an der Zellmembran und in der Grundsubstanz ist bekannt [10, 11] und wird fortwährend untersucht [12-14]. Die Anwendung im Schmerzbereich als Infusion wurde ebenfalls mehrfach publiziert [15-19]. Im Jahre 2003 wurde schließlich der wachstumshemmende Effekt von Procain auf menschliche Krebszellen in vitro von einer spanischen Arbeitsgruppe beschrieben [20].
Bekannt ist Procain in der Neuraltherapie nach Huneke zur Herd-, Quaddel- und Segmentbehandlung als das Mittel der Wahl. Die Infusion von Procain war für uns 1994 die logische Konsequenz des Einsatzes höherer Dosen mit systemischer Wirkabsicht (s. Abb. 1).
Dabei war der Zusatz von Natriumbicarbonat zur Wirkverlängerung hoher Dosen von Procain zur Erhaltung der Homöostase im Körper erforderlich. 1997 erfolgte die erste Veröffentlichung von Reuter und Oettmeier [16] zu Erfahrungen mit der neuen Therapie (Infusionsneuraltherapie) und 1999 die Resultate zu hoch dosierten Procain-Basen-Anwendungen [18]. Inzwischen ist die Procain-Basen-Infusion (PBI) weit verbreitet (die Suche bei Google zu „Procain-Basen-Infusion“ liefert ungefähr 8,5 Mio. Ergebnisse). Daraus entwickelte sich die Procain-Basen-Therapie mit der Weiterentwicklung eines Clustersalzes (ProcCluster®) zur oralen, dermalen und parenteralen Anwendung, die Erfahrungen wurden in Vorträgen und Veröffentlichungen weiterhin zur Verfügung gestellt.
ProcCluster® – die Innovation für die systemische Procaintherapie
Procain als Feststoff so zu synthetisieren, dass er aufgrund hydrophiler und hydrophober Eigenschaften sowohl über die Haut und Schleimhäute resorbierbar wird und zudem verbesserte Wirkeigenschaften gegenüber der flüssigen Ausgangsform aufweist, ist einem Labor aus Jena gelungen. Hiermit ist es möglich geworden, chronische Schmerz- und Entzündungsfälle, welche eine Langzeitbehandlung benötigen, systemisch mit Procain zu behandeln. Der Vergleich von ProcCluster®-Therapie und PBI hat einige Vorteile und Innovationen, wie intensivere Wirkung und Langzeiteffekt, gezeigt (s. Abb. 2).
Der von der Entwickler- und Herstellerfirma GMP-gerecht hergestellte Wirkstoff ist seit drei Jahren deutschlandweit als Rezepturarznei über Apotheken verfügbar (Kapseln, Tabletten, Salbe). Seit Kurzem ist der Wirkstoff auch parenteral als Injektion und Infusion im Rahmen der Eigenherstellung von Arzneimitteln nach AMG §13 Abs. 2b in einem ebenfalls GMP-gerechten Labor herstellbar. Damit ist diese Therapie auch für Heilpraktiker primär einsetzbar.
Bisher ist die ursprüngliche Procain-Basen-Infusionstherapie nur nach Anweisung eines Arztes beim Patienten anwendbar. Eine multizentrische Anwendungsbeobachtung in 36 Arztpraxen zeigte bei der Auswertung von 208 Patienten eine 85%ige Wirkung auf den Schmerz, eine Verbesserung des Allgemeinbefindens um 81% und einen Langzeiteffekt (über mindestens sechs Monate) von 68%. Das Einsatzgebiet der Procain-Basen-Therapie kann effektiv Konzepte der Schmerz- und Entzündungstherapie, Revitalisierung, „Entsäuerung“ und Stoffwechselanregung ergänzen (s. Abb. 3).
Praktische Vorgehensweise Procain-Basen-Infusion und ProcCluster®-Therapie
100 bis 500 mg konservierungsstofffreies und i.v.-zugelassenes Procain werden gemeinsam mit Natriumbicarbonat in einer isotonischen Kochsalzträgerlösung infundiert. Meist finden 20 bis 100 ml einer 8,4%igen Natriumbicarbonatlösung pro 500 ml Trägerlösung Anwendung.
In Abhängigkeit von der Schmerzstärke, Akuität der Beschwerden und dem Vorhandensein von Überwachungstechnik werden 0,1 bis 0,5 g Procain eingesetzt (Abb. 4).
Der gleichzeitige Zusatz von Natriumbicarbonat (20 bis 120 ml einer 8,4%igen Lösung) erfolgt mit dem Ziel der Wirkprolongation von Procain (Verhinderung einer frühzeitigen Dissoziation mit nachfolgendem Abbau im Serum) sowie zur Reduktion der häufig aufzufindenden pHAbsenkung in der Zellmikroumgebung. Damit können erheblich höhere periphere Anflutungsraten an wirksamem Procain erreicht werden (s. Abb. 2).
Bei der ProcCluster®-Therapie werden bei Injektionen 1-%- und 2-%-Lösungen i. m. gespritzt und/oder Infusionen mit 0,1 bis 0,3% Konzentrationen verabreicht.
Bei der ProcCluster®-Anwendung als parenterale Applikation sollte eine Testung mit einer ProcCluster®-Salbe am Unterarm zur Verträglichkeitsprüfung vorausgehen. Besteht die Indikation zu einer Langzeitanwendung bspw. zur Schmerzlinderung, Sympathikolyse, Entzündungshemmung und Regulationsanregung, so bietet sich die Verordnung von ProcCluster®-Kapseln oder -Tabletten an. Dadurch kann die Wirkung erhalten und ggf. der Behandlungsintervall zwischen den Neuraltherapie- oder Infusionssitzungen prolongiert werden. ProcCluster®-Kapseln haben dabei eine kürzere Halbwertszeit, werden schneller resorbiert und sind für besonders sensible Patienten empfehlenswert. Bei ausgeprägterer Beschwerdesymptomatik haben sich die ProcCluster®-Tabletten bewährt, welche zudem einen größeren Depot- bzw. Retardeffekt mit sich bringen. Alternativ zum oralen Präparat ist bei oberflächlichen Schmerzen und Entzündungen (z.B. Herpes Zoster, Verbrennungen, Erfrierungen, Zahnfleischproblemen, Enthesiopathien u.a.m.) die ProcCluster®- Salbe verfügbar. Hier genügen aufgrund der hohen Resorptionsrate durch die Haut bereits geringe Mengen für einen Wirkeffekt.
Kurzzeitige Nebeneffekte
Nach inzwischen über 110000 Anwendungen der Infusionsneuraltherapie gemäß der genannten Vorgehensweise in eigener Klinik und Praxis haben wir die Nebenwirkungen der Behandlung genau erfasst. Hierbei wurde erfreulicherweise in keinem Fall eine ernsthafte allergische Notfallsituation beobachtet. In einer Metaanalyse der Überwachungsdaten wichtiger Vitalfunktionen bei 5698 Procain- Basen-Infusionen von uns konnte das geringe Risiko in der Anwendung belegt werden. Die meisten Anwendungen wurden in mittleren Dosisbereichen von Procain (100 bis 300 mg) und Natriumhydrogencarbonat (8,4%, 40 bis 80 ml) registriert. Nur ganz gering ausgeprägt konnte anhand der Mittelwerte Herzklopfen und Blutdruckanstieg unter höheren Dosierungen von Procain über 500 mg und insbesondere Natriumhydrogencarbonat (8,4% über 100 ml) gefunden werden. Diese Effekte klangen meist innerhalb weniger Minuten, insbesondere durch eine Reduktion der Infusionsrate, ab. Überwachungstechnik ist bei Dosierungen über 300 mg Procain sinnvoll.
Besonders sensible Personen spüren auch bei ProcCluster®-Applikation einen bitteren Mundgeschmack und Gesichtsflush als Zeichen einer Überdosierung oder eines Pseudoesterasemangels. Hier ist unbedingt eine deutliche Dosisreduktion vorzunehmen. Beim Einsatz von ProcCluster® wurden in wenigen Fällen Magen-Darm-Beschwerden im Sinne von Übelkeit, Magenschmerzen, Darmverkrampfungen und Durchfall beobachtet. Alle Erscheinungen als Resultat individueller Überempfindlichkeit klingen nach Absetzen bzw. Einnahmeintervallprolongation schnell ab.
Kurzkasuistiken
Die nachfolgende Darstellung einiger Fälle verdeutlicht das Potenzial der systemischen Procaintherapie via Procain- Basen-Infusion (PBI) und ProcCluster®-Anwendungen:
• Patientin, 72 Jahre, Trigeminusneuralgie beidseitig, Parkinson, austherapiert VAS 8-10 (Schmerzskala); seit zwei Jahren durch orale ProcCluster®-Einnahme auf VAS 5, seit drei Monaten zusätzlich Injektion und Infusion im Wechsel alle zwei Wochen, dadurch nochmals Absenkung Schmerz auf unter VAS 3.
• Patient, 67 Jahre, Multitrauma durch Verkehrsunfall, Knie-Totalendoprothese (TEP), anhaltende Schmerzen seit Jahren, v. a. chronische Infektion, opiatpflichtig, lokale Infiltration mit ProcCluster® 2% im TEP-Bereich, schmerzfrei für 14 Tage.
• Patientin, 73 Jahre, chronisches Schmerzsyndrom, Fibromyalgie, Analgetika-Nonresponder, bisher nur Procainhydrochlorid lindernd für einen Tag oder Stunden mit i.m.-Injektion. Beginn mit ProcCluster® -Infusionen, fühlt ein Kribbeln und starke Durchblutung, Schmerzminderung für eine Woche um 50%. Im Verlauf der Behandlung jeweils zwei Wochen Schmerzminderung.
• Patientin, 57 Jahre, Dg. Amyotrophe Lateralsklerose, reduzierte Gehfähigkeit, allgemeine Gliederschmerzen, im Vorfeld gutes Ansprechen auf Procain-Basen-Infusion (PBI), unter Einnahme von täglich 1 Kapsel ProcCluster® (60 mg) über sechs Monate gute Befindlichkeit und keine Schmerzspitzen mehr.
• Patientin, 53 Jahre, metastasierendes Mammakarzinom, Knochenmetastasen, PBI und dann im weiteren Verlauf Applikation der ProcCluster® im Rahmen eines biologischkomplementären Gesamtkonzeptes, erreicht völlige Schmerzfreiheit, allgemein besseres Befinden, deutlich erhöhter Tumormarker bleibt unverändert, Verlauf über bisher zehn Monate stabil.
• Patientin, primär chronische Polyarthritis, chronischer Schmerz des Handgelenkes, der basalen Fingergelenke und linken Sprunggelenkes, Anfangswert: CRP = 54,4 (N<10), VAS 6-7, gutes Ansprechen auf Therapieversuch mit Procain-Baseninfusion (200 mg bzw. 80 ml Nabi), Umstellung auf 1×1 Kapsel ProcCluster ® (60 mg) 1×1; drei Monate später CRP = 34,4, Schmerz- und Entzündungsaktivität rückläufig, weniger Morgensteifigkeit, Medikation idem; sechs Monate später CRP = 17,7, weiter Besserung, weniger Wetterfühligkeit, Medikation idem; nach zehn Monaten CRP = 8,7, Patient sehr zufrieden, Medikation idem; nach einem Jahr CRP = 5,7, Patient im Alltag jetzt voll belastbar, nur noch wetterabhängige Morgensteifigkeit, Rheumatologe sehr verwundert, Verlauf bis dato stabil.
• Patient, 48 Jahre, Sklerodermie, Gelenkschmerzen, Fingerkälte und Dysästhesien, Augentrockenheit; sehr gutes Ansprechen auf PBI, Umstellung auf ProcCluster® (60 mg) reproduziert diese Wirkung über inzwischen 14 Monate.
• Patientin, 38 Jahre, Multiple Sklerose, schubweiser Verlauf, primärer Einsatz der ProcCluster®, Schub innerhalb zwei Wochen ohne Kortikoide weg, Wirkung hält teilweise drei bis vier Tage an, Wirkung auf Entzündungsaktivität und Befinden sehr positiv, seit zweieinhalb Jahren schubfrei.
• Patientin, 72 Jahre, Spätzustand einer Herpes Zoster-Neuralgie li. thorakal, wenig Besserung nach Lyrica (bis 150 mg) und Lidocainpflaster lokal, Behandlung mit ProcCluster® Salbe 1%, 2x täglich über vier Wochen, Schmerz etwa halbiert, Patientin zufrieden, Nachtschlaf ohne Unterbrechung möglich.
Schlussfolgerung
Die Ergebnisse und unsere inzwischen seit 1994 an ca. 50000 Patienten vorliegenden Erfahrungen belegen die Wirksamkeit der Procain-Basen-Therapie im Rahmen der regulativen und ganzheitlichen Behandlung von Schmerzpatienten und chronisch Kranken unterschiedlichster Genese als innovativen Therapiebaustein. Das Einsatzgebiet der Methode kann effektiv Konzepte der Schmerz- und Entzündungstherapie, Revitalisierung, „Entsäuerung“ und Stoffwechselanregung ergänzen. Heilpraktiker haben mit der Anwendung von ProcCluster®-Infusionen und -Injektionen nun die Möglichkeit, diese Therapieform in ihre Praxis als Primärbehandlung zu integrieren.
Dr. med. Uwe Reuter
Praxis in der Klinik im LEBEN, Medizinisches
Versorgungszentrum für Homöopathie, Naturheilverfahren, spezielle Schmerztherapie, Palliativmedizin, Akupunktur,
Chirotherapie, Biologische Krebsmedizin, Mayrmedizin, Energieund Informationsmedizin
Quellenangaben
[1] HUANG, Y., LAU, C.W., CHAN, F.L., YAO, X.Q.: Contribution of nitric oxide and K´ channel activation to
vasorelaxation of isolated rat aorta induced by procaine. Eur. J. Pharmacol. 367 [1999], S. 231-237
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Spasmolytische Wirkung von Procain an der Rattenaorta. ID-Pharma, Forschungsmaterialien [1999]
[3] HAHN-GODEFFROY,
J.D.: Procain in der Neuraltherapie nach Huneke. Der Allgemeinarzt 14 [1993]
[4] DONALDSON, L.F. et al.: Local
anaestesia prevent acute inflammatory changes in neuropeptide messenger RNA expression in rat dorsal root ganglia
neurons. Neuroscience Letters 175: 111-113 [1994]
[5] LEVINE, R. et al.: The contribution of neurogenic
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Weitere Literatur beim Verfasser
ProcCluster®: Weitere Informationen zur Rezeptur und Bezugsadresse bei den Autoren Dr. med. U. Reuter und Dr. med. R. Oettmeier
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